Entrée
Hätte er Prinz Ryoma nicht seelenruhig essen sehen, er hätte das alles für einen schlechten Witz gehalten. Einen dummen, verzweifelten Versuch um ihn zumindest in privaten Belangen vorzuführen, als wäre er noch ein kleines Kind. Doch Prinz Ryoma aß, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan und so musste er sich wohl oder übel fügen und annehmen, dass es in Hoshido wirklich möglich war Suppe mit zwei kleinen, glatten Holzspießen zu essen.
Er wusste nur nicht wie.
Wann immer er glaubte eines der undefinierbaren, weißen Teile erfolgreich aufgespießt zu haben, rutschte es ihm von seinem Spieß und verschwand in den Untiefen der Brühe. Xander unterdrückte ein Seufzen. So hatte er sich ein Abendessen mit dem Feind nicht vorgestellt. Hätte er geahnt, dass er sich weniger um die Gerichte als um das Besteck sorgen musste, er hätte darauf bestanden, sich selbst um die Zubereitung des Menüs zu kümmern.
So aber blieb ihm nichts anderes übrig als mit den Spießen in der Suppe herumzurühren und den Pilzen beim schwimmen zuzusehen. Dabei hatte er wirklich Hunger. Aus Sorge um die fremdartigen Zutaten war er extra mit leerem Magen erschienen. Ganz gemäß der Prämisse: „Der Hunger treibt's schon rein.“
Ein großer Fehler.
Auf der anderen Tischseite ließ Prinz Ryoma seine Stäbe sinken.
„Schmeckt Euch meine Suppe nicht?“, fragte er, bemüht den neutral höflichen Ton zu wahren, den sie Beide nutzten, wann immer es ihnen nicht möglich war, dem jeweils Anderen aus dem Weg zu gehen.
Xander schüttelte den Kopf.
„Sie ist vorzüglich“, log er, doch das schien seinen Gegenüber nicht zu beruhigen.
„Vorzüglich sieht in Hoshido anders aus“, stellte er mit einem bedeutungsschweren Blick auf die Schüssel fest. „Habt Ihr überhaupt davon gegessen?“
Xander presste die Lippen aufeinander und schwieg. Er hätte ja davon gegessen, wäre er in der Lage gewesen das Zeug irgendwie in seinen Mund zu bekommen, doch das würde er dem Anderen sicher nicht auf die Nase binden.
Es musste irgendwie möglich sein mit diesen Stäben mehr als einen Lauchring anzuheben.
Nur wie?
Auf der anderen Tischseite schüttelte Prinz Ryoma beleidigt den Kopf.
„Ich hätte es besser wissen sollen, als Euch unsere beste Suppe zu servieren“, murrte er, während er er seine Schüssel anhob. Einen Moment lang nahm das Bedürfnis vor potentiellen Wurfgeschossen in Deckung zu gehen in ihm fast überhand, doch dann setzte der Andere die Schüssel lediglich an die Lippen und trank.
Fassungslos sah Xander dabei zu wie sein Gegenüber schluckte und schluckte und fassungslos musste er sich eingestehen: Ja, so konnte er die Suppe auch verzehren. Wozu hatte er diese blöden Stäbe überhaupt erst bekommen, wenn er das Zeug an der hoshidischen Tafel auch einfach trinken konnte?
Verärgert hob er seinerseits die Schüssel an. Vermutlich hatte Prinz Ryoma ihn doch nur vorführen wollen. Ja, so musste es sein. Er hatte ihn vorführen wollen und er war wie ein Idiot darauf hereingefallen und hatte mit den dummen Stäben in der Suppe herum gerührt, wohl wissend, dass es nicht möglich war eine Suppe mit etwas so banalem wie zwei Holzspießen zu essen.
Wütend schluckte er die Brühe, mehr als bedacht darauf sich bloß nicht mit dem Zeug zu bekleckern, warf den am Grund verbliebenen Zutaten einen tödlichen Blick zu und ließ die Schüssel schließlich wieder sinken. Er kam sich dumm dabei vor die Einlage zu verschmähen, doch noch einmal würde er sich keine Blöße geben.
Ganz gleich wie der Hauptgang aussah, Prinz Ryoma würde nicht gewinnen!