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the pen is mightier

... or is it?
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
... irgendwie bin ich so gar nicht zufrieden mit der Geschichte.
Naja. Vielleicht bin das nur ich.
Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen

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Die Feder ist mächtiger als das Schwert.

Die Feder ist mächtiger als das Schwert.

Hätte man sie gefragt, was sie von diesem alten Sprichwort hält, hätte sie vermutlich ohne zu zögern zugestimmt.

Klar! Den Satz müsste ich mir eigentlich direkt fett auf die erste Seite meines Notizblocks schreiben, so gut passt er. Ohne meinen Mund ist mein Stift die direkte Verlängerung meines Gehirns. Die einzige zivilisierte Form der Kommunikation, die ich noch führen kann. Das geschärfte Schwert des Geistes sozusagen. Worte sind flüchtig, nur kleine weiße Atemwölkchen, die in die Luft aufsteigen und in der nächsten Sekunde nichts mehr wert sind, aber Papier ist geduldig.

Mit einem Stift kann man ganze Welten, angefüllt mit so vielen bunten Figuren, aus dem Kopf auf die Rückseite einer Restaurantserviette bannen, gigantische Luftschlösser bauen und wieder zerstören. Mit den Gefühlen der Leser spielen, sie zum herzlichen Lachen und im nächsten Absatz zum hemmungslosen Schluchzen bringen. Informationen verbreiten und menschliches Wissen für die Ewigkeit festhalten. Kommunizieren. Kriege anzetteln. Frieden schließen.

Mit nur einem Stift kann man die Welt verändern. So hätte sie es wohl überpoetisch zusammengefasst und nach kurzem Nachdenken hinzugefügt: Außerdem kann man ihn auch hervorragend als Nahkampfwaffe verwenden.

Die Feder ist mächtiger als das Schwert.

Es gab tatsächlich eine Zeit, in der sie daran felsenfest glaubte. In der sie glaubte, dass man alles auf der Welt in Worte fassen könne. Dass man jeden Menschen, jedes Ding, jeden Gefühlszustand mit nur einem Stift und ein paar Buchstaben bändigen, in Satzkorsette zwängen und auf Papier bannen könne.

Bis zu dem Tag, an dem sie ihn zum ersten Mal traf und er dieses Weltbild innerhalb von Sekundenbruchteilen zerschmetterte, ohne es überhaupt zu ahnen.

Seitdem stellt sie immer wieder schmerzlich fest, dass ihr Herz so viel größer ist als ihr Notizblock. Sie könnte Seiten über Seiten damit füllen, wie gerne sie einmal durch seine ständig zerzausten Haare fahren würde, wie wunderschön bunt seine Kleidung ist und wie ihr Herz jedes Mal einen Hüpfer in ihrer Brust macht, wenn sie ihn lächeln sieht. Sie könnte schreiben und schreiben und schreiben, bis die ganze Welt in einem Berg aus Papier verschwunden wäre.

Aber jedes Mal, wenn sie ihren Stift auf dem Blatt ansetzt, stockt sie. Ihre Hand erstarrt und will sich keinen Millimeter mehr bewegen, ihre Finger zittern unkontrolliert.

Egal, welche Worte sie sich vorher zurechtgelegt hat, sie werden fortgetragen in dem chaotischen Wirbel aus Gedanken und Gefühlen, der sich plötzlich in ihrem Kopf auftut. Kein Wort dieser Welt scheint fähig, das, was sie fühlt, ausreichend zu beschreiben, die einfachsten Sätze werden in ihrem Kopf zu Bandwürmern, sie stolpert, verhaspelt sich in ihren Gedanken, zerknüllt schließlich frustriert das leere Blatt. Alle Macht der Welt in ihrer Hand und sie kann nichts damit anfangen.

In solchen Momenten wünscht sie sich aus tiefster Seele, sprechen zu können. Ihn einfach ansprechen zu können, sobald sie ihn irgendwo sieht und beginnen, über etwas völlig Belangloses wie zum Beispiel das Wetter zu reden. Wahlweise auch nur peinlich herumzustottern. Alles ist besser, als dieser ewigen Stille hilflos ausgeliefert zu sein, die sie so ohnmächtig ihren Gefühlen gegenüber macht. Die sie ganze Seiten ihres Blocks vollkritzeln lässt mit kitschigen Herzen, weil es das Einzige ist, das sie tun kann. Die ihr viel zu viel Zeit zum Nachdenken lässt und keinen Platz hat für spontane, riskante oder impulsive Unternehmungen. Die ihr jedes Mal, wenn sie glaubt, endlich den Mut gefunden zu haben, auf ihn zuzugehen, wieder flüsternde Zweifel ins Hirn streut, die ihr Warnungen zuwispern. Ihr davon abraten, ihn irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Sie langsam, aber sicher davon überzeugen, dass sie sowieso nicht gut genug ist für ihn.

Ihr Mut verlässt sie und sie ist wieder allein mit dem Mahlstrom ihrer Gedanken, in den sich nun noch Trauer über die verpasste Gelegenheit mischt.

Die Feder ist mächtiger als das Schwert.

Der Satz steht immer noch in großen Lettern auf der ersten Seite ihres Notizblocks. Aber es fühlt sich nicht so an, als stumme Tränen auf das Papier fallen und die kitschigen Herzen zu verwaschenen hellblauen Flecken werden.

Als der dünne Stift beinahe lautlos in ihren Fingern zerbricht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Lady_Shanaee
2016-11-11T20:35:38+00:00 11.11.2016 21:35
Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Diese Worte, die Du benutzt, um diese wirbelnden Gedanken in eben Worte zu fassen und uns Lesern damit zugänglich zu machen sind wahnsinnig gut gewählt.
Besonders diese Passage gefällt mir: Egal, welche Worte sie sich vorher zurechtgelegt hat, sie werden fortgetragen in dem chaotischen Wirbel aus Gedanken und Gefühlen, der sich plötzlich in ihrem Kopf auftut. Kein Wort dieser Welt scheint fähig, das, was sie fühlt, ausreichend zu beschreiben, die einfachsten Sätze werden in ihrem Kopf zu Bandwürmern,...
So geht es mir auch oft selbst, und so wird das Ringen um die passenden Worte zu einem wahren Kraftakt. Hut ab vor Deinem Können.
Antwort von:  AtriaClara
13.11.2016 09:27
Hallo erstmal und vielen Dank für deinen Kommentar. Freut mich sehr, dass mein Schreibstil dir gefällt! Und ja, die Passage mag ich auch. Cool, dass du das genauso siehst. ^^

Wir sehen uns!
LG AtriaClara
Von:  Hunter25
2016-11-06T17:32:06+00:00 06.11.2016 18:32
Wow. Jetzt hab ich sie mir mal durchgelesen und das erste und einzige, was ich dazu sagen kann, ist "Wow". Einfach toll. Ich hab mich richtig in den Zeilen verloren und geradezu gespannt weitergelesen :D
Einige, na ja, eher fast alle Sätze waren so schön und haben eine solch starke Bedeutung dahinter, dass ich mir glatt gewünscht habe, sie wären aus meiner "Feder" entstanden. Einfach nur schön dieser One Shot. Wow :)
Antwort von:  AtriaClara
07.11.2016 17:38
Hallo erstmal und vielen Dank für deinen Kommentar!
Und ein "Wow" zurück von mir für das viele Lob! Freut mich sehr zu hören, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat! ^^
(Ist irgendwie seltsam, dich jetzt mal auf Deutsch zu lesen. :'D)

Wir sehen uns!
LG AtriaClara
Antwort von:  Hunter25
07.11.2016 17:42
Gern geschehen :D
Und gell? Es ist anders aber ich find's ganz angenehm XD

Jedenfalls ist dir der One Shot sehr gut gelungen. Mach weiter so ^^

~ Hunter
Von: abgemeldet
2016-09-29T08:32:18+00:00 29.09.2016 10:32
Was für eine starke Geschichte!


Vermutlich kann jeder, der schonmal etwas schreiben wollte, solch ein Gefühl nachempfinden. Dieses Gefühl, wenn man etwas schreiben will und doch kein Wort herauskommt. Das hast du wahnsinnig gut rübergebracht.
Bei ihr wird das Ganze natürlich noch belastender, weil sie nicht anders kommunizieren kann. Du hast sehr gut ihre Gedanken rübergebracht, und das in sehr, sehr starken Worten und wunderbaren Metaphern. Allgemein sind Metaphern deine Stärke. Du hast allgemein eine sehr bildliche Sprache und benutzt viele Adjektive, ohne, dass es überladen wirkt. Obwohl ich persönlich kein Fan des Präsens bei Geschichten sind, stört es mich hier keineswegs und passt perfekt auf die Situation.

Wie du die Situation aufbaust, gefällt mir sehr gut. Zunächst hochmotiviert, kommt der Abfall - und auch die Beschreibung der Problematik. Wie die Protagonistin "ihn" beschreibt - oder eher ihre Liebe - wirkt einfach wirklich niedlich und süß, einfach verliebt, so, wie es sein sollte. Im Gegensatz zu dieser wunderbaren Liebe steht dann natürlich die Verzweiflung, dass sie nicht schreiben kann, was sie denkt und sagen will. Das ist wirklich frustrierend, selbst als Leser.
 
Ebenso das Ende. Der letzte Satz ist stark, vielleicht der stärkste in der ganzen Geschichte. Er zerstört nicht nur den Stift, sondern die Protagonistin und den Leser selbst. In ihm ist keine Hoffnung, sondern nur Verzweiflung. Ganz, ganz stark!
 
Liebe Grüße,
Lichti
 

Funfact an der Sache: Bei meiner ersten Beziehung konnte ich nie schreiben, erst danach wieder. Ich hab später immer gesagt, dass Liebe meine Kreativität tötet. xD
 
Antwort von:  AtriaClara
01.10.2016 14:24
... und auf zum letzten Kommentar.

Wenn ich deinen Kommentar richtig interpretiere, dann war das hier wohl dein Liebling unter meinen Einsendungen, oder? Ich muss ehrlich sagen, mit einer derart positiven Resonanz auf diese Geschichte hätte ich nie gerechnet. Ich war irgendwie absolut nicht zufrieden damit, was ich ja auch ins Vorwort geschrieben habe. Umso besser, zu sehen, dass es den Lesern doch zu gefallen scheint. ^^
Allgemein habe ich mich vorher extrem dagegen gesträubt, irgendwas Romantisches zu schreiben. Abgesehen davon, dass ich es überhaupt nicht mag, etwas Romantisches zu lesen, kam bei mir noch das Hindernis dazu, dass ich noch nie verliebt war (und es auch nie sein werde) und ich mir nicht sicher war, ob ich es schaffen würde, eine Geschichte über etwas zu schreiben, das ich so gar nicht nachvollziehen kann. Daher bin ich sehr glücklich, dass ich das hingekriegt zu haben scheine. :'D
Vielen Dank für deinen Kommentar und das viele Lob! ^^

Wir sehen uns!
LG AtriaClara
Von:  Kerstin-san
2016-08-02T17:34:01+00:00 02.08.2016 19:34
Hallo,
 
also ich bin sehr glücklich mit der Geschichte ;) Nein, im Ernst, du hast diesen Übergang von fröhlich und unbeschwert zu traurig und frustriert wirklich wahnsinnig toll rübergebracht.
 
Am Anfang wirkt das alles so übermütig würd ich fast sagen, während sich deine Protagonistin ihre Gedanken um die Macht der geschriebenen Worte macht. Gerade diese Hoffnung, dass man als Autor seinen Leser einfangen kann und ihn die Emotionen fühlen lassen kann, die man ausdrücken wollte. Das ist doch was, was sich auch jeder Hobbyautor wünscht.
 
Und dann kommt dieser Bruch in der Geschichte und man merkt, dass sie aktuell weit davon entfernt ist unbeschwert und losgelöst zu sein. Ganz im Gegenteil. Im übertragenen Sinne könnte man das ja fast mit einer Schreibblockade vergleichen. Dieses Gefühl, dass man etwas zu Papier bringen will, aber es einfach nicht kann, weil es sich einfach nicht richtig anfühlt. Nur, dass es für sie hier wensentlich schlimmer ist, weil das Schreiben offenbar ihre einzige Möglichkeit ist, überhaupt zu kommunizieren (Sie ist stumm, oder?) und sie durch ihre Unfähigkeit sich richtig auszudrücken vollkommen isoliert wird und sich ihr Gedankenkarusell ununterbrochen dreht. Man merkt, wie es sie frustriert und gleichzeitig auch lähmt, wie sie in ihrer unglücklichen Liebe gefangen ist und dabei immer verbissener und unsicherer wird.
 
Oh und dann der Bezug mit dem Satz in ihrem Notizblock zurück zum Anfang der Geschichte unter ganz umgekehrten Vorausssetzungen. Wie unglaublich bitter! Ich binja ein Riesenfan von aussagekräftigen letzten Sätzen und mein Gott, deiner passt hier einfach perfekt.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  AtriaClara
02.08.2016 21:07
Hallo erstmal und vielen Dank für deinen Kommentar!
Und gleich nochmal danke für das Lob. °-°
Genau, sie ist auch im Grunde eine ziemlich überdrehte und (manchmal) witzige Person, deswegen passte die "überpoetische" Passage ganz gut zu ihr. Die Ähnlichkeit zum Schreibprozess des Autors ist mir tatsächlich auch aufgefallen, aber ich dachte, das passt doch. ;)
Oh ja, das Gefühl der Schreibblockade kenne ich auch. Hatte ich ironischerweise auch bei diesem OneShot ein paar Mal. X)
Und ja, sie ist stumm. Ich konnte mir ganz gut vorstellen, dass diese ewige Stille, die einen in dem Fall ja zwangsläufig umgibt, wenn man alleine ist, einen langsam in den Wahnsinn treibt, besonders wenn man unbedingt mit jemandem Kontakt aufnehmen will. Ich weiß nicht, was aus mir werden würde, wenn ich nicht mit mir selbst reden könnte. Vermutlich nichts Gutes. :'D
Die unglückliche Liebe wird in den beiden kommenden Teilen auch nochmal genauer thematisiert. Da gäbe es nämlich noch ein paar Probleme mehr als nur, dass sie stumm ist. Die alle in einen OneShot zu packen, wäre aber zuviel des Guten. ^^
Ja, ich liebe so Schlusssätze, die einen nochmal so richtig flashen, und ich liebe Schlusssätze, die sich auf den Anfang der Geschichte beziehen. Ich versuche eigentlich immer, beides zu verbinden und es freut mich sehr, dass dir das so gut gefällt! ^-^
Vielen Dank nochmal für den Kommentar!

Wir sehen uns!
LG AtriaClara


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