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Kettenreaktion

BokuAka
von

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Kettenreaktion

Das Studentenleben war eintönig, monoton und langweilig. Eine reine Routinesache, alles vorhersehbar. Und genau das mochte Akaashi Keiji.

Er wusste genau, was auf ihn zukam, was ihn erwartete und was er machen musste. Schließlich gab es kaum Abweichungen. Die größten Überraschungen kamen eigentlich nur dann vor, wenn der Dozent krank war und dafür eine Vertretung einsprang. Ansonsten lief alles wie gehabt.

So stellte er sich das Leben auch vor. Er hasste es, wenn etwas nicht planmäßig lief, das warf ihn dann zu sehr aus der Bahn.

Er hatte klare Linien vor Augen, Ziele, die er erreichen wollte und da konnte er es nicht gebrauchen, wenn etwas dazwischen kam und alles durcheinander brachte.

So lebte er schon seit ein paar Jahren und er glaubte glücklich zu sein. Bis…
 

„Hey, hey, hey! Ist das mal wieder ein geiler Morgen!“

Akaashi, der gerade auf den Weg zu seiner Uni war, lief an einer Bushaltestelle vorbei und sah im Augenwinkel, wie ein Junge die Arme von sich streckte, aber er konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren, da war es schon passiert.

Die Faust traf ihn unvorbereitet ins Gesicht und er verlor den Halt.

Erschrocken versuchte Akaashi nach irgendetwas zu greifen, um sich abzufangen, aber da er in einer Hand die Tasche und in der anderen Hand ein Buch gehalten hatte, hatte er keine Chance sich vor den Fall zu retten.
 

Er schlug hart auf sein Hinterteil und hatte das Buch und die Tasche verloren. Beides lag nun ebenfalls auf dem Boden, wobei der Inhalt der Tasche sich ebenfalls verabschiedet hatte und nun zerstreut auf dem Gehweg lag.

Leicht betäubt fasste Akaashi sich an die Wange, die leicht angeschwollen war und schmerzhaft pochte.
 

„Oh Fuck! Oh Fuck! Das tut mir Leid!“, rief der Junge und gestikulierte wild mit den Händen herum. Er schien völlig am Rad zu drehen und wusste scheinbar nicht wirklich, wie er reagieren sollte.

Ein paar Schüler und Arbeiter hatten das beobachtet, aber keiner kam und half. Warum auch? Niemand wollte sich die Hände schmutzig machen, aber das kümmerte Akaashi wenig.

Es war ihm sogar lieber, wenn sie sich fern hielten, er konnte keine weiteren Aufmerksamkeiten gebrauchen.
 

„Schon okay...“, murmelte er kaum hörbar und rappelte sich wieder auf. Der erste Schock hatte sich gelegt und Akaashi fing an, die Lehrutensilien zurück in die Tasche zu stopfen.

„W-Warte, ich helfe dir!“, schlug der Junge vor, aber Akaashi hatte darin kein Interesse. Er wollte einfach nur noch weiter, ein Blick auf die Uhr ließ ihn erschrocken aufkeuchen.

Er hatte nur noch zehn Minuten!
 

Hastig stopfte er den Rest hinein und schulterte sich die Tasche. Ohne ein weiteres Wort ging er weiter.

„Warte doch mal! Hey! Du hast hier noch...“

„Entschuldige, ich habe keine Zeit...“, wiegelte er den Jungen ab und ging mit beschleunigten Schritten von der Bushaltestelle weg.
 

Seufzend hielt er sich die schmerzende Wange, die nun ordentlich dick war.

Genau das hasste er. Unvorbereitete Sachen, auf die er nicht zu reagieren wusste.

Jemand anderes hätte den Jungen sicherlich zur Schnecke gemacht oder ihn angezeigt. Akaashi war überfordert gewesen, außerdem tat es echt weh.

Aber das Schlimmste war: Er kam zu spät in die Uni!!
 

*~*
 

Am nächsten Morgen lief Akaashi auf der anderen Straßenseite. Man konnte schließlich nicht wissen, ob da nicht wieder jemand die Arme ausstreckte, um unschuldige Passanten einen freundlichen Morgengruß zu verpassen.

Akaashi hatte die Wange den ganzen gestrigen Tag gekühlt. Die Schwellung war deutlich zurückgegangen, doch sie war immer noch sichtbar. Aber Akaashi ließ sich davon nicht von seinem Weg abbringen. Na ja, fast. Immerhin gab es ja nun eine kleine Veränderung, da er routinemäßig normal auf der linken Straßenseite lief, die an der Bushaltestelle vorbeiführte.

Doch diese Sache war nicht von Belang, so dachte Akaashi.

Dass diese „kleine Veränderung“ nur der erste Dominostein war, der umgefallen war und damit eine Kettenreaktion auslöste, konnte er noch nicht ahnen.
 

In seinem Paragraphstrafgesetzbuch vertieft, marschierte er nun an der Bushaltestelle vorbei und achtete nicht auf die andere Seite. Sonst hätte er den Jungen gesehen, der wohl Ausschau nach ihm gehalten hatte und wie wild winkte, als er ihn entdeckte.

Doch auch wenn er ihn bemerkt hätte, wäre er stur weiter gelaufen. Immerhin war dieser Fremde keine Planung in seinem Leben und somit auch nicht wichtig.
 

„Heeeey! Was für ein Zufall, dass wir uns wieder sehen!“, ertönte auf einmal diese, auf einmal bekannte, Stimme von gestern und Akaashi zuckte zusammen. Wieso?! Wieso konnte der Junge ihn nicht in Ruhe lassen?

Akaashi blieb stehen, schaute aber stur nach vorne.

Aber das schien den anderen nicht zu jucken, denn er umrundete ihn einfach und strahlte ihn an.

Es war das erste Mal, dass Akaashi ihn nun überhaupt ansah. Gestern hatte er ihn ja kaum beachtet und hatte nur zugesehen, dass er von hier weg kam. Erst jetzt fielen ihm diese ausdrucksstarken und, irgendwie, interessanten Augen auf, die golden schimmerten und nur so von Lebensfreude strotzten.

Das krasse Gegenteil von Akaashi.
 

„Ja… toller Zufall...“, murmelte Akaashi trocken und nickte ihm zu, ehe er weiterging.

Er hatte ihn wenigstens gegrüßt, das müsste doch reichen, oder?

Aber der Junge mit den hübschen Augen schien das anders zu sehen, denn er hüpfte neben ihm her und wedelte mit einem schwarzen Büchlein in der Luft herum.

„Hier, das hattest du gestern verloren. Aber ehe ich es dir geben konnte, warst du schon weg. Boah, bin ich froh, dass wir uns wieder gesehen haben, hehe!“, meinte er und Akaashi schielte zu dem Buch.

Sein Herz stockte bei dem Anblick und er griff blitzschnell nach dem Objekt.
 

„Hast… hast du da rein geschaut?“, wollte er wissen und sein Herz schlug etwas zu schnell. Er hatte darin ein paar Notizen verfasst und auch etwas über sein Leben berichtet. Es war so eine Art kleines Tagebuch, auch wenn er nur wenig drin stehen hatte. Nur Dinge, die ihn wirklich schwer beschäftigt hatten und worüber er mit niemand reden konnte.

„Japp!“, antwortete der Junge überraschend ehrlich, was Akaashi dazu brachte, ihn mit großen Augen anzusehen. Jeder hätte es in diesem Fall doch abgestritten oder gesagt: Aber nur die erste Seite. So die Standartausreden. Aber dieser Junge schien sehr aufrichtig zu sein.

Was Akaashi wieder aus dem Konzept brachte.
 

„Uhm… hm… o-okay…?“ Mist, Mist! Er war überfordert. Der Junge brachte ihn durcheinander. Schlechtes Zeichen! Er musste Ruhe bewahren!

„Mein Name ist übrigens Bokuto Koutarou! Wegen gestern… das tut mir wirklich Leid. Tut es noch arg weh?“

„Hör mal, ich muss weiter. Danke, dass du mir das Buch gegeben hast. Dein Bus ist übrigens da...“, lenkte Akaashi von sich selbst ab und deutete auf den Bus, der gerade angefahren war.

„Woaaah! Shit! D-Danke! Du hast echt was gut bei mir! Bis Morgen!“ Und damit rannte dieser merkwürdige Junge zurück an die Bushaltestelle und schlüpfte gerade noch rechtzeitig in den Bus, ehe er weg fuhr.

Akaashi war stehen geblieben und blickte ihm hinterher.

Ein leises Kichern entfloh ihm, welches aber sofort erstarb, als er es bemerkte.
 

Seine Wangen verfärbten sich rötlich und er schlug sich ein paar mal sanft mit der Handfläche gegen die Stirn.

Danach drehte er sich schnell vom Bus weg und stapfte Richtung Universität.

Sein Kopf rotierte, sein Gesicht brannte.

Im Ernst jetzt?! Seit wann kicherte er wegen einer anderen Person?! Und was, zum Teufel, meinte dieser Bokuto Koutarou überhaupt mit „bis Morgen“?!

Schnell schüttelte er seinen Kopf und lief weiter, während seine Gedanken ununterbrochen um Bokuto kreisten.
 

Der zweite Dominostein war umgefallen.
 

*~*
 

Klare Ziele vor Augen haben und alles geben, um das zu erreichen, was man sich vorgenommen hat.

Sich von nichts ablenken lassen, was einen von den Zielen abbringen könnte. Routine ist das A und O!

Von niemand vorschreiben lassen, was man machen soll, jeder ist sein eigener Herr – alleine ist man besser dran und lenkt nicht ab!
 

Diese Notizen hatte sich Akaashi vor seinem Studentenleben gemacht und hatte sich strikt daran gehalten. Die Seite in diesem Büchlein war sehr abgenutzt, weil Akaashi sich oft in Erinnerung hatte rufen müssen, was sein eigentliches Ziel war.

Auch heute hatte er die Seite aufgeschlagen und murmelte die Punkte wie eine Mantra vor sich her. Doch dann stutzte er und er starrte auf den dritten Punkt, der durchgestrichen war.

Moment… er konnte sich gar nicht daran erinnern, dass er das getan haben sollte. Zumal die Linie nicht mal akkurat war, sondern eher krakelig und unsauber.

Das war absolut nicht Akaashis Stil, er war in allem ordentlich und wenn es bei durchstreichen eines Satzes war. Sauberkeit und Ordnung waren große Bestandteile seines Lebens.
 

Seine Augen huschten eine Zeile tiefer und er bemerkte einen vierten Punkt, der, nicht wie die anderen Notizen fein und säuberlich, sondern wackelig und unschön geschrieben war.
 

Mit Bokuto Koutarou einen Kaffee trinken gehen, der sich unbedingt für sein Verhalten entschuldigen will!
 

„W-Was?!“, rief Akaashi überrascht und blieb auf seinem Heimweg stehen.

Sein Herz geriet ins Stolpern und ein nervöses Kribbeln machte sich in seinem Bauch breit.

Er starrte die vierte Notiz an, die Bokuto einfach frech hinein gekritzelt hatte und wieder seine Pläne durchkreuzen wollte.

Er war wie ein Virus, der sich schnell ausbreitete und hartnäckig war. Und Akaashi war irgendwie machtlos dagegen…
 

Akaashi griff nach dem Blatt und riss es aus dem Buch heraus. Er starrte es an und lief zu einem Abfalleimer herüber. Zusammengeknüllt hielt er das Blatt vor der Öffnung des Mülleimers und stand einfach nur da. Seine Haltung war angespannt und irgendwie wollte sich seine Faust nicht öffnen, in der sich die Notizen befanden. Eine Schweißperle rollte ihm über die Schläfe und dann zog er die Faust zurück und stopfte sie in seine Jackentasche.

„Verflucht!“

Wütend über sich selbst stapfte er nach Hause.

Er hasste Veränderungen doch! Er hatte sich vorgenommen, sich durch nichts durcheinander bringen zu lassen, um seine Ziele zu verfolgen.
 

Warum schaffte er es nicht, diesen Jungen aus seinem Leben zu verbannen?!
 

*~*
 

Seit einer knappen Woche nahm Akaashi einen komplett anderen Weg zur Universität. Es war zwar eine Veränderung, aber eine, die notwendig war. Er verlor seine Ziele aus den Augen, er durfte keine weitere Zeit damit verschwenden, sich über Bokuto den Kopf zu zerbrechen.

Diese ständigen Fragen - Wieso machte er das? Was wollte er von mir? Warum konnte er nicht einfach wieder verschwinden? - wollte er endlich beenden und nicht weiter darüber grübeln.

Und daher sah er keinen anderen Ausweg mehr, als ihm aus dem Weg zu gehen.
 

Alles schien wieder in seine Routine zu übergehen, es gab keine Abweichungen mehr und Akaashi entspannte sich wieder. Das eintönige Leben ging weiter, als wäre vorher nie was anderes gewesen.

Und dennoch schien Akaashi nicht mehr vollkommen zufrieden damit zu sein.

Nun begann er sich neue Fragen zu stellen: Wie ging es dem Jungen? Was machte er eigentlich beruflich? - Immerhin schätzte er ihn in sein Alter ein und nicht jeder studierte mit dreiundzwanzig Jahren – Ob er es aufgegeben hatte nach ihm Ausschau zu halten? Was machte er in seiner Freizeit? Wo wohnte er? Lebte er noch bei den Eltern oder alleine?
 

Fragen, Fragen und noch mehr Fragen. Akaashi wollte alles wissen.

Frustriert stieß er seine Stirn gegen die Tischplatte, streckte die Arme über den Tisch aus und krallte die Finger um die Platte.

Was geschieht nur mit ihm?! Wieso konnte er ihn nicht vergessen?! Wieso tauchten ständig diese goldenen Augen vor ihm auf und dann das grinsende Gesicht? Er verstand es einfach nicht!
 

Dieser Junge hatte ihn einfach komplett durcheinander gebracht und ließ immer mehr Dominosteine umfallen. Die Kettenreaktion war nicht mehr aufzuhalten.
 

Es klingelte, der quälend langweilige Unterricht war endlich vorbei. Jeder packte seine Sachen ein und verließ dann den Raum.

Akaashi war heute einer der letzten. Er war fassungslos über sich selbst.

Das war das erste Mal, dass er den Unterricht als „quälend langweilig“ betitelt hatte. Früher hatte ihn genau das wenig gestört aber nun kam es ihm wie eine Folter vor.

Er verspürte innerlich den Drang, Bokuto wieder zu sehen. Er wollte es unbedingt. Ihn einfach nur kurz sehen, um seinen Seelenfrieden zu bekommen und dann war sicherlich alles wieder gut.
 

Aber da fiel ihm ein, dass er gar nichts über den Jungen wusste. Und das nur, weil er sich nicht hatte ablenken lassen wollen. Nun musste er sich weiter quälen, bis zum Montag, da nun Wochenende war und er ihn so nicht an der Bushaltestelle vorfinden würde. Zwei Tage musste er noch warten. Diese kamen ihm plötzlich so lange vor.
 

Mit gesenktem Haupt verließ er das Gebäude und lief über den Campus Richtung Ausgang.

Die Jugend flitzte an ihm vorbei, freute sich auf das Wochenende und verschwand dann schnatternd aus Akaashis Sichtfeld. Ein kaum sichtbares, bitteres Lächeln lag auf seine Lippen.

Wann hatte er sich das letzte Mal so auf das Wochenende gefreut? Sicherlich nur, wenn Prüfungen anstanden und er nach Hause konnte, um zu lernen.

Und wieder merkte er, dass sich etwas in ihm veränderte. Seit wann belächelte er sein eigenes Verhalten?
 

„Da bist du ja endlich! Meeensch, ich dachte schon, wir würden uns gar nicht mehr sehen!“

Akaashis Herz setzte einen Schlag aus und sein Kopf schoss hoch. Mit leicht geöffnetem Mund und ungläubig aufgerissene Augen starrte er Bokuto an, der lässig am Tor stand und ihn ansah.

Aber bevor er sich täuschte und Bokuto jemand hinter ihm gemeint haben könnte, drehte er den Kopf in alle Richtungen, um sicher zu gehen, dass er das nicht missverstand.

Es kribbelte in seiner Bauchgegend und er blickte wieder zu Bokuto, der auf ihn zugekommen war und sich etwas vorbeugte, um auf gleicher Augenhöhe zu sein.

Akaashi zuckte etwas zusammen, als diese schönen Augen direkt vor ihm waren und er setzte blitzschnell seinen üblichen neutralen Gesichtsausdruck auf, der keine Gefühle verriet.
 

„Was machst du hier? Woher weißt du, dass ich hier studiere?“, fragte er beherrscht monoton und sah immer wieder auf die Seite, da die Augen ihm zu intensiv war und er spürte, dass sie eine Gefahr für ihn bedeuteten.

„Wah! Wie kalt!“, rief Bokuto schockiert und entfernte sich dabei von Akaashi. Er riss die Arme hoch und verzog sein Gesicht, als wäre er verletzt.

Aber so schnell konnte Akaashi gar nicht schauen, hatte sein Gegenüber wieder ein Grinsen auf den Lippen und er stemmte die Hände in die Seiten.
 

„Was ich hier mache? Ich habe auf dich gewartet.“ Er drückte seinen Zeigefinger gegen Akaashis Stirn und grinste ihn weiter an.

Bei dieser kleinen Berührung hüpfte Akaashis Herz umso wilder in der Brust herum.

„Und zu deiner anderen Frage… Das war offensichtlich. Ich habe ja deine Bücher gesehen und du bist immer in die gleiche Richtung gelaufen und da gibt es nur diese Universität“, erklärte er ihm und lachte dann laut auf.

„Bokuto ist eben der Beste! Ich hätte Polizist werden sollen!“
 

Akaashis Innenleben spielte verrückt. Bokuto schien sich wirklich Gedanken über ihn gemacht zu haben und hartnäckig war er auch. Wer rannte einem auch nach einer Woche noch nach, wegen einem dummen Missgeschick? Akaashi zeigte es nicht, er hatte immer noch seine neutrale Mimik aufgesetzt. Aber er… freute sich!
 

„Was machst du denn beruflich?“, fragte er nebenbei, damit er wenigstens eine Frage von seiner Liste streichen konnte. Ja, er hatte in sein Büchlein die ganzen Fragen notiert, die ihn nicht mehr losgelassen hatten und es sind doch sehr viele geworden.

„Hm? Ist da etwa jemand neugierig geworden?“, wollte Bokuto mit einem süffisanten Grinsen wissen und wackelte mit den Augenbrauen.

Daraufhin erhitzten sich Akaashis Wangen und er sah ihn trotzig an.

„Nein. Vergiss es. Entschuldige die persönliche Frage. Also, was willst du von mir?“
 

Was hatte er sich auch dabei gedacht? Als wenn sich ihm jemand öffnen wollte. Auch dieser merkwürdige Kerl nicht, er hätte sich die dumme Frage echt sparen können. Das kam davon, wenn man sich nicht an seine eigenen Regeln hielt und dachte, man könne Ausnahmen machen. Oh, wie falsch er doch gelegen war. Und jetzt schämte er sich dafür.
 

Bokuto gluckste etwas und wuschelte ihm durch die Haare.

„Ich arbeite im Tierheim, das am Rande der Stadt ist und deswegen fahre ich morgens mit dem Bus, weil ich für einen Führerschein sparen möchte. Es macht super Spaß, die Tiere lieben mich wahnsinnig. Es ist so süß, wenn die Hunde einen freudig anbellen, wenn man auftaucht und mit dem Schwanz wedeln. Oder wenn die Katzen einen ums Bein huschen und schnurren!“ Er verfiel in einen Labermodus und nahm dann seine Hand wieder von Akaashis Kopf.

Seine Haare waren nun noch zerzauster, als sie gewöhnlich schon waren und Akaashis Wangen waren knallrot geworden.
 

„H-Hör auf meine Haare so durcheinander zu machen“, brummte Akaashi, holte einen Kamm aus seiner Tasche und versuchte seine Sturmfrisur zu bändigen.

Bokuto musste bei dem Anblick lachen.

„Du trägst wirklich einen Kamm bei dir? Bist du ein Mädchen?!“

„Du hast meine andere Frage nicht beantwortet, Bokuto-san.“ Ohne auf Bokutos Stichelei einzugehen, packte er den Kamm wieder weg. Es war ja nicht so, dass Akaashi es nicht gewohnt war gestichelt zu werden. Daher konnte er mit so etwas locker umgehen, auch wenn er sich innerlich ärgerte. Er hasste es, wenn man sich über ihn lustig machte, nur weil er so ordentlich war.
 

„Ich will wissen, wie du heißt“, erklärte er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen, aber irgendwie fiel mir keinen Namen ein, der perfekt für dich wäre.“

Akaashis Augen wurden minimal größer und er vergaß für einen kurzen Moment sein Pokerface aufrecht zu erhalten. Das kam unvorbereitet.

„M-Mein Name?“ Er machte sich über solche Dinge Gedanken?!
 

„Jaaah, ich dachte an Takashi, Sawada, Oda, Nakamura und Amano, aber hnnngh, das passte einfach nicht zu dir!“

Akaashi hätte fast wieder gekichert. Er konnte gerade so dem Impuls widerstehen. Aber war das nicht irgendwie süß, wie angestrengt Bokuto über so etwas nachgedacht hatte und so unzufrieden aussah?

Es schmeichelte ihm.
 

„Okay, okay… ich verrate dir den Namen“, gab er sich schließlich geschlagen, schließlich gehörten seine Mühen auch belohnt.

Bokutos Augen strahlten förmlich auf und die ganze Begeisterung stand ihm auf dem Gesicht geschrieben. Im Gegensatz zu Akaashi konnte er zu seinen Gefühlen wohl stehen und zeigte auch, wie er sich im Moment fühlte. Das war zu beneiden.

Gerade öffnete er den Mund, um ihm zu antworten, als er leises Gekicher in der Nähe vernahm.

Fragend blickten sie beide zu den zwei Jungs, die an ihnen vorbei liefen.
 

„Oh, hat Akaashi endlich einen Lover gefunden? Herzlichen Glückwunsch!“, hänselte einer der Jungs ihn und der andere kicherte vor sich hin. Ohne eine Antwort abzuwarten gingen sie einfach weiter und verschwanden aus ihrem Blickfeld.

Für einen Moment war Stille eingekehrt, die Akaashi letztendlich mit einem genervten Seufzen unterbrach.
 

„Nun hast du ja deine Antwort...“, sagte er und blickte Bokuto an, der ungewöhnlich ernst aussah. In seinen goldenen Augen konnte er auch Besorgnis aufblitzen sehen, was Akaashi erneut zum Seufzen brachte.

„Du hast doch sicherlich gelesen, was ich ins Buch geschrieben habe“, murmelte er und zuckte mit den Schultern.

Diese eine Sache gehörte zu einen von Akaashis peinlichsten Erlebnissen.

Es war in der Oberschule passiert, da war er sechzehn Jahre. Nach dem Sportunterricht waren er und drei weitere Jungs duschen gegangen.

Damals war auch Akaashis heimlicher Schwarm mit dabei gewesen, der unter der gegenüberstehenden Dusche stand.
 

Akaashi hatte ihm auf den Schritt gesehen und daraufhin war ihm ein dummes Missgeschick passiert. Der Anblick hatte in ihm eine Erektion hervor gerufen und natürlich hatten es die drei Jungs mitbekommen. Seitdem wusste jeder, dass Akaashi auf Männer stand und er wurde deswegen oft gestichelt und aufgezogen.

Und einer dieser Jungs war mit ihm auf die Uni hier gegangen und musste natürlich herum erzählen, welche Vorlieben Akaashi hatte. Heute jedoch kümmerte es ihn kaum noch, weil er sich strikt daran gehalten hatte, keine Personen nahe an sich heran zu lassen, um verletzbar zu sein.

Daher war er auch nicht ausgerastet, als die zwei Jungs ihn geärgert hatten. Sollten sie doch denken, was sie wollten…
 

Bokuto blinzelte etwas, er merkte, dass Akaashi ruhig blieb und das nicht nahe an sich heran ließ.

Dafür bewunderte er ihn noch mehr, was man an seinen leuchtenden Augen erkennen konnte. Ja, Bokuto brauchte nichts zu sagen, Akaashi konnte einfach alles auf seinem Gesicht ablesen.

„Ich habe es gelesen“, bestätigte Bokuto lächelnd.

Er war einfach so ehrlich, was Akaashi gefiel. Er war ihm nicht mal böse deswegen, ändern konnte er es eh nicht mehr.
 

„Und?“, machte Akaashi und hob eine Augenbraue in die Höhe. In dieser kleinen Frage steckte viel dahinter.

Ekelt dich das nicht an?

Willst du dich nicht auch lustig machen?

Warum bist du überhaupt noch hier, wenn du es weißt?
 

„Und?“, wiederholte Bokuto kichernd, ehe sein Gesichtsausdruck sich plötzlich veränderte. Sein Blick wurde auf einmal sehr intensiv und er zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen hoch.

„Das nächste Mal werde ich der Grund sein, warum du eine Erektion bekommst!“, verkündete er, zwinkerte ihm zu und drehte sich von ihm weg.
 

Das Blut schoss blitzschnell in Akaashis Wangen und ihm wurde so heiß wie noch nie in seinem Leben.

„B-Bitte?!“ Was, was, was?! Was wollte er damit sagen?! Oh Gott, Akaashi war kurz davor durchzudrehen. Noch nie hatte ihm jemand so etwas ins Gesicht gesagt. Noch nie hatte ihn jemand dabei so angesehen, als würde er ihm gerade die Klamotten allein nur mit seinen Augen ausziehen.

Es kribbelte wahnsinnig in ihm. Das reinste Gefühlschaos war in ihm ausgebrochen.
 

Nun war es aber Bokuto, der nicht auf Akaashis Frage einging. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und warf einen belustigten Blick zu dem verstörten Akaashi zurück.

„Der vierte Punkt in deinem Buch. Wann willst du ihn denn in Angriff nehmen?“

„M-Mein vierter… Hey, das war nicht „mein“ Punkt! Den hast du rein geschrieben!“, korrigierte Akaashi ihn und versuchte sich wieder zu beruhigen. Bokuto war doch echt der Wahnsinn. Er hatte ihn bis jetzt erst dreimal gesehen und schon brachte er so einen Durcheinander in sein routinemäßiges Leben.

Und Akaashi musste immer mehr mitansehen, wie schwächer seine Gegenwehr wurde. Er hatte einfach keine Chance dagegen anzukommen. Er wurde einfach von seiner Art mitgerissen und verzaubert.
 

„Hm, okay, ich geb es ja zu...“, meinte Bokuto und tat so, als hätte er alles gegeben, um diese Sache zu verheimlichen, obwohl es ja mehr als offensichtlich war, dass er es gewesen war.

Akaashi schnaubte leise und er konnte nicht verhindern, dass sich seine Mundwinkeln minimal nach oben bewegten.

„Oya, oya! Hab ich da etwa ein Lächeln gesehen, Akaaaaashi?“, jubelte Bokuto plötzlich und kam Akaashis Gesicht viel zu nahe.

Erschrocken drückte Akaashi Bokuto von sich und verzog sein Gesicht.

„Das musst du dir eingebildet haben.“

„Nein, nein! Ich hab es genau gesehen! Komm, lächel nochmal für mich! Och, komm schon, komm schon!“ Ein strahlendes Augenpaar blickte Akaashi bettelnd an und er drehte den Kopf weg, damit er nicht von dem Strahlen geblendet wurde.
 

Verkrampft zog er seine Mundwinkeln hoch und zeigte seine Zähne. Es sah aber eher so aus, als hätte er auf eine saure Zitrone gebissen.

Bokuto lachte bei dem Anblick laut auf und legte Akaashi den Arm um die Schulter.

„Das üben wir noch einmal! Aber erst gehen wir Kaffee trinken!“, entschied Bokuto einfach und schob den überforderten und perplexen Akaashi vom Campus.
 

*~*
 

Akaashi lag geschafft in seinem Bett und vergrub sein Gesicht ins Kissen. Obwohl es schon relativ spät war, konnte er nicht einschlafen. Wie gut, dass morgen kein Unterricht war, sonst hätte er ein kleines Problem.

Nun lag er hellwach auf dem Bauch und dachte über Bokuto nach.

Das Kribbeln wollte gar nicht aufhören, wenn er an ihn dachte. Bokuto war aber auch einfach eine besondere Person, es würde jedem so ergehen, wenn er demjenigen so viel Aufmerksamkeit schenkte.

Er schätzte ihn so ein, dass er viele Freunde hatte und sicherlich auch eine süße Freundin.
 

Ach, Mensch! Bokuto hatte so viel über sich erzählt, Akaashi konnte nun sagen, welches Lieblingsessen Bokuto hatte, er kannte seine Lieblingsfarbe, seine Zukunftspläne – mal ein eigenes Tierheim zu haben, seine Hobbies, seine Streiche, die er in der Grundschule getrieben hatte, eigentlich so gut wie alles.

Aber er wusste nicht, ob er in einer Beziehung war!
 

Akaashi knurrte etwas und strampelte mit den Füßen auf dem Bett herum.

„Warum sollte mich das überhaupt interessieren?!“, fauchte er und drehte sich auf den Rücken. Natürlich hatte er eine Freundin. Bokuto war ein toller Mensch, er zog Menschen an, wie das Licht die Motten. Er war unglaublich heiß und gutaussehend, das hatte Akaashi auch schon feststellen müssen.

Also ja, es lag auf der Hand – er war in einer Beziehung.
 

Wieso war Akaashi von dieser Erkenntnis so enttäuscht? Oh, Himmel. Hatte er sich etwa Hoffnungen gemacht? Seit wann war er denn der Typ, der sich so schnell verknallte? Zumal er doch niemand an sich heran lassen wollte.

War er denn bescheuert? Es war doch klar, dass das für ihn nicht gut ausgehen würde. Nur weil ihm jemand etwas Aufmerksamkeit schenkte, tickte er so aus? Lächerlich, Akaashi Keiji!
 

Aber der Satz von ihm vorhin hatte ihn auch regelrecht aus der Bahn geworfen.
 

Das nächste Mal werde ich der Grund sein, warum du eine Erektion bekommst!
 

Was zum Teufel wollte der Kerl damit sagen? Wollte er sich in diesem Moment über ihn lustig machen? Er hatte ihn so eigentlich nicht eingeschätzt… Aber wenn er doch eine Freundin – oder vielleicht auch einen Freund – hatte, dann sollte man solche Scherze lassen! Akaashi könnte das falsch verstehen und denken, dass Bokuto auf ihn scharf war!

Mensch! Konnte er mal aufhören, sich über so einen Scheiß Gedanken zu machen?! Hier stand niemand auf jemanden! Alles war, wie es sein sollte! Alles war in bester Ordnung! Und jetzt schlafen!
 

Akaashi hatte echt Mühen seine rotierenden Gedanken zu stoppen, aber irgendwann gewann die Müdigkeit und er schlief endlich ein.
 

*~*
 

Das Klingeln des Handys riss ihn aus dem Schlaf. Beinahe wäre er aus dem Bett gefallen, während er mit halb geschlossenen Augen nach dem klingelnden Objekt tastete. Als er dran kam, nahm er es in die Hand, drehte sich auf den Rücken und nahm den Anruf an.

„Hai…?“, murmelte er verschlafen und rieb sich über die noch fast geschlossenen Augen.

„Hey, hey, hey! Guten Morgen, Nachteule! Aufstehen, aufstehen! Ein neuer Tag beginnt!“, trällerte ihm plötzlich Bokutos Stimme ins Ohr und er war schlagartig wach.

„B-Bokuto-san?“, murmelte er desorientiert und schielte auf den Wecker. Neun Uhr morgens. Uff… es war noch mitten in der Nacht! Er war doch eh schon spät eingeschlafen und nun wurde er so grob geweckt? Na prima.

Warum hatte er ihm bloß seine Nummer gegeben?

Und warum kribbelte wieder alles in ihm?!
 

„Los, los! Mach dich fertig! Wir treffen uns wieder im Café! Ich lade dich ein! In einer Stunde! Bye!“

Akaashi blinzelte mehrfach mit den Augen. Woah, was war das jetzt? Es tutete in sein Ohr und er legte auch auf. Er war nicht mal richtig zu Wort gekommen und Bokuto entschied einfach über seinen Kopf hinweg, dass sie sich trafen.

Was, wenn er etwas vor gehabt hätte?
 

Schwachsinn… seit wann hatte er was vor, außer Lernen?
 

„Dieser Kerl macht mich fertig...“, murmelte er leise und blieb erstmal noch etwas liegen.

Er fasste sich an sein Unterleib, da es unaufhörlich kribbelte und ziepte. Alles nur wegen Bokuto…
 

Seufzend krabbelte er letztendlich aus dem kuscheligen Bett und ging ins Bad, um sich zu duschen.

Danach ging er zu seinem Kleiderschrank und holte sich sein Lieblingshemd heraus. Es war dunkelblau und stand ihm extrem gut. Er redete sich aber ein, dass er es nicht wegen Bokuto anzog, sondern, weil er es schon lange nicht mehr angehabt hatte.

Nachdem er dann fertig angezogen war, verließ er die Wohnung und ging Richtung Café.
 

Er konnte eine gewisse Vorfreude nicht leugnen. Er hatte schon gedacht, er würde Bokuto so schnell nicht wieder sehen. Aber er war einfach in sein Leben geplatzt und wollte scheinbar gar nicht mehr verschwinden.

Anfangs hatte Akaashi sich gegen diese Veränderung gesträubt, aber jetzt hieß er sie Willkommen. Er wollte Bokuto sehen!
 

Er kam dem Café näher und er entdeckte Bokuto auch schon draußen an dem Tisch, an dem sie gestern auch gesessen waren. Das Kribbeln verstärkte sich und ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

„Bokuto-san...“, murmelte er und er beschleunigte seine Schritte, damit er schneller bei ihm sein konnte.

Doch dann wurde er langsamer, als er sah, wie ein fremder Junge ihm zuwinkte und dann auf Bokuto zuging.

Bokuto sprang von seinem Stuhl auf und die beiden beknuddelten sich.
 

Akaashis Schritte wurden noch langsamer, ehe er stoppte und das fassungslos beobachtete.

Er hatte ja geahnt, dass Bokuto beliebt war und viele Freunde hatte. Aber war diese Begrüßung nicht zu innig?
 

Sein Freund?
 

Sie redeten miteinander. Aber da Akaashi noch zu weit weg war, konnte er natürlich nicht hören, worüber sie sprachen. Er hörte nur Bokutos Lachen und auf einmal nahm er das Gesicht des Schwarzhaarigen in die Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
 

Etwas zerbrach in Scherben. Ein Glas war herunter gefallen und die Kellnerin lief sofort hin, um die Glasscherben aufzuheben.

Akaashi drehte sich um und entfernte sich von dem Café.
 

*~*
 

Mehrere Anrufe waren in Abwesenheit und auch zig SMS lagen ungeöffnet in seinem Postfach.

Akaashi ignorierte alles.

Er lag auf seinem Bett, hatte die Arme und Beine von sich ausgebreitet und starrte hoch zur Decke.

Eigentlich hatte er es geahnt, er hatte sich selbst gewarnt. Aber er hatte nicht auf sich selbst hören wollen. Er war naiv gewesen, nein… dumm!

Die Regeln hatte er sich nicht aus Spaß aufgeschrieben, sie hatten ihn vor solchem Dilemma bewahrt.

Einmal hatte er sie ignoriert, sie in den Wind geschlagen und nun musste er es büßen.
 

Akaashi weinte nicht, er wusste gar nicht mal, wann er das letzte Mal überhaupt mal Tränen in den Augen hatte.

Aber sein Inneres fühlte sich leer an und das Kribbeln hatte sich in Schmerzen verwandelt. Es tat weh…

Er hatte wirklich vergessen, wie sich Liebeskummer anfühlte.

Dass er überhaupt jemals wieder so etwas verspüren würde, hätte er nicht gedacht. Er wäre froh, er müsste es nicht. Das war ein Gefühl, dass er nicht vermisst hatte.
 

Seine Hoffnungen waren jedoch groß, dass er nicht lange damit zu kämpfen hatte. Er kannte Bokuto ja kaum, da konnten seine Gefühle noch nicht so groß sein, um ihm jetzt wochenlang nachzutrauern.

Morgen würde wieder alles gut werden. Er hatte halt mal wieder eine Enttäuschung erleben müssen, aber er war doch ein Stehaufmännchen. So etwas verkraftete man doch leicht, immerhin hatte er es ja gewusst, dass das schief laufen würde.
 

Wieder klingelte das Handy und er nahm es in die Hand.

Bokuto, wer hätte es denn auch sonst sein sollen?

Er hatte keine Lust mehr. Er sollte ihn in Ruhe lassen! Er wollte wieder sein eintöniges, langweiliges und routinemäßiges Studentenleben, da wusste er wenigstens, was auf ihn zukam und wie er das zu bewältigen hatte.
 

Er nahm ab.

„Akaashi? Gott sei Dank, ich dachte schon, ich würde dich gar nicht mehr erreichen! Geht es dir gut?! Ich hab dich mehrfach angerufen, weil wir doch verabredet waren...“, plapperte er schon gleich drauf los, kaum hatte Akaashi abgenommen.

„Bokuto-san...“

„Es tut mir Leid, ich hätte dich fragen sollen, anstatt dich einfach dazu zu drängen. I-ich… wollte dich einfach sehen, weißt du? Nimm es mir bitte nicht krumm, ich mach es wieder gut! Sag mir einfach, wann du Lust hast dich mit mir zu treffen, okay?“, redete er weiter und klang dabei sogar etwas verzweifelt.

Kurz schwankte Akaashi leicht, als Bokuto sagte, er hatte ihn sehen wollen, aber dann fiel ihm sein Freund wieder ein und er ermahnte sich gedanklich selbst, nicht wieder schwach zu werden.
 

„Bokuto-san. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mich einfach in Ruhe lassen würdest. Du… du bist einfach anders als ich, ich habe andere Ziele als du. Und ich will mich nicht von meinem Weg abbringen lassen. Also lass es einfach gut sein. Du… hast ja genug andere Freunde, wer braucht da schon mich?“

Das letzte murmelte er kaum hörbar.

Für einen Moment war es still, scheinbar hatte Bokuto damit nicht gerechnet.

„Akaashi… warum…? Ich verstehe nicht. Wenn ich was falsch gemacht habe, dann tut es mir Leid! Ich werde mich bessern! Aber sag nicht, dass das jetzt vorbei ist! Das lasse ich nicht zu, Akaashi!“

„Es ist besser so...“, flüsterte Akaashi und legte auf.
 

Er stieß die Luft aus und seine Hand, die das Handy hielt, fiel kraftlos zurück aufs Bett.

Stille legte sich über ihn und er starrte wieder die Decke an.

Er erschrak, als eine einzelne Träne über seine Wange lief und er lachte bitter auf.

„Ich bin doch echt so ein Idiot...“
 

*~*
 

„Oh, oh, oh. Hat dein Lover etwa mit dir Schluss gemacht?“, fragte sein Klassenkamerad nach dem Unterricht und grinste Akaashi spitzbübisch an.

„Geht dicht nichts an...“, murmelte er und ging an ihm vorbei.

„Wiuuuh… so habe ich ihn nicht mal in der Oberschule erlebt“, meinte er zu seinem Freund und pfiff leise.

Er hatte Recht. Akaashi war noch nie wegen Liebeskummer so schlecht drauf wie diese ganze Woche.

Eine sichtbare Gewitterwolke schwebte über seinem Kopf und er sah noch genervter aus, als man es gewohnt war.

Sein Plan, dass es nach einem Tag vorüber sein würde, ging nicht auf.

Er hatte sichtlich mehr und länger daran zu knabbern, als erwartet.
 

Er musste ständig an diese schönen goldenen Augen denken, an dieses freudige Lachen, das kecke Grinsen, die Lebensfreude in seinem Blick. Er vermisste seine Stimme, sein „Hey, hey, hey!“, einfach alles.

Er wollte ihn wieder sehen… so dringend! Diese Sehnsucht nach ihm trieb ihn in den Wahnsinn. So lange hatte er Personen von sich gehalten, dann tauchte dieser vermaledeite Bokuto Koutarou auf und er hatte sein Herz einfach so an ihm verloren.

Wieso war das so schwer?! Er wusste doch, dass es hoffnungslos war, wieso konnte er ihn nicht loslassen und einfach wieder sein Leben weiterleben, wie er es vorher getan hatte?!

Was hatte Bokuto nur mit ihm gemacht?!
 

Bokuto schien es aber verstanden zu haben, dass er sich nicht mehr melden sollte. Aber irgendwie enttäuschte es Akaashi. Also waren seine Sprüche doch nur heiße Luft gewesen. Wäre er ihm nur etwas wichtig oder würde er ihm etwas bedeuten, dann hätte er mehr Kampfgeist gezeigt. Da war sich Akaashi sicher.

Also war seine Entscheidung richtig gewesen. Er war der einzige, der so empfand. Ja, klar war es so. Bokuto war schließlich vergeben.

Ah, was war er nur für ein Narr?
 

Er lief über den Campus, um wieder nach Hause zu gehen. Die Routine kam wieder zurück in sein Leben, es gab kaum noch Veränderungen.

Er passierte das Tor und sein Herz spielte auf einmal verrückt. Er hatte ihn nicht gesehen, aber er spürte seine Anwesenheit.

„Wow… bis eben hatte die Sonne geschienen, jetzt seh ich nur noch eine riesige Gewitterwolke“, erklang seine Stimme und Akaashi verkrampfte sich. Sein Bauch tat plötzlich wieder weh und es wurde ihm unwohl ums Herz.
 

„Dann nichts wie nach Hause, ehe dich der Blitz trifft“, murrte Akaashi und warf einen Blick nach hinten.

Bokuto hatte sich an den Eingang angelehnt, aber so, dass Akaashi ihn beim herauskommen nicht entdecken konnte. Er hatte wohl mitgedacht, weil Akaashi sonst den anderen Ausgang genommen hätte, hätte er ihn gesehen.

Der Grund seines Herzschmerzes lachte leise, ehe er auf ihn zukam und dann etwas hinter seinem Rücken hervor zauberte.

Perplex starrte Akaashi die rote Rose an, die Bokuto ihm entgegen hielt.

„Was…?“ Wieso?! Was sollte das jetzt schon wieder?!

Verwirrung vermischte sich mit Wut. Wollte er ihn wieder verarschen?!
 

„Es tut mir unglaublich Leid, Akaashi. Ich habe lange darüber nachgedacht, was der Grund sein könnte, warum du dich von mir abgewendet hast. Es war wegen der einen Sache, die dir in der Vergangenheit passiert ist, richtig? Ich habe unüberlegt reagiert und dich damit wohl bedrängt und letztendlich verscheucht...“ Er lächelte bitter und senkte kurz den Kopf. „Weißt du eigentlich, was du mir antust?“

„I-ich?“ Akaashi war gerade überrumpelt und er verstand gar nichts mehr. Was redete Bokuto da?

Er war doch nun ein erwachsener Mann und er hatte die peinliche Situation von damals schon gut verkraftet.

Und Bokutos Aussage war sicherlich nicht der Grund, dass er sich von ihm abgewandt hatte! Eher im Gegenteil! Es hatte ihm, verdammt nochmal, nur Hoffnungen gemacht! Er hatte sich geschmeichelt gefühlt und er hatte sich sogar gewünscht, Bokuto könnte es ernst meinen.

Aber nun dachte der Honk doch tatsächlich, dass das der Grund wäre?!
 

Bokuto hielt immer noch die Rose in der Hand und fing an, sie in seinen Fingern zu drehen.

„Du wirst mich für verrückt erklären und danach noch einen weiteren Grund haben, mich zu ignorieren. Aber ich werde noch wahnsinnig, wenn ich es nicht endlich sage!“ Er klang verzweifelt und Akaashis Herzschlag beschleunigte sich langsam.

Worauf wollte er hinaus? Bitte… er sollte ihm keine Hoffnungen machen… bitte!
 

„Ich habe mich in dich verli...“

„Du hast einen Freund, Bokuto-san!“, unterbrach Akaashi ihn abrupt und brachte Bokuto ziemlich aus dem Konzept. Dessen Wangen wurden rot, weil ihn das wirklich Überwindung gekostet hatte, die Gefühle zu äußern und dann unterbrach Akaashi ihn einfach!

„Huh…?“, machte Bokuto nun und zog mit einem unsicheren Lächeln die Augenbrauen zusammen. „Ich verstehe nicht...“

„Ich habe euch gesehen. Als du mich zum Kaffee beordert hast. Da war dieser schwarzhaarige Junge, den du so innig umarmt hast und ihm dann einen Kuss auf die Stirn gabst“, erklärte er ihm ruhig. Von außen wirkte er auch sehr gefasst, aber in seinem Innern zog sich alles schmerzhaft zusammen. Am meisten litt sein Herz darunter, welches vor kurzem gelernt hatte, jemanden richtig zu lieben.
 

Bokutos Augen weiteten sich.

„Du… warst also da?“

„Hast du mich etwa rufen lassen, damit ich das sehe? Was für Spielchen treibst du eigentlich?! Meinst du, es interessiert mich, was du machst oder mit wem du zusammen bist?!“ Akaashis Stimme wurde lauter. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt, die zitterten. Er ertrug es nicht mehr. Dieser Idiot wollte ihn zum Narren halten!
 

Bokuto schwieg.

„Für das, dass es dich so wenig interessiert, scheinst du emotional doch sehr angeschlagen zu sein...“, murmelte er und kam noch einen Schritt näher. Sie standen sich nun sehr nahe gegenüber und Bokuto blickte zu ihm herunter.

Er strich ihm über die Wange und erst jetzt merkte Akaashi, dass er weinte.

„L-Lass mich...“, murmelte er verschämt und drückte Bokutos Hand von sich, die so ein starkes Prickeln auf seiner Haut hinterlassen hatte.
 

„War das also der Grund, warum du nicht gekommen bist und mich ignoriert hast?“, wollte er wissen und er schlang unerwartet die Arme um Akaashis Oberkörper. Dieser versteifte sich und versuchte sich aus seinem Griff zu winden, aber Bokuto ließ es gar nicht zu.
 

„Der Junge, den du gesehen hast, ist mein Bro, wir sind richtig fette Kumpels. Er heißt Kuroo, den ich schon seit Kindertagen kenne. Wir haben uns zufällig getroffen, während ich auf dich gewartet habe, da ist er natürlich zu mir herüber, um mit mir zu reden.“ Er sprach mit ruhiger Stimme und strich mit der freien Hand über Akaashis Hinterkopf. Dieser hörte ihm zu und gab keinen Mucks mehr von sich.

Sie waren bloß Freunde? Hatte er das falsch verstanden?

„Und der Kuss…?“

Bokuto lachte leise bei Akaashis Frage.
 

„Ich habe mich einfach für ihn gefreut. Er hatte mir erzählt, dass er seinem langjährigen Freund die Liebe gestanden hatte und sie endlich zusammen sind. Das ging mit den beiden schon so lange, da konnte ich mich eben nicht zurückhalten… Er würde bei mir das Gleiche machen“, erklärte er und drückte Akaashi etwas von sich, um ihn ansehen zu können.

Akaashi errötete leicht, als er so intensiv angesehen wurde und er sah schüchtern auf die Seite.

„Du Dummerchen hast alles falsch verstanden… und ich dachte, ich hätte alles versaut, weil ich meine Klappe nicht halten konnte. Ich bin sowas von in dich verknallt, Mensch, da ist es schwer, an etwas anderes als an dich zu denken. Du hast mich so schnell um den Finger gewickelt, dass ich nicht mal die Chance hatte, darüber nachzudenken“, platzte nun aus ihm heraus und er entfernte sich wieder von Akaashi.
 

Akaashi riss keuchend die Augen auf und das Kribbeln kehrte zurück. Weg waren die Schmerzen und die Leere in seinem Herzen. Nur mit dieser Aussage hatte Bokuto alles verändert.

Die letzten Dominosteine waren umgefallen und hatten ein neues Muster in sein Leben gebracht. Nichts stand mehr akkurat und geordnet in einer Reihe, nein, nun war das Chaos eingebrochen und hinterließ eine Unordnung, die, trotz aller Voreingenommenheit, schön anzusehen war. Akaashi hatte auch keine Kraft, die Ordnung wiederherzustellen. Nein, er wollte es auch nicht wirklich.

Er hieß das Chaos willkommen und zum ersten Mal seit langem lachte er aus tiefstem Herzen laut auf.
 

„Ich bin wirklich ein Idiot!“, stellte er fest, nahm die Rose an, die Bokuto ihm grinsend hinhielt und nahm Bokutos Hand in seine. Dann reckte er sich etwas in die Höhe, drückte Bokuto einen zärtlichen Kuss auf die Wange und lächelte ihn an.

„Ich verzeihe dir, Bokuto-san!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Momo26
2016-10-15T07:04:59+00:00 15.10.2016 09:04
Awww^^ echt schön geschrieben
Die beiden sind aber auch zu niedlich xD
Lg Momo
Antwort von: abgemeldet
15.10.2016 15:08
Aww, vielen Dank, freut mich, dass es dir so gut gefallen hat :3
Ja und wie niedlich sie sind *o*
Danke fürs Review!
Gruß Hina
Von:  NaschKatzi
2016-07-26T15:20:17+00:00 26.07.2016 17:20
Fufu^^ Ich mag die beiden irgendwie^^
Knuffig und awwwwww <3 Besonders putzig, wie sehr sich Akaashi gegen Bokutos Charm wehrt xD Aber am Ende ist er ihm doch erlegen ;)
*sabber*


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