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Endormis

von

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Der Verräter

Protagonist: James Potter
 

***
 

Erst als die Sonne schon ein ganzes Stück herumgewandert war, bemerkten wir, wie lange wir hier eigentlich schon gesessen haben mussten.
 

„Oh, Mist!“, fluchte Sirius. „Ich wollte Jana eigentlich nicht so lange alleine lassen.“

„Hast du den Zwei-Wege-Spiegel eigentlich dabei?“, wollte ich wissen.

„Ja, natürlich. Sie muss ja wenigstens die Möglichkeit haben, mich zu kontaktieren, falls sie mich brauchen sollte.“

„Ich würde gerne mit ihr reden.“
 

Er zögerte.
 

„Ich weiß nicht, ob das so direkt eine gute Idee ist“, erwiderte er schließlich.

„Warum?“, fragte ich verständnislos.

„Sie ist nicht sonderlich glücklich darüber, dass sie es nicht geschafft hat, euch aufzuwecken“, sagte er.

„Was hat das damit zu tun? Ich kann ihr ja schließlich keinen Vorwurf daraus machen, dass sie krank war.“

„Ja, aber das macht es in ihren Augen nicht gerade besser. Ich habe es mitbekommen. Jede verpasste Gelegenheit. Sie ist hinterher jedes Mal in Tränen ausgebrochen deswegen. Und letztes Jahr war die erste Gelegenheit, zu der sie es tatsächlich mal geschafft hatte, da zu sein.“

„Aber wir sind jetzt erst aufgewacht.“

„Das lag daran, dass sie sich in der Nacht geirrt hat. Sie war eine Nacht zu früh dran und deswegen hat es nicht geklappt, euch aufzuwecken. Sie war wirklich am Boden zerstört deswegen. Aber eigentlich hatte sie sich die letzte Woche über wirklich Hoffnungen gemacht, sie könnte dabei sein, wenn ihr schließlich aufwacht. Ich glaube, es könnte sein, dass ihr die Nerven durchdrehen, wenn du sie einfach so anklopfst. Vielleicht ist es besser, wenn du einfach mitkommst und ich sie aber vorher etwas schonend darauf vorbereiten könnte.“
 

Ich antwortete nicht sofort, denn seine Erklärung musste erst einmal sacken. Jana war also da gewesen und hatte versucht uns zu wecken. Das erklärte, warum unsere Särge und die Gruft offen gestanden hatten. Sie musste vergessen haben, sie hinterher wieder zu schließen. Oder sie war womöglich auch zu schwach dafür gewesen.
 

Ein Teil von mir wollte immer noch unbedingt sofort mit ihr sprechen. Der andere Teil von mir stimmte Sirius jedoch zu, dass es vielleicht besser war, Jana lieber direkt zu sehen. Und schließlich siegte dieser Teil in mir auch.
 

„Also hätten wir früher aufwachen können, wenn Jana sich nicht in der Nacht geirrt hätte?“, fragte ich noch einmal nach.

„Ja, aber du solltest sie lieber nicht darauf ansprechen“, erwiderte Sirius. „Ich vermeide dieses Thema auch bewusst. Sie macht sich selber deswegen schon genug Vorwürfe. … Ehrlich gesagt, versteh‘ ich auch selber nicht, warum ihr beiden auf einmal alleine aufgewacht seid. Wenn ich es gewusst hätte, dann wäre ich da gewesen. Es tut mir leid.“

„Ach was soll’s?“, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. „So viel Unterschied macht es doch nun auch nicht mehr, oder?“
 

Er antwortete nicht, deswegen fuhr ich einfach fort.
 

„Ob wir nun letztes Jahr schon aufgewacht wären oder erst irgendwann in ein paar Monaten oder eben jetzt, ist doch im Grunde egal. Wir haben ohnehin schon so viel Zeit verpasst. Da machen ein paar Monate das Brot nun auch nicht mehr fett. Der einzige Unterschied wäre doch nur gewesen, dass wir direkt unsere Fragen los gewesen wären. Aber die Zeit hätte sich deswegen auch bloß nicht zurückdrehen lassen.“
 

Er nickte ernst.
 

„Das stimmt wohl“, stimmte er zu. „Tut mir leid, deswegen.“

„Ich mach euch deswegen keinen Vorwurf“, widersprach ich. „Und fang bloß nicht schon wieder damit an, dich für alles Mögliche zu entschuldigen! Es ist halt nun einmal so. Das Thema ist durch und ich finde es irgendwie unnötig, sich deswegen noch zu entschuldigen.“
 

Wieder antwortete er nicht.
 

„Also lass uns lieber Peter endlich schnappen!“, wechselte ich das Thema.

„Naja wirklich vorangekommen, bin ich mit der Suche nach ihm heute nicht gerade“, erwiderte Sirius. „Und der Kater ist auch nicht aufgetaucht.“

„Welcher Kater eigentlich?“

„Ach, das ist eine lustige Geschichte. Ich glaube, er gehört zu Harrys bester Freundin. Aber er ist sehr intelligent. Er hat mich durchschaut, als ich als Hund vor ihm stand und er hat auch erkannt, dass Peter keine echte Ratte ist. Er kann mit mir kommunizieren, wenn ich verwandelt bin und er hat versucht, Peter für mich zu fangen. Außerdem hält er für mich die Augen offen, falls er ihn hier auf dem Gelände findet.“
 

Das klang wirklich kurios! Peter tarnte sich als Rons Hausratte und Hermines Kater versuchte insgeheim, Sirius zu helfen! Wenn in den letzten paar Tagen nicht noch mehr unglaubliche Dinge passiert wären, hätte ich Sirius wohl direkt für verrückt erklärt. Aber ich verkniff mir den Kommentar.
 

„Ich muss mir also mal merken, mich zu verwandeln, wenn ich das nächste Mal einem Kater begegne“, antwortete ich. „Vielleicht ergibt sich ja mal ‘ne nette Unterhaltung. … Aber unabhängig davon, glaube ich, dass wir die Suche nach Peter auch abkürzen können.“
 

Mit diesen Worten zog ich die Karte des Rumtreibers wieder aus meiner Umhangtasche.
 

„Du hast die Karte!“, stellte Sirius überrascht fest.

„Ja, ich hab‘ sie die letzten Tage über verwendet, um nach dir Ausschau zu halten“, erzählte ich. „Aber ich hab‘ nicht mit Peter gerechnet. Deswegen ist er mir wohl entgangen.“

„Wo hast du die her?“

„Remus hat sie mir gegeben.“

„Der ist hier?“

„Ja, er unterrichtet hier wohl Verteidigung gegen die dunklen Künste.“

„Aber er hätte mir doch irgendwann mal über den Weg laufen können! Und wenn er die Karte hatte, dann hätte er mich doch erst recht finden müssen!“

„Er sagt, er habe nie mitbekommen, wie du den Kartenbereich betreten hast. Außerdem hat er die Karte wohl erst ein paar Wochen oder so vor mir in die Hände bekommen. Davor hatte sie offenbar Harry und Remus hat sie ihm abgenommen. Und Harry hat erzählt, er hätte die Karte vorher von den beiden Zwillingsbrüdern von Ron bekommen. Die Karte hat also offenbar ein wenig ‚Bäumchen wechsle dich‘ gespielt in letzter Zeit.“

„Wie jetzt? Harry hatte sie und Remus hat sie ihm abgenommen? Warum?“

„Er sagte, er wollte nicht, dass Harry damit Dummheiten anstellt. … Kann ich auch nicht verstehen. … Ist jetzt aber auch irgendwie gerade nicht wichtig, oder?“

„Na gut, das stimmt.“
 

Ich aktivierte also ohne ein weiteres Wort zu wechseln die Karte und suchte sie dieses Mal nach Peter ab. Sirius blickte mir dabei über die Schulter.
 

„Da!“, sagte er schließlich und deutete auf Hagrids Hütte.

„Na die Hütte ist wohl tatsächlich katzensicher!“, kommentierte ich. „Hagrid ist ja immerhin gegen Katzen allergisch.“

„Ich muss zugeben, Peter ist wirklich gerissener, als ich ihm jemals zugetraut hätte!“, gab Sirius mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zu.

„Na jetzt sitzt er aber auf jeden Fall in der Falle!“
 

Ich schnappte nach meinem Tarnumhang und erhob mich.
 

„Und wie wollen wir ihn da rausbekommen?“, wollte Sirius wissen und stand jetzt ebenfalls auf. „Immerhin ist Hagrid auch in seiner Hütte.“

„Wir klopfen an seine Tür und bitten ihn darum, uns die Ratte zu geben, die sich irgendwo in seiner Hütte verkrochen hat.“

„Und wie willst du ihm das erklären?“

„Darüber mach ich mir doch keine Gedanken! Hast du dir über irgendwelche Erklärungen Gedanken gemacht, als du mit einem Messer in den Gryffindor-Turm eingedrungen bist?“

„Nein, ich hatte gehofft, dass niemand aufwachen würde.“

„Tse!“
 

Ich schüttelte amüsiert den Kopf.
 

„Naja wie auch immer; Erklärungen können wir uns überlegen, wenn wir danach gefragt werden. Also kommst du nun?“

„Ja, ja, komme schon!“
 

Und so verließen wir den Wald wieder und machten uns auf in Richtung Hagrids Hütte. Keiner von uns wechselte in den nächsten Minuten ein Wort. Erst als die Hütte in Sichtweite gelangte, meinte Sirius, dass er sich wohl lieber besser wieder in einen Hund verwandeln sollte.
 

„Immerhin kennt Hagrid die Geschichte nicht“, erklärte er. „Es könnte also vielleicht etwas einfacher für uns sein, wenn er mich nicht direkt erkennt.“

„Meinetwegen“, nickte ich und wartete auf ihn, während er die Gestalt eines Hundes annahm. Dann trat ich entschlossenen Schrittes auf die Hütte zu und klopfte an die Tür.

„Wer da?“, kam es verdutzt von drinnen.
 

Ich konnte hören, wie es sich im Inneren der Hütte regte und wenig später erschien Hagrids Gesicht in der Tür.
 

„Harry, du weißt doch, dass du um diese Zeit …“, fing er an, doch er brach ab, als ihm auf den zweiten Blick offensichtlich klar wurde, dass ich nicht Harry war. Vor Überraschung brachte er kein weiteres Wort mehr heraus.
 

Ich konnte mich entsinnen, dass Dumbledore wohl auch den Lehrern noch nichts davon verraten hatte, dass wir lebten. Lediglich Remus, Professor McGonagall und Professor Sprout waren eingeweiht worden. Aber alle anderen – und ganz offensichtlich auch Hagrid – hatten noch keine Ahnung.
 

Ich hatte dabei fast schon ein schlechtes Gewissen, doch ich wollte keine Zeit damit verschwenden, ihm umständlich alles zu erzählen, was vorgefallen war.
 

„Hallo Hagrid“, grüßte ich ihn daraufhin nur. „Ich weiß, ich sollte eigentlich tot sein. Ist ‘ne lange und komplizierte Geschichte. Keine Zeit, das jetzt alles zu erklären. Ich wollte dich nur fragen, ob du so freundlich sein könntest und mir eine Ratte bringen könntest? Die müsste sich hier irgendwo in deiner Hütte verkriechen.“
 

Er wirkte, soweit das möglich war, noch verwirrter.
 

„Eine Ratte?“, stammelte er irritiert.

„Ja, ich glaube, sie müsste sich irgendwo da hinten in der Ecke verkrümelt haben.“
 

Ich deutete direkt in diese Richtung. Hagrid blickte immer noch offenkundig verwirrt drein.
 

„Aber woher…?“, begann er, doch er schien nicht recht zu wissen, wie er seine Frage beenden sollte.

„Sagen wir einfach, ich hatte da so eine Eingebung“, antwortete ich. „Würdest du mir diese Ratte bringen, bitte?“

„Öhm… Klar!“
 

Er blickte mich noch einmal ziemlich verdattert an, dann wandte er sich aber ab und suchte in der Richtung, die ich ihm gezeigt hatte nach Peter.
 

„Hab‘ den kleinen Schlingel!“, rief er schließlich und zog Peter unter seiner Kommode hervor.
 

Peter wirkte für eine Ratte ziemlich abgemagert, doch im Augenblick schien ihm noch nicht bewusst zu sein, was ihm wohl gleich blühte. Erst als Hagrid sich wieder mir zuwandte und er mich erblickte, begann er aufgeregt in Hagrids Hand zu quieken und zu zappeln. Als ob er eine Chance haben würde, mir noch zu entkommen!
 

„Das ist doch Rons Ratte Krätze!“, stellte Hagrid verblüfft fest.

„Na sowas!“, kommentierte ich ungerührt und ließ Peter nicht eine Sekunde aus den Augen. „Scheint irgendwie Angst vor mir zu haben! … Aber ich kann ihn voll und ganz verstehen. Ich würde mir an seiner Stelle auch nicht über den Weg laufen wollen.“
 

Noch bevor Hagrid sich einen Reim darauf machen und antworten konnte, entwand Peter sich seinem Griff und sprang auf den Boden. Offenbar versuchte er so schnell wie möglich an mir vorbeizuhuschen, um zu entkommen, doch ich war schneller.
 

Blitzschnell hatte ich meinen Zauberstab gezogen und schleuderte ihm einen Zauber entgegen, der ihn auf der Stelle dazu zwang, seine wahre Gestalt anzunehmen.
 

Hagrid stand da wie vom Donner gerührt. Er brachte keinen Ton heraus und starrte einfach nur versteinert auf Peter. Dieser blickte sich unglaublich verängstigt um.
 

„Hallo Peter!“, grüßte ich ihn lässig, doch meine Stimme verdüsterte sich und Peter sollte mich immer noch gut genug kennen, um zu wissen, dass es gleich mächtig gewittern würde. „Ich hab‘ gehört, du bist auch unter die Untoten gegangen. Normalerweise würde ich mich ja über einen Erfahrungsaustausch freuen, aber irgendwie bin ich doch nicht so wirklich daran interessiert, mich mit dir darüber auszutauschen.“

„J-James!“, stotterte er. „W-wie sch-schön d-dich z-zu s-sehen!“
 

Ich antwortete nicht. Ich starrte ihn nur mit eisigem Blick an.
 

„W-wir k-können d-doch über a-alles reden, o-oder?“, stammelte er weiter.

„Eigentlich ist mir nicht so sehr nach Reden zumute“, lehnte ich ab und bemühte mich um Hagrids Willen, meine Stimme so ruhig wie möglich zu halten. „Außerdem ist mir nicht ganz klar, worüber du reden willst. Vielleicht darüber, wie du Voldemort verraten hast, wo er Lily, Harry und mich finden kann? -“
 

Hagrid und selbst Peter zuckten beim Klang von Voldemorts Namen zusammen. Doch ich achtete nicht darauf.
 

„- Oder wie erfolgreich du alles Sirius in die Schuhe geschoben hast, damit er für dich in Askaban landet?“

„Er wollte mich töten!“

„Oh, das tut mir aber leid! Erwartest du jetzt vielleicht noch, dass ich Mitleid mit dir bekomme? DU HAST MEIN KOMPLETTES FAMILIENLEBEN ZERSTÖRT! WORÜBER WILLST DU ÜBERHAUPT NOCH MIT MIR REDEN? ICH HABE DIR MIT MEINEM LEBEN UND DEM MEINER FAMILIE VERTRAUT UND DU HATTEST NICHTS BESSERES ZU TUN GEHABT, ALS ES AN VOLDEMORT ZU VERKAUFEN! SIRIUS HAT SEINEN KOPF FÜR DICH HINGEHALTEN UND DU HAST IHN EINFACH NACH ASKABAN GEBRACHT! DU HÄTTEST ES EIGENTLICH VERDAMMT-NOCH-MAL VERDIENT, DASS ER DICH TÖTET!“
 

Er antwortete nicht. Er gab nur ein pfeifendes, verängstigtes Quieken von sich. Ich dagegen brauchte nur einen Moment, um mich wieder zu sammeln.
 

„Darauf fällt dir wohl nichts mehr zu deiner Verteidigung ein, was?“, fragte ich kalt und mit immer noch bebender Stimme. „Recht so! Es wäre auch sowieso unnötig.“

„Du wirst mich doch nicht töten?“, quiekte er.

„Wenn du wüsstest, wie gerne ich das gerade tun würde!“, antwortete ich bedrohlich. „Aber was hab‘ ich davon, wenn Sirius oder ich zu Mördern würden, nur deinetwegen? Außerdem brauch‘ ich dich noch, um Sirius‘ Unschuld zu beweisen. Danach kann ich immer noch weitersehen, was ich mit dir anstelle. Wenn ich besonders gnädig bin, übergebe ich dich persönlich den Dementoren.“

„NEIN!“, kreischte Peter und wollte sich schon wieder in eine Ratte verwandeln, um zu verschwinden, doch ich hatte ihn schneller mit der Ganzkörperklammer gelähmt, ehe er dazu kam.
 

Da lag er nun! Völlig reglos und mir ausgeliefert. Hagrid stand immer noch völlig versteinert daneben und brachte kein Wort heraus vor Schreck.
 

„Entschuldige die Störung, Hagrid“, wandte ich mich wieder an ihn und grinste ihn entschuldigend an.
 

Der arme Kerl schien wirklich mit seiner Fassung zu ringen und er brauchte einen Moment bevor er seine Stimme wiederfand.
 

„Black – ich meine – Sirius ist nicht – also – er hat euch nicht-?“

„Ja, er ist unschuldig und er hätte uns NIE verraten!“, unterbrach ich ihn, bevor er seine Frage hatte zu Ende stellen können. „Hör mal, könntest du mir einen Gefallen tun und Ron lieber nichts davon erzählen. Ich will dem Jungen nicht erklären müssen, dass seine Ratte der wahre Verräter ist.“

„Klar“, brachte Hagrid nur knapp als Antwort hervor.
 

Noch immer stand ihm die Verwirrung offen ins Gesicht geschrieben. Er schien wirklich Schwierigkeiten damit zu haben, die Situation zu begreifen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Immerhin hatte er ja nicht mit mir rechnen können und auch nicht damit, dass Peter sich unter seiner Kommode verkriechen würde. Allerdings hatte ich keine Zeit weiter, ihm alles zu erklären.
 

„Tut mir leid, dass ich nicht länger bleiben kann“, entschuldigte ich mich daher. „Ich muss noch zu Dumbledore. Ich hoffe, wir können dann die Tage mal plaudern. Bis dann, Hagrid.“
 

Ich ließ ihm keine Zeit, mir zu antworten. Ich schnappte mir Peter am Kragen seines Umhangs und schleifte ihn zur Tür heraus. Sirius saß in seiner Hundegestalt brav vor der Tür und wartete auf mich. Neben ihm saß eine Katze mit rostrotem, langem und dichtem Fell und einem ziemlich eingedellten Gesicht. Das also war Hermines Kater! Er starrte mich neugierig an und ich hätte nur zu gerne ausprobiert, ob es stimmte, dass ich in meiner Animagus-Gestalt mit ihm reden könnte. Doch dafür war jetzt keine Zeit, also verschob ich das auf später.
 

„Das ist also der Kater“, stellte ich fest. „Nett, dich kennenzulernen.“
 

Sirius verwandelte sich, als ich noch einen Schritt auf ihn zukam.
 

„Ich soll dir ausrichten, er findet es auch interessant, dich kennenzulernen“, erzählte er mir grinsend.

„Das freut mich“, nickte ich dem Kater zu. „Ich bin James Potter.“
 

Der Kater schnurrte und blinzelte einmal mit den Augen. Ich wandte mich wieder Sirius zu.
 

„Übrigens hätte ich dir ja liebend gerne geholfen“, entschuldigte er sich grinsend. „Aber irgendwie schienst du die Situation schon so schön unter Kontrolle zu haben.“

„Ja, ja“, erwiderte ich ungerührt.
 

Er griff nach einem noch freien Stück Stoff von Peters Kragen und nun machten wir uns zusammen auf den Weg zurück ins Schloss. Jedenfalls dachte ich, dass wir das Schloss ansteuern würden. Sirius jedoch wollte offenbar in Richtung des Eisentors am Eingang zum Schulgelände abdrehen.
 

„Wo willst du hin?“, fragte ich ihn

„Einen Geheimgang nutzen?“, antwortete er in einem Tonfall, als wäre das doch offensichtlich. „Ich wandere schließlich nicht einfach so in dieser Gestalt durch das Schloss! Immerhin bin ich ja noch nicht freigesprochen.“

„Na gut … Da hast du wohl recht.“
 

Ich fragte mich ernsthaft, wie Sirius es schaffte, in dieser Situation seinen klaren Verstand zu bewahren. Ich selber kochte innerlich immer noch. Doch wahrscheinlich war es gut, dass wenigstens Sirius seine Fassung behielt. Also steuerten wir auf das Tor zu. Der Kater folgte uns auf dem Fuße.
 

Das Tor wurde zu beiden Seiten von zwei geflügelten Ebern flankiert, welche auf steinernen Säulen thronten. Das Tor war geschlossen und hielt somit die Dementoren draußen, die davor Wache hielten.
 

Zielstrebig vertrieben Sirius und ich die Dementoren mittels unserer Patroni von ihren Posten. Somit waren wir nun ungestört und wandten uns dem Eber zu unserer Linken zu. Der Einlass in den Geheimgang befand sich unter ihm.
 

„OK“, sagte Sirius. „Also wer von uns beiden öffnet jetzt den Gang.“

„Also ich würde sagen, die Ehre gebührt dem frisch gebackenen Papa“, erwiderte ich und grinste ihn breit an. „An Sauereien wirst du dich in der nächsten Zeit sowieso gewöhnen müssen.“
 

Er warf mir einen finsteren Blick zu. Doch dann seufzte er, schüttelte resigniert den Kopf und kletterte die Säule hinauf.
 

„Aber du hast doch mit Schweinereien eigentlich mehr Erfahrung als ich“, wandte er sich noch einmal um. „Willst du mir nicht doch lieber erst einmal zeigen, wie das geht?“

„Nein, nein, das schaffst du schon alleine.“
 

Er rollte genervt mit den Augen. Mit etwas angewiderten Blick steckte er dem steinernen Tier seine Finger in die Nase, welches augenblicklich zum Leben erwachte, sich in die Lüfte hob und neben mir auf dem Boden landete.
 

„Und?“, kommentierte ich immer noch breit grinsend. „War das jetzt so schlimm?“

„Du bist ein Idiot!“, antwortete er.

„Stets zu deinen Diensten.“

„Außer, wenn es darum geht, einem Eber die Finger in die Nase zu stecken!“

„Genau!“
 

Mit dieser gepfefferten Antwort kletterte ich ebenfalls die Säule hinauf und schleifte Peter achtlos hinter mir her. Sirius war unterdessen schon in den Einlass, der sich oben auf der Säule aufgetan hatte, hinabgestiegen.
 

Der Eingang führte nicht so weit in die Tiefe, also stieß ich Peter einfach mit einem Fußtritt hinein und kletterte dann selbst hinab. Gerade als ich unten neben Sirius ankam, hörte ich den Eber über uns erneut zum Leben erwachen und er flatterte wieder zurück auf seinen Posten, um die Öffnung zu verschließen.
 

„Lumos“, hörte ich Sirius‘ Stimme und ein helles Licht erstrahlte an der Spitze seines Zauberstabes und erhellte den niedrigen Gang, der vor uns lag.

„Also auf geht’s“, sagte ich geschäftsmäßig und packte Peter wieder an seinem Kragen.

„Auf geht’s“, stimmte Sirius mir zu und ergriff einen freien Zipfel des Kragens.
 

Für einen Augenblick herrschte Schweigen zwischen uns, während wir gebückt den sich windenden Pfad entlangliefen.
 

„Sag mal, woher hast du eigentlich den Zauberstab?“, fiel mir unterwegs ein. „Deinen Alten durftest du ja sicherlich nicht behalten, oder?“

„Den hab‘ ich mir von Jana geliehen“, antwortete er. „Das war das Einfachste.“

„Aha. Ja, das stimmt wohl.“

„Da fällt mir ein-“
 

Sirius blieb abrupt stehen und begann in seiner Umhangtasche zu kramen.
 

„Was soll das?“, wollte ich wissen, doch er antwortete nicht. Stattdessen zog er einen kleinen Spiegel aus der Tasche und ich erkannte ihn als sein Gegenstück zu dem Zwei-Wege-Spiegel, den wir früher so häufig verwendet hatten.
 

Ohne überhaupt auf meine Frage einzugehen, klopfte er zweimal auf das Glas und wartete einen Moment ab, bis er eine Reaktion erhielt.
 

„Wo bist du?“, hörte ich eine zaghafte Stimme und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als ich Jana erkannte.
 

Sirius hatte mich also nicht angelogen. Sie lebte und es ging ihr offenbar gut. Am liebsten hätte ich Sirius den Spiegel sofort aus der Hand gerissen, um sie sehen zu können. Doch dann fiel mir wieder ein, dass Sirius sie ja noch schonend darauf vorbereiten wollte, dass Lily und ich schon wach waren, also hielt ich mich zurück und lauschte nur.
 

„Ich bin noch auf dem Gelände“, erwiderte Sirius sanft. „Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich hier noch etwas beschäftigt bin.“

„Du bist nicht erwischt worden, oder?“, vergewisserte sie sich besorgt.

„Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme nur etwas später nach Hause.“

„OK“

„Ist bei dir alles gut?“

„Ja, Emma ist gerade eingeschlafen.“
 

Sirius lächelte sanft.
 

„Gib ihr einen Kuss von mir“, bat er sie. „Ich versuche, nicht allzu spät nach Hause zu kommen.“

„Mach ich“, versprach sie. „Pass auf dich auf.“

„Mir passiert schon nichts. Mach dir keine Sorgen. Ich hab‘ dann noch eine Überraschung für dich. Aber das erzähl‘ ich dir alles später.“
 

Ich hörte keine Antwort, doch ich stellte mir vor, wie sie ihn nur neugierig anguckte.
 

„Bis später“, verabschiedete sich Sirius.

„Ja, bis dann.“
 

Mit diesen Worten war Jana dann anscheinend wieder aus dem Spiegel verschwunden, denn Sirius steckte ihn zurück in seinen Umhang.
 

„Wolltest du sie nicht noch schonend auf etwas vorbereiten?“, fragte ich etwas vorwurfsvoll.

„Doch nicht über den Spiegel!“, widersprach er. „Was ist denn, wenn sie einen Anfall bekommt, weil sie sich solche Vorwürfe macht, dass sie euch nicht aufwecken konnte und noch nicht einmal dabei war? Ich könnte doch nicht so schnell bei ihr sein, um ihr zu helfen!“

„Na gut, da hast du wohl recht.“
 

Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, machten wir uns wieder auf den Weg in Dumbledores Büro.
 

„Sag mal, woran hast du damals eigentlich gemerkt, dass ich mich in Jana verliebt habe?“, durchbrach Sirius irgendwann erneut die Stille.

„Also das war ja nun wirklich nicht schwer!“, versicherte ich ihm. „Du warst manchmal einfach so geistig abwesend, wenn sie gerade wieder nach Hogwarts aufgebrochen war oder wenn das Thema zufällig auf sie zu sprechen kam. Wenn du von ihr gesprochen hast, dann hattest du so einen verträumten Gesichtsausdruck und in deiner Stimme lag immer ein Hauch Schwärmerei und wenn ihr euch gesehen habt, dann hast du so liebevoll mit ihr geredet. Also es konnte einem gar nicht entgehen, dass du dich bis über beide Ohren in sie verliebt hast!“

„Oh…“

„Und erinnerst du dich noch daran, wie ihr Mitschüler aus Hufflepuff einmal in den Ferien bei uns zu Besuch war? Wie hieß er noch gleich? Conner Davidson?“

„Ja…?“

„Der arme Kerl war nur zum Hausaufgaben machen da und du bist ihn angegangen, er solle bloß seine Finger von ihr lassen!“

„Ist dir nicht aufgefallen, wie er sie angesehen hat?“

„Du warst einfach eifersüchtig!“
 

Ich grinste, als ich mich daran zurückerinnerte. Es war wirklich amüsant gewesen.
 

„Du hast mir doch damals sogar zugestimmt, als ich ihn beiseite genommen hab!“, erinnerte er mich.

„Ja, na klar! Ich konnte dir ja schlecht in den Rücken fallen, oder?“
 

Er schwieg.
 

„Ach komm schon! Das war lustig!“, fand ich.

„Wenn du das sagst!“, erwiderte er, doch er wirkte etwas peinlich berührt und soweit ich das in dem flackernden Licht des Zauberstabes erkennen konnte, hatte seine Gesichtsfarbe einen leichten rosafarbenen Stich angenommen.

„Falls es dich interessiert, ich hatte gehofft, dass du und Jana irgendwann zusammenkommen würdet“, teilte ich ihm mit und warf ihm einen eindringlichen Blick zu.

„Tatsächlich?“

„Ja, ich konnte mir ja schließlich immer sicher sein, dass du sie gut behandeln würdest.“

„Aber darüber hast du auch nie gesprochen!“

„Nö, da ich ja dachte, du wärst nur etwas begriffsstutzig, was deine Gefühle für sie anbelangt, glaubte ich, du kommst vielleicht schon noch von selber darauf. … Ich hätte dich aber vielleicht mal darauf angesprochen, wenn es dann auf Janas Abschluss in Hogwarts zugegangen wäre.“
 

Er kam nicht weiter dazu zu antworten, denn in diesem Moment erreichten wir das andere Ende des Ganges. Ich öffnete die Karte, um einen flüchtigen Blick darauf zu werfen, dass wir auch in niemanden hineinlaufen würden. Doch der Gang vor Dumbledores Büro war wie ausgestorben. Also stieß ich das Portrait beiseite, hinter dem der Gang versteckt lag und nur wenige Augenblicke später standen wir auch schon vor Dumbledores Büro.
 

„Herein“, kam es auf mein Klopfen hin von drinnen und wir traten ein.
 

Wenn Dumbledore jemals überrascht war, in seinem Büro unerwarteten Besuch zu empfangen, dann besaß er jedenfalls das bemerkenswerte Talent, dies gut zu verbergen. Auch dieses Mal breitete sich ein fröhliches Lächeln auf seinem Gesicht aus, als hätte er uns bereits erwartet und er legte die Socke beiseite, die er begonnen hatte zu stricken.
 

„Guten Abend, Professor“, grüßte ich ihn.

„Guten Abend, James“, erwiderte er. „Und guten Abend, Sirius. Wie ich höre … und sehe, scheint sich deine Geschichte doch etwas anders darzustellen, als die allgemeinen Nachrichten vermuten lassen.“
 

Er betrachtete Peter, der immer noch bewegungsunfähig war und den wir achtlos hinter uns her in das Büro schliffen. Sein alter Umhang sah mittlerweile ziemlich mitgenommen aus und er selber war über und über mit Schrammen und blutigen Kratzern überseht. Wir hatten uns nicht gerade die Mühe gemacht, ihn sanft in das Büro zu bugsieren. Er lebte noch. Jedenfalls waren seine Augen, das einzige, was er noch bewegen konnte, weit aufgerissen und er starrte uns entsetzt und ängstlich an. Doch mir war nicht danach, Mitleid für ihn zu empfinden.
 

Sirius war unterdessen bereits dabei, Dumbledore zu erzählen, was wirklich geschehen war. Er gab sich Mühe, keine Details auszulassen und erzählte selbst davon, wie wir damals zu Schulzeiten Animagi geworden waren.
 

„Ah“, sagte Dumbledore andächtig. „Und das habt ihr all die Jahre selbst vor mir geheim gehalten?“

„Naja es wäre auch nicht sonderlich klug gewesen, es jemandem anzuvertrauen, oder?“, antwortete Sirius entschuldigend.

„Es war meine Idee gewesen“, warf ich ein. „Ich weiß, dass sich Remus deswegen etwas schuldig fühlt, er hätte uns dazu verleitet. Doch er hatte nicht die geringste Ahnung, dass wir so etwas tun würden. Er hat uns nie darum gebeten und wenn er davon gewusst hätte, hätte er versucht, es uns auszureden.“
 

Dumbledore lächelte nur milde.
 

„Nun, ich denke, es ist ohnehin zu spät, euch dafür von der Schule zu verweisen“, erwiderte er. „Aber eine beachtliche Leistung, ohne Zweifel.“
 

Sirius und ich tauschten einen kurzen Blick aus, antworteten jedoch nicht.
 

„Wahrscheinlich ist es jedoch das Sinnvollste, es auch weiterhin geheim zu halten“, fuhr er fort. „Von Peters Fähigkeit sollte das Ministerium natürlich erfahren, doch ich werde dafür sorgen, dass er euch nicht verraten kann.“
 

Er deutete mit seinem Zauberstab auf Peters reglosen Körper, dann wandte er sich wieder uns zu.
 

„Das sollte genügen“, sagte er zufrieden. „Und nun sollten wir uns endlich darum kümmern, dass Sirius freigesprochen wird.“
 

Er erhob sich von seinem Stuhl und trat auf seinen Kamin zu, wo er beherzt nach einer Handvoll Flohpulver griff und sie ins Feuer warf. Er rief einen Namen, der mir nicht bekannt vorkam und nur wenige Augenblicke später erschien ein beleibter kleiner Zauberer darin.



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