Zum Inhalt der Seite

Runes

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Asgard

1. Kapitel – Asgard
 

So wachte ich also an meinem ersten Morgen in Asgard auf. Möglichst leise, schlich ich durch Fensal und wenn ich beabsichtigte unsichtbar und unhörbar zu sein, dann konnte man sich sicher sein, dass ich genau das war. Ungesehen gelangte ich also nach draußen und lies mir alle Zeit der Welten um Asgard zu erkunden. Ich vermisste irgendwie die Wälder aus der Mittelwelt. Ich war mir sicher Idun hatte unzählige Gärten mit kleinen und großen Tieren in ihrer Halle und auch einige Bäume, aber es gab nichts über richtige, dichte, grüne Wälder mit Laubbäumen. So etwas lud mich immer zum Erkunden ein. Ich liebte es wilde Tiere zu beobachten und auf Bäume zu klettern. Nicht selten hatte ich vom letzteren unzählige Verletzungen davon gezogen, obwohl mich meine Pflegeeltern oft genug gewarnt hatten. Einige Narben waren bis heute nicht verschwunden. Ich war wohl eher das, was man einen Wildfang nannte. Und deshalb vielleicht wollte ich nicht den ganzen Tag in Asgard verbringen. Es war ja schön und alles, aber etwas fehlte. Ich vermisste die Mittelwelt. Die Menschen darin weniger, aber die Flora und Fauna. Die einzigen Menschen, die es mit mir ausgehalten hatten, waren meine Pflegeeltern gewesen, die mich aus reiner Nächstenliebe, oder vielleicht auch nur aus Pflichtbewusstsein aufgenommen und großgezogen hatten, nachdem sie mich als Baby, wie sie mir einmal erzählt hatten, im Wald gefunden hatten. Niemand wusste, wie ich dorthin gekommen war und wer mich dort hingelegt hatte. Ich hatte einmal nur ruhig im Wald gelegen, nur mit einer Decke umwickelt und auf das wartend, was noch folgen möge. Und jetzt war ich hier, in Asgard. In der Himmelsfeste der Götter.
 

Nachdenklich saß ich auf dem Dach von Odins Halle und überblickte Asgard. Gerne wäre ich auf den Hindarfjall geklettert, doch dies war jedem, außer dem Allvater selbst, strengstens untersagt. Nun gut, solche Verbote schien es manchmal nur zu geben, um gebrochen zu werden, doch ich beschloss, es mir nicht gleich am ersten Tag mit allen, und vor allem nicht mit dem Allvater, zu verscherzen. Auf Dächer klettern, wenn es schon keine Bäume gab, hatte mir –noch- niemand verboten. Für mich gab es nichts schöneres, wenn der Wind durch mein Haar strich und meine Beine in der Luft baumelten, während ich meinen Gedanken nachhing. Ich dachte über alles und nichts nach, philosophierte, analysierte und dachte noch mehr nach. Ich bin mir sicher besonders Thor konnte dies nicht nachvollziehen. Für ihn gab es eh nichts schöneres, als Riesen verdreschen. Ich war ja nicht so für Gewalt. Schon möglich, dass sie manchmal nötig war, aber ich ging Streitereien lieber aus dem Weg. Lustigerweise fanden sie mich dennoch. Irgendwie war niemand besonders angetan von meinen objektiven, logischen Analysen und Schlussfolgerungen und das ganze endete nicht selten beinahe in einem Handgemenge, welchem man nur entging, wenn man schnell genug auf den höchsten Baum kam. So war das jedenfalls in der Mittelwelt und mit den Dorfjungen gewesen. Hier... Nun das würde ich noch früh genug herausfinden.
 

Ich fuhr mir mit der Hand durch mein widerspenstiges Haar. Es hatte einen seltsamen, ungewöhnlichen Rotstrich und erinnerte so beinahe ein reines Bronze und meine Augen hatten diesen Grünton, der viele an das frische Gras im Frühling erinnerte. Mein Mund umspielte meistens ein schiefes, keckes Grinsen und überhaupt war meine Art für ein Mädchen unangebracht. Es ziemt sich nicht in Hosen und Hemd herumzulaufen. Es ziemt sich nicht mit den Jungs einen Streit anzuzetteln und den Erwachsenen zu widersprechen. Es ziemt sich nicht ungekämmt und ungewaschen alleine durch den Wald zu streifen. Es ziemt sich nicht neugierige Fragen zu stellen. Dies und Ähnliches hatte ich mir immer von den älteren Dorfbewohnern anhören müssen. Und ich hatte all das immer für Unsinn abgetan. Kleider und Röcke waren furchtbar unpraktisch. Und wer zog diesen ganzen Schmuck an? Ballast? Wunderte mich, dass Freya noch gerade stehen konnte, mit all dem Gehänge. Ich mochte es praktisch. Aber leider hatten die Götter, oder wer auch immer das Zimmer und besonders den Schrank ausgestattet hatte, nicht bedacht. Natürlich fand ich nur Kleider, Röcke und Blusen vor. Ich hatte mich heutigen morgen für das kleinere Übel entschieden. Einen braunen, relativ schlichten Rock, den man notfalls hochkrempeln konnte und eine Bluse, bei der ich die Ärmel hochkrempeln konnte, sodass ich die Hände frei hatte. »Sie trägt das Chaos in sich. Das kann ich von hier aus sehen.«, hatte Heimdall gesagt und somit meine Vermutungen bestätigt. Ich trug also tatsächlich Dämonenblut in mir. Gerne hätte ich mehr über meine Herkunft gewusst, aber ich bezweifelte, dass Odin mir alles bereitwillig erzählen würde. Im Grunde genommen kannte ich ihn erst seit wenigen Jahren. Er war eines Tages im Dorf aufgetaucht. Einige hatten ihn zunächst für einen älteren Mann gehalten. Ein Mann, mit einer Augenklappe und einem Schlapphut. Er hatte ausgesehen wie ein gewöhnlicher Wandersmann. Doch ich hatte, kaum, dass ich ihn erblickt hatte, gespürt, dass an seiner Erscheinung noch mehr dahinter steckte, als es zunächst den Anschein hatte. Jedenfalls stellte sich der alte Mann uns als Gagnard, oder auch einfach nur Einauge, vor und kehrte für einige Male in unserem Haus ein. Bald wurde es zum Ritual, dass er sich alle Monate bei uns blicken lies. Und er nahm sich bei jedem Besuch Zeit für mich. Er erklärte mir viele Dinge, befriedigte meine Neugier und brachte mir einiges bei. Und als meine Eltern schließlich starben, hatte er mich hierher mitgenommen. Vielleicht hätte all das mich früher stutzig machen sollen, aber egal. Jedenfalls schien es im Augenblick das Beste zu sein, was mir hätte passieren können. Ich wohnte in Asgard, hatte ein Dach über dem Kopf und genug zu Essen. Wer weiss, wie mein Leben verlaufen wäre, hätte mich Odin nicht zu sich und seinesgleichen geholt.
 

„Liv, Liebes.“, rief mich eine sanfte Frauenstimme von unten. Ich sah zu Boden und sah, wie Idun dort unten stand und mir zuwinkte. Mit wenigen Sprüngen, landete ich vor ihr. „Ja?“ „Liebes, du solltest aufpassen. Es ist gefährlich für ein kleines Mädchen wie dich, dort oben zu spielen.“, ermahnte sie mich, einen Finger tadelnd erhoben. „Ich pass schon auf.“, meinte ich und grinste. Idun lächelte nur sanft. „Aber nun komm, du hast sicher Hunger.“ Allerdings. Sie legte einen Arm um mich und führte mich mit sanfter Gewalt über Idafeld und zur Halle, in der die Götter speisten. Dort erwartete mich, neben einem reichlich gedeckten Tisch, alle Asen und Vanen. Odin saß selbstverständlich am Kopfende der Tafel und begrüßte mich höflich und wies mir einen Platz zu. So kam ich neben dem Goldjungen Balder, der mir zugleich höflich etwas zu Trinken einschenkte und Heimdall zum Sitzen. Letzterer war darüber wohl alles andere als erfreut. Während dem Mahl kam ich nicht umher beinahe die gesamte Zeit über auf mein Runenmal zu starren. Es hatte inzwischen völlig aufgehört zu schmerzen und hatte nun eine rötliche Farbe angenommen und erinnerte mich an den Abendhimmel, kurz vor Sonnenuntergang. Dagaz ᛞVor lauter Faszination hatte ich völlig vergessen, alte Gewohnheit, an meinem Getränk zu schnuppern und nahm einen Schluck, nur um mich zu verschlucken und den Rest der Flüssigkeit auszuspucken. „Alles in Ordnung?“, fragte Balder besorgt. „Ja.“, meinte ich gedehnt und wischte mir mit den Handrücken über den Mund. Wein? Wirklich? Ich sah, dass Heimdall, welcher einiges abgekommen hatte, mich wütend an funkelte. Ich grinste ihn entschuldigend an. Hilfe würde er ohnehin nicht annehmen, also war Idun bereits dabei in guter alter Mutter Manier den Wein von seinem Gesicht und seinem Wams zu entfernen. Thor stieß ein ohrenbetäubendes, rumpelndes Lachen aus und erntete einige unbegeisterte Blicke. Odin nahm das Ganze stirnrunzelnd hin, doch sein warnender Blick blieb mir nicht verborgen. „Ist mir dir alles in Ordnung, Liebes?“, fragte Idun, nachdem es Heimdall gelungen war, sie abzuschütteln. Ich nickte. „Könnte ich etwas anderes zu Trinken bekommen? Wein ist nicht so...meins.“ „Aber selbstverständlich, Liebes.“, antwortete die Göttin mit einem sonnigen Lächeln und schenkte mir aus einem Krug Wasser ein. „Es tut mir Leid.“, kam es von Balder, „Ich dachte...“ „Schon gut.“, unterbrach ich ihn und trank einen Schluck Wasser, um den Weingeschmack los zu werden. Ich war alt genug, um alkoholische Getränke ganz offiziell genießen zu dürfen, doch ich tat es nicht. Wem´s schmeckte, okay! Ich fand das Zeug widerlich. So ging das Mahl ohne weitere, besondere Vorkommnisse zu ende, sodass die meisten Götter die Halle verliesen und ich schloss mich diesen an. Es hielt mich selten lange in geschlossenen Räumen. Smalltalk war auch nicht so mein Ding und unproduktive Langeweile erst recht nicht.
 

Also wanderte ich zunächst scheinbar ziellos in Asgard umher, nahm eine Halle nach der anderen in Augenschein, ehe ich Richtung Regenbogenbrücke wanderte. Ich wollte der Mittelwelt einen kleinen Besuch abstatten. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne den Wärter Bifrost gemacht. Heimdall Habichtauge stand wachsam an seinem Posten und beäugte jeden, der sich auch nur näherte. Na super. Es war ja nicht so, als hatte ich etwas höchst illegales vor. Ich hatte nur keinen Nerv um Erlaubnis zu fragen. Das war den Zeitaufwand nicht wert. Ich wollte ja nicht lange bleiben. Die anderen würden meine Abwesenheit gar nicht bemerken. Also galt es Heimdall nur für wenige Sekunden abzulenken. Ich besah mein Runenmal. Mit ein wenig Magie sollte es klappen. Ich wirkte die Rune ᛞ (Dagaz) und feuerte sie Richtung ein gutes dutzend aufeinander gestapelte Weinfässer. Die Rune schlug ein, wie ein Knallkörper. Ich versteckte mich, als Heimdall alarmiert an mir vorbei stapfte, um zu sehen, was geschehen war. Hastig und dennoch leise, sprintete ich los.
 

„Trautes Heim.“, murmelte ich, als ich mitten in einem Wald in der Mittelwelt angekommen war. Mit ᛒ (Bjarkan), der Rune für Hellsicht, die ich mit der linken Hand wirkte, konnte ich sehen, dass keine Menschenseele anwesend war. Dafür aber nicht gerade wenige Tiere. Ich hockte mich hin und wartete geduldig. „Kommt nur her. Ich tue euch nichts.“ Es dauerte eine Weile, bis sich die Waldbewohner tatsächlich näher trauten. Ich weiss nicht, ob ich unterbewusst irgendwelche Magie einsetzte, oder ob ich eine seltsame Anziehungskraft auf Tiere ausübte, aber ich hatte schon immer eine gewisse Bindung zu diesen. Während sie bei den andere Menschen das Heil in der Flucht suchten, hatten sie stets die Nähe zu mir gesucht. Etwas Geduld hatte natürlich immer dazu gehört. Lächelnd streckte ich dem Hirsch die Hand hin, dieser beschnupperte diese und ich begann ihn unterm Kinn zu kraulen. Ein kleines Eichhörnchen setzte sich auf meine Schulter und andere wilde Tierchen scharrten sich um mich.
 

Ich musste wohl etwas ein gedöst sein, denn ich öffnete blinzelnd die Augen, als eines der Eichhörnchen begann an meinen Haaren zu ziehen, sodass es allmählich unangenehm wurde. „Ohje.“ Ich spuckte den Grashalm, den ich im Mundwinkel gehabt hatte, in hohem Bogen aus und erhob mich. „Sorry. Ich muss los.“, lies ich die Waldbewohner wissen. Diese schauten mich beinahe flehend an. „Ich komme bald wieder. Versprochen.“ Mit diesen Worten machte ich mich auf den Rückweg.
 

„Wo bist du gewesen?“, fragte Heimdall harsch, der natürlich wieder an der Bifrost Wache stand. „In der Mittelwelt.“, antwortete ich gelassen und wahrheitsgemäß. Ich konnte erkennen wie es begann im Inneren des Wächters zu brodeln. Seltsam. Irgendwie war nie jemand für meine pragmatischen Argumente offen und die Diskussionen die ich führte, endeten immer damit, dass mein Gegenüber mich anschrie oder wütend davon stapfte. Dabei brachte ich immer logische Argumente mit und blieb selbst gelassen und ruhig. Irgendwie schien das viele aufzuregen. „Sorry. Ich hätte um Erlaubnis fragen sollen.“ Ich grinste ihn versöhnlich an. „Allerdings.“, presste Habichtauge zwischen den Goldzähnen hindurch. „Wird nicht wieder vorkommen.“ „Besser wäre es.“ Goldie´s stechender Blick folgte mir bis ich Fensal erreichte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück