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Beste Freunde

von

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One-Shot

Aus der Ferne sahen sie aus wie bunte Edelsteine, die im Sonnenlicht glänzten und funkelten. Aus der Nähe erkannte Roxas, dass es Vorhängeschlösser waren, die an einem Zaun aus Maschendraht befestigt waren. Schlösser in allen Größen und Farben, manche sogar nicht einmal mehr wie ein herkömmliches Schloss geformt.

Roxas verstand es nicht. Nachdenklich wandte er den Blick von den Schlössern ab, kehrte dem seltsam befremdlichen Anblick den Rücken zu. Er hatte eine Mission zu erfüllen, nur deshalb war er hierhergekommen. Und sobald er fertig war, konnte er Axel immer noch fragen.

 

Bevor er Hollow Bastion am Ende des Tages wieder verließ, warf er einen letzten Blick auf die funkelnden Edelsteine in der Ferne.

 

Axel wartete an ihrem üblichen Platz auf ihn, grinsend, mit einem Eis in der Hand, das er für ihn mitgebracht hatte. Xion fehlte. Sie war noch auf einer Mission unterwegs, soweit Roxas wusste. Er bedauerte es. Immerhin war Axel da.

„…He, Axel.“ – „Mhh?“ – „Ich war heute in Hollow Bastion.“ – „Oh?“

Für einen Moment überschattete etwas Axels Gesicht, das Roxas nicht benennen konnte. Es war dunkel, und er stellte fest, dass es ihm lieber war, wenn Axel grinste. Das war viel vertrauter.

„Und weiter?“ – „Da waren… Schlösser. Ganz viele. Warum hängen die dort, Axel?“

Wieder passierte etwas mit Axels Gesicht, dann schüttelte er den Kopf und richtete den Blick mit einem Lächeln, das alles andere als fröhlich wirkte – aber auch nicht traurig, nein – hinaus in die Ferne, wo die glühend rote Sonne gerade unterging. In dem gleißenden Licht wirkten Axels Haare, als würden sie in Flammen stehen.

„Die Schlösser, huh? Weißt du, das ist Folgendes. Und merk es dir gut, ich erzähl es dir nicht zweimal! Da drüben gibt es eine Tradition, dass… beste Freunde dort Schlösser befestigen und die dazugehörigen Schlüssel dann gemeinsam ins Wasser werfen, wo sie fortgespült werden. Das ist ein Ritual, das dafür sorgen soll, dass man ewig Freunde bleibt.“

Beste Freunde… Roxas folgte Axels Blick nachdenklich, bis er selbst der Sonne beim Versinken zusah, biss geistesabwesend von seinem Eis ab.

 

„Hm.“

 

Roxas, wann immer er die Freizeit dazu hatte, beobachtete die funkelnden Edelsteine. Manchmal ging er nah heran, um die Namen zu lesen, die in vielen der Schlösser eingraviert waren. Einige waren so alt, dass sie gar nicht mehr erkennbar waren. Andere wirkten noch richtig neu. Nie sah er Menschen herkommen, um ein Schloss anzubringen.

„Du hast jetzt doch nicht ernsthaft deinen freien Tag damit verbracht, Schlösser zu zählen?“

Roxas wirbelte herum, als eine vertraute Stimme ihn aus seinen Gedanken riss.

„Axel.“ – „Yo. Was treibst du hier?“ – „Ich habe mir die Schlösser angesehen.“

Axel schüttelte ungläubig den Kopf und schnaubte. Es klang amüsiert und spöttisch, trotzdem trat er näher und ließ seinen Blick über die Reihen an Schlössern wandern. Er wirkte nicht wirklich so, als würde er etwas suchen, und trotzdem… suchte er etwas? Roxas wusste es nicht zu beschreiben. Nein, er suchte nicht. Er erwartete, etwas zu finden, und weil er wusste, dass es da sein musste, suchte er nicht wirklich. Nach einer Weile, die er die Schlösser betrachtet hatte, streiften Axels Finger flüchtig ein Schloss, ehe er sich wieder hob und noch einmal den Kopf schüttelte.

„Los, verschwinden wir, Roxas. Sonst setzen wir noch genauso viel Rost an wie diese Dinger hier.“

Roxas nickte, doch er konnte seinen Blick nicht von dem Schloss abwenden, dem zuvor Axels Aufmerksamkeit gegolten hatte. Es wirkte… alt.

„Axel.“ – „Mhm?“ – „Wer sind Isa und Lea?“

Stille.

 

„Sie waren beste Freunde.“ – „Waren? Aber hast du nicht gesagt, wer ein Schloss hierherbringt, wird immer beste Freunde bleiben?“ – „Sie sind nicht mehr hier, Roxas. Sie sind fort.“

Roxas nicke, verstehend, doch eigentlich verstand er nichts. Selbst wenn sie fort waren, dann waren sie doch immer noch beste Freunde, oder? Mit einem stummen Seufzen schloss er zu Axel auf.

„Gehen wir.“

 

Roxas beobachtete weiterhin. An einem Tag sah er Menschen. Sie kamen immer zu zweit, brachten Schlösser an, warfen Schlüssel ins Wasser. Pressten ihre Lippen aufeinander. Es war immer das gleiche Ritual. Und es waren viele. Roxas hörte bald auf zu zählen, doch bis er Hollow Bastion wieder hinter sich ließ, war er sich sehr sicher, dass er all die Menschen gar nicht mehr hätte zählen können. Wie immer suchte er ihren Treffpunkt in Twilight Town auf. Dieses Mal musste er warten, bis Axel kam.

„Hey, Roxas, du bist früh.“ – „Nein, du bist spät, Axel, das ist etwas anderes!“

Axel lachte, schubste ihn sanft, ehe er sich neben ihn setzte. Roxas schubste zurück, und dann lachten sie beide.

„Axel?“ – „Hm?“ – „Ich war in Hollow Bastion.“

Axel seufzte, doch dann grinste er. Mit dem Eis in seiner Hand gestikulierte er amüsiert.

„Ich weiß, was du mich fragen willst. Du willst wissen, was es mit den ganzen Leuten auf sich hat, die heute Schlösser angebracht haben, richtig?“ – „Woher…?“

Während Roxas erstaunt dreinblickte, grinste Axel viel zu selbstzufrieden. Er machte eine spielerische Verbeugung, ehe er sich wieder seinem Eis zuwandte.

„Ich weiß eben alles.“ – „Pff. Klugscheißer.“ – „Hey, pass auf, was du sagst, oder du musst dir jemand anderen suchen, der dir alles erklärt!“

Roxas verdrehte die Augen, stieß Axel noch einmal gegen die Schulter.

„Also, erklär.“

„Valentinstag. Das ist ein Tag, an dem… Freundschaft zelebriert wird, weißt du? Da kommen die Menschen zusammen und verfolgen verschiedene Bräuche. Man schenkt sich Schokolade, oder Grußkarten… oder macht eben Schlösser fest, je nachdem. Ist ziemlich beliebt, vor allem bei jungen Leuten.“ – „Aber warum braucht man dazu einen Tag?“

Axel zuckte mit den Schultern. Unbekümmert, aber vor allem auch nicht wirklich interessiert.

„Weil Menschen eben so sind, Roxas. Man könnte natürlich auch jeden anderen Tag im Jahr solche Dinge tun, aber… Menschen brauchen eben feste Daten, um etwas feiern zu können.“

Roxas verstand es nicht. Und er war sich nicht einmal sicher, ob er es verstehen wollte, denn es erschien ihm als ziemlich dumme Praxis. Aber womöglich erschien es ihm als gar nicht mehr so dumm, wenn er denn ein Herz hätte. Würde das etwas ändern?

„Ich finde es auch blöd“, fuhr Axel weiterhin unbekümmert fort. Sein Blick lag auf der untergehenden Sonne, Roxas‘ Blick lag auf Axels Profil. „Freundschaft kann man jeden Tag im Jahr feiern. Aber es ist ein nettes Symbol, findest du nicht?“

„...doch.“

 

Roxas kaufte ein Schloss.

Es war rot wie die untergehende Sonne. Rot wie Axels Haar. Rot, weil das die Farbe war, die am weitesten reichte. In hübschen, geschwungenen Buchstaben standen ihre Namen darauf. Axel. Roxas. Er hatte lange überlegt, ob nicht auch Xion einen Platz auf diesem Schloss verdient hatte, schließlich war sie genauso seine beste Freundin, wie Axel sein bester Freund. Doch es war… anders. Roxas konnte sich nicht vorstellen, mit ihr dieses Schloss anzubringen und die Schlüssel fortzuwerfen. Es war eine andere Art der Freundschaft, die sie verband.

 

Er hatte frei. Axel hatte frei. Er fand seinen Freund im Gemeinschaftsraum, in ein Gespräch mit Xion vertieft.

„Axel, komm mit.“

Angesprochener blinzelte verdutzt, aber er stand auf, grinsend.

„Sorry, Xion. Wir reden später weiter. He, Roxas, wehe, du ruinierst mir meinen freien Tag!“

Roxas grinste breit, voll falscher Unschuld, boxte Axel nur gegen die Schulter.

„Ich doch nicht.“

 

„Was…?“

In Hollow Bastion angekommen wirkte Axel einfach nur verwirrt. Roxas sah ihn entschlossen an, während er das rote Schloss aus der Tasche zog. Es war klein genug, dass es in seine geballte Faust passte, die er Axel beinahe trotzig entgegenreckte.

„Wir sind doch beste Freunde, nicht wahr?“

Mit den Worten öffnete er seine Hand, präsentierte seinem Freund das Geschenk, das er gekauft hatte. Axel sah ihn verwirrt an, dann auf das Schloss hinunter, und seine Augen weiteten sich. Es war etwas darin, das Roxas inzwischen als Schmerz zu benennen gelernt hatte, doch dann wandelte sich sein Blick, der Schmerz wich etwas anderem. Stärkerem. Etwas, das Roxas nicht benennen konnte, doch er hatte es schön öfter gesehen. Bei den Menschen, die hierherkamen, um ihre Schlösser aufzuhängen.

Es war ein gutes Gefühl, da war er sich sicher.

Mit einem Lächeln legte Axel seine Hand auf Roxas‘ eigene, durch das zusätzliche Gewicht konnte er das Schloss in seine Handfläche drücken spüren.

 

„…ja. Das sind wir, Rox.“

 

„Dann bringen wir jetzt das Schloss an.“ – „Klar. Ich hoffe mal, deine schwachen Ärmchen reichen aus, um den Schlüssel ins Wasser zu werfen.“ – „Hey!“

Sie lachten, während sie den kurzen Weg zu den Schlössern zurücklegten, sich gegenseitig knuffend und schubsend. Einmal davorstehend dauerte es eine Weile, bis sich ein hübscher Platz fand, an dem ihr Schloss hängen bleiben konnte, doch schließlich war er gefunden, das Schloss angebracht, und beide standen sie da, jeder einen Schlüssel in der Hand.

„Auf drei?“ – „Auf drei. Wer am Weitesten wirft, kriegt das Eis spendiert!“

 

Natürlich gewann Axel. Er grinste triumphal, und Roxas grinste, und er war glücklich, und dann umfasste er Axels Gesicht und presste seine Lippen auf die des Anderen. Axel erstarrte, doch dann umarmte er ihn, und Axel küsste ihn, und Roxas küsste zurück, und von der Sonne angestrahlt glühte das rote Schloss wie ein Sonnenuntergang ganz für sich alleine.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Silberfrost
2016-11-02T19:49:43+00:00 02.11.2016 20:49
Oooh, mein Herz! Ich bin gerade erst durch Radiant Garden spaziert und dort mit Ven auf Lea uns Isa getroffen. Da hat das Herz schon genug geblutet - und nun das!! Versteh mich nicht falsch, das ist ein Kompliment. Ich finde die Idee sehr, sehr rührend und wenn mich was zum Schniefen bringt, mag ich es auch (ok, zugegeben, das klingt jetzt komisch..).
Irgendwie will mir aber dieses Schloss als schlechter Vorbote nicht aus dem Kopf.. erst mit Isa eines gehabt.. dann kam der erste Untergang.. nun eines mit Roxas.. =/
Vielen Dank für den OneShot!
Von:  sinistersundown
2016-07-13T16:54:01+00:00 13.07.2016 18:54
Eine wirklich sehr schöne, rührende Fanfic! Sie ließ sich gut lesen und auch diese kleinen, subtilen Hinweise auf Axels Vergangenheit haben wunderbar ins Gesamtbild gepasst! Du hast die Charaktere gut in Szene gesetzt, weiter so! *fave*

LG

sinistersundown
Antwort von:  Puppenspieler
13.07.2016 18:54
Aber hallo! Danke für deinen lieben Kommentar!*^*
Und es freut mich riesig, dass du die kleinen Hinweise gefunden hast! >3 ♥


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