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The Vermilion Bird

The Four Chrysalian Symbols
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Es ist ein wenig over the top, aber gut... :,D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nicht sehr lang, ich weiß, aaaaaber es geht weiter. :D
Oh, ja. 3rd channel ist eine Anlehnung an das japanische Textboard 2channel. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das meiste von diesem Kapitel habe ich tatsächlich auf der Arbeit geschrieben, wenn wenig los war und demnach keine Musik hören können. Allerdings höre ich bei Szenen mit Constantin und auch Layla (zumindest hier und in Infinity Sparks) meistens I NEED U oder RUN, beides Lieder von BTS. Meistens eher I NEED U.
Hier habe ich jetzt zwar Color Coded Lyric-Versionen verlinkt, aber schaut euch bei Gelegenheit auch unbedingt einmal die Original-MVs an, denn sie sind sehr sehenswert. =) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach ewig und drei Tagen geht es hier endlich mal weiter. :"D
Allerdings mit einem Kapitel, das zugegeben mehr fragen aufwerfen, als beantworten wird. Viele der Sachen, die jetzt einfach so dahingestellt wurden, werden später noch genauer erklärt, wenn Charaktere vorkommen, die eben NICHT wissen, was vor sich geht, anders als die Figuren, in diesem Kapitel.
Wie - vor ewig und drei Tagen xD - versprochen, verlinke ich jetzt auch die Lieder, die ich beim Schreiben gehört habe: Kindom, One Shot (Das MV hierzu lohnt sich btw auch) und Excuse Me - alle drei Lieder sind von B.A.P :3 Komplett anzeigen

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Sleeping Lions

„Des weiteren wird es dem Street Dance Club untersagt, während der Dauer des Multistudienkollegs zu proben“, fuhr Henrika fort.

Auch wenn er selbst Mitglied des Kollegs war, fand Constantin langsam, dass es doch zu viel wurde. Ein Raumwechsel hätte es auch getan. Außerdem fand er diese Behandlung den Mitgliedern des Street Dance Clubs gegenüber nicht gerechtfertigt. Sicher, viele der Mitglieder waren ein wenig harscher, aber im Grunde genommen, waren sie alle nett, wenn man zu ihnen nett war. Und es gab auch Mitglieder wie Gale Hastings, die fast die ganze Zeit im Unterricht mit dem Kopf nur auf ihrem Tisch schlief und mit kaum jemandem interagierte.

Wie man in den Wald hinein ruft...

Ihre Schule legte sehr viel Wert auf akademische Bildung und der Street Dance Club war der einzige Club, der so etwas wie eine sportliche Betätigung bot. Dadurch hatte er sich zu einem Sammelpunkt für all jene entwickelt, die anderweitig nicht ins System passten. Und gerade deswegen fand Constantin diese Behandlung noch unfairer.

Constantin war gerade im Inbegriff, aufzubegehren, als er von hinten das laute Kratzen eines zurückgeschobenen Stuhls vernahm. Wie der Großteil der Leute im Raum, drehte sich auch Constantin um.

Zunächst war er versucht, zu blinzeln, weil er sich nicht sicher war, ob das, was er sah, auch wirklich der Realität entsprach.

Niemand anderes als die sonst so schläfrige Gale Hastings war aufgestanden. Sie stützte sich mit den Händen auf ihrem Pult ab und sah Henrika mit einem bohrenden Blick an, den diese abwartend und kühl erwiderte.

Hastings hatte einen raschen Blickwechsel mit Brin Eisenhoff und Kerrie Tillmark, welche beide knapp und bestimmt nickten. Eisenhoff war vor seinem Wechsel ein Fußballspieler gewesen und Tillmark eine Turnerin; beide gehörten mittlerweile auch zum Street Dance Club.

„Gestern Abend wurde ich zur Vorsitzenden unseres Clubs gewählt“, sagte Hastings.

Constantin war wie immer überrascht, wenn er ihre Stimme hörte. Nicht nur weil er sie aufgrund von Hastings' narkoleptischem Verhalten selten zu hören bekam, sondern weil sie anders klang, als er erwartete; klar, kühl, ruhig, glasig, aber durchaus angenehm.

„Und als solche obliegt mir folgende Entscheidung“, fuhr Hastings fort. „Mit sofortiger Wirkung wird der Street Dance Club aufgelöst.“

Man konnte regelrecht die kollektiv scharf eingezogene Luft der Schüler an den eigenen Wangen vorbeizischen spüren; einige starrten Hastings sogar mit offenem Mund an. Wahrscheinlich hatte jeder mit einer Schlammschlacht vom Feinsten gerechnet und nicht, dass Hastings einfach so aufgab. Sogar Mrs. Dawson, ihre betreuende Lehrerin für diese Klassenstunde, sah verdattert aus, obwohl sie einer der Lehrer war, die immer gegen den Street Dance Club gewettert hatten.

Zunächst wirkte auch Henrika überrascht, doch dann breitete sich ein äußerst selbstzufriedener Ausdruck auf ihrem Gesicht aus.

„Du kannst also deinen Feldzug beenden und musst deine wertvolle Zeit nicht mehr mit dieser unnützen Fehde verschwenden. So kurz vor den Zwischenprüfungen, nicht wahr?“ Hastings' Stimme troff vor Hohn. „Wir müssen nicht wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden, nur weil wir tanzen wollen. Statt im sonst ja ohnehin nicht genutzten Trainingsraum werden wir das nun einfach fernab des Schulgebäudes in unserer Freizeit tun.“

„Hm, es ist ja wirklich schön zu hören, dass ihr so rücksichtsvoll uns gegenüber seid“, entgegnete Henrika in einem süßlichen Tonfall, „aber solltet ihr nicht auch die knappe Zeit vor den Zwischenprüfungen lieber zum Lernen nutzen? Obwohl... es ist ja nicht so, als würde sich dann etwas ändern, nicht?“

Mrs. Dawson sog scharf Luft ein und räusperte sich dann laut.

Hastings starrte sie an und zog schließlich eine Augenbraue nach oben. „Du sagst also praktisch, dass wir dumm sind?“

„Naja, nicht vollkommen verblödet; schließlich hast du meine Aussage ja verstanden.“ Henrika lächelte weiterhin ihr süßlichen Lächeln.

„Henrika!“ Nun schaltete sich doch Mrs. Dawson ein. Sie blickte ermahnend zu Henrika, doch Constantin bemerkte, wie ihr Blick ganz kurz in Hastings' Richtung flatterte. Was Constantin zugegeben ein wenig verwunderte.

Statt in Rage zu verfallen und Henrika womöglich zu beschimpfen, richtete Hastings sich vollends auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie schien einen kurzen Augenblick zu überlegen und zuckte schließlich immer noch mit verschränkten Armen mit den Schultern, als sie scheinbar zu einem Schluss gekommen war.

„Hm, die Lösung ist relativ einfach...“, murmelte sie. Constantin konnte sie kaum verstehen und wagte zu bezweifeln, dass Henrika vorne am Pult etwas davon hören konnte. „Sie werden nicht glücklich sein, aber scheiß drauf.“

„Was murmelst du da vor dich hin?“, wollte Henrika wissen.

„Ah, nicht wichtig“, meinte Hastings abwinkend. „Du musst nur wissen, dass ich jetzt den ersten Platz anpeile, damit du keinen Grund mehr hast, weiteren gedanklichen Dünnschiss, wie diesen, von dir zu geben. Ich bin fair genug, um dir das wenigstens vorher zu sagen.“

Henrika blinzelte. Wahrscheinlich zu geschockt und baff, um überhaupt zu reagieren.

Constantin starrte Hastings an.

Mrs. Dawson starrte Hastings an.

Die ganze Klasse starrte Hastings an.

Hastings hingegen setzte sich in aller Seelenruhe wieder auf ihren Platz und legte die Arme auf ihren Tisch, wie um wie üblich ein Nickerchen mitten im Unterricht zu halten.

„Gibt's noch irgendwas Wichtiges?“, fragte Hastings gähnend. „Ich muss Schlaf nachholen.“

„Ähm, Hastings?“, schaltete sich schließlich Cecilia Kornert, ein weiteres Mitglied des Multistudienkollegs und meist der dritte Platz auf den Ranglisten, ein. „Hast du sie noch alle? Henrika ist seit Jahren der unbestrittene erste Platz dieser Klasse und du... naja, wie viele Punkte hast du maximal erhalten, seitdem du hier bist? 60?“

„Seit der Aufnahmeprüfung?“ Hastings schien ernsthaft kurz darüber nachzudenken. „Ich glaube, es waren 58“, antwortete sie schließlich und legte dann den Kopf auf ihre Arme. „Aber wer hat etwas von dieser Klasse gesagt?“, fragte sie gähnend und schloss die Augen. „Ich meinte den Jahrgangsplatz.“

So wie Constantin kaum ihre Stimme in Erinnerung behalten konnte, hatte er auch nie festgestellt, wie verrückt Hastings war. Henrika war nicht nur Klassen-, sondern auch Jahrgangsbeste. Seit ihrer Einschulung. Selbst nachdem sie eine Klasse übersprungen hatte. Unangefochten.

Die fassungslose Stille wurde schließlich von Henrikas Lachen unterbrochen.

„Ich wusste nicht, dass du so eine amüsante Seite hast, Hastings“, meinte sie schließlich glucksend und rieb sich die Tränen aus einem Auge.

Hastings bewegte sich keinen Millimeter und bliebt mit geschlossenen Augen auf ihrem Tisch liegen. „Warum?“

„Nun ja, du müsstest überall volle Punktzahl bekommen, bei jedem Lehrer. In jedem Fach.“

„Und?“, grummelte Hastings.

„Das habe selbst ich noch nicht geschafft“, entgegnete Henrika, gönnerhaft, regelrecht herablassend.

„Nur weil du es nicht geschafft hast, heißt das noch lange nicht, dass es niemand anderes kann.“

„Bitte?!“, entrüstete sich Henrika, doch Constantin musste Hastings insgeheim recht geben, auch wenn er nicht glaubte, das Hastings dieser jemand sein könnte.

Hastings stöhnte und richtete sich wieder auf, allen Augenscheins nach außerordentlich genervt rieb sie sich die Augen. „Ich sehe schon, diese Diskussion muss anderweitig beendet werden, oder ihr geht mir alle weiter mit bisherigen Punktzahlen auf den Sack...“, sagte sie mehr zu sich selber, aber dieses Mal für alle gut verständlich. „Da du dir so sicher bist, dass es unmöglich ist, eine volle Punktzahl zu bekommen, wie wäre es mit einer kleinen Wette?“

Henrika zog ungläubig eine Augenbraue in die Höhe.

„Wenn ich es schaffen sollte, den ersten Platz zu belegen, lässt du dann den Street Dance Club in Ruhe proben, wann immer wir wollen?“

„Tss!“ Henrika schüttelte den Kopf, aber mit einem Grinsen auf den Lippen. „Okay, einverstanden.“

„Miss Westmont! Miss Hastings! Jetzt ist aber Schluss!“, schaltete sich endlich noch einmal Mrs. Dawson ein. „Das ist doch vollkommen absurd!“

Hastings stöhnte gequält auf, ehe sie einmal Luft holte und sich an Mrs. Dawson wandte. „Mrs. Dawson, Ihr nächster Unterricht ist Mathe im Jahrgang über uns, oder?“

„Was? Ja“, antwortete Mrs. Dawson irritiert. „Und?“

„Sie haben ja sicher einige Aufgaben dafür vorbereitet, oder?“

Mrs. Dawson runzelte die Stirn. „Ja, natürlich... aber ich sehe nicht, was daran jetzt relevant sein sollte...“

„Lassen Sie mich bitte die Aufgaben lösen.“

Mrs. Dawson blinzelte verwirrt. „Wir haben jetzt aber eigentlich Klassenstunde und ich bin eure Englischlehrerin...“

Hastings schüttelte den Kopf. „Nein, haben wir nicht. Gerade haben wir nur eine unnütze Diskussion. Und um die zu beenden und der späteren über Spickerei vorzubeugen, habe ich nach den Aufgaben gefragt. Die wenigsten Lehrer hier halten etwas von mir, also ist es noch unwahrscheinlicher als ohnehin schon, dass irgendetwas hiervon abgesprochen war. Und ganz ehrlich“ - sie zuckte mit den Schultern - „was haben Sie zu verlieren?“

Mrs. Dawson runzelte die Stirn und sah von Hastings zu Henrika über die Schüler im Klassenzimmer und schließlich wieder zu Hastings. „Also gut.“

Aufgeregtes Getuschel ging durch die Reihen, als Mrs. Dawson durch ihre Aktentasche ging und schließlich Matheaufgaben an die Englischtafel schrieb. Wie auch Constantin hatte wahrscheinlich niemand erwartet, dass sich Mrs. Dawson darauf einlassen würde. Da es Stoff für den Jahrgang über ihrem eigenen war, konnte Constantin mit den Zahlen und der Gleichung wenig anfangen, obwohl er an sich nicht schlecht in Mathe war. Während immer wieder Schüler zu ihr sahen, saß Hastings einfach nur abwartend da, bis Mrs. Dawson fertig war.

„Hattet ihr Vektorrechnung überhaupt schon?“, wollte Mrs. Dawson wissen.

„Nein“, entgegnete Hastings, als sie sich erhob und zur Tafel ging. „Aber das ist unwichtig, schließlich benutzen wir dasselbe Buch wie die 13.“

Das stimmte zwar, doch Constantin konnte den Zusammenhang nicht wirklich herstellen. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen Mrs. Dawson scheinbar auch nicht.

Hastings war davon jedoch vollkommen unbeeindruckt. Sobald sie die Tafel erreichte, fing sie an zu schreiben. Sie schrieb und schrieb und erst nach einer ganzen Weile fiel Constantin auf, dass sie für jede der drei Aufgaben zwei Rechnungswege aufschrieb. Als Constantin zu Mrs. Dawson blickte, um herauszufinden, ob irgendetwas davon denn richtig sein mochte, sah er, wie seine Englischlehrerin blass geworden war. Sie hatte einen geschockten Gesichtsausdruck und sah so aus, als hätte sie vergessen, wie man den Mund wieder schließt.

„Wie...?“, brachte sie unfertig hervor.

„Wie ich gesagt habe, wir benutzen dasselbe Lehrbuch“, antwortete Hastings lediglich. „Und nur weil ein Lösungsweg nicht der im Lösungsheft abgedruckte ist, ist er nicht automatisch falsch, selbst wenn es hier gang und gäbe ist, so zu unterrichten.“ Sie sah mit einem kühlen Ausdruck zu Mrs. Dawson, die immer noch wie gebannt auf die Tafel starrte und deren Wangen sich daraufhin tatsächlich röteten. „Wollen Sie noch den dritten Lösungsweg? Den, der im Lösungsheft abgedruckt ist? Oder reichten Ihnen diese zwei unterschiedlichen, aber dennoch richtigen?“

Constantin konnte Mrs. Dawson schlucken hören, doch sie schien nach wie vor zu sprachlos zu sein, um zu antworten, und schüttelte den Kopf.

Oder sie will sich nicht bloßstellen lassen. Jeder weiß, dass man bei ihr in Englisch nur die Interpretationspunkte aus dem Lösungsheft aufschreiben muss, um eine annehmbare Note zu bekommen.

Hastings ging zu ihrem Platz zurück, doch hielt auf ihrem Weg inne und blieb neben Cecilias Platz stehen, um zu ihr herunterzuschauen. „Es ist gar nicht mal so einfach 58 Punkte zu bekommen, wenn man höchstens zwei Aufgaben bearbeitet, findest du nicht? Es können nicht mehr als zwei gewesen sein; meistens verliere ich schon während der ersten Aufgabe die Lust, weiterzuschreiben“, sagte sie leise zu ihr, doch im Raum war es so still, dass jeder die Worte verstand. Constantin bemerkte in diesem Moment zum ersten Mal, dass Hastings eine dieser Stimmen hatte, die sich Gehör verschafften, egal, wie laut es auch um sie herum sein mochte.

An ihrem Platz angekommen, packte sie ihre Schultasche, die sie nicht einmal geöffnet hatte, um irgendwelches Unterrichtsmaterial herauszuholen und schlang sich den Gurt über die Schulter.

„Selbst wenn ich jetzt nicht aufgrund von ungebührlichem Verhalten oder weiß der Geier was für einen Grund sich dafür auch wieder aus der Nase gezogen wird, suspendiert werde, gehe ich. Ich schlafe immer so schlecht unter angespannten Verhältnissen und ich habe wirklich starke Kopfschmerzen, die ich im Krankenzimmer auskurieren sollte. Wir wollen doch nicht, dass ich während der Zwischenprüfungen krank bin, oder, werte Klassensprecherin? Angeblich sollen sie ja recht wichtig sein, diese Zwischenprüfungen.“

Sie sah über ihre Schulter noch einmal zurück zu Henrika, welche tatsächlich errötete. Hastings hatte die ganze Zeit einen freundlichen Gesichtsausdruck gehabt, doch ihr Lächeln hatte ihre Augen nicht erreicht. Stattdessen konnte Constantin etwas anderes darin sehen, das er jedoch nicht recht entziffern konnte. Er fühlte sich allerdings, als hätte jemand den schlafenden Löwen einmal zu viel gepikst, sodass er nun erwacht war.

Er hatte ja keine Ahnung, wie recht er damit haben sollte.

Nothing really romantic

Layla war recht froh über die Tatsache, dass sie auf ihr Handy eine Folie geklebt hatte, die verhinderte, dass andere von der Seite etwas auf ihrem Display erkennen konnten. Die Straßenbahn war mal wieder brechend voll und sie hielt sich mit einer Hand an einem der Haltegurte fest, während sie in der anderen ihr Handy hielt. Sie war nicht wirklich klein für ein Mädchen, aber auch nicht groß und der Junge, der neben ihr stand, versuchte die ganze Zeit auf ihr Handy zu sehen. Tatsächlich war er leider größer als sie.

Aus dem Augenwinkel musterte sie ihn kurz. Schwarze Hose, schwarzer Blazer und eine graue Weste – der Uniform nach musste er ein Lincoln-Schüler sein. Nicht verwunderlich, denn Lincolns Haltestelle war nicht allzu weit entfernt und Layla musste noch etwas weiter fahren, eh sie an ihrer eigenen Schule, Skellkard, aussteigen konnte. Demnach war die Bahn auch zu dem Stoßzeiten immer mit den Schülern beider Schulen gefüllt, allerdings kam der Junge ihr sonst nicht bekannt vor und sie beschloss, ihn zu ignorieren.

Stattdessen sah sie wieder auf ihr Display hinunter. Seit etwas mehr als zwei Jahren war sie Moderator auf dem Internetforum 3rd channel und sie hatte sich angewöhnt, morgens in der Bahn immer über die Threads schauen, die ihrer Obhut unterstanden. Es gab nicht viele Regeln auf 3rd channel; jeder konnte anonym posten, wenn er wollte, doch sollte ein Post doch eben gegen eine dieser Regeln verstoßen, sperrte Layla ihn. Und obwohl die meisten von der Möglichkeit, anonym zu posten Gebrauch machten, hatte Layla doch einige Leute kennengelernt, deren Bekanntschaft sie heute nicht mehr missen mochte. Allen voran ein User, der sich meist Müsliriegel nannte.

Ihr Bestreben, die Plattform als Moderater zu unterstützen, war nicht gänzlich altruistisch, sondern hatte noch einen weiteren Hintergrund, doch von dem konnte sie wohl kaum jemandem erzählen. Noch nicht einmal Müsliriegel.

Glücklicherweise hatte niemand etwas zu Anstößiges gepostet, sodass sie sich nicht einloggen und ihres Amtes walten musste und auch in Thread 23, dem Mystery-Thread, hatte niemand etwas Auffälliges gepostet und das war letztendlich das Wichtigste.

Allerdings bemerkte Layla, dass der Junge sie immer noch anstarrte. Einige Leute waren ausgestiegen und es wurde etwas leerer in der Bahn, sodass dieses Starren nun doch ein wenig unangenehm auffällig wurde. Kurzerhand entschloss sie sich, aufzusehen und zurückzustarren.

„Willst du ein Passfoto oder hab ich was im Gesicht?“, fragte sie gerade heraus. „Eins von beidem muss es wohl sein.“

Normalerweise sahen die meisten weg, wenn man sie so konfrontierte, doch nicht so der Junge. Er lächelte stattdessen und trat einen Schritt auf sie zu. Eigentlich genau das Gegenteil von dem, was sie hatte erreichen wollen.

„Hi, ich bin Oliver“, stellte er sich vor.

„Ich nicht“, entgegnete Layla lediglich.

Sie hatte nicht wirklich einen 'Typ Jungen', den sie besonders attraktiv fand und der Junge sah nicht ungepflegt aus, seine blonden Haare waren sogar sorgsam gestylt, doch sie fand es immer suspekt, wenn fremde Personen quasi aus dem Nichts auf sie zu kamen und sie ansprachen.

Das Lächeln des Jungen bröckelte nicht einmal. „So, Nicht-Oliver, auf welche Schule gehst du?“

Layla sah ihn mit einem kühlen Blick an und dann an sich herunter. Dann deutete sie auf das deutlich sichtbare Schulwappen auf ihrer Uniform. Auf dem der Name ihrer Schule stand. In Großbuchstaben. „Offensichtlicherweise auf die einzige andere Schule in der Nähe.“

Oliver machte einen weiteren Schritt auf sie zu und Layla konnte sich nicht helfen, sie trat einen zurück. Oliver hingegen nickte verstehend. „Also wegen des Passfotos...“

Dieses Mal konnte Layla ein leises, unterdrücktes Räuspern vernehmen, doch es kam nicht von Oliver vor ihr. Dessen Lächeln schwand nun langsam doch, als Layla sich nach dem Ursprung des Geräusches umsah. Ein dunkelhaariger Junge, ebenfalls in Lincoln-Uniform, saß auf einem der mittlerweile freien Sitzplätze hatte das Gesicht zur Seite gewandt in einem offensichtlich fehlgeschlagenen Versuch, sein Amüsement zu verstecken.

„Oh, halt einfach die Klappe, Culgaris!“, murrte Oliver.

Der Junge, offenbar 'Culgaris', sah zu ihnen hinüber. Seltsamerweise kam er Layla allerdings bekannt vor; er hatte dunkle, braune Haare, eisblaue Augen und trug eine Brille. Sie konnte nur nicht sagen, ob sie ihm schon einmal hier in der Bahn begegnet war, oder woanders.

Er sah nicht unfreundlich aus, als er antwortete, er hatte sogar noch den Hauch seines Lächelns auf dem Gesicht, doch sein Blick war sehr direkt.

„Sie ist offensichtlicherweise nicht an einem Gespräch mit dir interessiert.“

Selbst seine Stimme klang vertraut, aber wo sollte sie einen fremden Jungen von einer anderen Schule schon einmal sprechen gehört haben? Zeitgleich hatte sie seltsamerweise das Gefühl, ihn das erste Mal in natura zu sehen.

Weird.

„Ach, was weißt du schon?“, fragte Oliver, doch schien nicht wirklich eine Antwort darauf zu wollen.

Culgaris zog eine Augenbraue in die Höhe und verschränkte, die Arme vor der Brust. „Genug. Es hilft niemandem weiter, wenn du sie wegen Hellen mit Fragen bedrängst, deren Antwort du eigentlich kennst. Es gibt keinen Grund die Angelegenheit zu hetzen, Oliver“, sagte er vollkommen ruhig, nicht als würde er sich über ihn lustig machen.

Oliver schnaubte jedoch und rauschte an Layla vorbei in den hinteren Teil des Wagons. Scheinbar wollte er lieber dort aussteigen, statt an der Tür, bei der sich Layla und Culgaris befanden. Dabei rempelte er sie an, allerdings glaubte sie nicht, dass er es absichtlich getan hatte. Dennoch fiel Laylas Handy aus ihrer Hand und rutschte über den Boden.

Culgaris war schneller als Layla und hob ihr Smartphone auf. Mit einem entschuldigenden Ausdruck auf dem Gesicht reichte er es ihr.

„Tut mir leid deswegen. Oliver ist kein schlechter Kerl“, erklärte er, „nur seit dem Ende mit seiner letzten Freundin ein wenig... unbeholfen.“

Layla nickte. „Okay.“ Sie wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte; es war nicht so, als würde es sie sonderlich interessieren, aber Culgaris schien ein freundlicher Kerl zu sein. Auch wenn es sie wurmte, nicht zu wissen, wo sie in schon einmal gesehen hatte.

Unverhofft bremste die Straßenbahn plötzlich scharf, noch bevor sie in seine Haltestelle einfuhren, und sie verloren beide, wie auch alle anderen stehenden Fahrgäste, das Gleichgewicht. Er fiel gegen sie, doch machte augenblicklich einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sie beide zu bringen. Er hielt noch immer ihr Telefon in der Hand.

„Sorry. Ich habe eine Freundin, die es auch nicht mag, wenn man ihr einfach zu nah kommt“, sagte er rasch, als die Bahn mit einem Ruck weiterfuhr. Er wirkte tatsächlich so, als würde er sich Gedanken darum machen und nicht als würde er versuchen, sie nun anzugraben, nachdem sein Freund vorher versagt hatte.

„Ah, schon okay, das war ja nicht deine Schuld und es stört mich eigentlich nicht so sehr, wie es vielleicht gerade den Anschein gemacht hat“, erklärte sie, während die Bahn nun langsam in die Haltestelle einfuhr. „Nur bei Leuten, die den Wink mit dem Zaunpfahl auch beim dritten Mal nicht verstehen.“

Er reichte ihr ihr Telefon ein weiteres Mal. „Vielleicht sehen wir uns ja mal unter angenehmeren Umständen in der Bahn wieder.“

„Vielleicht“, bestätigte sie und nahm ihr Handy mit einem schmalen Lächeln entgegen.

Trotz seiner kalten Augenfarbe, wirkte sein Lächeln warm und es stand ihm. Jedoch musste er sich umdrehen, um aus der noch geöffneten Tür zu hasten, ehe sie sich wieder schloss und er drohte seinen Halt zu verpassen.

Als ihre Finger sich bei der Übergabe unabsichtlich berührten, geschah jedoch etwas seltsames, das Laylas Aufmerksamkeit vollends auf sich zog: ein kühles Kribbeln breitete sich in ihrer Hand aus.

Es war keineswegs dieses oh-mein-Gott-ein-gutaussehender-Kerl-hat-meine-Hand-berührt-jetzt-kann-ich-sie-niemals-nicht-wieder-waschen!-Kribbeln, das so oft in diversen Romanzen angesprochen wurde. Das Gefühl war vollkommen anders. Eisig kalt, doch es schien sich paradoxerweise in ihren Adern wie Feuer brennend auszubreiten. Layla musste sich auf einen der nun freien Plätze setzen, als sich ein Stechen in ihrem Brustkorb ausbreitete, als wäre sie gerade vollkommen unvorbereitet einen 800-Meter-Lauf gerannt.

Der Druck auf ihrer Brust ebbte langsam ab und sie konnte wieder normal atmen, doch ein kühles Gefühl blieb ihr in den Knochen hängen. Jedoch fühlte es sich nicht mehr unangenehm an, sondern wie eine dauerhaft kühle Brise.

„Was zum...?!“, sprach sie tatsächlich leise aus, als sie durch die Fenster zurück auf die Haltestelle blickte, ehe sie hinter einer Kurve verschwand.

Unheard Mysteries

Den ganzen restlichen Tag über war Henrika unausstehlich gewesen. Zumindest nachdem sie ihren Schock überwunden hatte. Constantin für seinen Teil war wirklich gespannt darauf, ob Hastings es wirklich schaffen sollte, Henrika zu schlagen.

Allerdings war Constantin auch mehr als nur froh gewesen, als sich die Gelegenheit geboten hatte, sich vom Studienkolleg zu entschuldigen und so Henrikas Laune und Cecilias Beschwichtigungen zu entfliehen.

Der reguläre Unterricht endete normalerweise um drei Uhr nachmittags, doch danach hatten die Schul-AGs noch Zeit sich zu treffen, ehe die Schule schließlich um sechs Uhr endgültig schloss. Schüler, die kein Mitglied einer AG waren oder deren AG nicht stattfand, konnten also theoretisch schon um drei nach Hause gehen. Constantin war nicht nur Mitglied im Multistudienkolleg, sondern hatte sich dieses Jahr auch für das Gesundheitskomitee gemeldet, als der Lehrer, der für gewöhnlich die Biochemie-AG leitete, für unbestimmte Zeit dauerhaft ausgefallen war. Das Gesundheitskomitee hatte zwar vergleichsweise nur wenige Mitglieder, doch diese hatten die Wochentage unter einander aufgeteilt, sodass nicht alle Mitglieder jeden Nachmittag Dienst hatten. Constantin hatte mittwochs und jeden zweiten Freitag Dienst. Obwohl die Schule eine Schulkrankenschwester eingestellt hatte, hatte sich das Gesundheitskomitee zu ihrer Unterstützung gebildet.

Als die Durchsage kam, dass sich das zuständige Komiteemitglied doch bitte in Sekretariat einfinden sollte, hatte Constantin seine Sachen schon quasi gepackt, ehe die Durchsage beendet war.

Wie sich herausgestellt hatte, waren die neuen Verbandsmaterialien eingetroffen und mussten gegen die alten, abgelaufenen ausgetauscht werden. Sie waren gerade dabei, diverse Verpackungskartons zu entsorgen als Nurse Preston immer wieder auf ihre Armbanduhr sah.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Constantin, als er einen weiteren Karton zerkleinerte.

„Nichts weiter. Ich hatte damit gerechnet, dass das neue Material eigentlich erst morgen geliefert werden würde und nun wartet meine Tochter auf mich, damit ich sie von der Nachhilfe abhole“, gestand sie widerstrebend.

„Wenn Sie wollen, kann ich den Rest auch gerne allein machen, dann muss ihre Tochter nicht so lange auf Sie warten“, bot Constantin an.

„Wirklich?!“, platze es aus ihr heraus. „Ähm, ich meine, das geht doch nicht...“

„Ach, was. Es ist doch nicht mehr viel und wir wären eh bald fertig“, entgegnete Constantin mit einem Lächeln. „Gehen Sie ruhig.“

Nurse Preston seufzte geschlagen und erleichtert auf einmal. „Danke, Constantin.“

„Wie gesagt, es ist kein Problem.“

Er lächelte noch einmal und dieses Mal erwiderte Nurse Preston das Lächeln. „Danke. Ach, damit du dich nicht wunderst“, sagte Nurse Preston noch einmal und drehte sich wieder zu ihm um. „Eine Schülerin schläft zwar noch in einem der Krankenbetten, aber Herr Nowitzki ist schon zu ihr gegangen.“

Nowitzki? Der Leiter der Mathe-Abteilung? Und warum sollte ein männlicher Lehrer eine zu einer schlafenden Schülerin ins Krankenzimmer gehen...?

Constantins Gesicht musste seine Verwunderung widergespiegelt haben, denn die Krankenschwester lachte kurz auf.

„Keine Sorge, es passiert nichts Dubioses“, zerstreute Nurse Preston seine Zweifel. “Das Mädchen ist leider eine recht häufige Besucherin hier und leidet offenbar unter einer starken Migräne. Sie ist höflich, aber bisweilen sehr reserviert und Herr Nowitzki ist scheinbar ihr Vertrauenslehrer. Also mach dir keine Gedanken; du wirst schon nicht auf die Szene einer verbotenen Romanze treffen.“

„Oh. Okay.“ So recht wusste er nicht, was er dazu sagen sollte. „Ich wusste gar nicht, dass Herr Nowitzki als Vertrauenslehrer fungiert?“

„Tut er eigentlich auch nur sehr, sehr selten; meist nur für einzelne Oberstufenschüler seiner Kurse“, erklärte sie. „Soweit ich weiß, war sie die einzige Mittelstufenschülerin, die er unter seine Fittiche genommen hat.“

Zwar gab es an ihrer Schule Lehrer, die sich als Vertrauenslehrer für alle Schüler zur Verfügung gestellt hatten, aber es war nicht selten, dass auch andere Lehrer Schüler speziell betreuten. Wahrscheinlich um den hohen akademischen Druck zu senken.

„Aber wie dem auch sei... Danke, Constantin“, erwiderte sie noch einmal und legte ihm dankbar eine Hand auf den Arm.

„Kein Problem; es sind ja eh nur noch die Mullbinden“, antwortete er und hob den letzten Karton, den er nun in seinen Armen trug, an.

Sie lächelte ihm noch einmal zu und bedankte sich abermals, ehe sie schließlich den Gang hinunterhastete.

Constantins leichtes Lächeln schwand allerdings, als er sich selber zum Krankenzimmer wandte.

Eigentlich hatte er wenig Lust auf ein Treffen mit Nowitzki. Vielleicht hatte er ja Glück und konnte seine Aufgabe schnell abhaken, ohne großartig Kontakt mit dem berüchtigten Mathelehrer aufnehmen zu müssen.

Was Constantin eigentlich durch die Blume hatte sagen wollen, war, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass ein spartanischer und stringenter Lehrer wie Nowitzki Vertrauenslehrer für irgendwen sein konnte. Nowitzki leitete die Mathe-Abteilung der Schule und alle Mathelehrer unterstanden ihm. Als Leiter unterlag es ihm, Klausuren abzusegnen und die Aufnahmeprüfungen für den Mathebereich zu erstellen und zu korrigieren. Da er für gewöhnlich nur Oberstufenklassen unterrichtete, hatte Constantin ihn nur einmal in einer Vertretungsstunde selbst als Lehrer gehabt.

Aber das hatte ihm eigentlich schon gereicht.

Als Constantin eintrat, konnte er durch einen Schlitz zwischen den Verhängen Nowitzki an der Fensterbank lehnen sehen. Er blickte mit einem undeutbaren Ausdruck auf dem Gesicht auf den Schulhof hinunter.

Tatsächlich war Nowitzki noch recht jung, vielleicht Anfang dreißig, aber sein strenges Gesicht ließ ihn älter wirken. Im starken Kontrast zu seinem Anzug standen tatsächlich seine langen, dunkelblonden Haare, die er im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden trug.

„Also wenn du schläfst, schläfst du wirklich wie ein Stein“, hörte Constantin Nowitzki sagen.

Es raschelte und ein Gähnen war zu hören. „Es ist eben eine wahre Kunst“, sagte die Stimme eines Mädchens.

Eine Stimme wie Glas; farbenfroh, aber klar.

Constantins Blick schnellte in die Richtung des zugezogenen Vorhangs.

„Also hast du dich endlich entschieden, doch am Unterricht teilzunehmen.“ Es klang eher nach einer Feststellung denn einer Frage.

Das Mädchen stöhnte auf. „Diese Klatschbasen... an dieser Schule bleiben unwichtige Dinge wirklich nicht lange geheim...“

„Zur Verteidigung der restlichen Schülerschaft: Ich habe es von Mrs. Dawson erfahren. Sie saß im Lehrerzimmer schwer grübelnd über ihr Handy gebeugt und ich kann auch auf Handyfotos noch deine Handschrift erkennen, weißt du? Danach ist es ein wenig aus Mrs. Dawson... herausgesprudelt, wenn man das so nennen möchte. Du strebst also wirklich den ersten Platz an?“

„Jaah... Ich war wirklich genervt.“

Constantin wusste, dass es sich nicht gehörte, zu lauschen, aber er konnte nicht anders, als er so leise wie möglich den Karton abstellte. Er wusste auch genauso, dass er auf sich aufmerksam machen sollte, aber... er tat es nicht.

„Die arme Mrs. Dawson hat sich auch immer wieder gefragt, warum deine Noten so schlecht sind, wenn du doch vorlernst... Ich habe ihr diese Illusion nicht zerstört.“

Das Mädchen schnaubte. „Ich sehe wenig Sinn darin, das Lösungsbuch auswendig zu lernen. Eliteschule, am Arsch...“

Nowitzki räusperte sich mahnend.

„Aber es ist doch wahr...“, widersprach das Mädchen. „Meine Noten sind so bescheiden, weil ich mich langweile... Meine gute Tat jeden Tag besteht darin, im Unterricht zu schlafen, statt mich der Jugendkriminalität zu verschreiben... Die einzigen Lehrer, die nicht nach diesem Auswendiglernprinzip unterrichten, sind Mr Shadowstalker, Frau Brandt und du. Was mich dieses Mal wirklich genervt hat, war nicht, dass sie mich beleidigt haben, damit kann ich leben und das kratzt mich herzlich wenig, aber alle anderen Clubmitglieder haben genauso den Aufnahmetest geschafft, wie jeder andere hier auch. Nur sind sie alle demotiviert, weil sie von allen Seiten dämliche Bemerkungen ernten. Wenn ich dieser ständigen Degradierung ein Ende machen will und das nur geht, indem ich den entsprechenden Leuten den Wind aus den Segeln nehme... so sei es.“

„Aber ist das nicht zu, hm, auffällig?“

„Ich rechne damit, dass sie nicht glücklich darüber sein werden, aber so langsam ist mir das egal“, sagte das Mädchen, aber aus ihrem scheinbar gleichgültig Ton konnte Constantin noch etwas anderes heraushören. Ärger? Trotz? „Ich habe meinen Anweisungen soweit Folge geleistet; nichts, was zu sehr an vorher erinnert, keine Clubs, die irgendetwas mit physischen Auseinandersetzungen zu tun haben. Niemand hat etwas von akademischen gesagt.“

Dann trat Schweigen ein.

Was für 'Anweisungen'?! 'Vorher'?!

Constantin haderte immer noch mit sich, irgendein Geräusch von sich zu geben. Allerdings war auch etwas Seltsames an diesem Gespräch, das sein Interesse geweckt hatte.

„Immer wenn ich es sehe“, begann Nowitzki schließlich wieder, „frage ich mich: Tut es weh?“

Constantin hörte wieder das Rascheln von Stoff.

„Würdest du mir glauben, wenn ich 'nein' sage?“, fragte das Mädchen ausweichend.

„Es sieht so aus, als müsste es wehtun.“

„...da hast du deine Antwort.“

Es war nicht nur der Inhalt des Gespräches, der seltsam war. Erst jetzt bemerkte Constantin, dass das Gespräch auf Deutsch war.

Thilon, die Stadt, in der sie lebten, war multilingual; Deutsch und Englisch waren gleichwertige Amtssprachen, doch Französisch und Spanisch waren anerkannte Minderheiten. Auf Liernigat, Constantins Schule, wurde, mit Ausnahme des Deutschunterrichts, auf Englisch unterrichtet und die meisten Konversationen fanden ebenfalls auf Englisch statt. Da Constantin selber allerdings deutscher Muttersprachler war, war ihm zunächst nicht aufgefallen, dass das Gespräch zwischen den beiden auf Deutsch geführt wurde und das Mädchen Nowitzki die ganze Zeit bereits mit dem informellen Du angeredet hatte.

„Aber sehen wir es mal positiv: Ich bin noch nicht tot und kann auch noch, zwar bis zu einem gewissen Maße begrenzt, sicher ᛗᚫᚷᛁᛖ wirken“, sagte das Mädchen. „Wenn man bedenkt, dass es nur wegen etwas so kleinem möglich ist...“

Was wirken?

Constantin hatte das Wort nicht verstanden, aber nicht weil das Mädchen undeutlich gesprochen hatte; ihre Stimme war wie immer glasklar gewesen. Es hatte sich für Constantin angefühlt, als hätte er für einen kurzen Moment sehr dicke Ohrenschützer getragen, die alle Geräusche dämpften.

Nowitzki sagte daraufhin eine Weile nichts, ehe er sich räusperte und wieder das Wort ergriff. „Komm, lass uns gehen. Deine Schwester wartet sicher schon und ich denke, sie würde sich sicher freuen, dich noch einmal zu sehen, bevor sie aufbricht.“

Constantin konnte das Rascheln der Laken vernehmen und es klang so, als sei das Mädchen endgültig aufgestanden. „Arbeitet sie dieses Mal für die Familie oder...?“

„Nein. Für die ᚲᚫᛗᛒᛁᛟᚾ. Soweit ich weiß, kam der Auftrag auch direkt von ihrem Vater.“

Da war es wieder, dieses Gefühl, als hätte Constantin auf einmal Watte in den Ohren. Aber nur für einen Moment und dieses Mal bei Nowitzki für die Dauer von vielleicht ein paar Worten. Danach klang Nowitzkis Stimme wieder gewohnt hölzern.

Sie hatte sich angehört, als hätte sie die Laken glatt gezogen, doch nun hielt sie inne. „Das klingt nicht gut.“ Constantin konnte sich seltsamerweise vorstellen, wie sie mit gerunzelter Stirn zu Nowitzki aufblickte.

„Irgendetwas scheint sich verändert zu haben“, sagte Nowitzki. Er klang zustimmend und sie setzten sich in Bewegung. Unwillkürlich trat Constantin weiter in die Schatten. Er konnte nicht sagen, warum er sich vorher nicht bemerkbar gemacht hatte, doch nun entdeckt zu werden, wollte er auch nicht. „Vielleicht solltest du mit deiner Emanzipierung doch warten.“

„Woher...?“ Sie wirkte wirklich überrascht. So überrascht, dass sie sogar wieder stehen blieb, als sie und Nowitzki in Constantins Sichtfeld traten.

Nowitzki fasste ihr an den Ellenbogen, offenbar um sie dazu zu bringen, weiterzugehen. „Bitte. So schwer ist das nicht zu erraten und es ist ja nicht so, als könnte ich es nicht nachvollziehen.“ Er hörte sich mitfühlend an, was Constantins Vermutung, dass die beiden eine engere, persönliche Bindung zu haben schienen, die über ein Vertrauenslehrer-Schüler-Verhältnis hinausging, bestätigte.

Sie antwortete leise etwas, doch Constantin konnte sie nicht mehr genau verstehen, da sie und Nowitzki in den Gang hinaustraten und sich entfernten. Erst als er auch ihre Schritte auf dem Gang nicht mehr vernehmen konnte, wagte er es wieder, sich zu bewegen.

Er fühlte sich schuldig, ein privates Gespräch so belauscht zu haben, aber etwas wirklich Seltsames ging mit Gale Hastings vor sich.

Lurking in the Shadows

Selbst Xhenos fand es gruselig, sich nachts in der Schule aufzuhalten. Irgendwie hatte es etwas Surreales und die nächtlichen Lichtverhältnisse ließen alles fremd und kühl wirken.

Die beiden Wachmänner, die das Schulgelände abwechselnd durchstreiften, zu umgehen, war kein großes Problem und er kletterte mit Leichtigkeit über den Zaun, als der Lichtkegel der Taschenlampe des Wachmanns kleiner wurde. Eigentlich hatte er sich darauf eingestellt, eins der Schlösser knacken zu müssen oder sich anderweitig Zutritt zum Gebäude zu verschaffen, doch der Seiteneingang, an dem sie sich treffen wollten, war unverschlossen. Höchstwahrscheinlich Gareths Werk; er war erstaunlich gut in solchen Dingen.

Kaum dass er eintrat, fühlte er auch schon die verhüllte Präsenz der beiden und dank der Tatsache, dass er seine Brille mit den versiegelten Gläsern, die er sonst im Alltag nutzte, gegen seine andere Sehhilfe getauscht hatte, gelang es ihm auch schnell durch Gareths Glamour zu blicken. Kurz darauf machte Gareth sich nicht mehr die Mühe, ihn aufrechtzuerhalten, und der Glamour zerfiel um ihn und das Mädchen, das neben ihm stand, in feine Schwaden aus Asche, die sich ebenfalls alsbald auflösten.

Gareth, normalerweise eigentlich eher der Typ Mensch, der immer ein Grinsen auf den Lippen wie ein modisches Accessoire trug, sah weitaus ernster aus als sonst. Bei Tag wirkten seine Augen meist eher grün, wie die seines Vaters, doch in der Dunkelheit bekamen sie eher den leuchtenden, türkisfarbenen Ton, der auf der Seite seiner Mutter verbreitet war und den auch all seine Cousins und Cousinen besaßen.

Moiras silberbraune Augen sahen hingegen metallisch und blass aus. Genau wie Xhenos benötigte sie ihre Brille tatsächlich auch als Sehhilfe und nicht nur als Siegel. Ihr Gesicht trug ebenfalls einen ernsten Ausdruck, doch sie war generell eine ernsthafte und ruhige Person. Die Freundschaft zwischen beiden hätte generell gegensätzlicher nicht sein können, aber sie waren zusammen aufgewachsen und Xhenos fand, dass sie die perfekte Verkörperung des Prinzips 'mitgegangen-mitgehangen' verkörperten. Gareth war eine der wenigen Personen, bei der sie offene Genervtheit zeigte, und Moira gehörte zu denjenigen, bei denen es ihm etwas ausmachte, wenn sie ernsthaft verärgert war.

Anders als Gareth trug sie ihre Waffe, einen silbernen Bogen samt Köcher und Pfeilen, bereits offen mit sich, was wahrscheinlich der Grund für Gareths Glamour gewesen war. Ihre Familie brachte selten wirkliche, elementare Arcanica hervor, doch die Nutzung von Ruil war sehr weit verbreitet und alle weiblichen Mitglieder und Nachkommen besaßen ein Talent, das 'Omniarma' genannt wurde. Praktisch bedeutete dies für Moira, dass sie wusste, wie man jegliche Waffe benutzte, und die Waffe ihrer Wahl war der Bogen, doch seit einem gewissen Zwischenfall in der Unterstufe hatte sie damit nicht mehr an irgendwelchen öffentlichen Wettkämpfen teilgenommen. Generell stand sie ihrem 'Talent' eher zwiegespalten gegenüber und bevorzugte es, sich von Situationen fernzuhalten, die die Nutzung ebendieses Talentes erforderten.

„Danke, dass du mitgekommen bist, Moira“, sagte Xhenos gleich zu ihr anstatt einer Begrüßung.

Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Züge, aber es war nicht wirklich freudig. „Nur aus persönlichen Unannehmlichkeiten so etwas zu ignorieren, kann ich nicht. Wenn wirklich etwas passieren würde, könnte ich es mir nicht verzeihen, wenn ich wissentlich nichts getan hätte.“

Zuerst sah Gareth aus, als wollte er etwas sagen, doch dann entschloss er sich offenbar dagegen und ging auf die Eingangstür zu. Moira bemerkte dieses Hadern nicht, doch Xhenos fiel es auf und er musterte Gareth mit gerunzelter Stirn, als dieser seinen Zauberer wirkte, um die Tür wieder zu verschließen. Dunkle, graue Schwaden breiteten sich von seiner ausgestreckten Hand aus, umhüllten und durchdrangen das Schloss, bis es schließlich leise klickte.

„Wo hast du ihn gefühlt?“, fragte Gareth schließlich, als er sich wieder umdrehte.

„Bei den Treppen“, antwortete Xhenos.

Gareth nickte. „Ich auch und das passt zu dem, was ich vorm Vertrauenslehrerbüro aufgeschnappt habe. Wir sollten uns darum kümmern, ehe sich noch Gerüchte ausbreiten. Wenn sich erst eine urbane Legende entwickelt hat, wird es viel schwerer werden, Schaulustige fernzuhalten.“

„Ich vermute, dass er sein Lager im Keller hat, aber jetzt bei Nacht könnte er auf Futtersuche im ganzen Gebäude umherstreifen. Die Klassenräume müssten ein tägliches Festmahl für ihn sein“, meinte Xhenos

„Um so besser, dass ihr jetzt schon seine Präsenz gefühlt habt“, meinte Moira in einem zustimmenden Tonfall. „Wir sollten ihn ausschalten, ehe er sich vielleicht noch fortpflanzt. Ich würde vorschlagen, wir fangen im Keller an, falls er dort nicht ist, gehen wir durch die Schule.“

Die Jungs nickten und murmelten ihre Zustimmung.

„Jeder hat bereits Nachtsicht?“, fragte Xhenos und erntete wieder wieder ein Nicken. „Okay, dann mal los.“

In grimmiger Entschlossenheit beschwor er nun auch seine Waffe herauf; Xhenos kam mit einer Reihe an Waffen zurecht, doch bevorzugte meist Schwerter, die er sowohl ein- als auch beidhändig führen konnte. Ein kleiner Blizzard bildete sich in seiner linken Hand, aus dem sich schließlich langsam aber sicher die Klinge seines Schwertes bildete. Es glitzerte und in dem kaum vorhandenen Licht war noch schwerer als sonst auszumachen, wo das Metall endete und das Eis begann, das sich wie ein Nebel um die Klinge legte.

Genau wie Xhenos bevorzugte Gareth im Fernkampf Magie und im Nahkampf ein magiedurchwirktes Schwert. Wie all seine generellen Magien war auch Gareths Schwert durch Asche geprägt und selbst in der Dunkelheit konnte Xhenos die dunklen Aschemuster auf der hellen Klinge ausmachen. Und ebenfalls wie bei Xhenos war seine Magie auch nicht wie bei einer Arcanica einfach irgendwann erwacht oder mithilfe von Artefakten ermöglicht, sondern angeboren.

Ohne weiteres schlugen sie den Weg zum nächsten Treppenhaus ein und fielen sogleich in Formation: Xhenos und Gareth als Nahkämpfer und Magienutzer vorne und Moira als Schütze ein paar Schritte hinter ihnen. Man hätte meinen können, dass sie ein lange etabliertes Team waren, doch dem war eigentlich nicht so. Sie waren gut miteinander befreundet, doch hatten bislang verhältnismäßig selten miteinander gearbeitet. Es war eher einfach der Fall, dass in ihren Familien solche Dinge sehr früh eingefleischt wurden, was das Zusammenspiel mit anderen Mitgliedern ihrer... Zunft vereinfachte.

Je näher sie der Treppe kamen, desto stärker wurde das bedrückende Gefühl in Xhenos' Brustkorb. Er konnte nie genau beschreiben, wie sich die Präsenz eines Dämons anfühlte, denn das Gefühl war sehr eigen. Wie ein Druck auf seinem Brustkorb, ein schaler Geschmack auf der Zunge und dieses Gefühl, angestarrt zu werden, das man manchmal im Nacken spürte – und das alles gleichzeitig. Es war am ehesten mit Unwohlsein und Unruhe zu vergleichen, aber etwas vollkommen eigenes, dass mit keinem der anderen Gefühle zu verwechseln war.

Gareth öffnete die Glastür zum Treppenhaus und Xhenos ging als erster hindurch, während Gareth noch für Moira die Tür geöffnet hielt, die bereits ihren Bogen gespannt hatte. Als Xhenos im Inbegriff war, die normalerweise verbotene Treppe in den Keller hinabzusteigen, konnte er ein rumplendes Geräusch vernehmen, das ihn innehalten ließ. Das Geräusch war eindeutig von oben gekommen.

Nach einem kurzen Blickwechsel mit Gareth und Moira nahm er die Treppe nach oben und mit jeder Stufe wurde das Gefühl, das er mit Dämonen assoziierte, stärker.

Derweil hatte Gareth begonnen, in seiner freien Hand einen Zauber zu wirken, denn eine kleine Wolke aus Asche hatte sich darin gebildet. Als sie den ersten Stock erreichten, sah er auf seine Hand hinunter und, offenbar nicht zufrieden mit dem Ergebnis, das ihm sein Lokalisierungszauber bot, schüttelte er den Kopf und sie stiegen die Treppe weiter nach oben. Im zweiten Stock allerdings bildeten sich kleine, rot leuchtende Partikel in der Wolke, die sich schließlich als umher schwebende Glut lösten.

Das Feuerelement ließ Xhenos unvermeidlich an Gareths Cousine denken, aber er zwang sich dazu, den Gedanken sogleich wieder zu verdrängen. Es würde ihnen rein gar nichts bringen, wenn er sich nun ablenken ließ.

Sie folgten der fliegenden Glut und traten in die Korridore des zweiten Stockes hinaus; der raue Teppich dämpfte ihre Schritte im Vergleich zum steinernen Treppenhaus um ein vielfaches. Sie waren nun im Gebäude hoch genug, dass man die nächtlichen Lichter der Stadt durch die Fenster sehen konnte, doch die Nacht war bewölkt und mondlos, sodass der Gang sehr dunkel war. Ohne einen Nachsichtzauber oder Gareths Glut wäre sicher nicht nur Xhenos gegen eine der Wände gelaufen.

Zumindest wollte er das glauben.

Die Glut flatterte vor ihnen in der Luft, als wieder ein lautes Geräusch ertönte; als wäre etwas Großes langsam und dumpf gegen etwas anderes geprallt. Gareth beendete augenblicklich seinen Zauber und die zuvor leuchtende Glut erlosch. Keine Sekunde zu früh, denn kurz darauf konnten sie hören, wie sich ein großer, schwerer Körper auf sie zu bewegte; mit einem schabenden Geräusch an der Wand vorbeistriff und schwer atmete.

Träge und gesättigt von all den negativen Emotionen, die der Dämon in sich aufgesogen hatte, schob er sich im die Ecke des Korridors. Er sah im weitesten Sinne hundeartig aus; dürr wie ein Windhund, doch mindestens so groß wie eine Kuh und mit dunklen Schuppen bedeckt. Sein Schädel war lang und wurde von einem riesigen Kiefer beherrscht, der dem eines Krokodils glich und Xhenos hatte nicht die geringsten Zweifel, dass er auch dieselbe Bisskraft aufweisen konnte.

Der Dämon hatte sie noch nicht bemerkt und keiner der drei wollte sich den Überraschungsmoment nehmen lassen, sodass sie praktisch alle drei gleichzeitig angriffen, noch ehe der Dämon sich zu ihnen umgedreht hatte.

Xhenos' Lanze aus Eis durchstieß seinen Brustkorb fast gleichzeitig mit Gareths Aschespeer, doch es war letztendlich Moiras Pfeil, den sie in seiner Augenhöhle versenkte, der den Dämon zu Boden sinken ließ. Noch bevor sein Körper den Boden berührte, begann er sich in schwarzen Dampf aufzulösen.

Xhenos und Gareth verweilten noch immer in ihren Wurfposen, während Moira immer noch ihren Bogen erhoben hielt. Xhenos kam nicht umhin, verwundert zu blinzeln.

Schließlich blinzelten sie alle drei und die Anspannung verließ ihre Körper.

„Wow, das war...“, begann Moira.

„Antiklimaktisch?“, schlug Gareth mit einem Grinsen vor.

Moira rollte entnervt mit den Augen. „Schnell!“

Gareths Grinsen wurde breiter. „Das macht es nicht besser.“

Moiras Wangen färbten sich tatsächlich etwas dunkler, doch sie beschloss kurzerhand Gareth einfach zu ignorieren und nicht weiter darauf einzugehen, sondern sich Xhenos zuzuwenden. Nicht dass das Gareth irgendwie hätte aufhalten können.

„Scheinbar war er glücklicherweise noch nicht lange hier; er war noch nicht sehr groß.“

Gareth blickte Moira an, während er suggestiv seine Augenbrauen schnell hob und senkte.

Moira stieß entnervt Luft aus und sah wieder zu ihm. „Warum gebe ich mich eigentlich noch mit dir ab?“

„Weil du mich magst!“

„In Momenten wie diesen bezweifle ich das immer sehr stark“, konterte Moira trocken.

Ungeachtet dessen hakte sich Gareth bei ihr unter und lächelte sie an.

Moira seufzte einfach nur resigniert und murrte: „Irgendwann... wenn ich einen großen Stein finde...“

Xhenos unterdrückte allerdings nur ein Schmunzeln. Manchmal war es sehr amüsant, die beiden interagieren zu sehen.

Er sah noch einmal an die Stelle, an der der Dämon verschwunden war. Das einzige Zeugnis der Existenz der Kreatur war neben der schwarzen Schlacke auf dem krausen Teppichboden ein feuchter Fleck, dort wo ein Teil seiner Eislanze geschmolzen war, doch bis zum nächsten Tag sollte auch der wieder getrocknet sein. Sie mussten lediglich die Schlacke beseitigen, doch Gareth beherrschte sicherlich einen passenden Zauber. Das bedrückende Gefühl hatte auch angefangen nachzulassen.

„Aber jetzt ernsthaft; es ist gut, dass wir den Dämon überrumpeln konnten“, sagte Gareth und ließ Moira schließlich los. Mittlerweile hatte er schon wieder sein Schwert verschwinden lassen und zog stattdessen sein Handy aus seiner Hosentasche. „Wir müssen nichts bereinigen oder uns Gedanken machen, wie wir etwaige Schäden am Gebäude erklären sollen.“

Während er sprach wählte er eine Nummer aus und hielt sich das Telefon ans Ohr. Wie zu erwarten gewesen war, machte er mit seiner freien Hand einige vage Gesten und die übel riechende Schlacke begann lichterloh zu brennen.

„Ich könnte mir vorstellen, dass das sicher einen Interessenskonflikt in dir hervorgerufen hätte“, pflichtete ihm Xhenos bei und Gareth grinste ihn an, als sein Feuer wieder kleiner wurde.

Unterdessen traten sie wieder ins Treppenhaus, um das Gebäude zu verlassen. Dort stieg Xhenos ein schaler Geruch in die Nase.

„Oh, Dad, ich bin's“, sagte Gareth als das Gespräch auf der anderen Seite angenommen wurde. „Wir sind schon fertig. Ich bringe nur noch Moira nach Hause“ - welche ihm nur eine Blick mit hochgezogener Augenbraue zuwarf, den er allerdings einfach wegwinkte - „und dann komme ich auch.“

Xhenos war bereits ebenfalls im Inbegriff eine Nachricht an seinen ältesten Bruder zu schreiben, doch er hielt inne, als er den schalen Geruch bereits schmecken konnte und sich ein bekannter Druck in seiner Brust ausbreitete. Augenblicklich sah er zu seinen beiden Freunden auf. Moira hielt bereits ihren Kettenanhänger in der Hand, ihr Artefakt, das ihr ermöglichte, Magie zu wirken und Gareth hatte sein Schwert wieder heraufbeschworen.

„Okay, streich das besser. Scheinbar sind wir doch noch nicht fertig. Ich melde mich nachher“, meinte Gareth in einem angespannteren Tonfall und beendete das Gespräch mit seinem Vater.

Er trat wieder an Xhenos' Seite, als Moira ihren Bogen erneut spannte.

„Bitte lass es nur ein Pärchen und kein Nest sein!“, murmelte Gareth, mehr zu sich selber, als zu einem der beiden anderen Anwesenden. Dennoch teilte Xhenos seine Hoffnung,

Im im leeren Treppenhaus waren ihre Schritte ungleich lauter auf den Fake-Mamorstufen zu hören und Xhenos fühlte sich in der Stille, wie ein Elefant im Porzellanladen. Kurzerhand knüpfte er in seinem Geist den Zauber für leisere Schritte, der sich auf all ihre Sohlen legte. Vielleicht mochte es eine überflüssige Aktion und für andere sicher eine Energieverschwendung gewesen sein, doch Xhenos fühlte sich minimalistisch besser und Magie war für ihn so natürlich wie atmen. Er war niemals nicht in der Lage gewesen, Magie zu wirken.

Mit jedem Schritt, den sie hinab traten, wurde das drückende Gefühl stärker, sodass es sich am Ende der Treppe anfühlte, als würde jemand Xhenos' Brustkorb mit einem Schraubstock zusammenpressen. Der schale Geruch war hier unten nun auch so stark, dass er ihn wie einen kratzenden Film im Hals spürte.

Normalerweise befand sich auf dem letzten Treppenabsatz eine Eisentür, die sich nur mithilfe eines Generalschlüssels oder von der anderen Seite öffnen ließ und die immer verschlossen war, sodass das Untergeschoss für Schüler im Normalfall unerreichbar war. Vor dieser Tür war es schon immer wesentlich dunkler als im Rest des Treppenhauses, da kein Licht durch die fehlenden Glasfenster einfallen konnte und die kleine rote Lampe über der Tür tauchte die Umgebung in ein nahezu schauerliches Licht.

Die Eisentür war heute nicht verschlossen.

Vor ihnen klaffte ein schwarzes Loch in der Wand, durch das sie kaum auf die andere Seite sehen konnten. Die eigentliche Tür hing jedoch nicht aus ihren Angeln, aber stand sperrangelweit geöffnet und auf dem grau getünchten Metall waren in dem roten Licht schwarze, glänzende Schlieren zu erkennen, die für Xhenos verdächtig nach Schleim aussahen.

„Kann einer von euch etwas sehen?“, fragte Moira.

Sie hatte leise geflüstert, doch Xhenos erschien es plötzlich und schallend laut, sodass er tatsächlich ein wenig zusammenzuckte. Er machte rollende Bewegungen mit seinen Schultern, um die Anspannung loszuwerden. Es half dummerweise kein bisschen.

Gareth hingegen hatte die Brauen zusammengezogen und starrte in die Finsternis vor ihnen, ehe er etwas Verneinendes murmelte.

„Mir gefällt das nicht“, sagte Xhenos schließlich ebenso leise wie Moira.

„Mir auch nicht, aber ich fühle nichts direkt auf der anderen Seite“, stimmte ihm Gareth zu.

„Trotzdem würde ich gerne sehen, wohin ich ziele“, gab Moira zu bedenken. „Gareth, entweder wirkst du einen Zauber oder ich werfe einen Lapis, aber ich würde eigentlich ungern meinen Bogen senken.“

„Immer diese Kontrollbedürfnisse...“, murmelte Gareth in einem Anflug seines üblichen Humors. Moira sah aus, als hätte sie das dringende Bedürfnis, die Augen zu verdrehen.

Gareth wirkte nichtsdestotrotz seinen Zauber in seiner freien Hand, ohne ein Wort zu sagen. Zuerst bildete sich wieder eine Wolke aus Asche und Glut um seine Hand herum, ehe er diese zur Faust schloss. Nach einigen Augenblicken schien Licht aus den Ritzen zwischen seinen Fingern hervor, und Gareth warf den Zauber nach vorne durch den finsteren Eingang. Der Zauber sah kurz aus, wie eine glühende Kohle, doch sobald er den Boden berührte, war es als würde von dem Punkt aus eine kleine Sonne aus scheinen, jedoch ohne sie gleißend zu blenden.

Vor seinem inneren Auge hatte Xhenos sich schon darauf gefasst gemacht, die verzerrte Fratze eines Dämons vor sich zu sehen, der sie die ganze Zeit aus der Dunkelheit heraus angestarrt hatte und nun auf sie zuspringen würde, doch auf der anderen Seite erstreckte sich nur ein weiterer, leerer Gang. Am dem Wänden konnte Xhenos neben den Heizungsrohren auch weitere Schleimspuren sehen, die im helleren Licht jedoch nicht mehr tiefschwarz aussahen, sondern transparent wirkten.

„Hilfreicher Zauber“, murmelte Xhenos anerkennend.

Gareth machte eine Bewegung, die sowohl Nicken als auch Schulterzucken beinhaltete. „Aero hat ihn mir gezeigt. Feuermagien sind nach wie vor ihr Ding“, entgegnete er abwesend und musterte den Gang vor ihnen.

Es kostete Xhenos aktive, physische Anstrengung, nicht weiter nachzufragen. Gareth nahm ihm diese Entscheidung allerdings ab, als er sich direkt zu ihm wandte; sein Blick war so ernst und intensiv wie der seiner Cousine.

„Komm bei Gelegenheit vorbei; sie wird es wahrscheinlich so nicht sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich freuen würde.“

Ehe Xhenos jedoch all die vernünftigen Dinge sagen konnte, die ihm auf einen solchen Vorschlag hin auf der Zunge liegen sollten und die er sagen müsste, aber nicht wollte, hatte sich Gareth schon wieder abgewandt und war auf den Durchgang zu getreten.

Xhenos verkniff sich ein Seufzen und Moira sah ihn zwar nur stumm an, aber ihr Blick sprach dennoch Bände.

Naja, es wäre auch nicht das erste Mal...

Xhenos beschloss nichts weiter dazu zu sagen und sich auf die Aufgabe vor sich zu konzentrieren. Zumindest redete er sich das ein, als er Gareth in den Gang hinein folgte, der stehen geblieben war und das Gesicht verzogen hatte. Sobald er selber über die Schwelle getreten war, wusste er auch warum.

Es war als wäre er in eine feuchtwarme Wand hineingelaufen und ein leichtes Kribbeln breitete sich kurz auf seiner Haut aus, als sei er durch eine magische Barriere getreten. Er war kaum neben Gareth getreten, da fühlte Xhenos auch schon, wie sich Schweiß zwischen seinen Schulterblättern bildete, so warm war es; viel heißer als ein gewöhnlicher Heizungskeller. Zu dem schalen Geruch von Dämonen hatte sich nun auch der süßlich-faule Gestank nach Verwesung gesellt, sodass Xhenos unwillkürlich husten musste. Moira, die nach ihm in den Gang getreten war, erging es nicht anders und er hörte sie leise würgen.

„Sie scheinen doch länger hier zu sein, als wir vermutet haben“, sagte sie mit noch immer verzogenem Gesicht und betrachtete die Schleim verschmierten Wände.

„Am Eingang ist definitiv eine Barriere; das könnte erklären, warum sie noch niemand früher gefunden hat“, fügte Xhenos hinzu. Er sprach seinen eigentlichen Gedankengang nicht laut aus, aber konnte an den Gesichtern der beiden ablesen, dass Gareth und Moira genau dasselbe dachten. 'Es würde erklären, warum noch niemand gestorben ist.'

Gareth nickte. „Lasst es hinter uns bringen; ich bekomme schon Juckreiz am ganzen Körper.“ Wie um seine Aussage zu untermauern, schauderte er trotz der unnatürlichen Hitze.

Üblicherweise hätten sie ihre Lichtquelle gelöscht und wären nur mithilfe ihrer Nachtsicht weiter vorgedrungen, um ihre Präsenz nicht kilometerweit im Umkreis anzukündigen, doch sobald Gareth seinen Zauber löschte, wurde es pechschwarz um sie herum. Trotz Nachtsichtzauber. Sie sahen sich also gezwungen, einen weiteren Lichtzauber zu wirken. Eine Aufgabe, die wieder Gareth übernahm; Xhenos' Lichter waren schwächer und reichten nicht so weit und Moira würde ihre geringeren Magiereserven für den kommenden Kampf benötigen.

Sie hatten beschlossen, den Schleimspuren an den Wänden zu folgen, die immer breiter und dichter wurden. Das Netz aus Rohren war weit verzweigt unter der Schule und wesentlich größer, als Xhenos erwartet hatte, sodass sie diversen Gängen folgten. Die Wände waren mittlerweile glitschig und feucht von dem Film aus semitransparentem Schleim und Xhenos' T-Shirt klebte in der Hitze bereits an seinem Körper.

Der Gang, dem sie folgten, mündete in einen größeren Raum, fast eine Halle, und außer den feuchtglitschigen Wänden befand sich... nichts darin.

Die hohen Wände und der Boden waren über und über mit dieser Substanz bedeckt, doch war der Raum bis auf die Brennstoff-Tanks der Heizung, für die der Raum wohl ursprünglich vorgesehen worden war, vollkommen leer, obwohl die dämonische Präsenz nahezu erdrückend geworden war.

„Was zum...“, sprach Gareth aus, was sie wahrscheinlich alle gerade dachten.

Sie sahen sich genauer um, als Gareth seinen Lichtzauber hoher gleiten ließ, um mehr vom Raum zu erleuchten, auch wenn sie sich nicht voneinander entfernten.

„Es müsste eigentlich genau hier sein; zumindest fühlt es sich so an, als müssten wir genau mitten drin stehen“, pflichtete ihm Moira leise bei. Sie betrachtete kritisch die Wände, doch hatte ihren Bogen nicht mehr gespannt und rieb nun mit ihrer freien Hand abwesend über das Mal ihrer Familie an ihrem anderen Handgelenk, welches leicht zu leuchten begonnen hatte.

Xhenos konzentrierte sich aktiv darauf, einen Glamour zu finden und starrte die Wände in ihrer schmierigen Gänze in Grund und Boden, doch fand nichts auffälliges. Er wollte sich gerade an Gareth wenden, um ihm vorzuschlagen, vielleicht gemeinsam einen Lokalisierungszauber zu wirken, als er aus dem Augenwinkel ein Flirren in der Luft wahrnahm. Wie an einem heißen Sommertag. Als er jedoch wieder seine volle Aufmerksamkeit auf die Stelle richtete, war das Flirren verschwunden.

Er blinzelte.

Flirren.

Er schaute wieder genauer hin.

Kein Flirren.

Oh, bitte nicht...

Ihm kam eine Idee, die er lieber nicht gehabt hätte.

Xhenos hatte die Augen fast geschlossen, so als wäre er kurz davor zu blinzeln, und sah wieder auf die Stelle. Er hatte sicher einen Gesichtsausdruck, wie jemand, der gerade aus dem Tiefschlaf gerissen worden war und liebend gerne diesen wieder vollziehen würde.

Flirren.

Er öffnete die Augen.

Kein Flirren.

Schlafwandler-Modus.

Flirren.

„Ähm, was genau machst du da?“, fragte Gareth, der ihn mittlerweile mit einem skeptischen und zugleich amüsierten Ausdruck auf dem Gesicht musterte.

Xhenos war sich mittlerweile sicher, dass er seine eigene Idee nicht mochte.

Es gab gewisse Dinge, die sich auch nicht mit gewöhnlichen Anti-Glamour-Zaubern, -Runen oder -Artefakten sichtbar machen ließen. Sie existierten an diesem ganz bestimmten Ort, der weder 'hier' noch 'dort' war, und man konnte sie nur ausmachen, wenn man sich selber in einen ähnlichen Zustand oder Ort versetzte, wie beispielsweise einem Türdurchgang, der weder zu dem einen noch dem anderen Zimmer gehörte, oder der tranceartige Zustand, bevor man endgültig einschlief, aber immer noch wach war. Oder kurz bevor man blinzelte. Wenn die Augen noch nicht ganz geschlossen, aber auch nicht geöffnet waren.

„Ich weiß, was es ist“, entgegnete Xhenos leise, aber sah nicht zu Gareth hinüber, obwohl er das Flirren nun mit geöffneten Augen nicht mehr sehen konnte. „Eine Tulpa.“

Offenbar besaß Xhenos die Fähigkeiten, mit seinen Worten die Pforten zur Hölle zu öffnen.

„Scheiße“, sagte Gareth mit Gefühl.

Kaum hatte er zu Ende gesprochen und seine Worte waren noch nicht einmal verklungen, als sich ein breiter Riss in der Realität öffnete, laut elektrisch knackend, und den Blick auf Dämonen freigab, die augenblicklich aus dem Spalt herausströhmten. Klauen, Zähne, Schuppen, Pelz; wie eine Welle.

Einer von Moiras Silberpfeilen holte einen Dämon aus dem Sprung, kurz bevor er Gareth erreichte, welcher wiederum gerade einen Zauber, in die Menge aus dämonischen Leibern geschleudert hatte, dessen Ergebnis Xhenos jedoch nicht mehr ausmachen konnte, da ein weiterer Dämon direkt vor ihm aufgetaucht war.

Er fühlte die Kälte seiner Magie in Wellen von sich rollen und der schleimige, glitische Boden unter seinen Füßen begann zu gefrieren, als der Dämon sich auf ihn stürzte. Xhenos gelang es, ihm auszuweichen, doch er musste seinen Platz an Gareths Seite dafür aufgeben. Nichtsdestotrotz konnte er die Energie der Bewegung nutzen und schwang im selben Augenblick sein Schwert.

Mit weniger Widerstand als er ursprünglich erwartet hatte, trennte seine Klinge den Kopf des Dämons von seinen Schultern.

Ohne großartig das Resultat seiner Handlung weiter zu begutachten, als der Dämon sich aufzulösen begann und die restliche Schlacke nass klatschend zu Boden fiel, trat Xhenos wieder neben Gareth, nachdem dieser seine Klinge gerade im Brustkorb eines anderen Dämons versenkt hatte. Moira befand sich einige Schritte hinter ihnen und ein Pfeil nach dem anderen verließ die Sehne ihres Bogens. Die Ruil-Energie, mit der jeder ihrer Pfeile nun geladen war, knisterte leise mit jedem Schuss.

Zuerst waren sie von der schieren Masse an Dämonen zurückgedrängt worden, doch nach und nach gelang es ihnen, sich einen Freiraum zu erkämpfen. Während jeder von Moiras Pfeilen verheerende Ergebnisse für den betreffenden Dämon mit sich brachte, sandte Xhenos ihnen eine Woge aus Eissplittern entgegen und Gareth eine Wolke aus Asche, die sich über jeden sich bewegenden Körper legte und augenblicklich verhärtete. Die Wände starrten bereits vor Eis, Schleim und Asche in verschiedenen Stadien der Festigkeit. Sollte jedoch ein Dämon zu ihnen durchdringen, erlegten Xhenos oder Gareth ihn mit ihren Schwertern, ehe er Moira erreichen konnte.

„Vielleicht sterben wir ja doch nicht“, keuchte Gareth schließlich, als er einem weiteren geschuppten Körper ausgewichen war, den Xhenos dann getötet hatte. „Es scheinen glücklicherweise nur niedere Dämonen zu sein.“

Xhenos war geneigt, ihm recht zu geben. Die schiere Masse an Leibern ließen es mehr wirken, doch alle Dämonen, die sie bislang besiegt hatten, waren wesentlich kleiner gewesen, als der, den sie im zweiten Stock getötet hatten. Nicht so groß wie eine Kuh, eher wie eine Dogge.

Sein Blick flackerte zu dem Riss, aus dem nach wie vor Dämonen kamen, wenn auch viel weniger als am Anfang. Es befanden sich vielleicht noch sieben Dämonen vor ihnen, auch wenn Xhenos nicht inne hielt, um sie zu zählen. Violettes Licht war sichtbar aus dem Bereich hinter dem Riss, der wesentlich größer war, als der Raum, der sich hier in ihrer Realität befand.

Und dann hörte er es.

Ein dumpfes Beben rollte zu ihnen herüber, welches sich kurz darauf wiederholte. Und dann noch einmal.

Schritte.

Von etwas großem.

Sobald Xhenos dies realisierte, erschienen Klauenhände an den Rändern des Risses und der gehörnte Kopf eines höheren Dämons schob sich in ihre Realität. Seine Augen glühten klischeehaft rot und wie die meisten höheren Dämonen hatte er eine vage humanoide Form, die ihn auf zwei Beinen statt vier laufen ließ. Dunkle, faulige Energie rollte wie in Wellen von ihm und er war selbst für einen höheren Dämon groß. Vollkommen aufgerichtet war er so groß, dass seine Hörner an der Decke kratzten, als er sich in ihrer Realität aufrichtete.

Moira stöhnte hinter ihnen auf. „Warum musstest du das auch sagen, Gareth?!“

Gareth verzog das Gesicht, als er einen weiteren, nun glühenden Aschespeer warf. „Sorry“, murmelte er.

Xhenos ließ mehr von seiner Eismagie aus sich herausfließen und nicht nur der Boden, sondern auch die nächsten niederen Dämonen gefroren zu Eisstatuen. Als der Hochdämon sich im Raum bewegte und einen bebenden Schritt machte, zersplitterten seine kleineren, gefrorenen Artgenossen.

„Wir müssen den Spalt schließen, ehe noch so ein Ungeheuer hervorkommt“, meinte Xhenos und machte sich gar nicht erst die Mühe, die Anspannung in seiner Stimme zu verbergen. Ein Hochdämon war etwas ganz anderes als niedere Dämonen, die eher von ihren animalischen Trieben geprägt waren. Ein Hochdämon brachte nicht nur Flüche, sondern auch Schwarze Male mit auf den Plan und er kannte nur eine Person, die eins besaß und immer noch lebte.

„Du hast Recht“, stimmte ihm Gareth zu. „Mir gefällt es nicht, uns zu trennen, aber es wird uns nichts anderes übrig bleiben. Frontal kommen wir auf keinen Fall durch.“

Xhenos nickte. „Einer von uns beiden sollte gehen und der andere bei Moira bleiben, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.“

Der Hochdämon bewegte sich weiter auf sie zu und mit jedem Schritt bebte der Boden erneut.

„Ich gehe, bleib du bei Moira. Meine Magie ist stärker.“

Gareth sah nicht glücklich darüber aus, aber er nickte. Er war bei weitem kein Leichtgewicht, wenn es um Magie ging, aber Xhenos war tatsächlich mächtiger. Gareth war nicht verärgert deswegen, er war niemand, der wegen so etwas eifersüchtig wurde; es war vielmehr wirklich die Tatsache, dass sie sich trennen und Xhenos sich alleine durch die Dämonen bewegen würde.

Xhenos wandte sich ab und sprintete in Richtung der Wände, als er hinter sich erneut Hitze fühlte. Jedoch nicht die feuchte Hitze, die sich im ganzen Untergeschoss befunden hatte, sondern eine warme, trockene Hitze, die von Gareths Magie ausging. Für gewöhnlich benutzte Gareth Aschemagien und all die Variationen, die diese mit sich brachte, aber er war auch zu reiner Feuermagie fähig. Ähnlich wie auch Xhenos reine Wassermagie beherrschte, obwohl Eis das Natürlichere von beiden für ihn war.

Die Tatsache, dass Gareth hinter ihm die restlichen Dämonen zu grillen schien, lenkte wie gehofft auch die Aufmerksamkeit des Hochdämons auf ihn und Moira statt auf Xhenos, der sich am Rand des Raumes vorbei stahl. Dabei rief er sich alle Zauber ins Gedächtnis, die ihm dabei helfen konnten, den Riss zu schließen. Es war nicht nur eine gewöhnliche Tulpa, die ihre Realitätsebene quasi gedehnt und dann gefaltet hatte, um einen imaginären Ort zu erschaffen, sondern es schien tatsächlich ein Durchbruch zu den unteren Realitätsebenen zu sein, in denen höhere Dämonen hausten. Solche Durchbrüche waren abnorme Vorkommnisse und der natürliche Drang des Universums, sich in gewissen Bahnen zu ordnen, sollte ihm dabei helfen, den Riss zu verschließen.

Auf seinem Weg sprang ihm nur ein einziges Mal ein niederer Dämon in den Weg, doch einer von Moiras Pfeilen traf ihn noch, bevor Xhenos sein Schwert schwingen konnte.

Je näher er dem Riss kam, desto stärker konnte er die pulsierende Energie fühlen, die von ihm und von dem, was sich auf der anderen Seite befand, ausging. Sie virbrierte in Xhenos' Brustkorb mit einer Frequenz, die ihn unruhig werden ließ; kribbelig, als wären tausende kleine Insekten in seinen Knochen gefangen.

Er steckte sein Schwert in den Boden, wo es sogleich von Eis aufrecht erhalten wurde; denn es wegzustellen und dann wieder zu greifen, war einfacher, als es erneut beschwören zu müssen. Unglücklicherweise benötigte er beide seiner Hände für den kommenden Zauber, sonst hätte er sein Schwert am liebsten gar nicht aus der Hand gegeben. Sicherheitsgründe und so.

Seine Magie schoss kühl in seine Hände und sammelte sich dort, als er in seinen Gedanken bereits das Konstrukt webte, aus dem sein eigentlicher Zauber hervorgehen würde. Er verknüpfte vor seinem inneren Auge alle Punkte in seiner Realität, die auseinander gerissen worden waren, als die Dämonen hervorgebrochen waren und er fühlte es wie einen leichten Windstoß im Rücken, wie das Universum sein Vorgehen unterstützte, sodass die Punkte einfacher zu finden und zu verknüpfen waren.

Als er schließlich seine Magie geladenen Hände an den Spalt legte, fühlte er wie die Energie ihn kräuselnd verließ, nahezu aus ihm herausgerissen wurde, und die Bahnen seines Konstruktes füllte, sodass sein Zauber in die Welt gerufen wurde. Mit einem urtümlichen Geräusch, das entfernt wie ein tiefes Ächzen klang, schob sich der Riss immer weiter zusammen und die violette Lichtquelle wurde immer kleiner. Sie schien noch einmal gleißend aus einem kleinen Spalt, ehe dieser sich auch vollkommen schloss.

Xhenos fühlte sich ein wenig leer, wie immer wenn er einen größeren, komplexen Zauber wirkte, doch der Riss war geschlossen und kein weiterer Dämon konnte zu ihnen durchdringen.

Dies musste allerdings auch der Hochdämon bemerkt haben, denn mit einem Grollen in der Kehle, das Xhenos durch Mark und Bein ging, drehte er sich zu ihm um. Er bewegte sich schneller, als Xhenos bei der Größe für möglich gehalten hatte, und holte zum Schlag aus. Seine zur Faust geballten Klauen sausten auf Xhenos nieder und dieser verwarf jeglichen Gedanken an sein Schwert, sondern beschwor vollkommen instinktiv so ziemlich alles an Eismagie hervor, das er noch in sich hatte.

Es war, als erklänge ein leieses Flüstern in seinem Kopf, als sich eine Kuppel um ihn herum bildete und nicht nur den Schlacke verschmierten Boden gefror, sondern auch die schleimigen Wände samt der Heizungskessel und Rohre. Allerdings konnte er nicht mit Sicherheit sagen, was dieses Flüstern ihm mitteilen wollte. Oder ob es wirklich jemals dort gewesen war.

Als die Faust des Dämons mit Xhenos' Eis kollidierte, splitterte alles. Nicht nur seine Kuppel, sondern auch der Boden und die Wände.

Der Schlag schien selbst den Dämon für einen Moment aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben und Xhenos hatte nur diesen Augenblick, um sich zu sammeln und an dem Dämon vorbeizupreschen.

Gareth und Moira war es gelungen alle anderen niederen Dämonen zu erlegen, sodass Xhenos' Weg ungehindert war, doch er Hochdämon schien unversehrt zu sein. Allerdings war dessen Haut auch schwarz beschuppt und er konnte nicht sicher sein, ob dem auch wirklich so war. Gerade hatte er nicht unbedingt das dringende Bedürfnis, stehen zu bleiben und genauer nachzusehen.

Die Luft war immer noch feuchtwarm und zu dem süßlichen Verwesungsgeruch hatte sich noch etwas anderes gesellt, das Xhenos nicht recht identifizieren konnte. Es roch ein wenig penetrant und beißend. Ob der Mangel an Sauerstoff oder die schnelle Entladung von so viel Magie auf einmal, seinen Kopf schwummrig werden ließ, konnte er nicht genau sagen.

Als er Moira und Gareth erreichte, hielt er nicht an, denn sie bedeuteten ihm, weiterzulaufen und gesellten sich zu ihm; gemeinsam sie rannten in den Gang, aus dem sie ursprünglich gekommen waren. Keine Sekunde zu spät, denn der Dämon hatte sich ebenfalls mit bebenden Schritten, die den gefrorenen Boden weiterhin splittern ließen, wieder in Bewegung gesetzt und kaum hatte Moira als letzte den Eingang passiert, kratzten seine Klauen über die Wände und brachen den Beton heraus.

Sie rannten weiter den schwarzen Gang hinein bis sie sicher sein konnten, vorerst aus der Reichweite des Dämons zu sein.

„Wir konnten ihm nicht einmal einen Kratzer verpassen“, keuchte Gareth. „Wahrscheinlich kann man an seinen Schuppen Diamanten schleifen.

„Sogar meine Pfeile sind abgeprallt, als wären sie Zahnstocher“, fügte Moira hinzu als sie nach Luft schnappte und sich die Seite hielt. „Und er hat irgendeinen Zauber gewirkt, sodass ich ihn nicht einmal blenden konnte.“

Einige hundert Meter weiter konnten sie den Dämon toben und wüten hören, wie er den Beton von den Wänden riss, um sich ihnen zu nähern. Xhenos schauderte und war zum ersten Mal froh darüber, dass sie in dem dunklen Gang standen, im dem sich kein Licht zu befinden schien. Zumindest konnte der Dämon sie so auch nicht sehen. Hoffte Xhenos.

„Beste Voraussetzungen“, fügte er grimmig hinzu. „Meine Magie kommt zwar wieder, aber im Augenblick habe ich nur genug, um mein Schwert zurückzubeschwören und vielleicht eine Limonade zu kühlen.“ Um seine Aussage zu unterstützen, machte er eine schwache, winkende Bewegung mit seiner linken Hand und aus dem eisigen Rauch bildete sich wieder sein altvertrautes Schwert. Wie gesagt; Sicherheitsgründe und so.

Einen Moment sagten sie nichts und die Stille war nur von ihrem Schnappen nach Luft und dem Wüten des Dämons unterbrochen. Es klang wesentlich näher, als Xhenos lieb war.

„Ich habe eine Idee“, sagte Gareth schließlich. Er klang nicht sehr glücklich. „Aber es ist eine furchtbar dumme Idee.“

„Besser als gar keine Idee“, entgegnete Xhenos, als seine Adern mit wiederkehrender Magie prickelten. „Es ist nicht so, als könnten wir jetzt einfach gehen und morgen alle anderen mit unserem hauseigenen Schuldämon begrüßen.“

Gareth seufzte geschlagen. „Dein Eis halt alles gefroren. Durch und durch.“

„Ja, das tut es meistens“, erwiderte Xhenos verwirrt. „Das ist auch normalerweise Sinn und Zweck der Sache.“

Er fühlte Gareths bohrenden Blick schon fast, auch wenn er ihn selber nicht wirklich sehen konnte. „Es hat alles gefroren und alles ist zersplittert.“ Xhenos wusste nun, worauf er hinauswollte, noch ehe Gareth es sagte. „Auch die Gastanks.“

„Du hast recht, das ist eine furchtbar dumme Idee“, stimmte ihm Xhenos trocken zu.

„Wenigstens würde dieses Mal die offizielle Erklärung tatsächlich stimmen“, meinte Moira ironisch.

„Wir könnten für göttliches Eingreifen beten“, schlug Gareth hoffnungsvoll vor. „Mir persönlich gefällt die Idee besser; so viel friedlicher und vielleicht bleibt die Schule heil.“

Moira schnaubte. „Jetzt machst du dir Gedanken um die Schule?“

„Es gibt gewisse Momente, in denen bin ich mir meines Amtes durchaus bewusst, weißt du? Meist sind es lebensverändernde Umstände wie beispielsweise das bevorstehende Ende selbigen Lebens“, erwehrte sich Gareth, jedoch nicht ernsthaft entrüstet.

Trotz der Situation musste Xhenos kurz grinsen, auch wenn die anderen beiden es nicht sehen konnten. Dennoch wurde er rasch wieder ernst, als der penetrante, beißende Geruch ihm auch hier in die Nase stieg. Nun wusste er, dass es das Gas sein musste, mit dem die Schule heizte.

„Ich fürchte, wir haben leider nicht den Luxus von göttlicher Intervention. Wir haben nicht einmal ein Gotteshaus in der Nähe“, meinte Xhenos schließlich. „ Und sollten wir uns dazu entscheiden, eins aufsuchen zu wollen, ist der Dämon warscheinlich auch nicht lange nach uns draußen, wenn er so weitermacht.“

„Also bleiben wir bei der fürchterlich dummen Idee?“, wollte Moira wissen, aber ihr Ton klang gar nicht mehr nach einer Frage, sondern eher nach einer Feststellung.

„Sieht so aus; ich kann das Gas auch hier schon riechen und ich denke nicht, dass der Dämon noch lange auf sich warten lässt“, antwortete Xhenos ihr trotzdem. Wie um seine Aussage zu untermalen, hörten sie den Dämon verdächtig nahe grollen und Xhenos fühlte es erneut in seinen Knochen. Das Raschen von Kleidung in der Dunkelheit ließ vermuten, dass zumindest einer von beiden ebenfalls geschaudert hatte.

„Wir müssen allerdings fernzünden. Selbst wenn ich uns vor der Druckwelle in einem so kleinen Gang abschirmen könnte, wären wir immer noch unter dem Schutt gefangen“, gab Gareth zu bedenken. „Feuer zu verwenden ist okay für mich, aber ich habe nicht den Einfluss über das Element wie andere Mitglieder meiner Familie.“ Er sagte nicht, wen er genau meinte, aber sie wussten alle, dass er eigentlich nur zwei Personen meinen konnte.

Im Endeffekt entschieden sie sich dazu Moiras Lapides zu nutzen. Die magischen Steine waren normalerweise bereits mit Runen und Gravuren verzaubert, sodass sie Licht spendeten oder beispielsweise ein Schutzschild heraufbeschworen, doch Moira hatte für den Notfall auch einige dabei, die noch frei und verzauberbar waren.

Während Xhenos, für ihn ziemlich unnötigerweise, Wache stand, legte Gareth das Konstrukt eines Zaubers in den magischen Stein, der sich erst nach einiger Zeit entfalten sollte, wenn sie hoffentlich bereits aus dem Gebäude waren. Moira hingegen hatte – trotz der Tatsache, dass sie mit ihren verzauberten Pfeilen wahrscheinlich die meisten Dämonen von ihnen dreien erlegt hatte – noch immer Energie in ihrem Artefakt und sie verzauberte zwei weitere Steine; einen, der auf dämonische Präsenzen reagieren sollte, und der andere, um als Spiegel des ersten Lapis zu reagieren.

Nachdem Moira fertig war, glommen beide Steine in einem warmen Orange, das sogar die Wände ein wenig erhellte. Die Überreste von Xhenos' Nachtsichtzauber flammten noch einmal auf und er konnte sehen, dass Moira und Gareth auch nicht besser aussahen, als er sich fühlte. Ihre Kleidung hing ihnen klamm und schmutzig von den Körpern und ihre Gesichter sahen müde aus.

„Und jetzt? Werfen wir ihm die Lapides einfach entgegen?“, fragte Moira und sah skeptisch auf die Steine in ihrer Hand hinunter.

„Es wäre schon gut, wenn wir sie in den Raum mit den Gastanks beziehungsweise den Überresten derer bekommen“, überlegte Gareth. „Dort ist wahrscheinlich mehr Gas.“

„Hat jemand ein Taschentuch? Dann könnte ich sie einfach an einen Pfeil binden und in den Raum schießen“, schlug Moira vor.

„Wer hat denn heutzutage noch Taschentücher dabei?“, fragte Gareth, ein wenig außer sich.

„Ich“, entgegnete Xhenos schlicht und holte selbiges Stoffstück aus seiner Tasche, um es Moira zu geben. „Gehört zum guten Ton und man weiß nie, wann man mal ein sauberes Taschentuch braucht.“

Gareth starrte ihn an, als wäre er gerade vom Mond in einer fliegenden Telefonzelle gekommen. Moira grinste ihn triumphierend an. Xhenos ignorierte ihn. Manieren waren eben Manieren.

Unterdessen hatte Moira Gareth einfach seinen Lapis aus der Hand genommen und band ihn zusammen mit ihrem eigenen an einen ihrer letzten Pfeile. Sie gingen gemeinsam so weit zurück, dass sie den Raum sehen konnten, in dem sich der Riss befunden hatte. Der Dämon war lange nicht mehr darin, sondern hatte sich alarmierend weit durch den Beton gegraben und schien eine Spur aufgeregter, als sie in seinem Sichtfeld erschienen.

Bevor er sich noch schneller voran graben konnte, hatte Moira jedoch ihren Pfeil abgeschossen und ehe sie sich versahen, rannten sie so schnell sie konnten in die entgegengesetzte Richtung. Als sie den Eingang zum Untergeschoss passierten und ins Treppenhaus rannten, traf Xhenos der Temperaturunterschied erneut wie ein Schlag ins Gesicht und dann seiner feuchten Kleidung fröstelte er tatsächlich nahezu augenblicklich. Er verschwendete jedoch nicht allzu viele Gedanken daran, als sie die Treppe ins Erdgeschoss hoch hasteten und Gareth schließlich die Tür zum Flur aufstieß.

„Wie viel Zeit haben wir noch?“, fragte Xhenos um Atem ringend, als sie durch den breiten Flur rannten.

„Nicht mehr lange“, erwiderte Gareth ebenso gehetzt.

Als sie schließlich den Westeingang erreichten, machten sie sich gar nicht mehr die Mühe, das Schloss zu knacken; Gareth schoss es regelrecht mit einem Zauber aus dem Gehäuse, sodass sich die Tür einfach öffnen ließ, als sie quasi dagegen rannten. Keine Sekunde zu früh, denn sobald sie Eingangstür erreichten, ereilte ihre Ohren ein lauter Knall, als der Stein mit dem Feuerzauber darin im Keller das entronnene Gas entzündete. Die Druckwelle breitete sich so rasend aus, dass sie das Gebäude erschütterte und sie alle drei ins Stolpern brachte. Die Feuersbrunst ließ nicht lange auf sie warten und geistesgegenwärtig griff Gareth nach ihren beiden Händen, um einen Schutzschild in die Höhe zu ziehen. Wie Gareth gesagt hatte, hielt sein Schild nicht lange und als es unwillkürlich heißer um sie herum wurde, nutzte Xhenos kurzerhand alles an Magie, das wieder zu ihm zurückgekehrt war, um sie aus aus dem direkten Radius des Feuers herauszukatapultieren.

Keinem von ihnen gelang es dieses Mal, sich aufrecht zu halten und alle drei fielen taumelnd zu Boden, als sie nun, mehrere Meter vom Eingang entfernt, das Gleichgewicht verloren. Allerdings hatten sie keine Zeit zu verlieren, denn die Wachmänner würden sicher nicht lange auf sich warten lassen und Xhenos, Gareth und Moira rappelten sich alle drei so schnell es ging wieder auf. Xhenos war sich unsicher, wer nun wem aufgeholfen hatte, aber es war im Endeffekt egal, als sie alle drei wieder zu rennen begonnen hatten.

Gareth übernahm die Führung und bedeutete ihnen, in Richtung Turnhalle zu rennen und nicht direkt zum Ausgang. Hinter der Turnhalle befand sich ein Loch im Zaun, dass normalerweise Schülern die Gelegenheit bot, relativ ungesehen während der Schulzeit das Gelände zu verlassen. So schnell der Hausmeister das Loch reparierte, so schnell tauchte es auch wieder auf und Xhenos vermutete, dass der Hausmeister es mittlerweile einfach aufgegeben hatte, den Zaun dauerhaft reparieren zu wollen. Die Öffnung führte in einen leicht erhöhten Hain, in dem die meisten Schüler, die hierher kamen, eher heimlich und unverantwortlich rauchten. Im Schutz der Bäume konnte man zwar auf den Schulhof sehen, doch blieb selber die meiste Zeit lang ungesehen.

Erst als sie dort angekommen waren, sanken sie alle drei japsend zu Boden und rangen um Atem. Xhenos' Herz hämmerte vor Adrenalin und Anstrengung in seinem Brustkorb, als er zwischen den Ästen sehen konnte, wie der Westflügel des Schulgebäudes in Flammen aufging.

Moira hatte sich rücklings an einen der Bäume gelehnt und für einen Moment die Augen geschlossen, als sie versuchte, ihren Atem wieder unter Kontrolle zubringen. Ihre Hände zitterten immer noch, als sie in ihre Hosentasche griff und den Lapis hervorholte.

Er sah wie ein gewöhnlicher Kiesel in ihrer Hand aus, matt weiß und kein bisschen orange leuchtend.

Ein kollektives, erleichtertes Aufseufzen ging durch alle drei, als sie den stummen Lapis in Moiras Hand betrachten.

Mittlerweile konnte Xhenos die Wachmänner als kleine, schwarze Figuren vor den orange lodernden Flammen ausmachen und meinte bereits Sirenen in der Ferne zu vernehmen. Immer noch schwer atmend fischte Gareth währenddessen sein wundersamerweise heil gebliebenes Handy aus einer seiner Hosentaschen und wählte eine Nummer. Wahrscheinlich die seines Vaters. Die Vermutung bestätigte sich, als er auf Englisch weitersprach; mit seiner Mutter redete Gareth meist Deutsch.

„Naja, eigentlich ist alles ganz gut gelaufen. Wenn man die Tatsache ignoriert, dass wir die Schule in die Luft gejagt haben.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich bin nie soweit in Nebelherz gekommen, aber vielleicht können sich ja schon ein paar Stammleser denken, wer Gale ist. :,D Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von: Futuhiro
2017-02-05T23:02:05+00:00 06.02.2017 00:02
Yes, Schulfrei. XD
Wouw, der Kampf war mitreißend geschrieben, ich hab ziemlich mitgefiebert. Es wird zwar nicht so direkt gesagt, aber ich geh mal davon aus, daß der Hochdämon nun hinüber ist. Wieso schicken sie eigentlich Kinder auf Dämonenjagd? Ist das nicht gefährlich genug, um es den Erwachsenen zu überlassen? Und die Tatsache, daß sie sich heimlich an den Wachposten vorbeigeschlichen haben, zeugt auch nicht gerade von "offiziellen" Aktivitäten, die von jemandem autorisiert oder angeordnet worden wären.

Ich fand den reichlichen Gebrauch von undefinierten "Fachausdrücken" (Tulpa, Lapis, ...) nicht störend, hätte mir hier und da aber doch eine etwas genauere Erklärung für "Muggel" gewünscht. ;-) Oft musste man sich aus dem Kontext selber zusammenreimen, um was es sich handeln könnte. Wenn man solche eigenen Universen mit eigenen Rassen und eigenem Vokabular erschafft, ist es für den Leser manchmal schöner, mitgenommen und angeleitet zu werden, statt so ins kalte Wasser geschmissen zu werden.
Von: Futuhiro
2017-02-05T21:59:55+00:00 05.02.2017 22:59
Mr. Shadowstalker. XD Das klingt irgendwie süß, wenn man bedenkt, daß Phobos bis vor kurzem noch ne Katze war. Also ich nehme mal an, daß die Geschichte direkt an Nebelhexe anschließt. Oder vielleicht ne Parallel-Geschichte dazu ist, die einen anderen Handlungsstrang derselben timeline wiedergibt. Hastings wird als Charakter immer interessanter. Find ich toll. ^^
Von: Futuhiro
2017-02-05T21:43:21+00:00 05.02.2017 22:43
Und hier ein Culgaris ... Sind denn alle deine Geschichten miteinander verwoben? Hilfe! T_T *wehleidig weiße Fahne schwänk*

Dieser Oliver hat irgendwas komisches an sich. Ich bin sicher, der wird noch von Bedeutung sein, obwohl die Aufmerksamkeit eindeutig auf (Xhenos?) Culgaris. (Warte mal, jetzt kommt mir auch gerade Aerona mit dem Mechanik-Tick wieder sehr bekannt vor O_o Aus welcher Geschichte hatte ich die gerade rausgezogen? Aus Photographia?) Ansonsten ein hübsch geschriebenes Kapitel. Ein bisschen angenehmer Alltag, um in die Welt reinzufinden, bevor das große Chaos losgeht.
Von: Futuhiro
2017-02-05T21:27:53+00:00 05.02.2017 22:27
Wouw, ich mag Hastings. Für schlafende Genies hab ich was übrig. :D
Und ich finde das Ranking-Konzept cool, Klassen-Erster oder Jahrgangs-Erster werden zu können.

Schön, hier haben wir also wieder Constantin. Also noch eine Geschichte aus dem Formori-Universum. Ich werde sie sicher irgendwann alle durcheinanderhauen. Du schreibst so viele Storys gleichzeitig, und keine kommt zum Ende. Q_Q
Von: Platan
2016-06-24T20:32:05+00:00 24.06.2016 22:32
Dann lasse ich dir doch auch mal einen kleinen Kommentar da, wenn ich dich schon dazu bewegen konnte, das hier hochzuladen. =D
Aber mal mit weniger zitieren, weil ich noch sooo viel zu lesen vor mir habe und ich sonst immer ewig brauche. >_<
Der Kommentar wird sicher trotzdem noch lang genug. :,D
[s]Klar, ich laber ja auch fleißig Zeug, das gar nichts mit deiner Story zu tun hat.[/s]

Erst einmal: Hach, schöne Coverwahl. ♥
Finde es so genial, dass du auch eine Vorliebe für Bilder von NanoMortis entwickelt hast. Die sind einfach awesome, nicht wahr? X3
Mir gefällt die Schriftart übrigens wahnsinnig gut! ♥♥♥

> Constantin ist ein ganz nochmaler Schuler.
Hier haben sich ein paar kleine Fehlerchen eingeschlichen. ;3
(Don't worry, passiert mir auch dauernd. :,D)

Habe ich eigentlich mal je irgendwo erwähnt, dass ich den Namen "Constantin" voll cool finde?! >///< *hat es jetzt getan*
Deine KB klingt irgendwie echt, als könnte sie hinten auf einem gedruckten Buch stehen ... so würde ich die auch gern mal hinbekommen. °_°
Sie verrät nicht zu viel, aber dennoch etwas.

> Es ist ein wenig over the top, aber gut... :,D
Ist doch gut. >:3
Unser Leben ist schon langweilig, also darf es doch ruhig in Storys ott sein! XD

> aber im Grunde genommen, waren sie alle nett, wenn man zu ihnen nett war.
Hey, genau so beschreibe ich mich auch immer selbst! :D
Da sollten sich ruhig mehr Leute dran halten, finde ich. >.<
... Warte, ich wollte doch nicht zitieren. x_X

> Niemand anderes als die sonst so schläfrige Gale Hastings war aufgestanden.
*le gasp*
DAMIT fingen die Räder des Schicksals sich an zu drehen! °___°
(Ich dachte irgendwie bis gerade eben, Gale wäre ein Junge ... *hüstel*)

> Die ganze Klasse starrte Hastings an.
Ich finde die Stelle großartig. XD
Insgesamt mag ich den humoristischen Flair, der sich bisher hier hält.

Alter, ich würde mal sagen, da hat Gale ordentlich die Stunde gerockt. O___O
Kein Wunder, dass sie immer schläft, wenn sie eigentlich sowieso alles im Schlaf lösen kann und sich nur langweilen würde. Bin so schadensfroh, weil Henrika sooo unausstehlich ist, aber Gale hat es ihr ja gezeigt und wie!
Und Constantin ... ich find es mega amüsant, wie er die ganze Zeit nur als Erzähler mit in der Klasse sitzt, obwohl es nur um Gale geht. Stelle ich mir in einer Anime-Version sehr herrlich vor. XD
Wie gesagt, ich mag den humoristischen Flair bisher. Er drängt sich einem nicht auf, sondern ist echt angenehm zu lesen. :)
War auf jeden Fall ein interessanter Anfang und es war auch erfrischend, mal nach langem wieder etwas von dir zu lesen (dabei habe ich nicht mal VQ fertig geschafft Q___Q). Dann warte ich mal ganz geduldig auf mehr, fühl dich nicht gehetzt und mach das, worauf du Lust hast. :>
Antwort von:  Lianait
24.06.2016 23:41
Und jetzt hab ich dir auch eine lange Antwort-ENS geschrieben~
Danke schön für deinen Kommentar und den Schubs~ x3 *flausch*
Sonst hätte ich es sicher noch ne Weile vor mir hergeschoben. xD
Von:  Flordelis
2016-06-24T19:31:36+00:00 24.06.2016 21:31
Dieses Cover ist soooo schön! =O
NanoMortis ist so awesome. Und deine Bildauswahl auch. <3

btw. ich glaube, bei einem Original darfst du kein Crossover angeben. Das gilt nur für mehrere verschiedene Fandoms. D:
Du musst aber noch "Gen" angeben. ;3

> angekündtig
angekündigt ;3

Mir gefällt die KB voll. XD
Klingt bislang aber noch eher humorvoll als sonst was ... und irgendwie muss ich an die Discworld-Romane denken.
Ich bin ja mal gespannt, was dahinter steckt und schaue sofort rein. <3

> Es ist ein wenig over the top
Ich liebe over the top. <3
Deswegen ist Aero auch einer meiner Lieblinge, aber jetzt gehen wir erst einmal in diese Story.

Ach kommt, Leute. Wenn ihr ein Street Dance Club seid, dann step up to streets. D:
Geht direkt ins wahre Leben!
Kieran: Und holt euch zig Verletzungen auf dem harten Asphalt, wenn ihr stürzt. =_=
Alo: Du siehst echt alles schwarz, oder?
Kieran: Ja.
Faren: Nomen est omen. XD
Kieran: =_____=

Echt jetzt? Es gibt keine anderen Sportclubs? D:
Nicht mal Basketball? TT______TT

> beide gehörten mittlerweile auch zum Street Dance Club
Eben deswegen finde ich voll unfair, dass die nur einen Sportclub haben. ò_ó
Und der wird jetzt auch noch ausgesetzt! DX
... Und aufgelöst, what? D:

Ah, okay, verstehe. Ist wirklich vernünftiger, den Club dann außerhalb der Schule fortzuführen. Lässt einem sicher auch wesentlich mehr Freizeiten. >_<

Alo starrte Hastings an. ಠ_ಠ

Hastings erinnert mich grad voll an zig verschiedene Charas, die im Unterricht schlafen, deswegen bin ich grad ein wenig geneigt, zu quietschen, weil ich mir sowas immer total niedlich vorstelle. <3
Aber irgendwie auch nervig für die Lehrer. Meine hätten ihr wohl die Meinung gegeigt. XD
Aber dass sie dann solche wahnsinnigen Ankündigungen macht ... :,D

Mein Mathelehrer hätte Hastings mal eben eine komplette Aufgabe einfach aus dem Kopf gezogen. Der Kerl ist echt der Wahnsinn, wenn es um Mathe geht. =O

> „Hattet ihr Vektorrechnung überhaupt schon?“, wollte Mrs. Dawson wissen.
Das war in der letzten Prüfung meine Parade-Disziplin. XDDDD
Und wahrscheinlich der einzige Grund, wegen dem ich durchgekommen bin. :,D

> meistens verliere ich schon während der ersten Aufgabe die Lust, weiterzuschreiben
I know that feel! D;
So ging es mir immer in Deutsch. ... Sagte die zukünftige Germanistik-Studentin. :,D

Ich kann mir grad nicht denken, wer Gale ist, abeeeeeeeer anyway.
Es war schön, mal wieder was von dir lesen zu können. (Oh, ich hab ja noch mehr bei dir offen, yay~)
Dein Stil ist so locker, der gefällt mir richtig gut, weil er sich auch angenehm runterlesen lässt und es gibt nie eine Stelle, bei der man mal rauskommt.
Ich fand Constantin hier so toll, weil er so total passiv war, obwohl aus seiner Sicht erzählt wurde. Das gefällt mir irgendwie total. <3

Bin schon mal auf mehr gespannt, nachdem es nun so anfing und man da eigentlich nicht sonderlich viel Fantasy-mäßiges erwartet. (Aber sowas mag ich auch, deswegen hab ich Trails of Cold Steel gekauft XD)
Antwort von:  Lianait
24.06.2016 23:16
Danke schön~ ♥
Ich hab dir eine Antwort-ENS geschrieben. :3


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