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Luna Plena

von

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Der Mann am Weiher

Ein kleiner Wasserfall rauschte leise in einen kristallklaren Weiher. Sein Ufer war reich bewachsen mit den merkwürdigsten Pflanzen und ein paar große Steine schmückten es. Die Bäume ringsherum flüsterten ihr leises, beruhigendes Lied und Vögel sangen mit. Es war ein friedlicher und einladender Ort.

Wäre da nicht eine bewusstlose Gestalt gewesen. Sie war schwer verwundet und gehörte einer jungen Frau, deren Hinterkopf eine große Platzwunde aufwies und deren Blut das Gras und die Erde rot färbte. Sie lag auf dem Bauch und ihr Kopf war nach links gedreht. Ein grauenvoller Anblick.
 

Langsam kam wieder Leben in die junge Frau. Ihre Finger zuckten, ihr Atem wurde stärker und sie stöhnte, als sie versuchte, den Kopf zu drehen, schaffte es aber nicht. So blieb sie unverändert liegen und versuchte, Stückchen für Stückchen ihr Umfeld zu erfassen. Sie wusste, dass sie auf weichem Gras lag und irgendwo in ihrer Nähe befand sich ein Wasserfall. Plötzlich durchfuhr sie ein stechender Schmerz, als hätte sie jemand mit einem Baseballschläger niedergeschlagen. Noch gerade so konnte sie einen Aufschrei unterdrücken. Als sie es geschafft hatte, den Schmerz zu überwinden, fing sie an zu horchen. Die junge Frau hörte die Bäume und Vögel, das Rauschen des Weihers und das sich in dem sanften Windhauch wiegende Schilf und … Schritte.

Sie waren kaum hörbar, aber sie waren da und sie kamen näher. Panik machte sich in ihr breit. Was sollte sie tun? Bewegen konnte sie sich nicht. Also sollte sie um Hilfe schreien? Oder würde das nur die Aufmerksamkeit auf sie lenken? dachte sie und entschied sich, erstmal nach der Lage zu schauen. Trotz schwerer Lieder öffnete sie das linke Auge einen Spalt breit, sah aber nur eine graue Wand und ein paar längere Grashalme, und sie schloss es wieder. Die Schritte wurden deutlicher.

Dem Klang nach zufolge handelte es sich um ein kleines Wesen, welches bedacht auf zwei Beinen durchs Gras schlich. Dann verstummten sie abrupt und alles hörte sich wieder friedlich an.

Doch plötzlich spürte sie, wie sich eine große Hand auf ihren Rücken legte, sie spürte die Wärme, die von ihr aus ging. Eijumys Herz fühlte sich an, als wolle es ihren Brustkorb durchbrechen, doch kein Laut entwich ihren Lippen.

Eine zweite Hand legte sich neben ihren Kopf und sie merkte, wie sich etwas zu ihr herunter beugte. Sie spürte den warmen Atem des Wesens an ihrem Hals. „Jetzt ist alles vorbei. Es wird mir die Kehle durchbeißen und das war’s.“, dachte sie. Die junge Frau kniff die Augen vor dem erwarteten Schmerz zu.

Doch er blieb aus.

„Du brauchst dich nicht zu fürchten“, sagte eine weiche, männliche Stimme, „ich werde dir nichts tun.“ Vor Schreck, dass das Wesen ein Mensch war, öffnete sie ihre Augen. Doch das einzige was sie sah, war die graue Wand vor ihr. Also versuchte sie ihren Kopf zudrehen. Eine der Hände legte sich vorsichtig auf ihre Wange. Sie war groß und hatte lange Finger. Der Mann sagte: „Das würde ich an deiner Stelle lassen. Du bist schwer verwundet. Wenn du dich jetzt auch nur ein kleines bisschen anstrengst, stirbst du.“

„Was soll ich dann deiner Meinung nach machen?“, fragte sie mit zusammen gebissenen Zähnen.

„Ahh. Du kannst also wieder sprechen. Du sagst mir jetzt erstmal woher du diese Wunden hast.“

„I-Ich … ich weiß es nicht mehr.“

„Wie du weißt es nicht mehr?! Bei einem Kratzer würde ich diese Antwort gellten lassen, aber das sind nicht nur Kratzer!“

„Aber wenn ich’s doch sage. Ich habe keinen blassen Schimmer mehr, woher ich sie habe…“

„Was ist das letzte, woran du dich erinnern kannst?“

„Ich bin durch den Wald gekrochen … und habe etwas gesucht …. Weißes Moos …“

„Weißes Moos?!“, unterbrach er sie abrupt.

„Ja … um die Blutung zu stoppen.“

„Woher weißt du davon?“, fragte er erstaunt.

„Lichtschweif hat es mir gesagt.“

„Und wer ist was?“

„Ein Einhorn.“

„Was? Du bist einem Einhorn begegnet, welches dich nicht umgebracht sondern geholfen hat? Erzähl mir genau, wie das abgelaufen ist!“

„Ich kann mich an keine Einzelheiten erinnern. Alles ist so verschwommen.“

„Gut, dann sag mir sofort Bescheid, wenn du dich erinnern kannst. Dass du einem Einhorn begegnet bist, erklärt immer noch nicht, woher du die Wunden hast. An was erinnerst du dich noch?“

„An eine Explosion.“

„Was ist explodiert?“

„Mein Haus …“

„Wo stand es?“

„Am Ende der Birkenstraße … Ich muss sofort zurück.“, schrie sie und versuchte sich aufzurichten. Doch der Fremde hinderte sie daran, indem er sie sanft aber bestimmt auf den Boden drückte. „Lass mich los!“, brüllte sie.

„Was ist denn in dich gefahren?“, fragte er erstaunt.

„Ich muss zurück.“

„Warum?“

„Ich muss zu meinen Eltern und meinem Bruder!“

„Waren sie mit dir im Haus, als es explodiert ist?“

„Nicht ganz, sie waren im Haus und ich war draußen im Garten.“

„Dann werden sie es höchstwahrscheinlich nicht überlebt haben.“

„Wie kannst du so etwas sagen! Natürlich werden sie es überlebt haben!“

„Wie lange ist das ungefähr her?“

„Vermutlich ein bis zwei Tage… denke ich.“

„Dann kannst du nicht mehr davon ausgehen, dass sie noch da sind.“

„Aber wenn sie noch da sind, dann muss ich zu ihnen und ihnen helfen!“

„Nehmen wir an, sie sind da. Wie willst du ihnen helfen? Du kannst dich nicht mal bewegen.“

„Ich muss doch was unternehmen…“

„Lass deine Wunden erstmal heilen und dann sehen wir weiter.“

„Aber …“

„Keine Wiederrede! Da deine Wunden anscheinend nicht vergiftet sind oder von speziellen Kreaturen kommen, müssten sie schnell heilen, solange du dich genau an meine Anweisungen hältst.“

„Okay“, murmelte sie leise.
 

Sie hörte Wasser plätschern und kurze Zeit später spürte sie, wie der Fremde ihre Kopfwunde reinigte. Es ziepte ein wenig, wenn er ihre angeklebten Haare löste, aber Schmerzen empfand sie nicht. Er legte etwas auf die Wunde und sie spürte, dass es sich an ihre Haut klebte.

Dann nahm er ihren linken Arm und legte ihn sich über seine Schulter. „Ich werde dich jetzt aufrichten. Bleib bitte ganz ruhig.“, sagte er.

Vorsichtig drehte er sie um und legte dabei seine rechten Arm um ihre Taille, dann griff er mit dem anderen Arm unter ihre Beine und hob sie ein kleines Stückchen von Boden. Dabei bemerkte die junge Frau, dass es sich um einen starken Mann handeln musste. Er legte sie wieder auf den Boden, nachdem er sie um 90° Grad gedreht hatte und ließ sie langsam zurück gleiten, bis sie etwas Hartes an ihrem Rücken merkte. Es war der Stein, den sie gesehen hatte.

Die Tonscherbe war aus ihrem Bauch entfernt worden und ein grüner Verband war an ihrer statt. Während er sich um ihre zerschundenen Füße kümmerte, musterte sie ihn gründlich.

Er war groß, sie schätzte ihn auf 1,90 Meter, und trug merkwürdige Kleidung. Über den Kopf hatte er eine Kapuze gezogen, die ihm tief ins Gesicht ragte. Er trug eine metallisch glänzende Kette um den Hals. Der Anhänger schimmerte in einem kräftigen smaragdgrün. Sein Mantel war ärmellos. Der Hauptteil war in einem dunkelgrün und die Nähte waren dunklen grau. Um die starken Oberarme Trug er jeweils ein dunkelbraunes dickeres Lederband mit verschlungenen, kryptischen, grünen Zeichen. Die großen Hände des Mannes waren dünn bandagiert. Seine ebenfalls grün graue Hose besaß viele Taschen und Schlaufen, in denen verschiedene Waffen steckten. Seine Schuhe waren aus massivem, schwarzen Leder mit einer dicken Sohle.

Als sie wieder zu ihm aufsah, merkte sie, dass er sie stumm beobachtete. Sie fuhr kaum merklich zusammen, ihre Wangen färbten sich leicht rötlich und sie schaute betreten zur Seite.

„Tut dir sonst noch was weh?“, fragte der Mann.

„Soweit ich es bis jetzt beurteilen kann, nein.“, murmelte sie leise.

„Hast du Hunger oder Durst?“

„Ein wenig Wasser könnte ich durchaus vertragen.“

„Gut, warte hier.“

Er ging zum Weiher und schöpfte etwas von dem kristallklaren Wasser in ein großes, geschwungenes Blatt ab. Dann wollte er es ihr reichen, doch als die junge Frau ihre Arme heben wollte, keuchte sie und sie sanken zu Boden.

„Anscheinend tut dir doch noch was weh.“, stellte er fest.

Sie murmelte etwas mit zusammen gebissenen Zähnen.

„Also muss ich dir selbst dabei helfen.“, murrte er.

„Du kannst es da auch einfach abstellen und sobald ich meine Arme wieder bewegen kann, trinke ich selber.“, fauchte sie zurück. Er sah sie verdutzt an, setzte sich vor sie hin, legte das gefüllte Blatt ab und strich die Kapuze nach hinten. Seine eisblauen Augen sahen in ihre grün-grauen. Rasch griff er nach ihrer rechten Hand, drückte sie sanft und meinte: „Mein Name ist Akatash und ich streife seit kurzem durch diese Wälder.“ Sie sah in ungläubig an, fing sich dann aber wieder und entgegnete: „Ich heiße Eijumy und liege hier unbeweglich auf dem Boden.“

„Hast du immer noch Durst?“

„Denkst du er verschwindet so einfach, ohne dass man was trinkt?“

Er seufzte, griff nach dem mit Wasser gefülltem Blatt und hielt es ihr an die Lippen. „Dann trink“, sagte er. Und sie trank die erfrischende Flüssigkeit.

„Danke.“, murmelte sie und sah ihn wieder an.

Akatash hatte ein schönes Gesicht, markante Augen mit einem durchdringenden kaltem Blick, einer geraden Nase und einem wohlgeformten Mund. Er hatte längere leicht gewellte schwarze Haare die ihm strähnenweise ins Gesicht vielen. Der Mann schien nicht älter als 25 Jahre zu sein.

„Als sie mich gefunden hatten“, fing sie an, doch er unterbrach sie.

„Du kannst ruhig du zu mir sagen.“

„Gut, kannst du mir sagen, ob bei mir ein kleiner schwarzer Drache lag?“

„Du musst wohl ziemlich viel abbekommen haben.“, meinte er lachend, „Hier gibt es keine Drachen und schon gar keine schwarzen!“

„Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass bei mir Einer war. Er hat zu mir gesprochen.“

„Ausgeschlossen!“

„Aber wenn ich es doch sage, ich hab es mir nicht eingebildet!“

„Ich denke, du solltest dich erstmal ausruhen. Wenn du wieder wach bist, kannst du wieder klar denken.“, meinte er beschwichtigend.

„Ich muss zu ihm und ihm helfen. Er war schwer verwundet.“

„Du gehst nirgendwo hin!“

„Dann trag mich!“, erwiderte die junge Frau prompt.

„Wenn du dann endlich Ruhe gibst.“, stöhnte er.

„Das werde ich.“

Akatash kniete sich seufzend neben sie. Sofort schwang Eijumy einen Arm um seinen Hals, er griff mit einer Hand unter ihre Kniekehlen und mit der anderen stützte er ihren Rücken.

„Wo soll’s hingehen?“, fragte er genervt.

„Dahin wo du mich gefunden hast.“



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