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Gastgeschenke

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Gastgeschenke

In Sindria werden die Gastgeschenke traditionell erst beim gemeinsamen Abendessen ausgetauscht“, erklärte General Drakon und schob den Diener so schnell durch eine Tür von dannen, dass sogar Koumei es seltsam fand.

Hochkönig Sinbad starrte ihm nach, die Hand nach wie vor erhoben und auch Kouen schien nicht damit gerechnet zu haben, dass ihr Gastgeschenk gleich mitsamt Diener verschleppt wurde. Für einen Augenblick war es totenstill im Raum, dann ließ Hochkönig Sinbad die Hand sinken.

„Sharrkan wird Euch eure Gemächer zeigen. Wenn Ihr irgendetwas benötigt, wendet Euch vertrauensvoll an ihn“, presste er heraus.

Weitere Floskeln, ein schiefes Lächeln und plötzlich standen sie zu dritt auf dem Gang. Koumei gähnte hinter seinem Fächer. Reisen waren nicht seine Welt und ewig durch fremde Paläste laufen auch nicht. Sein Bruder wusste das und so war er es, der die schwere Bürde auf sich nahm, verstehend zu nicken, wann immer ihrem blonden Führer irgendein Fakt über die Lippen kam.

Koumei ließ sich zurückfallen.

Die Fakten interessierten ihn nicht, einige klangen obendrein fehlerhaft und außerdem war schnell durch fremde Paläste laufen noch viel weniger seine Welt als überhaupt zu laufen.

Er gähnte noch einmal, schlurfte gelangweilt weiter über den Flur, hörte Kouen in der Ferne noch ein falsches „Faszinierend“, murmeln, dann wurde es still und als er schließlich seinen Blick wieder hob, war weit und breit nichts anderes mehr zu sehen als ein weißer, endloser Korridor.

 

Koumei hatte als Kind Albträume gehabt, die durchaus in diesen langen, lichtdurchfluteten Fluren hätten spielen können, doch auch das veranlasste ihn nicht dazu schneller zu laufen. Die schwüle Luft machte ihm das Atmen schwer, ihm war heiß und bewegen wollte er sich auch nicht mehr.

Ein beherzter Schritt nach rechts, schon lag seine Hand auf einer eklig warmen Klinke.

Mit Glück der Eingang zu einem leeren Gästezimmer.

Ein knapper Blick in alle Richtungen, dann schlüpfte er durch die Tür. In Gedanken bereits in die Laken eines frisch bereiteten Nachtlagers gehüllt. Und tatsächlich schlug ihm fast sofort eine kühle Brise entgegen.

 

Wind.

 

Koumei ließ den Blick über die Terrasse schweifen. Offensichtlich hatten die Diener hier draußen die Festtafel aufgebaut. Goldene Schüsseln und Kelche glitzerten im Sonnenlicht und da, ganz am Rand erstrahlte das Wappen von Kou.

Kurz ruhte Koumeis Blick auf dem Gastgeschenk. Das er es so bald wiedersehen würde, hätte er nicht gedacht. Es war nicht groß, aber neben den glitzernden Päckchen aus Sindria wirkte es fast schon ein bisschen schäbig. Es hatte nicht einmal ein Namensschild, so wie die Anderen.

Neugierig trat er näher und musterte das längliche Präsent, auf dem mit goldenen Zeichen Kouens Name prangte. Jemand musste sehr viel Mühe in die Verpackung investiert haben.

In diese und in -

Seine Augen weiteten sich.

Das schmale Paket dahinter trug eindeutig seinen Namen.

 

Eigentlich hätte es ihn nicht wundern sollen und doch konnte er nicht anders als es mit großen Augen anzustarren. Ein Geschenk. Für ihn. Das passierte wirklich nicht alle Tage. Klar, Kouha brachte ihm gelegentlich etwas mit und Judar hatte mehr als einmal Tintenfisch für ihn angeschleppt, aber Geschenke von politischen Gegnern gingen für gewöhnlich an En. Auch weil die Meisten von ihnen nicht einmal wussten, dass es ihn überhaupt gab. Doch hier hatte man an ihn gedacht und sogar etwas eingepackt. Träge streckte er die Hand danach aus. Er wollte es nur einmal kurz berühren. Nur mal schauen ob es schwer war oder nicht, damit er dann vielleicht erraten konnte, was es war.

Eine einzige, kleine -

 

„Hrm, hrm!“

 

Koumei fühlte sich ertappte.

 

„Die Gastgeschenke werden erst beim Abendessen ausgetauscht“, erklärte eine Stimme so dicht hinter ihm, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Er hatte niemanden näherkommen hören und er war sicher auch an niemandem vorbeigelaufen. Er bekam zwar nicht viel mit, aber das hätte er dann doch bemerkt.

Langsam machte er einen Schritt zur Seite und der Andere schien es zu akzeptieren. Zumindest fühlte er sich nicht mehr von ihm niedergestarrt. Koumei hob die Hand um hinter den schwarzen Federn seines Fächers zu verschwinden. Eine Sicherheitsmaßnahme, die ihm inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen war. Dann erst drehte er sich um.

Der junge Mann vor ihm schenkte ihm ein warmes Lächeln.

„Vielleicht kann Euch ein Stück Feige die Wartezeit verkürzen“, schlug er vor und hob beherzt einen ziemlich vollen Teller an.

Koumei wollte keine Feige, er wollte viel lieber das Geschenk, aber um des Friedens willen, griff er nach einer Frucht. Sie schmeckte kühl und süß – nach Feige eben und das tat gut. Mehr zumindest als er vorher angenommen hatte.

„Warum bewachst du diesen Tisch?“, platzte er noch kauend heraus. Die Frage war berechtigt. Es gab Essen in Hülle und Fülle. Selbst wenn ein hungriger Diener sich eine Hand voll Feigen genommen hätte, hätte es niemand bemerkt. Niemand außer diesem Wachhund natürlich.

Sein Gegenüber schüttelte den Kopf.

„Ich bewache nicht den Tisch“, erklärte er und warf einen langen Blick an ihm vorbei auf die Geschenke. Koumei verstand und er verstand doch nicht.

„Warum?“, fragte er noch einmal nach.

Das Gesicht des Anderen verdunkelte sich. „Wenn Ihr etwas Zeit habt, zeige ich es Euch.“

 

Koumei gähnte tonlos in seinen Fächer hinein. Die Müdigkeit war in dem Moment zurückgekommen, als er sich hinter dem Tisch mit den Geschenken auf den Boden gesetzt hatte, aber dieses Mal würde er ihr nicht nachgeben. Nicht bevor er nicht wusste, was das alles sollte.

Neben ihm lauschte sein neuer Bekannter. Er schien das alles sehr ernst zu nehmen. Vielleicht sogar ein bisschen zu ernst.

Kein Mensch war auf der Terrasse, nur der Wind strich hin und wieder über sie hinweg. Irgendwo in der Ferne schimpfte eine Frau. Koumei konnte nicht verstehen worüber. Seine Augenlider wurden schwerer.

Warten war doch ganz schön langweilig. Vielleicht sollte er sie doch schließen.

Nur für einen kleinen Augenblick.

Nur bis …

 

Neben ihm spannte sich sein neuer Bekannter an. Da! Waren das Schritte?

Unfreiwillig konzentrierte er sich stärker. Eindeutig, Schritte auf dem Marmorboden. Jemand kam näher und blieb schließlich vor dem Tisch stehen. Es raschelte verdächtig.

„Bararaq Sei!“

Blitze zuckten, Jemand schrie und Koumei fühlte sich genötigt einen Blick über die Tischkante zu wagen.

„Du bist gemein, Ja'far“, klagte ein Bündel aus bunten Stoffen und lila Haaren, das zu allem Überfluss auch noch ein bisschen angebrannt roch.

„Du weißt ganz genau, dass es die Geschenke erst beim Essen gibt“, grollte sein Bekannter zurück.

„Dann lass mich wenigstens mal fühlen wie schwer es ist.“

„Nein!“

Vor dem Tisch funkelten sich die beiden Kontrahenten an als ginge es um die Zukunft Sindrias.

„Was sollen denn unsere Gäste von uns denken?“

„Sie werden es gar nicht merken. Ich binde es wieder zu. Nur ein kleiner Blick, Ja'far.“

Ein Messer blitzte im Sonnenlicht.

„Nur über meine Leiche, Sin!“

Erneut taxierten sich die Gegner, abwartend, lauernd und zu keinem Kompromiss bereit.

Irgendwo knarrte eine Tür.

„Was geht denn hier vor?!“, donnerte es.

Koumei ließ sich spontan hinter den Tisch zurücksinken. Wenn En diesen Tonfall anschlug, erwartete er eine Erklärung und wenn Hochkönig Sinbad das erklären musste – Nun, dann konnte er solange auch ein Schläfchen wagen. Das war inzwischen ohnehin längst überfällig.



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