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Love me like a Drama, Boy

von

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Kapitel 6

Kapitel 6

 

Jacek

 

 

Samstagmorgen riss mich ein nerviges Klingeln aus dem Schlaf.

Hatte ich meinen Wecker vergessen auszustellen?

Noch immer duselig schlug ich nach dem Gerät bis er auf dem Boden landete, doch das Klingeln ließ nicht nach.

Erst als ein übertrieben süßes „Guten Morgen Toooommmyyyyy“ in mein Zimmer wehte, wurde mir klar, welcher Schrecken mich, bzw. meinen armen Bruder befallen hatte.

Die Gymnastik-Tussi die über uns wohnte versuchte mal wieder ihr Glück. Dabei war sie nicht einmal Tomasz‘ Typ.

Besenstiel-dürr, falsche blonde Locken und Wangenknochen, die einfach nur noch lächerlich wirkten neben ihren übertrieben großen, zu weit auseinanderstehenden Augen. Manche fanden sie hübsch… Manche kauften sich aber auch Möspe, weil die Tierchen ja sooo niedlich waren und gar nicht gruselig mit ihrem Alienblick.

„Hi Lisa“, knurrte mein Bruder zurück. Er klang genauso müde wie ich mich fühlte. „Gibt es einen Grund warum du um kurz nach sieben klingelst? An einem Samstag?“

„Aber natürlich Tommy. Ich wollte gerade Kuchen backen, aber mir fehlen dafür zwei Eier und ich wollte fragen ob du zufällig welche hast? Als Dankeschön lad ich dich auch zum Kaffee ein.“ Erneut schrillte ihr Stimmchen durchs halbe Haus.

Leise murmelte ich vor mich hin, dass diese Kuh seine Eier bestimmt nicht kriegen würde. Auch nicht im Austausch für Kuchen.

Vermutlich wusste die nicht mal was Kuchen war. Alles was Zucker beinhaltete war ihr erklärter Todfeind.

„Bis zwei bin ich beim Spinning. Aber um drei kannst du gerne zu mir nach oben kommen.“

Unartikuliert brummte der Bär, der vermutlich im Türrahmen einschlief.

Würde ich auch gerne. Einschlafen. Aber diese Stimme…

„Gah!“

Genervt schwang ich mich aus dem Bett, stolperte aus meinem Zimmer und schnurstracks auf die Wohnungstür zu.

„Oh hi Ja…“ wollte der Besenstiel ihre Aufmerksamkeit auf mich richten, ehe ich ihr die Haustür vor der Nase zuschlug und dafür ein erschrockenes Quieken erntete.

„Nich nett…“ brummte Tommy, ehe er sich schulterzucken abwandte und zurück in sein Zimmer trabte. „Um zehn?“ Er hielt in seinem Türrahmen inne und schaffte es, mich aus einem halb geöffneten Auge anzusehen.

„Brötchen?“ War meine schlichte Antwort, ehe ich die Klingel abstellte und ebenfalls zurück ins Bett fiel.

 

Um kurz vor zehn sprangen meine Augen schließlich relativ ausgeschlafen von alleine auf. Die Wohnung war ruhig, weshalb ich wohl derjenige sein würde, der Brötchen kaufen musste.

Im Bad beschäftigte ich mich nur mit dem nötigsten. Duschen konnte ich auch später. Die zwei Minuten bis zum Bäcker würde sich schon keiner dran stören.

Auch Haare kämmen ließ ich weg. Wurde überbewertet zum Wochenende.

Fünf Minuten später stand ich in verwaschener Jogginghose und Tommys Pulli beim Bäcker um die Ecke, ließ mir das Übliche einpacken und schlurfte zurück nach Hause. Die Omi, die unter uns wohnte, lächelte mich fröhlich an, während sie das Unkraut auf dem Grünstreifen vor dem Haus wässerte.

"Wie gefallen dir meine Rosen, Joseph?“, rief sie zu mir hinüber.

Wer war Joseph? Ein Rätsel das ich in den letzten 7 Jahren nicht lüften konnte. Und warum die die Disteln für Rosen hielt?

Lag vielleicht am Alter. Die Frau war schon gefühlte 200 als wir hier eingezogen waren.

„Sehen toll aus, Frau Ebeling!“

Zufrieden blickte sie zurück aufs Unkraut, ertränkte es weiter im Wasser und ignorierte mich schließlich, sodass ich bedenkenlos im Haus verschwinden konnte.

Auf dem Weg nach oben zog ich die Werbung aus dem Briefkasten.

Interessierte mich nicht.

Tomasz blätterte gerne drin rum oder benutzte es als Unterlage, damit seine dreckigen Schuhe das Parkett im Flur nicht verunstalten konnten.

 

In den fünf Minuten die ich unterwegs war, ist wohl leben in der Wohnung eingezogen. Zumindest stand die Schlafzimmertür meines Bruders offen und Wasserrauschen drang aus dem Bad zu mir herüber.

Die Brötchen beförderte ich auf den Küchentisch und suchte verzweifelt nach sauberem Geschirr.

Schlussendlich ließ ich mich dazu herab zwei Bretter und Messer, sowie Tassen abzuwaschen. Wer für den Rest verantwortlich war musste nach dem Essen ausgeknobelt werden.

 

Wie auf Kommando erschien Tommy in der Küche, als sein Kaffee durchgelaufen und eingeschenkt war.

„Morgen“, begrüßte er mich fröhlich.

Was knapp zwei Stunden Schlaf doch ausmachen konnten. Oder eine Runde wichsen in der Dusche… doch darüber wollte ich vor dem Essen besser nicht nachdenken. Oder danach. Oder irgendwann.

Er war einfach nur ausgeschlafen. Punkt.

 

„Hast du heute was vor?“, fragte er mich um sein Wurstbrötchen herum.

Etwas zivilisierter –immerhin schluckte ich mein Essen runter!- antwortete ich ihm, dass ich mich nach dem Mittag mit den Mädels treffen würde.

„Und hast du schon über Walthers Angebot nachgedacht?“

Zögerlich nickte er. Sah jedoch nicht vollkommen zufrieden aus.

„Und?“ Hakte ich nach.

Schulterzucken.

„Werd nächste Woche nochmal mit ihm reden. Und vielleicht mit meinem Chef…“

„Vergiss es nicht.“

„Ja Mutti.“ Genervt rollte er mit den Augen, ehe er sich ein weiteres Brötchen schmierte und wir zurück ins Schweigen verfielen.

 

Kurz nach eins hämmerte es an unserer Haustür.

Eine missmutig dreinblickende Bryn stierte mich an, als ich öffnete. Ein Buch in der einen Hand, die andere tief in der Hosentasche vergraben. Wie das ging bei dieser Hose war mir unklar. Wie aufgemalt klebte sie an ihren Hüften, die Blümchenbluse in den Bund gesteckt.

Ehe ich fragen konnte, warum sie mich so böse anstierte, drängte sie sich in die Wohnung und verschwand in meinem Zimmer, jedoch erst als sie den Kopf ins Wohnzimmer gesteckt und meinen Bruder zuckersüß begrüßt hatte.

Warum stierte sie mich an und zu ihm war sie so nett?

Was lief hier schief?!

 

„Ist eure Klingel kaputt oder hat die Stabschrecke mal wieder genervt?“ Bryn hatte sich auf meinem Bett breit gemacht, die Augen auf die Buchseiten gerichtet.

„Letzteres…“ Dann machte es klick. Sie war sauer, weil sie, wer weiß wie lange, unten stand und geklingelt hatte, ehe vermutlich Frau Ebeling oder ein anderer Mieter Mitleid mit ihr hatte und geöffnet hatte.

„Sorry. Hab vergessen das Ding wieder anzustellen. Aber die Schnepfe hat uns um kurz nach sieben wachgeklingelt…“

„Hm… quatsch nicht so viel und mach dich fertig. Viv wollte vor zwei Minuten los machen. Hab keine Lust, das sie ewig auf uns warten muss und sich darüber beschwert.“

Lieblich wie immer, die Gute.

Ich sagte nichts dazu, sondern zog mich um. Packte meine Tasche und machte mich schließlich mit ihr zusammen auf dem Weg zum Bus.

 

Der Bus war überfüllt. Alle wollten in die Stadt. Den Park belagern, sich in Eisdielen zusammenrotten und den späten Spätsommer genießen, ehe es kalt und diesig wurde, da September sich langsam dem Ende neigte.

Wenn ich Pech hatte wurde ich in eine dieser überfüllten Kaschemmen gezerrt, nachdem ich für die Grazien Packesel spielen durfte.

Einkaufsbummel waren grässlich, sobald man kein Geld hatte, das man ausgeben konnte.

Dank der Rechnung, die künftig wie Voldemort behandelt und nur noch als ‚du-weißt-schon-was‘ oder ‚Das-was-nicht-genannt-werde-darf‘ bezeichnet werden darf, sah es mau aus. Doch selbst das war kein Grund, um den beiden abzusagen. Zumindest wenn man meine Freundinnen fragte. Nicht einmal der eigene Tod wäre für sie eine Entschuldigung, wenn man einmal zugesagt hatte mit ihnen shoppen zu gehen.

 

Viviannes Begrüßung fiel nur mäßig wärmer aus als Bryns.

Ihr Blick verriet, dass sie bereits im Shopping-Modus war und für unnötige Nettigkeiten keine Energie übrig hatte.

Wahrscheinlich war dies einer der Gründe, warum sie nach zwei Stunden und gefühlten 100 Geschäften noch immer fit wie ein Turnschuh, von Regal zu Regal hüpfen konnte und immer mehr wundervolles Zeug fand, das sie UNBEDINGT anprobieren musste. Während ich, halb tot, neben der Kabine hing und seltsam von einer Mitarbeiterin beäugt wurde.

Oder sie stierte auf meine Nase, da ich Vollidiot vergessen hatte, mein Gesicht herzurichten. Vermutlich hatte ich auch vergessen mich zu kämmen. Wundervoll.

Na wenigstens hatte ich geduscht. Auch wenn dies schon lange nicht mehr zu erkennen war.  

Ich hasste diese exzessiven Shoppingtouren. Warum hatte ich zugestimmt mitzukommen?

Ach ja, weil ich letztens noch Geld hatte und dringend neue Schuhe brauchte.

Unauffällig beäugte ich die ausgelatschten Turnschuhe.

Jetzt fand ich, dass die locker noch bis Weihnachten hielten. Oder so.

SO schlimm waren die Löcher noch nicht.

Im Dezember sollte ich dennoch ganz groß Schuhe auf die Wunschliste schreiben, die Tommy jedes Jahr auslegte.

Vielleicht sollte ich ein paar Schulsachen mit drauf schreiben. So zur Tarnung.

Damit mein herzallerliebstes Brüderchen mich nicht wieder anknurren konnte was für ein seltsames Kind ich war, dass ich solch eine Liste nicht missbrauchte.

 

„Und, wie steht mir das?“

Keine Ahnung wer von beiden das fragte. Klangen mittlerweile zu gleich.

Ich setzte mein interessiertes Gesicht auf, gab ein schick von mir und hoffte das dem so war und ich es nicht als hässlichen Fetzen betiteln würde wenn diejenige es in der Schule trug.

„Boah du guckst ja nicht mal richtig hin!“ Ein Schuh donnerte mir ans Knie. Weißes Stöckelschühchen mit Riemchen. Eindeutig Bryn die gefragt hatte. Via würde sich nicht mal tot in solchen Dinger sehen lassen. Vor allem nicht, wenn diese Mordinstrumente mehr kosteten als eine neue Sportausrüstung.

 

Danach hatte sie Mitleid mit mir und schleppten mich nur noch in gut klimatisierte Geschäfte mit bequemen Sitzmöglichkeiten. Auch sahen sie davon ab nach meiner Meinung zu fragen. Alles war „schick“ zurzeit. Außer das pochen in der Nase, welches nur langsam nachließ. Wie lange musste ich diese Kack-Schmerzmittel denn noch nehmen? War nicht mehr auszuhalten.

Entweder tat mir alles weh oder ich wirkte wie zugedröhnt. Wobei dieses „auf Wolken“ Gefühl manchmal ganz nett war. Im Geschichtsunterricht beispielsweise. Machte das Naziregime fast erträglich.

 

Nach einem erzwungenen Eisbecher mit extra Sahne, laut Vivianne die Bezahlung für meine tragende Rolle, trennten wir uns.

Via musste die Bahn zur Sportschule nehmen, in deren Halle ihr Training stattfand. Bryn wollte noch ihr Buch in die Bibliothek zurück bringen und ich beschloss, dass wenn ich schon einmal hier war, auch Boris, dem Trainer beim Kickboxen, einen Besuch abstatten konnte, um ihm schonend beizubringen, dass die Saison für mich gelaufen war. Zu den regionalen Meisterschaften durfte er dieses Jahr definitiv Marvin mitnehmen.

Hoffentlich nahm der es mir nicht übel. Der wirkte schon so unglücklich als ich sagte, dass ich aus privaten Gründen vielleicht nicht mitkommen konnte.

„Ach verdammt…“ Genervt trat ich einen Papp-Kaffeebecher zur Seite und setzte mich in Bewegung.

Scheiß Sportbefreiung. Scheiß gebrochene Nase und scheiß Noah mit seinem scheiß talentlosen Knackarsch!

 

 

Noah

 

 

Zu schnell war das Wochenende vorbei, an welches ich mich nur verschwommen erinnern konnte. Keine Ahnung was Pascha in die selbstgebackenen Muffins gepackt hatte… Ernsthaft… Ich fühlte mich auch jetzt noch wie auf einem schlechten Trip.

„Alles ok Schatz?“ Meine Mutter musterte mich besorgt. Befühlte sogar meine Stirn und gab sich erst zufrieden, als ich irgendwas von wegen schlecht geschlafen gemurmelt hatte.

Konnte ihr ja schlecht erzählen, dass mein bester Freund wohl irgendwelche illegalen Substanzen in seine Muffins eingebacken hatte. Vor allem, da sie auch einen oder zwei davon hatte…

Und ich so ziemlich den Rest…

Na gut, vielleicht doch kein Drogentrip und seine Nachwirkungen sondern schlicht und ergreifend zu viel Zucker.

Die Wahrheit wird wohl nie ans Licht kommen. Pascha würde ich bestimmt nicht fragen. Irgendwie hatte ich schiss vor seiner Antwort.

 

Nach dem Frühstück trottete ich zum Bus, bekam etwas schiss bei Paschas Grinsen und langweilte mich schließlich im Unterricht so sehr, dass ich beinahe einschlief. Ernsthaft. So langweilig war der Unterricht selten. Oder der Zucker (ES WAR ZUCKER VERDAMMT!) wirkte immer noch seltsam auf meinen Körper ein.

Erst in der Mittagspause ließ die Müdigkeit nach und ich fing an, mich wieder wie ich selbst zu fühlen.

Die sollten die Werbung ändern. Nicht mehr: „Du bist nicht du, wenn du hungrig bist.“ Sondern: „Du bist nicht du, wenn du Pawels Muffin zu Hauf intus hast“.

„Alles klar bei dir?“, fragte der Verursacher allen Übels, mit Unschuldsmiene, als ich mich neben ihm auf einem der kniehohen Pflanzpötte niederließ. Die Bänke waren bereits voll und heute war mir einfach nicht danach, einen der anderen wegzuscheuchen. Wobei diese Kletten von Elftklässlern es verdient hätten. Konnten die nicht irgendwo im Sandkasten spielen?

Es machte sie nicht automatisch cooler, wenn sie bei den „großen Kindern“ sitzen… es ließ sie nur lächerlich wirken… und uns alt.

Die einzige die ich zu erdulden wusste war Mareike. Gute Noten, unscheinbar, schüchtern… auf den ersten Blick ein nettes Mädchen, vor allem wenn man bedachte, dass sie die Tochter der Direktorin war. Dies war der eigentliche Grund, dass sie geduldet wurde.

An anderen Schulen wäre es sozialer Selbstmord mit dem Kind des Direktors gesehen zu werden, doch bei Mareike…

Sie ließ ganz gerne durchsickern welcher Lehrer wann Aufsicht hatte. War gut für alle Raucher unter uns. Auch für sie.

War sie doch die erste die zur Kippe griff… und in ihren war nicht immer nur Tabak zu finden.

So auch heute.

Seufzend klemmte sie sich die Zigarette zwischen die Lippen und inhalierte tief. Weitere folgten ihrem Beispiel und schon bald saß ich inmitten einer Qualmkuppel. Das dies niemandem auffiel wunderte mich.

Pascha zündete sich ebenfalls eine an. Nur ich blieb eisern.

Meine Mutter hatte tatsächlich meine letzte Schachtel konfisziert und mir mit irgendwas gedroht, wenn sie noch mal welche bei mir finden würde… dabei war ich volljährig. Was sie nur hatte…

Klar könnte ich mir von Pascha eine leihen, aber… da gab es das gleiche Problem wie bei den Muffins… Hatte er nur Tabak reingedreht oder anderes Zeug? Russisch-Roulette im Kippen-Style.

 

Ein Stoß in die Rippen erinnerte mich daran, dass mir eine Frage gestellt wurde. Da ich nicht mehr wusste was genau gefragt war brummte ich ein ‚hm‘ vor mich hin. Würde schon die richtige antworte sein.

„Wirklich? Glaubst du das pink dir steht?“

„Was?“ Entsetzt starrte ich in Pawels Grinsendes Gesicht.

„Du hast ‚hm‘ gesagt. Das heißt ja wohl, dass ich dir die Haare pink färben darf…“

„Du hast doch gar nichts mit pink und meinen Haaren gefragt…?“ Unsicher überlegte ich zurück. Schüttelte die Zweifel dann jedoch ab und beschloss: nein, das hatte er definitiv nicht. Basta!

„Was wenn doch? Hast ja augenscheinlich nicht zugehört…“

Ehe wir uns streiten konnten -er mit dem genannten Argument, ich damit, dass es Schwachsinn war und ich zugehört hatte (Lüge, musste ich jedoch nicht zugeben!)- wurde das Tuscheln ein paar meiner Mitschüler lauter. Auffällig unauffällig drehten sich sämtliche Köpfe in die Richtung, in die eine aus meiner Parallelklasse gedeutet hatte.

„Was macht der hier?“ Julias Stimme stach am lautesten aus der Qualmwolke heraus, doch keiner reagierte auf sie, als sie bemerkten, wen „der“ ansteuerte.

Einige Gesichter bekamen einen erwartungsvollen andere einen sensationslüsternen Ausdruck. Womöglich erwarteten sie noch eine gebrochene Nase.

 
 

„Hi, sag mal…“, setzte Jacek an, ohne das leise Tuscheln im Hintergrund zu beachten, an, wurde jedoch rüde von dem Spinner neben mir mit einem gebrüllten „Häschen!“ unterbrochen.

Meine Augenbraue wanderte nach oben.

Häschen? Das war mir neu.

Den anderen auch, so wie sie dreinblickten. Münder so weit aufgerissen, dass man Flugzeuge drin landen könnte… oder beim Golf problemlos in der Lage war einzulochen.

Paschas Hand wand sich um das viel schmaler wirkende Handgelenk und zog solange daran, bis „Häschen“ auf einem Schoß saß.

Dieser verdrehte schlicht die Augen, ehe er meinem Freund gegen den Arm schlug. „Ach Schnucki… deine Knie sind genauso knochig und unbequem wie dein Arsch…“

Spätestens jetzt klappten die restlichen Kinnladen nach unten. Der Tratsch, dass ich jemandem die Nase gebrochen hatte, war eindeutig alt. Jetzt würden sich alle Gedanken um Paschas sexuelle Orientierung machen. Nicht dass es ihn zu kümmern schien.

„Mein Arsch ist weder knochig noch unbequem. Er ist geil verdammt…“

Jacek schenkte dem größeren einen Blick, der stumm die Frage stellte: „Glaubst du das ernsthaft?“

„Tse…“ eingeschnappt zog Pascha an seiner Kippe. Was ihm einen äußerst bösen Blick einbrachte.

Gezielt schnippte der Brünette meinem Freund gegen die Stirn, ehe er sich die Kippe schnappte und über Paschas Schulter wegschnippte.

„Solltest du nicht aufhören?“, zischte der Kleinere ungehalten und schlug erneut auf die Stelle, welche er bereits zuvor getroffen hatte.

„Solltest du dir nicht besser die Haare schneiden?“ Er schnalzte missbilligend mit der Zunge, spitzte schließlich die Lippen und zog ein einer der dunklen Strähnen.

„Ja… Wann denn? Und wie? Hab doch nicht die Geldscheiße.“

„Komm Mittwoch vorbei. Jo müsste Zeit haben. Die Gute darf nicht raus, da Ma sie erwischt hat als sie ohne Unterwäsche das Haus verlassen wollte…“

„Ok. Sag deiner Ma sie darf gerne für mich mit kochen…“ Jacek grinste. Genauso musste ich aussehen, wenn ich plante bei den Nowaks mit zu essen. Oder wenn ich nur dran dachte.

Mmmmmmh….

„Aber jetzt mal ernsthaft…“, wurden meine Fantasien unterbrochen

„…Boris macht dich einen Kopf kürzer wenn er mitkriegt, dass du immer noch qualmst wie eine Esse…“

„Ja, ja…“

Jacek wollte mit Sicherheit noch etwas sagen, darauf würde ich beinahe mein Motorrad verwetten, doch wurde er abgehalten.

„Jago! Kommst du endlich?“ Eine helle Stimme bohrte sich in mein Hirn und ließ Pascha gleichzeitig beinahe verzückt aufschauen.

„Gleich!“ Rief der Gerufene der Blonden hinterher ehe er erneut einen strengen Blick auf meinen Freund warf. „Hör auf!“

„Schon klar. Aber was wichtigeres… die heiße Schnecke ist deine Freundin?“ Viel zu laut brüllte er und deutete auf das Mädel, das gerade noch mit Jacek geredet hatte.

„Lauter und sie hört dich… Dann kannst du byebye zu deinen Eiern sagen.“ Augenrollend stand der Brünette auf, streckte sich kurz und richtete sich schließlich an mich.

„Morgen nach der Schule?“

Nein… keine Lust. Nicht schon wieder. Ich war ein hoffnungsloser Fall…

Ich nickte. „Klar.“

Verdammt. Mein Mund tat nie was ich wollte. Er war zu gut erzogen…

„Stellst du mich ihr vor?!“ Paschas Gebrüll ließ mich zusammenzucken. Verdammt männlich natürlich.

„Im Leben nicht, du kleine Schlampe!“ Ließ Jacek sich herab zurück zu schreien. Mit gespitzten Ohren lauschten die Umstehenden noch immer dem Geschehen.

War wie Kino für diese Idioten…

Verletzt griff Pawel sich an die Brust, lachte dann jedoch los und fragte tatsächlich ober ER ihn wenigstens nehmen würde.

„Sicher…“ Augenrollend verschwand er im Schulhaus und ich hoffte er meine das so sarkastisch, wie ich dachte.

Bitte…

Das würde zwischen den beiden nie gut gehen… Denn Jacek hatte Recht. Pascha war eine Schlampe. Eine große sogar.

Länger als zwei Wochen würde das zwischen ihnen nicht gut gehen… Und wenn es aus war müsste ICH leiden. Von beiden Seiten.

Mein bester Freund würde noch schlimmer sein als sonst und Jacek… Ich wollte mir gar nicht vorstellen was er mir antun könnte und würde, nur weil er dachte, da ich der beste Freund bin, wäre ich automatisch mit Schuld an dem Desaster.

„Pascha…“

„Hm?“

„… wenn du schwul werden willst… Such dir bitte einen anderen, als den. Ok?“

„Warum? Stehst du auf ihn?“

Eigentlich hätte ich erwartet dass er laut loslachte, mir auf den Rücken klopfte und beteuerte wie scharf er auf Titten und Muschis war.

Daher brachte seine Frage mich mehr als nur aus dem Konzept.

„Bitte?“

Nein… ich wollte gar nicht wissen wie bescheuert ich ihn anstarren musste.

 

 

Jacek

 

Dieses Mal klingelte ich Noah nicht viel zu zeitig aus dem Bett. Dafür saßen wir merkwürdig verkrampft nebeneinander im Bus und hofften, dass die scheiß Haltestelle endlich angesagt wurde.

Keine Ahnung warum es plötzlich so seltsam war, in seinem 2 Meter Radius zu sitzen.

Vielleicht weil uns die Leute anstarrten?

Nicht das es neu wäre das Leute mich anstarrten. Neu war nur, dass ich nicht wusste warum sie starrten.

„Noah?“ zischte ich dem Blonden neben mir leise zu. Im ersten Moment reagierte er nicht. Erst als ich ihm den Ellenbogen in die Rippen rammte schaute er von seinem Telefon auf.

„Hm? Wasn?“

„Hab ich irgendwas im Gesicht?“

„Außer Nase und Co.?“

Mein böser Blick ließ ihn ernst werden.

„Nein. Warum fragst du?“

„Die starren alle…“

Oh Gott, hatte ich Reste vom Mittag zwischen den Zähnen? Einen Dreckfleck auf der Hose? Kaugummi im Haar?

„Vielleicht erwarten die, dass ich dir wieder die Nase breche… oder du dich nach der Aktion gestern auch noch auf meinem Schoß breit machst um zu schäkern.“

Oder so…

Aber klang Noah grade etwas eifersüchtig?

Nee, bestimmt durfte der auch auf Paschas Schoß sitzen.

Leise lachte ich bei dem Gedanken vor mich hin. Stellt euch diesen Anblick nur einmal vor. Noah, der große Toffel, der auf Paschas langen Stelzen sitzt.

Besagter großer Toffel schaute mich schief von der Seite an, fragte jedoch nicht nach. Stattdessen starrte er wieder aufs Handy und tippte fröhlich vor sich hin.

 

Zwanzig Minuten später erreichten wir endlich die Haltestelle und machten uns schweigend auf den kurzen Fußmarsch zu Noahs Haus.

Wieder einmal musste ich eingestehen, dass er in einer schönen Gegend wohnte. Rein optisch.

Viel Grün.

Kleine Einfamilienhäuser. Kein Müll auf der Straße.

Die Anwohner jedoch… hm… wirkten spießig mit ihren fein säuberlich gestrichenen Gartenzäunen, den frisch polierten Mittelklassewagen in den Einfahrten, dem kurzgemähten Rasen und den bunten Blumenrabatten.

Der Kerl der mit seiner Katze spazieren ging und ohne Unterlass auf diese einredete machte das Ganze auch nicht besser.

Vielleicht gefiel mir meine Gegend, mit der dementen Frau Ebeling und der nervigen Stabschrecke doch besser als dieses piekfeine Ambiente.

Zuhause wirkte ich in Jeans und ausgelatschten Turnschuhen wenigstens nicht fehl am Platz.

Noah hingegen…

„Sag mal trägst du ernsthaft eine Stoffhose mit Bügelfalte?“ Wie konnte mir dieses Detail erst jetzt auffallen?

Mit dem Fetzen sah er aus wie einer dieser TV Anwälte. Oder Mafiaboss in diesen alten Kamellen.

„Ja, und?“

„Wieso besitzt du so was überhaupt? Kein normaler Teenager besitzt Stoffhosen mit Bügelfalten!“

Er zuckte die Schultern.

„Manchmal sackt es meinen Vater und er kleidet mich in so was ein. Man muss ja schließlich präsentabel aussehen. Und sie sind bequemer als sie aussehen. Und ich hab vergessen meine Jeans zu waschen… Also…“

Wollte er mir ernsthaft erzählen, dass er selbst seine Wäsche machte? Vielleicht als Bestrafung, aber nicht freiwillig!

Aber so von hinten betrachtet… stand ihm die Hose ganz gut.

„Starrst du mir auf den Arsch?“ Mit dem Schlüssel in der Hand drehte er sich zu mir um. Die Augenbrauen zusammengezogen.

„Klar. Solltest du auch mal machen. Ist echt einen Blick wert.“

Anstatt empört zu kontern zuckte er schlicht mit den Schultern, schloss die Haustür auf und ließ mich rein.

 

Wie schon beim letzten Mal rückten wir die Möbel im Wohnzimmer beiseite, wenn auch nur unter schwerem Protest Seitens des Blonden.

Wie konnte man sich nur wegen ein paar verschobenen Möbeln so haben. Wir wollten sie schließlich nur aus dem Weg haben und nicht zu Kleinholz verarbeiten.

Bevor es los ging stürmte Noah davon, um seinen Text zu holen. Während seiner Abwesenheit riss ich sämtliche Fenster auf und ließ den Dunst entweichen. Über den Tag hatte sich das Zimmer durch die große Fensterfront mehr als nur aufgeheizt.

„Wo ist dein Text?“ Er beäugte kritisch die geöffneten Fenster, sagte jedoch nichts. Die Nachbarn würden uns schon nicht hören.

„Zuhause…“ Glaubte er wirklich ich bräuchte so lange um meinen Text zu lernen? Wer war ich bitte? Ich schaffte es in zwei Tagen meinen Unterrichtsstoff auswendig zu lernen, um es bei der anstehenden Klassenarbeit anwenden und danach auf nimmer wiedersehen vergessen zu können.

Tsss…

„Kann es losgehen? Ich glaube wir zwei müssen nicht länger als nötig zusammen hier rumstehen und üben.“

Er nickte. Ein bisschen zu heftig vielleicht.

Ob er immer noch sauer ist, dass ich ihn aus dem Bett geklingelt hatte? Oder zu Boden hab gehen lassen? Oder auf dem Schoß seines Freundes saß… vor seinen anderen Freunden?

Quatsch… Weiber waren nachtragend. Er bestimmt nicht… Obwohl…

„Sicher. Lass die Tortur beginnen Kerkermeister Zielinski…“ Seufzend ergab er sich seinem Schicksal.

Kerkermeister… Der Titel gefiel mir… und vielleicht, wenn ich mich nicht komplett irrte, war er kein ganz hoffnungsloser Fall was diese Aufführung anbelangte.

Wer so übertreiben konnte war praktisch fürs Schauspielern gedacht.

Ich musste es ja wissen…

„Okay. Wir gehen die Szenen der Reihe nach durch. Versuch den Text so frei wie möglich zu sprechen, häng dich nicht an Kleinigkeiten auf, die können wir später bearbeiten… Aber bitte, BITTE, versuch mehr Emotionen zu zeigen als ein Stein. Und wenn du noch gar nichts an Text auswendig kannst: mir auch egal für den Moment. Dann ließ halt vor… aber mit Gefühl.“

Unzufrieden ergab er sich seinem Schicksal und las seine Passagen voller Emotionen vor…

Leider mit den Falschen.

„Noah? Eine Frage. Glaubst du ‚Liebe-auf-den–ersten-Blick‘ ist mit ‚plötzlichem-Durchfall‘ gleichzusetzen?“

„Nein?“ Unsicher schaute er vom Text zu mir und schließlich auf einen nicht existenten Fleck auf dem Teppich.

„Warum siehst du dann aus, als wärst du von letzterem Befallen?“

„Ich…“

Seine Ausrede ging irgendwo ganz weit an mir vorbei. War mir egal. Das musste sich einfach ändern. Ende der Diskussion.

„Warst du schon mal verliebt?“

„Wie?“ Verwirrt unterbrach er seinen Wortschwall, von dem ich nicht einen Ton vernommen hatte.

„Warst du schon mal verliebt? Irgendwie. In irgendwen. Von mir aus auch in deine Kindergärtnerin, oder die Zahnarzthelferin.“

Er verneinte. Armer Drops. Kein Wunder das er wie Durchfall dreinschaute.

„Isst du gerne?“

Diesmal nickte er. Hatte nichts anderes erwartet. Kerle die aussahen wie er aßen immer gerne und mussten vermutlich nichts dafür tun um dennoch so auszusehen. Beneidenswert.

„Denk an dein Lieblingsessen“, wies ich ihn an und siehe da… Durchfall ade. Nun musste ich ihn nur noch dazu bringen mich… nein Milla genauso anzusehen während er seinen Text vorließt.

 

„Und ab jetzt“ ich tippte ihm nachdrücklich gegen die Stirn. Er wirkte immer noch zu abwesend für meinen Geschmack. „Wirst du genau daran denken wenn du den verliebten Johann spielst. Klar?“

„Und wenn ich dich dann als Gulasch und Klöße betitle?“

„Aaaargh!“

Ich wollte ihn anschreien. Definitiv. Und schlagen! Unbedingt! Da ich jedoch nett war, riss ich mich zusammen, zischte ihm zu, dass er es gefälligst tun sollte OHNE den Text durch ‚Gulasch und Klöße‘ zu ersetzen… Falls ihm seine männlichen Anhängsel lieb sein sollten.

„…“ Er schaute mich an wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

„Guck nicht so und fang die Szene nochmal an. Wie gehabt. Ich stolpere dir vor die Füße, Liebe auf den ersten Blick, fertig.“

 

Wir schafften es, die meisten Szenen durchzuproben, ohne dass ich das Kotzen bekam. Er war nicht gut, aber auch nicht scheiße. Nicht mehr.

„Ich denke für heute reicht es. Hab dich genug gequält.“

„Oh Gott sei Dank!“ Noah schlug die Hände überm Kopf zusammen. Völlig übertrieben. Ernsthaft.

Die Haustür hielt mich davon ab, ihn auf sein theatralisches Verhalten hinzuweisen.

„Noah?“

„Wir sind im Wohnzimmer!“

Stöckelnd kam die Herrin des Hauses aufs Wohnzimmer zu. Hielt jedoch kurz vor der Tür inne. „Wir?“

„Jacek ist da und hat mit mir geprobt“, klärte er seine Mutter auf, welche sich kurz räusperte und verkündete, dass sie besser nicht reinkommt.

„Ihr habt die Möbel wieder verstellt?“

„Ja, Ma. Geh dich umziehen und wir stellen sie zurück. Du wirst keinen Unterschied merken.“

„Gut. Danke Engelchen.“

Genervt verzog der Blonde das Gesicht.

Engelchen war also nicht sein favorisierter Spitzname.

Sollte ich mir merken, falls er mal wieder droht schlechter zu werden.

 

Vorsichtig klopfte Noahs Mutter am Türrahmen, ehe sie eintrat und die zurechtgerückte Stube musterte.

„Schön…“, murmelte leise ehe sie mir ein Lächeln schenkte.

„Meine Unhöflichkeit gerade tut mir leid.. Aber…“ Vielsagend deutete sie auf ihr Wohnzimmer. Leider sagte mir diese Geste gar nichts. Trotzdem lächelte ich.

„Ich werde mich dann mal ans Abendbrot machen. Du isst doch mit, nicht?“

Ihr Blick wirkte so auffordernd, dass ich schlicht nickte.

Tommy wäre eh erst spät zuhause und ich müsste kalt essen. Also wenn sie schon so fragte…

„Sicher. Dann können wir unsre Texte nochmal durchgehen. Ich will, dass du ihn in zwei Wochen drauf hast, damit du dich nicht immer auf dein Scheiß-Skript konzentrieren musst.“ Den letzten Teil richtete ich an Noah, der mich erneut wie ein Reh ansah.

„Was? Zwei Wochen das… Wie soll ich das schaffen? Und benutz nicht solche Wörter wenn meine Ma dabei ist.“

„Tschuldige… Trotzdem. Zwei Wochen sind machbar. Außerdem bin ich da und kann dir helfen.“

„Wundervoll“, mischte sich Noahs Mutter ein ehe ihr Sohn ausfallend werden konnte. „Warum geht ihr beiden nicht nach oben und übt noch etwas? Ich ruf euch wenn das Essen fertig ist. Allergien hast du doch keine, oder Jacek?“

„Nein, ich vertrag alles Frau Gräfe.“

Unter Protesten, dass sie nur auf Arbeit und vor Gericht ‚Frau Gräfe‘ wäre, zwang sie mir das Versprechen ab, sie Tamara zu nennen.

 

Noahs Zimmer war wie nicht anders zu erwarten. Groß. Mit allem nötigen und unnötigen Schnickschnack, großem Bett.

Das einzige, dass mich verwunderte war die Ordnung. Hätte ihn nicht für ordentlich gehalten.

„Nett…“, verkündete ich und setzte mich aufs Bett ohne auf seine Reaktion zu achten.

„Hm, anders als zwei Wochen, um einen Text dieser Größenordnung zu lernen.“

„Heul nicht rum. Kriegst das schon hin. Wenn es mit normalem lernen nicht klappt nimmst du es dir halt auf und hörst es in dauerschleife oder schreibst es ab bis du es kannst. Oder ich Zwing Pascha dazu, dir die Zeilen in allen möglichen Situationen um die Ohren zu hauen bis du sie im Schlaf kannst.“

„Apropos…“ Er bedachte mich mit einem merkwürdigen Blick ehe er sich traute ebenfalls auf seinem Bett Platz zu nehmen. Langsam müsste er wissen, dass ich nicht beiße.

 

 

Noah

 

Nach einigem Überlegen und ringen zwang ich mich, die Frage zu stellen, die mir schon seit gestern auf der Seele brannte.

„Seit wann seit ihr zwei befreundet? Also Pascha und du…“

Jacek zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Hab auch keine Ahnung ob man das befreundet sein nennen kann. Aber ich mag seine Schwester. Auch wenn sie seltsam ist… Haare schneiden kann sie wie keine zweite.“

„Okay…“ ich ließ es kurz sacken. Dafür dass sie nicht wirklich befreundet waren gingen sie ziemlich… herzlich miteinander um. Vielleicht lief zwischen den beiden doch mehr als ich vermutet hatte.

Gott, bloß nicht drüber nachdenken…

„Aber wie kommst du dazu dir von ihr die Haare schneiden zulassen?“ Ich ging ja nicht mal freiwillig in ihre Nähe wenn sie unbewaffnet war… aber sich Jo freiwillig auszusetzen während sie eine Schere benutzte?

… gruseliger Gedanke

„Sie war mit bei einem der Wettbewerbe. Starrte mich ganz gruselig an und meinte ich müsse unbedingt mit zu ihnen zum Feiern kommen… Angeblich brauchte sie meinen Kopf für irgendwas. Da ich schiss vor ihr hatte, stimmte ich zu und durfte dann Perückenmodell spielen. Frag nicht warum… ich weiß es bis heute nicht. Aber seit dem Tag weiß ich, dass sie richtig geil Haare schneiden kann und das mir rosafarbene Haare extrem gut stehen…“

Meeeeerkwürdig…

Mehr Details wollte ich dann doch nicht. Eine frisierende Jo und ein rosahaariger Jacek? Gott, nein. Dann doch lieber Pascha der mit ihm rummacht…

Urgh.

Nein…

Nichts von beiden. Danke.

„Also ganz ehrlich… Egal wie gut sie im Haareschneiden ist… An meinen Kopf würde ich sie im Leben nicht lassen. Jo ist gruselig.“

„Ja“, stimmte der Brünette mir ohne Umschweife zu. „An deiner Stelle würde ich es auch nicht machen, weil ich Angst hätte. Bei dir würde sie vermutlich mehr abschneiden als nur die Haare. Immerhin braucht sie hin und wieder neue Artefakte für ihren Noah-Schrein.“

Mir entgleiste alles.

Ein wie bitte was bitte?

„Noah-Schrein?“

Jacek begann zu lachen und mir fiel ein Stein vom Herzen. Ein Scherz. Das musste es sein! Himmel, bitte lass es ein Scherz gewesen sein.

„Quatsch. So besessen ist sie nun auch wieder nicht von dir… Hoffe ich.“

Ganz überzeugt schien er nicht, was mich nicht wirklich beruhigte.

Ich durfte nie wieder zu Pascha gehen.

Aber das leckere Essen seiner Mutter… Verdammt, vielleicht musste ich das Risiko einfach eingehen.

So schrecklich konnte der jüngste Nowak Spross nun auch nicht sein.

„Jungs? Kommt ihr essen?!“ rief meine Mutter die Treppe nach oben und ließ mich sowohl Jo vergessen, als auch ihre etwaige Besessenheit.

 

Meine Mutter wirkte glücklich während des Essens, ich eher irritiert.

War es überhaupt möglich so viel Essen in so einen kleinen Kerl zu stopfen?

Und wie zur Hölle konnte man bei solch einem Tempo so verdammt gesittet wirken? An seiner Stelle sähe ich bereits aus wie ein Schwein…

Nein… schon bei normaler Geschwindigkeit konnte ich nicht ordentlich essen. Die Flecken auf meinem Hemd sprachen Bände. Ebenso der Blick, den mir meine Mutter zuwarf, ehe auch sie weiter aß.

 

„Vielen Dank fürs Essen Fr… Tamara. War wirklich lecker. Aber ich sollte besser nach Hause. Es war nicht geplant, dass ich solange weg bleibe.“ Zuckersüß strahlte er meine Mutter an. Wüsste ich nicht, dass er auch anders konnte, würde ich ihn glatt für einen Engel halten.

Verstörend…

„Ich hoffe deine Eltern machen sich keine Sorgen? Vielleicht hätten wir bei dir zuhause anrufen sollen. Ich Dummerchen. Richte ihnen aus das es mir leid tut, ja?“ Aufgeregt entschuldigte sich meine Mutter, für was auch immer. Jacek war keine 5 mehr. Er konnte notfalls auch selbst bei sich zuhause Bescheid geben.

Der Brünette verzog bei der Entschuldigung meiner Mutter unglücklich das Gesicht –dachte anscheinend dasselbe. Niemand mag es für ein Baby gehalten zu werden. Schon gar nicht von fremden Müttern- lächelte sie dann jedoch beschwichtigend an, sodass ich fast glaubte mich verguckt zu haben.

Man wechselt er die Emotionen schnell. Oder er war einfach so gut, als Schauspieler, wie er behauptete.

„Schon ok, F…Tamara. Hätte selbst dran denken können. Aber ich sollte mich jetzt wirklich auf den Weg machen.“

Viel zu herzlich verabschiedete meine Mutter sich von ihm. Gerade so als wären er und ich Freunde… dabei war er nur hier, damit meine Strafe so richtig weh tat… oder?

Er war ganz nett heute. Vielleicht…

„Bringst du Jacek noch zur Tür, Schätzchen?“ Noch immer in Gedanken nickte ich. Den Spitznamen ignorierte ich geflissentlich.

„Hey… ähm…“ Die Tasche geschultert und einen Fuß schon vor der Tür hielt er inne und drehte sich zu mir. Abwartend, was ich noch wollen könnte.

„Danke für die Hilfe heute. Du scheinst doch nicht so ätzend zu sein wie ich bis jetzt dachte. Bist… ganz in Ordnung schätze ich, auch wenn du Jo magst…“ Darüber würde ich wahrscheinlich nie hinweg kommen.

Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.

Nein, kein süßes, liebes, nettes, wie man es erwartet hätte nach dem Bild, welches er und meine Ma abgegeben hatten.

Es war fies, gemein und ich hasste mich dafür, dass ich es ein wenig gruselig fand.

„Falscher Fehler, Schätzchen. Ich bin viel ätzender als du denkst. Und du armer Idiot läufst blind in dein Verderben weil du mich für in Ordnung hältst.“

Entsetzt schaute ich zu ihm runter.

Was zur…?

Ausgelassen lachte er auf. Schlug mir gegen die Schulter und verschwand mit einem „Bis Morgen“ und einem zufriedenen, engelsgleichen Ausdruck im Gesicht.

Erneut: Was. Zur. Hölle?!

„Noah, stimmt was nicht mein Schatz?“

Erst meine Mutter die sich neben mich in den Türrahmen stellte und den leeren Fleck musterte den ich anstarrte, brachte mich zurück in die Realität.

Hatte ich mir alles nur eigebildet? Oder war der Kerl das personifizierte Böse, welches mich in den Wahnsinn treiben wollte?

Fifty-fifty Chance würde ich mal ganz grob schätzen.

 



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