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In the Dead of Night

Sommerwichteln '15
von

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Rusálka

„Eine Rusálka ist ein weiblicher Wassergeist. Sie leben üblicherweise am Grund von Gewässern, die sie allerdings gelegentlich vor allem nachts verlassen. Hier scheiden sich die Geister, unter welchen Umständen genau sie an Land kommen. Allgemein scheiden sich die Geister bei diesen Wesen in vielen Punkten. Mal werden sie als alt und hässlich beschrieben, mal als jung und schön. Womöglich sind sie beides. Jedenfalls decken sich die Überlieferungen zu guten Teilen mit unserem neuen Fall.“

In der Kommandozentrale befand sich die gesamte operative Einheit, sowie, natürlich, Big in Japan. Er hatte sie zusammengetrommelt, nachdem einer seiner Jungs, wie er sagte, etwas Interessantes entdeckt hatte. Gerade stand er vor der Russlandkarte, die im Raum hing, und tippte mit der Rückseite eines dicken Markers auf den roten Punkt einer Stadt. Laci fiel auf, dass sie direkt an einem Fluss gelegen war.

„Unser Fall befindet sich in der Stadt Twer an der Wolga. Bereits seit zwei Jahren ist die Rate verschwundener junger Frauen sehr hoch, zuletzt gipfelte diese Zahl in allein fünfzehn Vermissten im letzten Monat. Jede dieser vermissten jungen Frauen wurde ertrunken gefunden, nackt. Man hat ihre Kleider zerrissen gefunden, auf größeren Raum verteilt, so als wäre sie ihnen vom Leib gerissen worden, während sie vor ihrem Angreifer flohen. Laut alter Überlieferung reißen Rusálki jungen Frauen die Kleider vom Leib und verjagen sie schließlich. Wir vermuten, in diesem Fall endet diese Jagd damit, dass sie in den Fluss gescheucht werden und dort schließlich ertrinken. Man kann Rusálki nicht töten, jedenfalls gibt es keine Aufzeichnungen darüber, wie man es tun kann, keine Überlieferung, keinen Hinweis, nichts. Selbstverständlich werdet ihr mit den üblichen Mitteln gegen das Übernatürliche ausgestattet, allerdings ist Töten dieses Mal nicht einmal unser erstes Ziel.“

Big in Japan hielt kurz inne. Seine schmalen Augen wanderten aufmerksam durch den Raum, als wolle er sich vergewissern, dass alle noch zuhörten. Alle hörten zu. Hier und da hob sich zwar eine ungläubige Augenbraue, doch keiner sprach dazwischen.

„Einer Überlieferung zufolge ist es so, dass junge Frauen, die nach ihrem Tod zu Rusálki werden, noch bis zu vier Jahre zu den Lebenden zurückgeholt werden können, indem man ihnen ein christliches Kreuz um den Hals hängt. Unserer Recherche zufolge ist kurz, bevor die Vermisstenmeldezahl für junge Frauen in die Höhe geschossen ist, eine junge Frau vermisst gemeldet worden – die einzige, die nicht tot wieder aufgetaucht ist, aber zuletzt ebenfalls in der Nähe der Wolga gesehen wurde. Es ist natürlich ziemlich weit hergeholt, aber womöglich haben wir da unsere Rusálka gefunden, so sie überhaupt Ursprung des Übels ist. Wir könnten es auch mit einer Vielzahl anderer Wassergeister zu tun haben, aber das ist im Moment unsere beste Idee. Unsere oberste Priorität ist also die potentielle Rettung dieser jungen Frau. Sollte das nicht funktionieren, werden wir die Rusálka selbstverständlich eliminieren.“

Big in Japans Worte gingen mit viel Unglaube einher. Auch für Laci klang das wirklich fantastisch. Ein übernatürliches Wesen, das einmal ein Mensch gewesen war, konnte nicht mehr zurückgeholt werden. So war das immer, jedenfalls bisher. Sie wollte aber zu gern daran glauben, dass es funktionieren würde. Wie sehr die Familie des verschwundenen Mädchens sich freuen würde!

„Da die Rusálka nur junge Frauen attackiert… Lady Di, das ist euer Job. Viel Vergnügen!“

 

Laci konnte ihre Freude kaum unterdrücken. Fast ekstatisch rutschte sie auf dem Beifahrersitz des roten Wagens – sie hatte keine Ahnung, welche Marke es war – herum, der Lady Di gehörte. Ihre neue Partnerin saß neben ihr hinter dem Lenkrad, trommelte mit sauber geschnittenen Fingernägeln darauf herum, während sie wartete, dass die Ampel wieder umsprang.

„Ich habe mir von Biggy die Fundorte der Leichen geben lassen. Zusammen mit der Strömung und dem Todeszeitpunkt können wir ungefähr abschätzen, wo die Mädchen ins Wasser gefallen sind“, informierte sie trocken, warf einen kurzen Seitenblick zu Laci hinüber, die sofort eifrig nickte. Lady Di gab einen verächtlichen Laut von sich.

„Wir werden uns die Gegend ansehen und einen Punkt suchen, der für unsere Operation geeignet ist. Die nächsten Tage wirst du dann mit Spazierengehen verbringen, hörst du? Du tust nichts, du wartest nur, dass die Rusálka auftaucht und dich jagt. Ich werde immer in der Nähe sein und das Monster überwältigen. Beten wir, dass der Chef recht hat und wir das Ding mit einem Kreuz erledigt kriegen, sonst könnte es blutig und hässlich werden. Und bedenkend, dass du unbewaffnet sein wirst… Na Mahlzeit.“

Laci sah ihre Partnerin kurz eingehend an, dann räusperte sie sich verlegen.

„Glaubst du denn, dass er Recht haben könnte? Dass man das Mädchen zurückholen kann?“

Lady Di sah sie an, abwägend, ungläubig, dann schüttelte sie den Kopf und wandte den Blick wieder zur Straße. Gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, wie die Ampel endlich grünes Licht gab.

„Nein. Was einmal unmenschlich ist, bleibt unmenschlich. Ende der Geschichte. Wenn du erstmal zehn Jahre dabei bist, verstehst du das auch, Püppi.“ – „Und was, wenn es doch geht? Wir können doch die Hoffnung nicht aufgeben, solange wir es nicht versucht haben! Diese Überlieferungen kommen sicher nicht von ungefähr.“

„Eine ganze Menge Überlieferungen sind nur Humbug“, gab Lady Di nüchtern zurück, „Und du tätest gut daran, dich nicht in solchen Ammenmärchen zu verlieren. Wir glauben an das Übernatürliche, aber das heißt nicht, dass wir jedem Firlefanz hinterherrennen. Mit deiner kuscheligen Einstellung schadest du am Ende eh nur dir selbst.“

Laci schüttelte vehement den Kopf, dass ihr die braunen Locken ins Gesicht flogen.

„Du bist zu pessimistisch. Ich glaube daran, dass wir diesem Mädchen noch helfen können!“

„Du weißt doch nicht einmal, ob es wirklich dieses Mädchen ist, du dummes Ding.“

 

 

Sie verbrachten mehrere Tage damit, die Gegend rund um die Vorfälle auszukundschaften. Laci taten nach den ersten zwei Tagen schon die Füße weh. Sie hatte zwar daran gedacht, warmes Schuhwerk gegen den russischen Winter mitzunehmen, doch sie hatte nicht so weit gedacht, dass dieses Schuhwerk auch bequem und dauerlauftauglich sein musste. Sie gab sich Mühe, sich ihr Leid nicht anmerken zu lassen, doch natürlich merkte Lady Di es. Bald übernahm sie den Großteil der Erkundungen, während Laci sich darauf beschränkte, Fotos der Umgebung zu machen und im Auge zu behalten, dass sie nicht weiter auffielen.

Ihren letztendlichen Einsatzort bestimmten sie im Gespräch mit Big in Japan, eine Diskussion, die überwiegend Lady Di und der Asiate führten, während Laci dabei saß, zuhörte, zu verstehen versuchte und an ihrem heißen Kaffee ihre kalten Hände wärmte. Lady Di schien die eisige Kälte überhaupt nichts auszumachen. Sie sah hübsch aus in ihrem weinroten Rollkragenpullover, der sich eng an ihren Körper schmiegte.

Laci bewunderte die schöne, stoische Frau.

Wenn sie erst einmal länger dabei war, wollte sie werden wie Lady Di. Nur den Pessimismus mochte sie sich nicht abgucken dabei.

Für den Moment gab sie sich noch damit zufrieden, ihren ersten Einsatz zu überstehen. Bisher fühlte sie sich nicht nervös. Noch fühlte sich alles surreal an, während sie hier in ihrer warmen Einsatzzentrale saßen und sprachen. Lady Di gestikulierte gerade über einem Stadtplan von Twer, während Big in Japan ihr aufmerksam folgte, jeder Bewegung, und immer wieder nickte oder den Kopf schüttelte. Laci fragte sich unwillkürlich, ob er Lady Di wohl mochte. Ihr entging nicht, dass einige der Männer ihrer Partnerin manchmal solche Blicke zuwarfen. Big in Japan tat es nicht. Aber er war immer so extrem aufmerksam.

Vielleicht war es auch nur asiatische Höflichkeit.

„Keine Brücken“, fasste Lady Di die Diskussion der letzten Minuten schließlich zusammen. Mit einem roten Stift, der die gleiche Farbe wie ihr Lippenstift hatte, strich sie mehrere Gebiete, die vorher eingekreist gewesen waren, durch.

„Wir könnten sie genauso gut gleich selbst umbringen. Auch wenn wir nicht wissen können, was genau dieser Wassergeist kann, wenn es denn einer ist, lieber riskieren wir, dass Liddell Alice im Wasser landet und gleich wieder rausgefischt werden kann, als dass sie von der Brücke springt und nie wiedergefunden wird. Worst Case ist, dass wir Wasserkontakt ohnehin nicht vermeiden können, egal wie wir’s angehen, auch wenn das unser Ziel ist.“

Big in Japan gab ihr Recht, und auch Laci nickte hinter ihrem Kaffee. Sie wollte nicht ertrinken. Aber sie glaubte auch keine Sekunde, dass es so weit kommen würde. Das Team machte einen kompetenten Eindruck auf sie, Lady Di vor allem hatte eine verdammt gute Reputation, was ihre Kompetenzen im Bekämpfen des Übernatürlichen anging und warum sollte Laci an sich oder ihren Kameraden zweifeln? Sie war gezielt für WISP rekrutiert worden, sie hatte die Ausbildung mit sehr guten Noten bestanden. Es konnte nichts schief gehen.

„Liddell Alice, komm her.“

Lady Dis Stimme riss sie aus der Überlegung. Sie trat vor zu der Wand, die voller Fotos und Karten war.

„Wir werden hier operieren“, verkündete ihre Partnerin, ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen. Sie tippte mit der Rückseite ihres Stifts auf ein Foto eines unauffälligen Uferabschnitts, der frei zugänglich war. Er lag etwas außerhalb der Stadt selbst, wenn Laci sich recht erinnerte. „Biggy sagt, er kann jemanden besorgen, der uns ein Rettungsboot ein Stück weiter flussabwärts stationiert, falls wir es brauchen. Aber wie gesagt, unser Ziel ist es, dass du gar nicht erst ins Wasser kommst, kapiert?“

Laci nickte, bemüht, ein Strahlen zu unterdrücken.

„Verstanden, Partnerin!“

Lady Di verdrehte genervt die Augen, aber Laci fühlte sich trotzdem ganz warm. Sie freute sich unbändig auf den ersten Einsatz mit ihrer neuen Partnerin.

 

 

Es war später Abend, es war kalt, und Laci fror trotz des dicken Wintermantels, der schweren Kapuze, der warmen Handschuhe und des langen Schals. Sie spazierte an der Uferböschung entlang. Ihr Einsatzort umfasste eine Strecke von knapp einem Kilometer, die sie entlangspazieren sollte, ehe sie wieder kehrtmachte, zurückkam, und dann ging es wieder von vorn los. Obwohl der Abschnitt relativ abseits lag, waren hier in der Gegend mehrere der Mädchen nachts verschwunden. Laci konnte das sogar nachvollziehen; es war sehr hübsch, hier würde sie auch Abendspaziergänge machen, wenn sie nicht dazu gezwungen war.

Da man damit rechnen musste, dass sie ihre Kleider bald verlieren würde, hatte man ihr keine Waffe gegeben; es war wichtig, dass die Rusálka, wenn sie denn eine war, nicht in Verteidigungshaltung ging, damit Lady Di sie unbeschadet überwältigen konnte. Auch das war ein Grund für die Wahl der Gegend gewesen – in Ufernähe gab es ziemlich viele Bäume, die groß genug waren, dass eine schlanke Frau wie Lady Di sich dahinter verbergen konnte. So konnte sie Laci sofort zur Hilfe eilen, wenn es nötig wurde, und im richtigen Moment die Rusálka überwältigen.

Inzwischen war Laci nervös. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr war ein bisschen übel. Sie klammerte sich an das Futter ihrer Manteltaschen, in die sie ihre behandschuhten Hände geschoben hatte. Lady Di war irgendwo in der Nähe, und Laci glaubte, ihren stechenden Blick im Rücken zu spüren, doch dass sie ihre Partnerin nicht sehen konnte, nahm dem warmen Gefühl von Sicherheit und Zuversicht ein bisschen an Kraft.

Sie spazierte stundenlang in der Nähe des Flusses herum. Fror, zog die Nase hoch, und rubbelte sich über die eisigen Wangen, doch niemand kam. Keine Rusálka, kein Massenmörder, kein anderes Wasserwesen oder sonstiger Übeltäter. Als zum angehenden Arbeitsverkehr so langsam wieder Leben in die Gegend kam, zogen sie sich zurück. Laci schlief den halben Tag, und als Lady Di sie am Nachmittag mit Kaffee und Spiegeleiern weckte, hätte sie am Liebsten weitergeschlafen.

„Es kann sein, dass wir gar nichts finden“, kommentierte Lady Di, während sie selbst eine Tasse Kaffee trank, „So ernüchternd ist es manchmal. Du solltest dir einfach keine so hohen Erwartungen machen, dann wirst du auch nicht enttäuscht.“

 

Sie brauchten fast eine Woche, bis sie auf ihr Zielobjekt trafen.

Inzwischen hatte Laci ganz vergessen, dass sie einmal nervös gewesen war. Der ewige Trott des Nichtspassierens hatte sie in einen seltsamen Zustand der gelangweilten Resignation versetzt, in dem sie schon gar nicht mehr damit rechnete, dass überhaupt irgendetwas anderes passierte, als dass einmal ein nächtliches Auto über die Straße fuhr. Im ersten Moment begriff sie gar nicht, dass sie sich der Rusálka gegenüber sah. Sie hielt die alte, gebuckelte Frau für ein Mütterchen, das einen nächtlichen Spaziergang machte. Laci hatte schließlich schon festgestellt, dass die Gegend sich dafür hervorragend eignete. Besonders jetzt, wo der Himmel klar war und man Mondsichel und Sterne sah, war es wunderschön.

Dass es kein altes Mütterchen war, merkte sie erst, als die seltsame Frau mit einem Schrei, der keiner Sprache glich, die sie kannte, auf sie zustürzte.

Und dann ging alles viel zu schnell. Laci schrie, Laci kreischte, schlug um sich und versuchte sich zu wehren, doch alle Selbstverteidigungskurse halfen ihr nicht gegen die unmenschliche Kraft des Geschöpfs. Sie verlor ihren Mantel, ihre Stiefel, den schönen Kaschmirpullover. Unter einer Straßenlaterne erhaschte sie einen Blick auf das Gesicht der Rusálka. Alt, pockennarbig, voller Warzen und mit einer schiefen, krummen Nase. Die teigigen Wangen wirkten aufgedunsen. Die Kleider starrten vor Raureif, und was Laci zuerst für einen Schal gehalten hatte, schienen erschreckend tief hängende Brüste zu sein, die das alte Weib sich über die Schultern geworfen hatte. Die Rusálka gackerte ob Lacis kreideweißem Gesicht, kam näher, die feisten Finger mit den scharfen Krallen nach ihr ausgestreckt.

Laci versuchte, wegzulaufen. Wusste selbst nicht, wohin, aber in ihrer Panik konnte sie den Fluchtreflex nicht mehr unterdrücken. Sie fror, sie hatte Angst, sie schlitterte auf dem gefrorenen, schneebedeckten Boden. Stolperte, fiel hin. Die Alte war wieder hinter hier, grausig gackernd. Laci wirbelte herum, krabbelte fort von der Gestalt, die unaufhaltsam immer näher kam. Näher. Näher. Die Hände der Rusálka streckten sich nach ihr aus, ihr buckliger Oberkörper kam immer näher. Hinter dem Weib türmte ein Schatten auf.

Als klauenbewehrte Hände nach ihrem BH griffen, glitten Lady Dis schlanke Hände lautlos durch die Luft, und mit einem metallischen Klirren legte sich ein silbernes Kreuz auf die Brust des alten Ungetüms. Die Rusálka schrie, Laci schrie, und im nächsten Moment wurde alles schwarz um sie herum.

 

 

Als Laci aufwachte, lag sie zuhause in der kleinen Drei-Zimmer-Wohnung, die sie mit Lady Di teilte, auf dem Sofa. Sie war unter mehreren Decken eingemümmelt, fühlte sich warm und behaglich, aber noch merklich groggy und erschöpft. Desorientiert raffte sie sich in eine sitzende Position auf, ließ sich sofort schwer gegen die Sofalehne sinken. Sie entdeckte Lady Di auf der breiten Fensterbank sitzend, in einem weiten, cremefarbenen Strickpullover, der unheimlich warm aussah und unheimlich lang war. Unter dem Saum des Pullovers waren ihre langen Beine nackt. Sie nippte an einer Tasse mit Kaffee, während sie hinaus aus dem Fenster sah. Ihr warmer Atem beschlug die Scheibe.

Laci nieste, ehe sie hallo sagen konnte, und Lady Di sah auf, bedachte sie mit einem kurzen, kritischen Blick.

„In der Küche ist Hühnersuppe“, informierte sie dann, wandte den Blick zurück auf Moskaus verschneite Straßen. „Du kannst froh sein, dass das alles so rund gelaufen ist. Wärest du nicht wie ein panisches Tier weggerannt, wären wir vermutlich sogar noch schneller fertig geworden.“

Laci schniefte, zuckte die Schultern. Ihr Blick war halb hilflos, halb trotzig. Sie hatte Angst gehabt! Zu gern hätte sie Lady Di an den Kopf geworfen, dass sie es kaum besser gemacht hätte, aber ihr war selbst bewusst, dass das eine Lüge war. Die ältere Frau seufzte entnervt, glitt elegant vom Fensterbrett herunter.

„Geh dir was Ordentliches anziehen, ich mache uns solange die Suppe warm.“

Laci nickte, kroch unter den Decken hervor. Sie trug ähnlich wie Lady Di nur einen Pullover, der ihr merklich zu groß war – sie erkannte in ihm das weinrote Stück, das sie bereits an Lady Di bewundert hatte. Kurz zögerte sie, bevor sie sich auf den Weg in ihr kleines Zimmer machte. Sie hätte den Pullover gern anbehalten. Als sie ihn auszog, ließ sie ihn auf ihrem Bett liegen. Sie würde ihn waschen, ehe sie ihn Lady Di zurückgab. Eingemümmelt in einen warmen Hausanzug ging sie schließlich in die Küche hinüber, wo Lady Di am Herd stand und in einem Topf mit verführerisch duftender Suppe rührte. Erst jetzt bemerkte Laci, wie hungrig sie eigentlich war.

Ohne sie anzusehen, sprach Lady Di sie an: „Oh, Liddell Alice? Biggys Vermisste ist übrigens tatsächlich wieder aufgetaucht, nach zwei Jahren.“

Laci brauchte einen Moment, aber dann begriff sie – und strahlte. Sie verband mit dem Übernatürlichen immer nur Tod und Zerstörung. Ein Wesen, das einmal vom Übernatürlichen berührt war, blieb beschmutzt und musste getötet werden, wie Lady Di es auch gesagt hatte. So war es bisher immer gewesen.

Dass es auch anders sein konnte, war ein unglaubliches Gefühl. Und noch unglaublicher daran war, dass sie Recht behalten hatte. Dass die Hoffnung sich gelohnt hatte. Es war nicht alles schlecht in der Welt, und Laci war unglaublich glücklich darüber, dass sie hier einen direkten Beweis dafür gefunden hatte.

„Das ist wundervoll!“, erklärte sie ehrlich, ehrlicher als sie diese Worte jemals ausgesprochen haben konnte bisher, und es war das erste Mal, dass sie Lady Di lächeln sah.

Im nächsten Moment nieste sie, kniff die Augen dabei zu, und als sie Lady Di wieder ansah, war das hübsche Gesicht wieder dem Suppentopf zugewandt und Laci sah nur noch ihr dunkles Haar, das in der gelblichen Küchenbeleuchtung warm glänzte.



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