Zum Inhalt der Seite

Via Inquisitoris - Cum tacent clamant

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]


 

U

m kurz nach fünf rief Sarah erneut im Club an. Eine Sekretärin, die ihr bescheinigte Miss ´Arberville sei nicht zu sprechen, musste sich anhören:

„Nun, das mag Ihre Meinung sein. Gehen Sie zu Ihrer Chefin und sagen Sie ihr heute Abend um neun käme Besuch. Das Stichwort laute Kadash.“ Das sollte für jeden Vampir genügen. Sarah legte grußlos auf und begegnete prompt zwei fragenden Augenpaaren in dunkelbraun und blau: „Ein Code“, erklärte sie daher. „Der mir gesagt wurde, damit mich Miss d´Arberville auch wirklich empfängt.“

„Sie sind jedenfalls den Umgang mit Vorzimmerdrachen gewohnt.“ Matho lächelte etwas. „Irgendwas lag da in Ihrer Stimme – so fünfhundert Jahre alter englischer Adel?“

„Möglich.“ Sie lächelte ebenso, als sie ihr Handy zurückschob. „Man selbst merkt das ja nicht. Sie meinen, es klingt so nach: sie ist gewohnt sich durchzusetzen?“

„Schwer zu erklären. Irgendwie so, dass kaum einer auf die Idee kommt Ihnen zu widersprechen, würde ich sagen.“

„Bei dieser Gelegenheit: wir finden ja immer noch keine Gemeinsamkeit bei den Opfern.“

„Ja. Ihre Taxi-Idee wird aber noch überprüft. Warum?“

„Irgendwie bekommt der Mörder die Frauen, genügend Frauen, ja dazu mit ihm zu gehen. Oder deutet etwas auf eine Entführung im Sinne von Betäubung hin? Ich sah nichts.“

„Nein, keine Drogen in irgendeiner Richtung“, erwiderte Daniel sofort. „Es sieht nach den Untersuchungen bei allen so aus, als ob sie freiwillig ins Auto stiegen, dann dort überwältigt wurden, wegen der Prellungen und so, und dort auch gefesselt wurden. Ziemlich eng, aber das behindert natürlich auch das Opfer.“

Matho nickte. „Ich weiß, was Sie meinen. Ja, die meisten Psychopathen sind ausgesprochen nette Leute – wenn sie nicht gerade ihrem Trieb frönen. Sie sind charmant, überzeugend, und diejenigen, die keine Mörder werden, werden oft Betrüger. Eine Kirchengemeinde vertraut so jemandem bedenkenlos die Kasse an, weil er so nett ist. Ich garantiere Ihnen, dass er damit abhaut.“

„Diese Leute betrügen bewusst?“ erkundigte sich die Inquisitorin.

„J-ein.Sie wollen ein Ziel erreichen und ihnen fehlt jeder Zugang zu den Gefühlen anderer. Es ist eine Art … Praxis? Ich vermute, das ist wie bei einem echten Vampir. Nun zucken Sie nicht gleich zusammen. Ein Vampir will und muss Blut trinken – aber es dürfte ihm gleich sein, wer das Opfer ist und wie er daran kommt.“

Sarah hätte protestieren mögen, aber da gab es die strikte Regel der Unauffälligkeit. Und sie konnte ja auch kaum sagen: ich jage nur, junge, gesunde Männer, im Notfall nehme ich Frauen, aber sie werden immer überleben? Daniel lächelte sie an und sie spürte wieder ihren Hunger. Er entsprach leider ihrem Beuteschema vollständig. Sie musste ablenken, dringend. „Daniel, was mir einfiel: zwischen Alaska als erstem Tatort und den eigentlichen USA liegt doch Kanada. Haben die dortigen Behörden etwas gemeldet?“

„Nicht schlecht“, sagte Matho und lehnte sich zurück. „Die Dame im Spiel.“ Das war eindeutig als Lob gemeint.

„Oh, ja,“ antwortete der FBI-Agent. „Das haben wir natürlich nicht übersehen, liebe Sarah, aber bislang gab es keine Antwort. Wobei es in Kanada ungefähr so läuft wie hier. Ein sehr großes Land, wenig Menschen, viel Platz um Tote zu verstecken.“

Der Profiler nickte etwas. „Dennoch muss es irgendeine Spur geben, die wir nur übersehen. Zehn Jahre lang bleibt der Täter unauffällig, und jetzt die drei Morde in solch engem Umkreis, in drei Monaten. Was verursachte diese Häufung? Oder haben wir nur all die anderen Opfer nicht gefunden? Mordet da wirklich jemand alle vier Wochen bei Vollmond und niemand hat es je bemerkt? Der Täter fühlt sich jedenfalls sicher, sonst hätte er die Opfer versteckt. Das, oder es ist ihm gleich. Wo sind allerdings dann die Anderen, die wir nicht fanden, falls es ihm gleich war? Und wie bekommt er so viele Frauen dazu in sein Auto zu steigen? Moment.“

Die beiden Anderen sahen ihn an, schwiegen jedoch höflich, während der „Tracker“ nachdachte.

Dann erst richtete sich Matho auf. „Daniel, es gibt doch keinen Beweis dafür, dass es sich um einen Mann handelt, oder? Was sagen denn die Zahnabdrücke?“

„Ich fürchte, die wurden noch nicht an einen Spezialisten geschickt. Das ist ziemlich teuer und wird eigentlich nur gemacht, wenn man auch bereits einen Verdächtigen hat“, sagte der FBI-Agent. „Aber, eine Frau? Sie müsste ziemlich kräftig sein, um eine andere Frau überwältigen zu können, zumal in der Enge eines Autos.“

Vampire waren stärker als Menschen, dachte Sarah prompt. Eine Vampirin, die sich so durch die Gegend mordete? Sich und ihre Gebissenen? Ja, auch sie hatte bislang unwillkürlich an einen Mann gedacht. „Natürlich steigt eine Frau argloser zu einer anderen in den Wagen – aber auch nicht zu jeder, die am Straßenrand hält.“

„Nun, einige der Toten arbeiteten auf der Straße“, sagte Daniel. „Die würden allerdings eher zu einem Mann steigen – aber was ist mit der Ärztin, mit der Tankstellenangestellten, was mir spontan so einfällt?“

„Sehen wir uns die Umstände ihres Verschwindens genauer an“, schlug Matho vor. „Wir sahen bislang eher auf die Todesumstände. Aber sie sind alle zwischen Zwanzig und Fünfundzwanzig, was doch auf ein gewisses Beuteschema hinweist. Allerdings unterschiedlicher Haut- und Haarfarbe, verheiratet oder nicht. Das wiederum deutet entweder auf Zufall hin – oder auf irgendeine Gemeinsamkeit. Und wenn es nur die ist, dass sie argloser als der Durchschnitt waren und zu einer fremden Frau ins Auto stiegen. Auch dann wieder: warum sollten sie? Womöglich wurden sie um Hilfe gebeten?“

„Den Weg zeigen?“ Sarah klang – und war – verwundert. „Das macht doch niemand, der bei Verstand ist.“

„Ja, bei der Ärztin könnte ich mir das mit der Hilfe noch vorstellen, aber bei der Tankstellenangestellten?“ Der FBI-Agent zuckte die Schultern. „Sie verließ immerhin ihre Arbeitsstelle und galt als sehr zuverlässig.“

„Das ist mir bewusst.“ Der Profiler dachte erneut nach. „Aber, das Vorgehen hat sich geändert. Im ersten Fall, in Alaska, an der Tankstelle, war es ja auch noch ohne Jagd. Das könnte das erste Mal gewesen sein, wie wir schon vermuteten. Und dann wurde der Täter, die Täterin, professioneller. Oder es sind zwei Täter.“

„Ein Paar?“ erkundigte sich die Inquisitorin unbehaglich. Das wurde ja immer schlimmer. Zwei Vampire? Oder ein Vampir, der einen Menschen beeinflusste?

„Ja, ein Paar“, bestätigte Matho. „Daran dachten wir noch nicht, weil es unüblich wäre. Aber ein Paar, bei dem ein Teil den anderen beeinflusst. Der Mann die Frau oder umgedreht. - Sarah, gehen Sie dennoch heute in diesen Vampirclub. Vielleicht findet sich dort ein Hinweis auf dieses mörderische Pärchen. Und wir, lieber Daniel ...“

Der seufzte. „Wir wälzen Akten, wieder. Aber, keine Sorge, Sarah, ich fahre Sie zu diesem Club und bleibe auch vor der Tür, bis Sie in einem Stück wieder herauskommen. Heil.“

„Danke“, sagte sie höflich. „Ich muss aber zugeben, dass ich nicht zur Feigheit neige. Im Notfall könnten wir auch den Trick mit dem Köder spielen. Mit mir.“

„Vorsicht,“ erwiderte Daniel prompt.

„Vorsicht,“ bestätigte Matho. „Wir könnten das annehmen wollen. Müssen. Und wir wissen immer noch nicht, warum die Frauen anscheinend freiwillig weg sind. Immerhin verschwanden einige von ihnen von belebten Straßen.“ Er zog sich erneut eine willkürliche Akte. „Maine – das ist einer der Nordenglandstaaten. Der oder die Mörder kommen jedenfalls rum. Oder kamen. Hier ist das Jagdschema ganz deutlich. Im Herbstwald. Das Opfer, die zweiundzwanzigjährige Sydney Mallone, war mit einem ganzen Trupp Männer und Frauen auf der Jagd, als sie verschwand. Sie verabschiedete sich nicht, sondern war weg, nachdem die Gruppe, die immerhin aus acht Personen bestand, eine Landstraße überquert hatten. Niemand konnte sich an ein stehendes Auto dort erinnern. Laut den Zeugenaussagen fiel ihr Verschwinden erst auf, als ihr Ehemann wissen wollte, ob sie eine Pause benötigte. Damit hatte er natürlich ein Alibi. Aber wie auch immer sie verschwand, wusste niemand. Sie wurde erst im … üblichen Zustand am darauffolgenden Morgen gefunden, als Suchtrupps von Freiwilligen und der Polizei die Gegend durchkämmten, in der sie verschwand.“

„Ich erinnere mich“, murmelte Sarah. „Es waren auch andere Jagdgruppen dort – und niemand hörte sie schreien. Übrigens, ist das nicht gefährlich, mehrere voneinander unabhängige Jagdgruppen in der gleichen Gegend?“ Spurlos verschwunden – im Bannkreis eines Meistervampirs, denn kaum jemand unter einem Jahrtausend beherrschte diese Technik? Der auch zuvor seinen Wagen getarnt hatte? Und der andere, menschliche, Teil eines möglichen, mörderischen, Duos, war ein Mensch, der Auto fahren konnte?

„Nicht wirklich. Die Jäger tragen meist rote Warnwesten. Und wissen im Großen und Ganzen auch, wer wo ist, die Meisten stammen aus den umliegenden Orten. Der Wald, in dem gejagt wird, oder korrekter, die Gegend, wird mit Zeichen abgeschirmt, dass kein zufälliger Wanderer dorthin geht. Was natürlich die Sache auch nicht klärt. Sie schrie nicht und verschwand. Der Mörder, oder die Mörder, muss sie betäubt haben, ohne, dass man etwas im Blut oder Magen finden konnte. Oder mit etwas, nach dem nicht gesucht wurde.“

Und das deutete wirklich auf einen Vampir hin, dachte die Inquisitorin, die die Betäubungsmethoden ihrer Art schließlich gut kannte. Ein geistiger Angriff auf das Gehirn, der das Opfer bewusstlos zu Boden stürzen ließ, in einem Moment, in dem sie ein wenig hinter den anderen zurückgeblieben war, dann sie rasch weggetragen, in einen zuvor gelegten Bannkreis – und dann? Vampir, Vampirgefährte oder Gebissene, die über die Frau herfielen? Nur, wie weit konnten sie mit ihr entkommen, ohne dass der besorgt gewordene Ehemann samt Freunden sie fand? Sie selbst hätte ja den gesamten Trupp bewusstlos machen können, aber wer außer ihr ... Moment. „Äh, Matho, gab jemand aus dem Jagdtrupp an, ihm sei schlecht gewesen, schwindlig oder er für einen kurzen Moment unaufmerksam? Ich denke an Gift oder so.“ Nur eilig eine falsche Spur legen.

Der Profiler blätterte rasch. „Soweit ich sehe: nein. Sie meinen, jemand hätte das Trinken oder so vergiftet? Das wäre ziemlich viel Aufwand.“

„Wir raten sowieso ziemlich“, verteidigte Daniel die Beraterin sofort. „Aber in keinem anderen Fall wurde das Opfer aus einer Gruppe genommen, oder?“

„Nicht, soweit ich mich entsinne.“ Sarah lächelte rasch dankend.

Matho gab zu: „Nein, meist gingen sie allein nach Hause, nach Einbruch der Dunkelheit, aber es gab auch Fälle am Tage. Wie gesagt, um Hilfe bitten, jemand steht an einem Pickup und lädt scheinbar ein, wenn das ahnungslose Opfer vorbeigeht schubst es der Komplize hinein, sie fahren weg, jemand flüchtig Bekannter, der eine Mitnahme anbietet … Wobei, Nachbarn und Ehepartner sind praktisch auszuschließen, zum Einen wurden sie schon jeweils überprüft, zum Anderen ist der Mordradius schlicht zu groß dafür. Und, wenn man davon ausgeht, dass alle Morde immer bei Vollmond stattfanden und sich die Frequenz nicht erhöht hat, blieben dem Mörder immer nur vier Wochen um in eine neue Gegend zu gehen, eine entsprechende Frau kennen zu lernen, sie in sein Auto zu locken und bei Vollmond umzubringen.“

„In dem Fall frage ich mich wirklich, von was der Typ lebt. Das hört sich nach einer Vollzeitbeschäftigung an.“ Daniel McGraw stutzte. „Also doch unser ursprünglicher Verdacht, dass der Mörder, oder die Mörderin, - es sollte in der englischen Sprache wirklich ein Wort für beides gemeint geben – beruflich herumkommt, genauer, herumgekommen ist, und jetzt aus irgend einem Grund in Texas lebt, ohne jedoch den Drang zu töten unterbinden zu können.“

„Das sollte die Auswahl einschränken.“ Sarah blickte zu Matho. „Aber allein Houston hat zwei Millionen Einwohner und er, sie, Singular oder Plural, könnten überall in Texas sein.“

Auch der FBI-Agent sah zu dem Profiler. „Richtig. Wir können kaum auf Verdacht alle LKW-Fahrer überprüfen oder sonstige Reisende, Vertreter, Besatzung von Flugzeugen, was auch immer.“

„Dessen bin ich mir bewusst.“ Matho atmete durch. „Dennoch, Sarah, versuchen Sie Ihr Glück bei diesen Freunden der Nacht, Daniel, passen Sie auf sie auf, und ich werde mit Ihren Leuten mal suchen gehen, was vor zehn Jahren in Alaska und sonst wo geschah, dass diese Mordserie ausgelöst haben könnte. Es kann etwas Persönliches gewesen sein, aber es gab bestimmt eine Ursache, einen Anstoß. Und, was vor drei bis vier Monaten geschah, hier in Texas, oder eher sogar, Houston, das den Mörder anlockte. So, dass er die jahrelang geübte Zurückhaltung und Verteilung der Morde vernachlässigte. Es muss etwas Wichtiges für ihn oder sie sein.“

Sarah blickte zu ihrem Handgelenk. „Ja, um neun habe ich die Verabredung. Müssen wir schon fahren, Daniel?“

„Ja, es ist von hier doch ein Stück.“ Der FBI-Agent erhob sich. „Wieder eine recht kurze Nacht. Aber, das gehört dazu.“

Das war allen bewusst.

 

Das „Friends of Night“ lag am Rande eines Siedlungsgebietes, das ähnlich einförmig aussah wie das, in dem Daniel wohnte. Wieder wunderte sich Sarah, dass in den durchaus großen Vorgärten nur Rasen wuchs, keine Blumen, wenn, nur in Töpfen. Aber das war einfach dem Klima geschuldet, dachte sie dann. Daran grenzte ein Gewerbegebiet an in dem Geschäfte, aber offenbar auch diverse Lokale lagen. Der so genannte Vampirclub befand sich in einem zweistöckigen Betongebäude, offenbar mit zugemauerten Fenstern. Ein großer Parkplatz lag daneben, der momentan zu einem Viertel gefüllt war, aber es war ja auch noch früh am Abend. Der Haupteingang war beleuchtet. Sarah, die das demonstrativ gruselig getrimmte Dracula-Museum in Whitby kannte, fühlte sich daran erinnert. Eine Art Schlosseingang stand offen, der mit einem roten Teppich belegt war und in eine Vorhalle führte, die mit Kronleuchtern und rot-schwarzen Wänden geziert war. Sicherheitsleute standen davor. Daniel fuhr allerdings nicht auf den Parkplatz sondern bog erst hundert Meter weiter in eine Nebenstraße. „Ein Hintereingang?“ erkundigte sich die Inquisitorin.

„Ja. Das Büro, übrigens auch die Wohnung, von Miss d´Arberville, liegt im ersten Stock. Ich war ja nie drin, vermutlich kann sie hinuntergehen, aber hier kommt man direkt zu ihr. Oh, auch Wachhunde da.“

„Zwei.“ Sarah musterte kurz die Männer, die an einer eisernen Treppe, die in den ersten Stock führte, Wache hielten und den näher kommenden Wagen misstrauisch betrachteten. Es handelte sich um Menschen, erkannte sie. „Warten Sie hier?“

„Soll ich? Ich wäre sonst auf den großen Parkplatz gefahren.“

„Ja, bitte.“ Eine menschliche Frau wäre doch wohl beruhigter, dachte sie. Und wirklich erst in zweiter Linie daran wie sie in Daniels Hals beißen konnte. Himmel, hatte sie Durst. Hoffentlich würde ihr Dolores d´Arberville da was präsentieren können, und sei es auch nur ein Jagdgebiet. Sie stieg aus und ging auf die Wachposten zu, die unwillkürlich den Weg zur Treppe versperrten. „Ich habe eine Verabredung mit Miss d´Arberville um neun“, sagte sie. Vampir und zumal der Kadash sollte ja höflich bleiben, aber wenn ihr diese Typen Ärger machen wollten, konnten sie ihn bekommen. Leider hätte das nur den Schönheitsfehler, dass sich Daniel wohl wundern würde, wie sie zwei solche Sicherheitskräfte bewusstlos bekommen hätte.

Einer der Männer musterte sie. „Uns wurde ein Mann angekündigt.“

„Pech, dass ich keiner bin. Haben Sie das Stichwort auch erhalten?“

„Ja.“

„Kadash.“

„Gut. Will, begleite sie zur Chefin. – Ist das Ihr Beschützer?“

„Ja. Er wird im Auto warten.“ Sie wartete, bis der Will Genannte sich umdrehte und die Treppe hinaufging, ehe sie ihm folgte, einen raschen Blick herum werfend. Hierher schien die Beleuchtung des Parkplatzes und der breiteren Hauptstraße nicht mehr, aber das hinderte einen Jäger der Nacht nicht.

 

Oben öffnete der Wächter eine Metalltür, die den Blick auf einen Flur freigab, von dem nur drei Türen abgingen. Eine davon erschien Sarah aus massivem Holz, sicher hunderte Jahre alt – dahinter verbarg sich bestimmt die Privatwohnung der Vampirin, denn sie konnte auch Bannkreise spüren. Eine einfache Holztür führte nach links, aber gegenüber befand sich eindeutig der Eingang zum Büro – menschlich, modern und mit eben diesem Schriftzug an der undurchsichtigen Glasscheibe. Will klopfte und öffnete langsam.

„M´am, hier ist eine Frau, die angibt mit Ihnen eine Verabredung zu haben, sie kannte das Passwort.“

„Oh!“ erwiderte jemand, den Sarah so nicht sehen konnte. „Lassen Sie sie herein.“

Die Inquisitorin ging mit einem inneren Lächeln an dem Wachposten vorbei. Ganz sicher wusste Dolores d´Arberville, dass ein Mitglied ihres Volkes auf Besuch kam. Im Zweifel vermutete die allerdings eine Mitarbeiterin des Kadash. Im nächsten Moment fand sie sich in einem Büro, das wohl der Sekretärin gehörte, jetzt aber leer war. Eine weitere, offene, Pforte führte in das Arbeitszimmer der Nachtclubbesitzerin, die offenkundig neugierig gewesen, war, denn sie stand bereits.

Dolores d`Arberville schien eine Frau Mitte der Dreißig zu sein, deren schwarzes Haar und dunkler Teint von hispanischen Wurzeln zeugte. Sie trug ein weißes, eng geschnittenes, Abendkleid, offenbar bereit, in ihren Nachtclub zu gehen. Um ihren Hals lag eine Kette aus in Silber gefassten Türkisen. Sarah war ein wenig verwundert, da Silber doch bei den meisten Vampiren unangenehm wirkte, ehe sie erkannte, dass die Kette sorgfältig auf den Saum des Kleides abgestimmt war. Sie hörte, dass die Tür hinter ihr geschlossen worden war und sich die Schritte des Wächters entfernten. So grüßte sie höflich.

„Gute Jagd, Miss d´Arberville.“

„Gute Jagd. Sie kommen im Auftrag ...?“

Sie war so höflich nicht nach dem Namen zu fragen. „Nein. Sagen Sie zu mir: Inquisitor.“ Sie sah durchaus das Erschrecken. „Nun, was haben Sie erwartet, wenn hier in der Umgegend drei blutleere Leichen gefunden werden?“

Die Vampirin fing sich. „Bitte, setzen Sie sich doch, Inquisitor.“ Sie bezweifelte nicht, dass dieses Mädchen, diese junge Frau, wirklich der gefürchtete Kadash war. Niemand ihres Volkes log bei diesem Thema. Aus gutem Grund. Das Aussehen war ja schließlich immer nur dem Alter zum Zeitpunkt der Verwandlung geschuldet, jedoch nie der wahren Lebensdauer. Die Inquisitorin mochte genauso gut schon fünftausend Jahre alt sein, außerdem hieß es, dass der jeweilige Kadash über enorme Macht verfüge. Sie nahm an ihrem Schreibtisch Platz und überlegte in dieser Zeit hastig. „Drei blutleere Leichen? Ich weiß von einigen Toten in Houston, aber, keine ...“

„Nicht in Houston.“ Sarah berichtete nur sehr kurz. „Das haben Sie nicht mitbekommen?“

„Nein. Um ehrlich zu sein, Nachrichten aus Arizona erscheinen hier selten genug im Fernsehen. Und ja, ich entsinne mich etwas von Toten in Wüstenorten gehört zu haben, aber ich zog nie die Verbindung zu unsereins. Sie vermuten Gebissene?“ Das war schließlich ein guter Grund für den Kadash zu erscheinen. Da ihre Besucherin nickte: „Ich habe sicher keine Gebissenen erschaffen, das müsste ich bei meinen Besuchern nicht mal. Mein Meister hat sich schon lange nach Süden zurückgezogen. Und außer mir gibt es in ganz Texas nur vier, nein, fünf Vampire.“

„Mit den Schülern.“

„Mit den Schülern sieben. Ich persönlich habe keine Schüler. Mir erschien das Leben in der Unauffälligkeit auch so schwer genug. Zumal als Frau.“

„Sie haben Kontakt zu allen? Oder ist einer, sagen wir, in den letzten zehn Jahren verschwunden?“

„Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Wir treffen uns jetzt, da das Reisen angenehmer geworden ist, alle fünfundzwanzig Jahre, aber ...“ Da lief wirklich eine Ermittlung. „Soll ich Ihnen die Namen und Kontaktdaten geben? Die von den Meistern, die der Schüler besitze ich nicht. Soweit ich jedoch weiß leben alle noch bei ihren Meistern.“

„Ja, geben Sie sie mir.“ Hm. Wenn die Schüler mit den Meistern lebten, bedeutete das entweder, dass sie sich gegenseitig für die letzten zehn Jahre ein Alibi geben konnten, oder aber, dass ein Meister und sein Schüler gemeinsam agierten. Nur, wozu? Sarah gab zu, dass ihr Menschen weitaus lieber gewesen wären, als die Vorstellung, dass ein Meistervampir seinen Schülern auf derartige Abwege führte und seine Verantwortung derart ignorierte.

 

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sarah hat Hunger - und das nächste Kapitel zeigt ihr die "Friends of Night".. Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück