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The Birthday He Forgot

Umi x Tohya
von

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The Birthday He Forgot

„Papa!“

Mit dem Rücken auf dem Sofa liegend, drehte der kleine Tohya seinen Kopf zum Fenster und betrachtete den Schnee in der Natur welcher vom Himmel herabfiel. Es war der Beginn des neuen Jahres und zum ersten Mal seit längerer Zeit – so hatte es zumindest sein Vater gesagt – schneite es draußen mal wieder. Tohya schaute abwechselnd zu Fernseher und Fenster; war selber nervös über den heutigen Tag. In der Daddelkiste lief seine Lieblingsserie ‚Ultraman‘ und draußen schneite es; zudem hatte er heute noch Geburtstag und seine Geschenke noch nicht bekommen. Sein kleines Kindesgehirn war mit so vielen Gedanken viel zu überfordert, sodass er nicht genau wusste, was er tun sollte, und dabei fast vom Sofa rollte.

„Was ist denn?“, fragte sein Vater, welcher mit einem kleinen Paket in den Gemeinschaftsraum des kleinen Einfamilienhauses kam, in welchem Tohya es sich auf der Couch bequem gemacht hatte. Doch kaum erblickte der Sprössling das Päckchen, war er Feuer und Flamme und sprang direkt auf.

„Ist das mein Geschenk, ist das mein Geschenk?“, hüpfte er vor seinem Vater von einem Bein auf das andere und konnte es kaum erwarten es in seinen Händen zu spüren, um anschließend das Papier von dem Päckchen zu reissen.

Tohya liebte den Januar. Er liebte seinen Geburtstag. Und seiner Liebe gebührte die Zeit, wo er neben seiner Lernerei in der Vor- und Grundschule sich noch immer wie ein Kind benehmen durfte, ohne das die Eltern auf sein Verhalten und seine Noten achteten.

Sein Vater gab ihm ein sanftes Lächeln, ehe er seinem Sohn das langersehnte Präsent in die Hände drückte, und wuselte dem kleinen braunhaarigen Jungen durch seine weichen Haare. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Sohn.“, hauchte er daraufhin zufrieden und beobachtete den selbigen dabei, wie er trotz seiner Aufregung langsam und vorsichtig das Geschenkpapier öffnete, ehe ihm eine Ultraman Actionfigur zwischen den Fingern hervorkam. Tohyas Augen weiteten sich und seine Mundwinkel zogen sich über beide Ohren hinweg. Er hatte im Comicbuchladen nur eine Ecke weiter immer nach der Schule vor dem Schaufenster gestanden und die Figur angesehen, nur war diese so teuer, dass er sich nicht einmal traute seine Eltern zu fragen, ob sie sie ihm kaufen würden. Doch seine Eltern hatten, wie er immer dachte, telepathische Fähigkeiten scheinbar in seinen Kopf hineinzusehen, sodass sie genau wussten, dass er sich über Ultraman am meisten freuen würde. Mit einem „Danke, Danke, Danke Papa!“ fiel Tohya seinem Vater nur kurze Zeit später gebührend in die Arme und drückte diesen so fest wie er es mit seinen zarten kleinen Armen konnte.
 

Bis heute konnte Tohya sich noch ganz genau daran erinnern, wie er mit seinem neuen, heißgeliebten Spielzeug den ganzen Tag, und alle weiteren Tage, Woche, Monate darauf auch noch, gespielt hatte – dennoch dabei immer darauf achtete, dass dieses keinen einzigen Kratzer erleiden würde.
 

* * *
 

„Versteckst du neben Ultraman auch noch Kamen Rider?“, witzelte Umi, während er durch das Kinderzimmer Tohyas ging, als er zum ersten Mal bei einem Besuch von Tohyas Familie dabei war. Tohyas Zimmer war, wenn man mal von Tohyas Äußeren und auch inneren Erscheinungsbild wegsah, sehr erwachsen eingerichtet. Lediglich ein Poster von Janne da Arc hing über seinem recht großen Bett. Über seinem Schreibtisch erstreckte sich ein viel zu großes Keyboard und in der letzten Ecke des Raumes fanden sich die ältesten E-Drums wieder, die Umi je unter die Augen gekommen waren. In dem Regal über seinem Schreibtisch lagen noch alte gestapelte Kassetten und CD’s, welche er nicht in seine kleine Wohnung mitgenommen hatte, - und eben die Ultraman Action Figur, die er bereits als Kind geschenkt bekommen hatte.

„Sehr witzig!“, lachte Tohya und sah hinter Umis Rücken ebenfalls die Figur an, die noch immer wie neu aussah. „Ich habe sie von meinem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen und immer darauf geachtet, dass sie nicht kaputt geht oder auch nur einen Kratzer hat. Ich muss zugeben, dass er mir mit dem Geschenk echt die größte Freude zu meinem Geburtstag überhaupt gemacht hat.“

„Und mit dem Highball Glas mit deinen Initialien dieses Jahr.“, widersprach Umi woraufhin Tohya zustimmend nicken musste. Umi machte einen langen Arm und griff nach der Ultraman Figur, befreite diese von Staub und sah sie durch seine Brillengläser an.

„Eine von den wenigen Ultraman Figuren die ich nicht besitze.“

Lächelnd stellte der vistlip Gitarrist die Figur sorgfältig zurück in den Schrank. Es war ein sanftes Lächeln. Ein sanftes Lächeln, dicht gefolgt von einem Funkeln in Umis Augen, welches Tohya bisher nur in den seltensten Fällen hatte beobachten dürfen. Denn auch wenn jeder seiner Bandkollegen Umis Hobby kannte, so redete er doch in recht raren Fällen von seiner Sammelleidenschaft seiner Actionfiguren. Dennoch war Tohya sich sicher. Das letzte Mal, wo er Umis Augen hatte so derartig Funkeln sehen, war, als er sich mit einer Figur von Trafalgar Law, die fast überall vergriffen war, endlich seine One Piece Sammlung aufgestockt hatte.

„Du kannst dich glücklich schätzen.“

Tohya zuckte schon fast zusammen. Zu sehr kramte er in seinem Hirn über eine Art Trance in seiner kürzlichen Vergangenheit, ehe Umis Stimme ihn wieder erweckte.

„Die Figur ist in dem Zustand inzwischen sicherlich eine Menge wert.“

Mit seinen Fingerkuppen klopfte der Schwarzhaarige daraufhin eine Melodie auf Tohyas alten Schrank, ehe er sich wieder zum Kleineren umdrehte. Eine pure, innerliche Verzweiflung machte sich dabei in Umis Augen bemerkbar. Tohya wusste, dass er mit der Vermutung über das Augenfunkeln Umis Recht haben musste. Denn Umi wollte diese Figur innerlich – traute sich aber nicht, es Tohya selbst zu sagen.

„Für mich hat sie mehr einen persönlichen Wert.“, lächelte der Kleinere den Gitarristen daraufhin an. „Verkaufen werde ich sie niemals.“

Nur wenige Augenblicke später, hörte man Tohyas Mutter aus der Küche rufen.
 

* * *
 

Mit einem Finger in seinen Haaren herumspielend und seinem Lieblingssong von Pay Money To My Pain im Ohr, schlenderte Tohya nach dem Instore zur Vermarktung der neuen Shoxx Ausgabe im Horrindo Bookstore in Takadanobaba durch die Straßen. Bereits den gesamten Tag fühlte er sich schläfrig und erschöpft – nahm quasi Yuhs dauerhafte Müdigkeits-Position am heutigen Instore ein, und freute sich einfach nur noch darüber, gleich auf seine Couch oder in sein Bett zu fallen, um die Augen zu schließen und ein Nickerchen zu machen, bevor er wieder zu Umi fahren würde.

Es war bereits zu einer Tradition zwischen Umi und Tohya geworden, dass die beiden in den Geburtstag des Gitarristen reinfeierten, zusammen ein paar Biere vernichteten und eventuell auch um Mitternacht noch durch die Straßen zogen, um irgendein Ramen Restaurant zu finden, was beide noch bedienen würde. Von Jahr zu Jahr machte es Tohya immer glücklicher zu sehen, wie zufrieden Umi inzwischen wirkte, wie locker er inzwischen damit umging älter zu werden, wo er doch noch vor wenigen Jahren zum Beginn von vistlip jedes neue anbrechende Lebensjahr seinerseits verfluchte. Umi lächelte in letzter Zeit viel häufiger, wirkte generell viel entspannter und ausgelassener in seinem Verhalten. Nur deshalb genoss Tohya auch jede Minute, die er mit dem Gitarristen verbringen konnte. Jede einzelne Sekunde, die er vor allem allein mit dem Älteren verbringen konnte. Und genau deshalb freute sich Tohya auch wieder auf den heutigen Abend, die heutige Nacht des neuzehnten auf den zwanzigsten Julis, in welchen er wieder der erste sein würde, der ihm fröhlich sein „Omede-Tohya“ zuflötete, um das neue Lebensjahr anzupreisen.

Allein der Gedanke daran ließ den Drummer lächeln, als er in die Tozai Line Richtung Nishi Funabashi einstieg um in Iidabashi letztendlich nach Shinjuku, wo er inzwischen wohnte, umzusteigen.

Doch kaum fühlte er den weichen Untergrund seines Bettes unter sich, auf welchem er sich direkt rückwärts hatte fallen lassen, nachdem er seine Wohnungstür hinter sich in das Schloss fallen ließ, holte den Drummer dessen Müdigkeit wieder ein. Das Ticken seiner Armbanduhr hallte dabei in seinem Kopfe weiter. So weit, dass ihn die gleichmäßigen Geräusche so sehr beruhigten, dass er nur wenige Minuten später einschlief.
 

„Herzlichen Glückwunsch, Umi!“

„Ein Hoch auf Leader-san!“

„Happy Birthday und auf viele weitere Jahre~!“

Umi scrollte durch seine Twitter Timeline und seufzte einmal. Natürlich freuten ihn all die Tweets die er bekam, all die Nachrichten, die man ihm zukommen ließ, und all die Wertschätzung, die ihm seine Bandmember und auch seine Fans schenkten. Doch auch wenn einer seiner Mundwinkel in die Höhe geschnellt war, als um Punkt Null Uhr sein Notifications-Tab fast achthundert Antworten anzeigte, konnte Umi sagen, dass er mit seinem heutigen Geburtstag irgendwie nicht zufrieden war...

„Omede-Tohya!“, hörte er in in seinem Unterbewusstsein den Drummer fröhlich singen, trotz dessen, dass dieser zum ersten Mal seit den letzten fünf Jahren, in welchen sie zusammen feierten, nicht anwesend war. Normalerweise war es Tohyas Aufgabe Umi davon abzuhalten alle zwei Sekunden seine Timeline zu aktualisieren, sich nur mit ihm zu beschäftigen und mit dem neuen Bier anzustoßen. Dabei würde Umi sich darüber aufregen, dass Tohya mal wieder seinen Namen auf irgendeinen Schwachsinn umänderte, den Namen des Gitarristen in seinem eigenen Twitternick trug, um Umi ganz besonders an dem Tage seiner Geburt wertzuschätzen. Doch alles was Umi gerade in seinem Raum hörte, war das Gebläse des Lüfters seines Macbooks, und das notorische Benachrichtigungsgeräusch seines Handys von all den E-Mails und Textnachrichten, die langsam aber sicher zu seinem Geburtstag hineintrudelten. Er musste zugeben, dass er Tohya, obwohl er diesen immer wieder gern damit neckte, wie nervig dieser doch sei, gerade unheimlich vermisste.

Doch seitdem sich die Beiden in Takadanobaba verabschiedet hatten, hatte Umi von Tohya kein einziges Wort mehr gehört. Er schrieb ihm nicht bei LINE zurück, auch keine einzige von Umis Nachrichten war bei ihm als gelesen markiert.

„Tohya? Kommst du heute nicht mehr?“, hatte er kurz vor elf an den Drummer geschrieben, und sich eigentlich eine positive Antwort erhofft. Doch selbst telefonisch war Tohya seitdem nicht mehr zu erreichen, da dessen Handy ausgeschaltet war.
 

„Weisst du wo Tohya ist?“

„Nein, ich dachte er ist bei dir?“

„Sein Handy scheint aus zu sein, es geht nur die Mailbox dran.“

„Fahr doch zu ihm, vielleicht ist sein Akku leer und er hat sein Ladekabel mal wieder verschlampt?“

„Und dann ist er parallel auf dem Weg zu mir? Nein.. ich warte einfach.“

„Deine Entscheidung....“
 

*
 

„Ist Tohya inzwischen bei dir aufgekreuzt?“

„Nein.“

„Was ist, wenn ihm was passiert ist?“

„Lass gut sein, Tomo. Ich denke er hatte seine Gründe heute nicht herzukommen. Vielleicht ist ihm auch einfach nur etwas dazwischengekommen.“

„Ich... finde es aber seltsam. Tohya ist immer der erste...“

„Warten wir morgen ab, okay?“
 

Umi schloß den Chatverlauf mit dem vistlip Sänger und blickte ein letztes Mal auf die noch immer ungelese Nachricht, die er vor fast fünf Stunden an den Drummer hinausgeschickt hatte. Die Ziffern der Uhr auf seinem Nachttisch zeigten bereits eine Zeit nach drei Uhr morgens an. Leises Seufzen legte sich über die Lippen des Gitarristen, ehe er sich in seine Kissen drückte.

Nach der Welle der Enttäuschung breitete sich nun auch noch ein leichter Schmerz in der Brust des Gitarristen aus. Er hatte diese Gefühle lange genug ignoriert, doch plötzlich waren sie einfach da.

Immer und immer wieder hellte das Displays seines Smartphones auf, um ihn über neu eingehende Twitter Benachrichtigungen zu informieren, ehe Umi sein Gadget schon fast genervt umdrehte.

„Schöner Geburtstag? So ein Quatsch ...“, nuschelte er anschließend in sein Kissen, ehe er seine Augen schloß. Doch die Enttäuschung und Sorge um sein jüngeres Bandmitglied verfolgte den Schwarzhaarigen auch noch im Schlaf.

Die Uhr zeigte bei Umis ersten kontinuierlichen Atemzügen bereits 4:45 Uhr an.
 

Ein leises Brummen raunte aus Tohyas Kehle, als er unsanft von einem deftigen Sonnenstrahl geweckt worden war, welcher unglücklicherweise direkt in sein Gesicht schien.

Sein Kopf schenkte ihm unheimliche Kopfschmerzen, die sich anfühlten, als habe er am gestrigen Tage etliche Biere vernichtet. Auch sein Gleichgewichtssinn wollte nicht so wie er wollte, sodass er direkt wieder auf seinen Rücken zurück in sein Bett fiel, als er versuchte sich aufzuraffen. Ein Seufzen durchdrang Tohyas trockene Kehle und er rieb sich einmal über die Augen, ehe er diese öffnete und gedankenlos gegen seine Decke starrte. Doch als seine Nackenhaare sich wie von alleine zu dem Klang seiner noch immer kontinuierlich tickenden Armbanduhr an seinem Handgelenk, welche er normalerweise beim Schlafen immer absetzte, hochstellten, so schreckte er direkt auf und verlor wunderweise jegliches Drücken in seinem Kopf.

„Wie spät ist es?“, fragte der Drummer sich selbst lautstark und hob seinen linken Arm zu seinen Augen, starrte schon fast perplex auf seine Uhr, dessen Minutenzeiger gerade umsprang. Dabei weiteten sich die Augen des Braunhaarigen. Als er dabei auch noch an sich herunterschaute, und noch immer den selben Pullover wie am gestrigen Tage anhatte, war ihm bewusst, dass er direkt nach dem Instore eingeschlafen war. Er fühlte sich schrecklich. Fühlte sich, als müsste er sich jeden Moment übergeben. Schon öfter hatte Tohya in seinem Leben Scham, Reue oder unendliche Schuldgefühle entwickelt – doch die jetzige Erkenntnis traf ihn mehr als alles andere was er zuvor in seinem Leben vergeigt hatte.

„Umi.“

In seinem Kopf wiederholte sich der Name des Gitarristen wie ein Track auf einer CD, welche einen gewaltigen Kratzer auf ihrer abspielbaren Seite vorwies.

Tohya hatte Umis Geburtstag regelrecht ‚verschlafen‘.

Der Drummer stand nach seiner Erkenntnis hastig auf, durchwühlte seine Tasche und kramte sein Mobiltelefon aus dieser heraus. Verzweifelt versuchte er es einzuschalten, jedoch hatte sein Akku sich bereits auf dem gestrigen Rückweg mit einer Null Prozent Anzeige verabschiedet. Lediglich das Apfellogo des Telefonherstellers, sowie das aufblinkende Zeichen eines Ladekabels und einer leeren Batterie leuchteten auf dem Display auf. Wutentbrannte schmiss Tohya daraufhin sein Handy auf sein Bett. Der Tag hätte nicht schlimmer beginnen können. Am liebsten hätte er sich jegliche Haare auf seinem Kopf ausgerissen.
 

„Umi-san! Otanjoubi Omedetoh~ya!“

Tohyas Tweet an Umi war schlicht und einfach. Nicht einmal ein Herz oder ein Kaomoji hatte Tohya an das Ende seiner Nachricht gehangen, als er als Letzter der Band dem Bandleader auf der sozialen Plattform zu einer für Tohya untypischen Zeit zum Geburtstag gratulierte. Für Umi war es das erste Lebenszeichen Tohyas nach dem Instore, und er wusste nicht, ob er darüber lachen oder einfach nur maßlos enttäuscht sein sollte. Eigentlich lag es in Tohyas Natur ständig Termine zu verschlafen oder die Zeit zu vergessen. Selbst zu Liveauftritten kam er ab und an zu spät, sodass ihre Haar und Make-Up Stylistin Tohya schon öfter am liebsten den Laufpass gegeben hätte, damit er auf seiner Unpünktlichkeit sitzen bleiben würde.

Jedoch hatte Tohya noch nie seitdem sie sich kannten Umis Geburtstag vergessen. Zudem hatte er erst am Tage vor dem gestrigen noch mit Umi darüber geredet, was sie denn an seinem Geburtstag – oder eher gesagt am Abend davor – alles anstellen würden. Tohyas Augen strahlten immer wenn es um Geburtstage ging, und jedes Jahr aufs Neue freute er sich darauf möglichst viele zu feiern. Doch Tohya hatte Umis Geburtstag schlichtweg verschlafen.

Der Drummer war nicht wie üblich der erste, der Umi gratulierte. War nicht wie üblich derjenige, der um Punkt Mitternacht eine weitere Flasche Bier aufmachte, nur um etwas zum Anstoßen zu haben. Er war einfach nicht wie üblich bei Umi mit im Wohnzimmer, und redete mit diesem noch bis in die Morgenstunden.

Stattdessen gratulierte Tohya ihm lediglich auf Twitter.

Mit einem Satz.

Und so emotionslos und kalt, dass Umi das Gefühl hatte, dass ihm sein Herz aus der Brust gerissen worden würde. Am allermeisten allerdings verletzte den Gitarristen die Tatsache, dass sich Tohya noch nicht einmal persönlich bei ihm gemeldet hatte. Seine LINE Nachrichten waren noch immer ungelesen. Kein einziger Anruf in Abwesenheit erschien auf Umis Display.

Seine Hand legte Umi auf seine Brust, spürte seinen Herzschlag und krallte sich in sein eigenes Shirt hinein, ehe er tief ein- und wieder ausatmete, dabei die Augen geschlossen hatte. Enttäuschung, Trauer und Wut keimten in ihm auf und begannen sich langsam den Weg an die Oberfläche zu wagen. Der Gitarrist ballte dabei die Hand zur Faust, in welcher er sein Lieblingsgadget in der Hand hielt. Wenn er die Kraft gehabt hätte, hätte er sein Telefon am liebsten an Ort und Stelle zerdrückt. Stattdessen streckte er den Arm aus, holte diesen aus und war bereit sein Telefon gegen irgendetwas Hartes zu werfen. Doch genau in dem Moment klingelte jenes mit einem Ton, welchen er lediglich für eingehende Mails vom Drummer eingestellt hatte.

„Bevor du irgendwelche Schlüsse ziehst. Lass mich alles erklären. Zehn Minuten.“

Und genau diese zehn Minuten brauchte Tohya, nachdem er seinen Laptop hastig zuklappte, und durch seine Tür in die Straßen Tokyos verschwand, bis hin zur Wohnung seines besten Freundes rannte.

Seine Lungen brannten wie Feuer, und er fühlte sich, als sei er seit Jahren starker Raucher. Noch nie hatte er ein so heftiges Ziehen in seiner Kehle verspürt wie in diesem Moment, und er musste tief Luft holen, um seine Atmung unter Kontrolle zu halten. Noch vor kurzem erst hatte Tohya mit seinem täglichen Training angefangen, joggte dabei zwei bis drei Mal die Woche und hatte, was Ausdauer und Kondition betraf, eigentlich nie Probleme gehabt. Doch jedes Mal wenn er lief, hatte er leise Musik im Ohr, sowie war sein Kopf frei von Gedanken. Als er noch vor wenigen Sekunden durch den Stadtverkehr zu Umis Wohnung lief, erdrückten ihn seine Schuldgefühle. Seine Gedanken waren voll von möglichen Entschuldigungspredigten, sodass er sich nicht einmal richtig auf seinen Lauf konzentrierte.

Tohya stützte beide Hände auf seine Knie und atmete mehrmals ein und wieder aus. Den Schweiß wischte er sich von der Stirn, ehe er sich wieder hinstellte, seinen Rücken gerade drückte und seinen Arm anhob. Schon fast zitternd streckte er einen Finger aus, wollte auf die Türklingel drücken, ehe er bereits mit der Tür ins Haus fiel. Der Gitarrist hatte die Tür, welche sich vor Tohya aufgebaut hatte wie der mächtige Eingang eines Schlosses, bereits aufgemacht, und sah den vollkommen erschöpften Drummer an.

„Ich wusste, dass das Trampeltier, was die Treppe hochgehechtet kam, du sein musstest.“
 

Auch wenn Umi in den meisten Fällen nachtragend war, so erlisch seine komplette Enttäuschung Tohya gegenüber wie im Fluge, als dieser sich auf Umis großes, weiches Sofa niederließ, und das Glas Wasser welches ihm das Geburtstagskind vor die Nase hielt, in nur wenigen Schlucken mit seinen Knopfaugen und seinen Wangen voller Schamesröte austrank. Tohya brauchte nicht einmal eine Entschuldigung auszusprechen, denn alleine der Aspekt, dass er es schaffte innerhalb von wenigen Minuten von seiner eigenen Wohnung bis hin zu Umis zu rennen, war dem Gitarrist Entschuldigung genug. Der Drummer hingegen saß mit gesenkten Kopf im Sofa, umklammerte das kühle, durchsichtige Glas mit beiden Händen, ehe über seine Lippen ein kaum hörbares „Es tut mir leid…“ glitt. Umi schüttelte lächelnd den Kopf, ehe er seinem Freund einen leichten Klaps gegen den Hinterkopf gab. Es war eine Geste, die man vom Gitarristen immer erwarten konnte, wenn man etwas sagte, was der Schwarzhaarige nicht hören wollte.

„Sollte es dir auch, Tohya. Mich an meinem Geburtstag sitzen zu lassen.“

Der Hauch von Sarkasmus in Umis Stimme ging an Tohya nicht vorbei. Und er fühlte sich mit jeder verstreichenden Sekunde besser.

„Omedetohya, Umi-chan.“

„Du bist ein Vollidiot…“
 

Tohya und Umi legten die gesamten Geschehnisse, die eigentlich hätten am gestrigen Abend passieren sollen, auf den eigentlichen Geburtstag Umis. Hin und wieder nippten sie an den Bierflaschen vor ihnen, schauten Filme im Fernsehen, oder sprachen über aktuelle Situationen in ihrer Karriere. Der Vorteil, dass sie die Geburtstagsfeier Umis auf den Tage statt in die Nacht gelegt hatten war, dass das Ramenrestaurant ihres Vertrauens geöffnet hatte, und sie sich somit eine große Schüssel ihrer Leibesspeise gönnen konnten. Tohya hatte das Gefühl, dass Umi mehr lachte als sonst. Ja, er schien für den Drummer sogar glücklicher als sonst. Es war ein Aspekt den Tohya nicht verstand, da er innerlich noch immer von den Schuldgefühlen geplagt wurde, Umi noch nicht einmal von seiner totalen Erschöpfung in Kenntnis gesetzt zu haben, ehe er seelenruhig eingeschlafen, und somit die ersten Stundens Umis Geburtstags träumend in seinem Bett verbracht hatte. Tohya konnte sich nicht erklären, warum Umi ihm nicht einmal böse war, den Drummer nicht einmal wieder darauf aufmerksam machte, was für ein hoffnungsloser Mensch er war. Stattdessen saß er nach ihrem Spaziergang wieder auf seiner Couch, nahm den letzten Schluck aus seiner Bierflasche, stellte diese zurück auf den Tisch und gab Tohya ein seichtes Lächeln.

„Umi, es tut mir wirklich leid.“

„Was tut dir leid?“

„Das ich gestern...,“

„Tohya, sei still. Du bist doch jetzt hier, oder?“

„Ja, aber… kannst du nicht wenigstens ein bisschen sauer auf mich sein?“

„Ich bin oft genug sauer auf dich.“

Tohya seufzte. Unüberhörbar war sein Seufzen allerdings ein zufriedenes Seufzen, ehe er Umi ebenso warm anlächelte, wie der Gitarrist ihn zuvor. Dabei musste er dem Älteren Recht geben.

Fast jeden zweiten Tag ermahnte Umi Tohya vor irgendetwas, oder haute ihm sachte gegen seinen Hinterkopf, da er wieder zu spät zu Terminen erschienen war. Für Umi war Tohyas Verhalten eine Routine, für Tohya einen Charakterzug, welcher er einfach nicht ablegen konnte. Und doch hatte Tohya langsam das Gefühl, dass er an manchen Tagen lediglich die Auseinandersetzung mit ihrem Leader suchte. Er wollte, dass Umi mit ihm sprach, ihn ermahnte, mit ihm schmipfte und auf ihn sauer war. Denn er wollte, dass Umi nur mit ihm alleine sprach. Das Umis Worte nur für ihn bestimmt waren. So wie jedes einzelne Wort, welches er sprach, wenn sie hier zusammen auf dem Sofa saßen. Denn immer dann spürte Tohya sein Herz so fest und laut klopfen, dass er das Gefühl hatte, dass es für die gesamte Welt um ihn herum nicht nur hör- sondern auch sichtbar war.

„Umi?“

„Wehe du entschuldigst dich nochmal!“

Tohya lehnte sich herüber zu seiner Tasche, zog dabei ein langes, sorgfältig mit Papier ummanteltes Päckchen aus dieser, ehe er es seinem Bandkollegen übergab. Normalerweise schenkten sich die Freunde zu ihren Geburtstagen nie etwas, doch für den heutigen Tag hatte Tohya etwas Besonderes mitgebracht. Etwas, was er Umi schon lange hatte geben wollen.

„Mach es auf. Es ist für dich.“

So sorgfältig, wie das Geschenk verpackt war, so befreite Umi es von dem Papier, welches den eigentlichen Karton umhüllte. Mit den Fingernägeln knibbelte er vorerst die Tesafilm Streifen ab, ehe er langsam die überlappenden Geschenkpapierblätter in die Höhe zog. Als er alles vorsichtig gelöst hatte, legte er die Blätter zur Seite und erhaschte einen Blick auf den Karton. Der Drummer beobachtete dabei, die für ihn schönste Reaktion, die er bei seinem Bandkollegen bisher wahrgenommen hatte. Ob er sich selbst als Kind auch so gefreut hatte? Ob seine Augen auch so groß geworden waren?

„Tohya, du-“

„Herzlichen Glückwunsch, Umi. Leider habe ich Kamen Rider nicht für dich gefunden!“

Tohya lachte zufrieden und wandte seinen Blick auf das Funkeln in Umis Augen, dass ihm schon einige Monate zuvor verraten hatte, welches Geschenk für Umi das richtige wäre.

Lange starrte der Gitarrist die Box mit der Ultraman Figur, welche tatsächlich noch wie neu aussah, an, hielt sie in beiden Händen und konnte nicht fassen, dass Tohya eine Figur, die für ihn einen so hohen persönlichen Wert hatte, einfach an seinen besten Freund weiterverschenkte. Doch als Umi wieder von der Figur aufsah und in Tohyas zufriedenes, lächelndes Gesicht blickte, konnte er nicht anders als dessen Lächeln zu erwidern. Dieses Lächeln, was seine Emotionen meist immer versteckte, wirkte heute so warm und ehrlich. Und es wirkte auf den Brillenträger so viel mehr, dass er dem Drummer, nachdem der Gitarrist den Karton vorsichtig auf seinen Wohnzimmertisch abgelegt hatte, immer näher kam, um diesen einen sanften Kuss auf die Wange zu drücken.

„Danke, Tohya.“

Lange sahen sie sich anschließend in die Augen.

Beiden sprangen dabei ihre Herzen regelrecht aus der Brust.

Doch als Tohyas Mundwinkel sich leicht nach Umis Dankeskuss nach oben zog, war kein Augenblick mehr dazwischen, ehe sie ihre Lippen aufeinander legten, und das Geburtstagsgeschenk Umis nur noch schöner für den Gitarristen machten. Der Moment des Erhalts seines zweiten Geschenkes an diesem Abend allerdings, hielt sehr viel länger und vor allem sehr viel intensiver an, als bei seinem ersten. Denn egal wie oft sie es versuchten; niemand von beiden konnte seine Lippen vom jeweils anderen lösen.
 

Die Straßen Tokyos waren bereits recht früh sehr belebt.

Dadurch, dass Umis Wohnung direkt an einer Hauptstraße nahe eines Shoppingdistriktes gelegen war, hörte man anstatt singende Vögel lauten Tumult durch das über Nacht offen gelassene Fenster. Jeden Morgen wurde Umi durch die Stimmen der ganzen Fremden wach, sodass er meist nie viel Schlaf bekam. Doch egal wie kurz die letzte Nacht für den Schwarzhaarigen war, so war sie doch eine der entspanntesten Nächte in seinem Leben. Auch sein Morgen hätte nicht schöner anfangen können, dachte er sich, als er dem Drummer, welcher mit leicht geöffnetem Mund neben ihm in seinem Bett lag und schlief, durch die zerzausten Haare strich.
 

Was Umi dabei allerdings nicht wusste war, dass nicht Tohya, sondern er selbst an seinem eigenen Geburtstag jemandem das größte Geschenk gemacht hatte;

Nämlich Tohya den Moment erleben zu lassen, einmal in den Armen des Gitarristen, in welchen er schon so lange verliebt war, aufwachen zu dürfen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Gedankenchaotin
2016-02-24T17:48:13+00:00 24.02.2016 18:48
Awww, das ist so süß. <3
Anfangs tat mir Umi ja echt leid, weil Tohya ihn einfach so vergessen hat,
obwohl der ja eigentlich gar nichts dazu konnte.
Aber vielleicht war das auch gar nicht so verkehrt,
immerhin haben sie so endlich zu einander gefunden. oô





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