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Deep End

Malec
von

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Deep End

Es war bereits spät am Abend, als Alec vor der großen Tür in Brooklyn stehen blieb. Mit einem Seufzer kramte er in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel.

Er war viel länger im Institut geblieben als erwartet. Seit er nicht mehr dort lebte, ließen seine Geschwister und seine Mutter ihn nur ungern pünktlich wieder nach Hause gehen. Nur zu oft begann Jace mit ihm über Waffen und neue Trainingsmöglichkeiten zu reden, wenn Alec sich erheben wollte. Isabelle plapperte gern auf ihn ein und seine Mutter bekam oft diesen traurigen, distanzierten Blick, sobald er wieder in seine (und Magnus‘) Wohnung zurückkehren wollte.
 

Auch heute war nicht anders gewesen. Und auch wenn er jetzt „nur“ drei Stunden später daheim war als mit Magnus vereinbart, ärgerte er sich nicht über das Verhalten seiner Familie. Und er wusste, dass auch Magnus verstand, wieso er so oft spät nach Hause kam.

Nur für das geplante Dinner konnte es jetzt bereits zu spät sein…
 

Als er endlich den Schlüssel gefunden hatte, schob er diesen in das Schloss und öffnete mit einem leisen „Klick“ die Eingangstür. Noch bevor diese hinter ihm wieder zuging, konnte er laute, aufgebrachte Stimmen im Treppenhaus wahrnehmen.

Sicherlich wieder die Familie im Stock untendran… Es war für Alec nichts Neues, dass die Familie lautstark miteinander diskutierte. Inzwischen wusste er mehr über die dort Lebenden, als ihm lieb war.
 

Immer 2 Treppenstufen auf einmal nehmend ging der Schwarzhaarige so schnell er konnte nach oben.

Als er jedoch an der Wohnungstür seiner Nachbarn ankam, blieb er kurz stehen. Die lauten Stimmen kamen nicht von dort. Sie kamen von weiter oben.

Ohne lange nachzudenken lief Alec die Stufen hoch und blieb geräuschlos vor der Tür zu seiner und Magnus‘ Wohnung stehen. Ebenso vorsichtig und leise öffnete er die Tür und warf einen Blick hinein.
 

„Der Zauber kann doch nicht so schwer sein! Wieso unterstützt du mich nicht dabei?!“, hörte Alec eine dunkle, verärgerte Stimme. Er drückte sich leise in die Wohnung, schloss unbemerkt die Tür und schob sich mit dem Rücken an der Wand den kleinen Flur entlang, bis er einen Blick in das große Wohnzimmer werfen konnte.

Dort stand ein großer Mann mit breitem Kreuz. Die muskulösen Arme waren angespannt – sowie seine gesamte Haltung. Aus seinem Oberteil ragte ein großer echsenförmiger Schweif – bestückt mit Schuppen und Stacheln, die in Form eines großen V’s auseinander liefen. Der Schweif schien wie eine Verlängerung der Wirbelsäule und zuckt aufgebracht hin und her.
 

Ein Warlock.
 

Ihm gegenüber stand Magnus. „Das nicht. ICH für meinen Teil könnte ihn auch alleine ausführen.“ Magnus Kinn war hochgezogen, sein Blick durchdringend und warnend. Obwohl Magnus kleiner war als der fremde Warlock, behielt er eine starke Präsenz und ließ sich von der Wut des ihm gegenüber nicht einschüchtern.

Zumindest war es das, was Magnus dem vermeintlichen Klienten vermittelte.
 

Alec wusste es besser – kannte ihn besser als alle anderen.

Er konnte sehen, dass Magnus angespannt war. Bereit war, im direkten Notfall seine Magie anzuwenden. Er konnte auch den leichten Schimmer der Furcht in Magnus‘ Augen sehen; der, der sich seit der Rückkehr aus der Höllendimension seines Vaters vor wenigen Wochen immer wieder auf ihn legte.

Alec’s Herz zog sich ein wenig beim Anblick der Verletzlichkeit seines Freundes zusammen. Einerseits war er froh, endlich durch die Maske von Magnus hindurchblicken zu können; andererseits wollte er seinen Freund in solchen Augenblicken am liebsten immer an sich drücken und ihm so seinen Schmerz nehmen.
 

Sein Blick flog schlagartig wieder auf den fremden Warlock zurück, als dieser einen bedrohlichen Schritt auf Magnus zuging. „Du kleiner Klugscheißer, ich zeig dir gleich--“

Alec handelte instinktiv und während Magnus einen Schritt zurückwich, die Hände hob und in diesen bereits blaue Funken sprühten, lief der Schwarzhaarige mit schnellen festen Schritten zu den beiden. Ohne ein Wort zu sagen schob sich Alec neben Magnus und blieb schräg vor ihm stehen. Mit einem schnellen Blick musterte er Magnus, um zu sehen, ob er bereits verletzt war. Als er erleichtert feststellen konnte, dass dies nicht der Fall war, traf sich sein Blick mit dem von Magnus.

Er erkannte deutlich die Erleichterung darin, sowie auch die Freude, Alec zu sehen. Und auch die angespannte Haltung des Warlocks lockerte sich etwas. Alec schenkte ihm ein Lächeln, ehe er sich zu dem fremden Warlock drehte und diesen mit einem eisigen Blick traf.
 

Der Fremde stockte kurz, als er einen Blick auf Alec warf. Zähneknirschend presste er ein leises „Shadowhunter..!“ hervor. Der Angesprochene verschränkte die Arme vor der Brust und ließ den Warlock nicht aus den Augen. Mit einem lauten Knall schlug der Echsenschwanz des Warlocks auf den Boden auf. „Brauchst du etwa einen Babysitter, Magnus? Kannst du das hier sonst nicht allein?“ Mit einem fiesen Grinsen entblößt der Warlock scharfe Zähne und seine Augen huschten von Magnus zu Alec und wieder zurück.

Allmählich war sich Alec nicht mehr sicher, ob es sich hierbei wirklich um einen Warlock handelte, oder um einen durchgedrehten Dämon.
 

Ein leiser Seufzer entkam Magnus und Alec wusste genau, dass er sich gerade mehr Gedanken um den persischen Teppich machte, auf den gerade der Schwanz des Fremden geknallt war. „Isaac, ich sage dir jetzt, was ich dir seit 200 Jahren sage: Dieses Gespräch ist beendet. Ich werde dir nicht helfen, such dir einen Anderen!“

Erbost kam er wieder einen Schritt näher. „Es gibt keinen Anderen, der mir dabei hilft, und das weißt du auch! Verdammt, Magnus!“ Der Schweif knallte ein weiteres Mal auf den Boden.
 

Sobald der Schweif auf dem Boden aufgekommen war, schnellte Alec nach vorne. Die Überraschung stand Isaac ins Gesicht geschrieben, als der Schwarzhaarige ihm mit einem gezielten Tritt in die Kniekehle den Halt unter dem Boden nahm. Und mit einem gezielten Hieb mit dem Ellbogen flog der Warlock auf den Rücken. Der Schwarzhaarige baute sich direkt über dem Warlock auf und brachte einen Fuß auf den Schwanz herunter. Ein leises Zischen signalisierte ihm, dass der Schwanz wohl etwas sensibler war.

„Ich glaube, es ist Zeit zu gehen.“ Um seinen Worten noch etwas Nachdruck zu verleihen, übte Alec nochmals kurz etwas Druck auf den Echsenschwanz aus, ehe er wieder ein paar Schritte zurück ging.
 

Isaac schnaubte wütend aus, als er sich aufrichtete. Sein Blick war düster. „Das wirst du noch bereuen, Magnus!“ Dieser verschränkte nur die Arme und ließ seine Lippen zu einem dünnen Grinsen nach oben gleiten. „Du weißt ja, wo die Tür ist.“

Fluchend drehte Isaac sich um und verließ das Wohnzimmer. Das laute Knallen der Tür signalisierte, dass er die Wohnung verlassen hatte. Verwundert sah Alec dem Warlock nach und versuchte die letzten Minuten in seinem Kopf nochmals revue passieren zu lassen.
 

Als sich Arme um seine Taille und ein Kopf auf seine Schulter legte, entspannte auch er sich wieder. „Das war perfektes Timing, Darling! Länger hättest du nicht auf dich warten lassen sollen!“ Der Shadowhunter lehnte sich etwas zurück, während eine seiner Hände sich auf die von Magnus legte. „Um ein Haar hätte ich diese nette Bekanntschaft verpasst.“

Ein eher genervter Seufzer drang an seine Ohren. „Isaac? Oh ja, er ist ein wahrer Gentleman.“ Der Kopf des Warlock schmiegte sich etwas an Alec's Hals. „Er kommt schon seit langer Zeit immer mal wieder zu mir und verlangt immer dieselbe Sache. Nur um jedes Mal wieder weggeschickt zu werden.“ „Was ist es denn, was er will?“ Alec spürte weiche Lippen an seinem Nacken und konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Früher hatte Magnus auch so gern das Thema gewechselt. Jetzt wusste er jedoch, dass der Warlock ihm offener und ehrlicher als je jemandem zuvor entgegen kam.

„Vor knapp 200 Jahren hat er seine große Liebe verloren. Er hat einen Dämon heraufbeschworen, um sie zu beeindrucken. Doch der Dämon nahm ihr das Leben und verfluchte ihn. Daher der wunderschöne Schwanz. Passend zu seinem Warlockzeichen, den scharfen Zähnen.“ Der Schwarzhaarige nickte und zog mit seinem Finger kleine Kreise auf Magnus' Handrücken. „Er will sich an dem Dämon rächen. Und sucht jemand, der ihn mit ihm zusammen heraufbeschwört. Quasi als Backup. Aber so romantisch das Ganze auch klingen mag, bin ich nicht daran interessiert ihm zu helfen.“ „Weil er es selbst zu verschulden hat?“ Magnus nickte und drückte seinen Kopf wieder etwas an Alec's Hals.

„Ich schicke ihn jedes Mal weg, aber er findet mich immer wieder und fragt jedes Mal mit einem neuen törichten Plan.“
 

Kurz verharrten beide so, ehe Alec leise fragte: „Aber was war dieses Mal anders?“ Alec's Worte schienen Magnus an einer wunden Stelle zu treffen; dieser zuckte kurz zusammen und schwieg.

Alec verstand jedoch direkt; er wusste ja, dass Magnus seit der Entführung von Sebastian und der Begegnung mit seinem Vater noch immer schreckhafter und verletzlicher war. Es war also kein Wunder, dass er Isaac dieses Mal nicht so schnell loswerden konnte.

Genau das war einer der Gründe, wieso Alec mehr denn je bei Magnus sein wollte. Um ihm zu zeigen, dass alles okay war und damit Magnus dieses Erlebnis hinter sich bringen konnte.

Und auch ein klein wenig, weil er selbst das Gefühl nicht vergessen konnte; die Angst, Magnus nie wieder zu sehen und ihn für immer verloren zu haben.
 

Er drehte sich in der Umarmung herum und traf den Blick der goldgrünen Katzenaugen, in denen genau die Emotionen lagen, die Alec vermutet hatte. Eine seiner Hände schob sich an Magnus' Wange entlang bis in die tiefdunklen Haarspitzen. Dieser schloss daraufhin die Augen und lehnte seinen Kopf der Berührung entgegen. Das zaghafte Lächeln seines Geliebten reichte ihm vollkommen, um den Größeren zu sich herunter zu ziehen und ihn sanft zu küssen. Die andere Hand schob sich an den unteren Rücken von Magnus und drückte ihn an sich. Den Kuss erwidernd schlängelte Magnus seine Arme um den Nacken des Shadowhunters und drückte sich ihm ebenfalls entgegen.

Für einen Moment verharrten sie so; eng umschlungen, während ihre Lippen in einem zärtlichen Rhythmus miteinander tanzten.

Magnus löste sich zuerst aus der Umarmung; er öffnete die Augen, sah Alec mit einem liebevollen Blick an, ehe er ihm noch einen Kuss auf die Wange gab. „Wenn wir uns beeilen, haben wir noch eine Chance den reservierten Tisch zu bekommen.“, säuselte er leise. Alec ließ seine Hände nach unten gleiten, ergriff eine Hand von Magnus und zog sie zu seinen Lippen, um einen Kuss darauf zu hauchen. Ein kleines Lächeln trat auf seine Lippen und für einen kurzen Moment waren alle Sorgen wieder vergessen. „Dann lass uns gehen.“
 

Keiner von beiden hätte damit gerechnet, was als nächstes passiert; Alec lief voraus in Richtung des Flurs. Als er an der Ecke ankam, traf ihn etwas Festes mit Schuppen bestücktes in der Magengegend und schleuderte ihn zurück auf den Wohnzimmerboden. Ihm blieb die Luft weg und für einen kurzen Augenblick war sein Sichtfeld durch weiße Punkte betrübt. Es dauerte einige Sekunden, ehe er die verschiedenen Geräusche um ihn herum zuordnen konnte.

Das Zischen und die tiefe Stimme des Warlocks, von dem sie geglaubt hatten, er hätte die Wohnung verlassen. Das donnernde Geräusch des Schwanzes, der gegen die Wand und den Boden schlug. Das Knistern der blauen Flammen, die sich in Magnus‘ Händen bildeten. Sein eigener Name, gerufen mit einer Mischung aus Besorgnis und Wut, drang ihn an seine Ohren.

Schnell blinzelnd versuchte der Shadowhunter sein Sichtfeld zur normalisieren und sich wieder aufzurichten. „Das reicht jetzt endgültig, Isaac!“, hörte er Magnus‘ Stimme. Voller Zorn.

Er setzte sich auf und betrachtete die Situation vor ihm. Magnus stand direkt vor ihm, aus seinen Händen sprühten Funken und Alec konnte sich denken, dass seine Katzenaugen mit weiten Pupillen auf den Anderen fixiert waren.
 

Der Schwanz des Warlocks schnellte vor; bevor Alec aufstehen konnte, blockte Magnus diesen mit seiner Magie ab. „Du hast mich immer und immer wieder abgewiesen, Magnus!“ Ein weiterer Angriff mit dem Schwanz, den Magnus wieder abwehrte. „Du hast keine Ahnung, wie sich das anfühlt, die große Liebe zu verlieren!“ Ein dritter Angriff; dieses Mal wehrte Magnus wieder ab und schleuderte Isaac daraufhin mittels Magie zurück an die Wand. Dieser grunzte laut auf.

„Deine letzte Chance; verlass auf der Stelle meine Wohnung!“ Magnus‘ Stimme war noch dunkler und bedrohlicher geworden. Doch als Alec Isaac kichern hören konnte, wusste er, dass dieser unbeeindruckt war. „Erst will ich dir zeigen, wie sich das anfühlt…!“ Er stütze sich an der Wand ab und schnellte so auf Magnus zu. Es kam zu einem unglaublich schnellen Schlagabtausch; ein Schlag mit dem Schwanz von ihm, ein Angriff mit Magie von Magnus. Beide wehrten ab und wurden dennoch oft genug voneinander getroffen.

Ohne länger zu zögern sprang Alec auf die Beine. Er wusste genau, dass er handeln musste. So schnell er konnte lief er an den beiden Warlocks vorbei. Isaac bemerkte ihn, doch Magnus warf ihm einen glühenden Magieball entgegen. Den Moment nutzend hechtete Alec zur Eingangstür. Dort im Wandschrank lagerte er inzwischen einige seiner Waffen – damit er laut Magnus kein Dämonenblut und Schmutz in die Wohnung brachte.
 

Er riss die Schranktür auf, zog eine Klinge hervor und drehte sich wieder zum Geschehen um. Gerade, als er die Tür wieder zufallen ließ, sah er, dass Isaac bereits vor ihm stand. Magnus war zur Seite gestoßen worden und stützte sich gerade an der Wand ab. „Alexander!“ Schnell hob Alec die Seraphklinge, doch der Warlock vor ihm war schneller. Er packte ihn am Hals und warf ihn einmal über seine eigene Schulter und hinter sich auf den Boden. Der Aufprall nahm Alec ein weiteres Mal den Atem. Doch sein Griff um die Seraphklinge war noch immer fest. Sobald er die Augen wieder öffnete, wollte er die Klinge aktivieren, als sein Blick auf einen Dolch mit einer schwarzen Klinge fiel, den Isaac in seiner Hand hielt „Sieh zu, Magnus. Ich werd zeigen, wie sich das anfühlt!“

Die Klinge sauste auf Alec herunter. Das Grinsen des Warlock war kalt und erbarmungslos. Alec umklammerte den Griff der Seraphklinge noch fester, flüsterte leise „Raphael!“ und hob die Klinge bereits an, als sich Magnus in sein Sichtfeld schob. Er stieß Isaac zurück und erstarrte im selben Moment.
 

Plötzlich hielten alle Bewegungen inne. Isaac's Blick wanderte schockiert von Magnus' Gesicht zu seinem Bauch. Alec's Augen hingegen bohrten sich in die unbewegliche Form seines Warlocks.

„Magnus...“ Magnus sank ohne ein weiteres Wort zu Boden und blieb dort regungslos liegen. Der Dolch mit der schwarzen Klinge ragte aus seinem Bauch heraus.

Wie in Trance blickte der Shadowhunter von dem Griff des Dolches, zum Gesicht seines Freundes, in das Gesicht des fremden Warlocks. „D-Das... Das war ein...“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen hob Alec die schimmernde Klinge in seiner Hand und stieß sie dem Warlock in die Brust.
 

Er wartete noch nicht einmal, bis Isaac zu Boden ging. Reflexartig zog er Magnus zu sich und umfasste dessen Gesicht. „Magnus...!“ Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in ihm aus. Das sonst so strahlende Gesicht begann schnell blasser zu werden.

Alec wusste nicht, wie das alles passieren konnte. Und er wusste nicht, was er tun sollte. Was war das für ein Dolch? Er hatte ihn schonmal in einem Buch gesehen...

Es trat kein Blut aus der Wunde, doch die Haut um die Klinge herum färbte sich gräulich.

Konnte er den Dolch herausziehen? Wieso bewegte sich Magnus nicht mehr? Wieso war da kein Blut?

Zum ersten Mal seit Wochen fühlte Alec sich wieder so hilflos; er konnte sich nicht mehr in den Sinn rufen, was das für eine Waffe war und welche Auswirkungen sie haben könnte.
 

Sanft strich er mit den Fingern über Magnus' Wange. „Magnus, hörst du mich?“ All die Ängste der letzten Wochen schienen ihn mit voller Wucht erneut zu treffen. Das Gefühl, mit einem Mal leer zu sein und alles verloren zu haben, ließ ihn nicht mehr los. Früher hatte er diese Probleme nicht gehabt.
 

Aber früher hatte er auch nicht geliebt...
 

Das Klingeln eines Handys ließ ihn aus der Starre aufschrecken. Es war der Klingelton, den Alec bereits öfters gehört hatte; Magnus' Handy. Er fischte es aus der Tasche seines Freundes und sah auf das Display. In leuchtenden Buchstaben erschien der Name „Catarina“ und plötzlich durchfuhr es Alec wie ein Blitz. Schnell drückte er auf den kleinen grünen Hörer und schob sich das Handy zwischen Schulter und Ohr. „Catarina, hier ist Alec.“ Er erschrak selbst beim Klang seiner Stimme. Zittrig und fremd erschien sie ihm. „Ich brauch deine Hilfe! Magnus... Er--!“
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Mit einem Schlag war Magnus von Dunkelheit umgeben. Er sah an sich herunter und konnte nur sehen, dass er auf einem dunklen Weg stehen musste. Prüfend hob er seine Hände, musste jedoch direkt feststellen, dass er keine Magie einsetzen konnte, um die Umgebung zu erleuchten. „Wo bin ich hier?“

Sein Blick wanderte umher, doch egal wohin er auch sah, fand er nichts als Dunkelheit.
 

Wo war er hier? Wie war er hergekommen? Und..

„Alexander? Alexander, hörst du mich?“ Er rief in die Dunkelheit hinein. Doch er bekam keine Antwort. Nur eine bedrückende Stille, die sich auf sein Herz zu legen schien.

Er wusste nicht, wo er war. Aber er war allein.

Krampfhaft versuchte er sich daran zu erinnern, was er zuletzt gemacht hatte. Wie er hierhergekommen war.

Und wieso ihm so kalt war.

Sich einmal um die eigene Achse drehend versuchte er irgendetwas zu sehen. Während er sich mit den Händen über die Arme rieb, um etwas wärmer zu werden.

Das alles wirkte wie ein Traum... Eine Illusion? Vielleicht ein Trick?

Irgendetwas verriet Magnus, dass das nicht real war.
 

Plötzlich tauchte eine Gestalt vor ihm auf. Er sprang zurück, weil er sie zuvor nicht gesehen hatte. Die Gestalt vor ihm war blutüberströmt. Die Haut und das Gesicht waren schwarz – als wäre die Gestalt zuvor durch ein Feuer gegangen. Die Augen bohrten sich tief in die von Magnus und die Hände der Gestalt griffen nach Magnus' Armen.
 

„Wieso hast du mich nicht in die Sonne gehen lassen, Magnus?“ Die Stimme. Das silberne Kreuz, das um den Hals der Gestalt hing.

Magnus' Augen weiteten sich. Er stieß die Gestalt von sich weg und stolperte zurück. „Raphael...“, hauchte er leise.
 

Der Vampir ließ sich nicht von ihm beirren; er streckte die Hände nach Magnus aus und lief langsam auf ihn zu. „Wieso, Magnus? Dann hätte ich nicht in diese Hölle müssen! Dann wäre ich nicht von Sebastian getötet worden!“

Jeder Schritt, den Raphael auf ihn zukam, wich Magnus einer zurück. Er konnte spüren, wie er stärker zu zittern begann. Die Kälte in ihm schien immer größer zu werden.
 

Das war nicht real. Es war nicht echt. Es konnte nicht echt sein.
 

Magnus blieb nach kurzem Zögern stehen und kniff die Augen zusammen. „Du bist nicht real. Das alles hier ist nicht echt!“

Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken herunter, als er die kalten Hände auf seinem Arm spürte. Plötzlich spürte er den kalten Atem des Vampirs in seinem Nacken.
 

Er stieß ihn weg und riss dabei die Augen wieder auf.

Doch noch bevor er diese richtig geöffnet hatte, blickte er wieder der Dunkelheit entgegen. Raphael war weg.

Das Zittern in seinem Körper verstärkte sich und Magnus spürte ein stechen in seiner Magengegend. „Was war das...?“
 

Langsam drehte Magnus sich wieder und entdeckte eine weitere Gestalt etwas weiter entfernt von ihm. Diese hatte eine grüne Haut und war ebenfalls blutüberströmt. Magnus blieb der Atem stocken, als er mit ansah, wie die Person von einer unsichtbaren Macht auf den Boden gedrückt wurde. Ein lauter Schrei erfüllte die Stille, ehe auch diese Gestalt wieder verschwand.
 

„Ragnor!“ Magnus lief schnell an die Stelle, an der er eben noch Ragnor gesehen hatte. Doch dort auf dem Boden lag jemand anderes. Die Person, die dort lag, hatte lange blonde Haare. Sie schien in einem Meer aus weißen Rosen zu liegen, welche stellenweise mit Blut befleckt waren.
 

Camille.
 

Magnus wich wieder einige Schritte zurück.

Was war das nur für ein Ort?
 

Er versuchte seine Gedanken zu sortieren. Doch als er sich wieder umsah, erkannte er plötzlich, dass sich mehrere Gestalten in seiner Nähe befanden. Es schienen alles Menschen, Shadowhunter und Downworlder zu sein, die er schon einmal getroffen hatte. Sie alle sahen ihn mit weit aufgerissenen Augen und Mündern an; das bloße Entsetzen in den Augen und die stummen Schreie in der Luft, zeigten sie alle in eine Richtung.

Magnus' Atem ging schneller, als er begann das alles zu realisieren. Langsam drehte er sich wieder zu der Stelle um, wo Camille zuletzt war. Doch an dieser Stelle stand nun sein Vater. Genau so, wie er ihn aus der Höllendimension noch in Erinnerung hatte. Sein Gesicht war zu einem fiesen Grinsen verzerrt und er bewegte die Lippen; doch es drangen keine Worte an Magnus' Ohren.
 

Die Schwere auf seiner Brust wurde größer und die Luft um ihn noch kälter. Langsam drehte er sich wieder zurück und blickte in die Richtung, in die die ganzen Gestalten zeigten.
 

Einen zitternden Atemzug nehmend begann er langsam, einen Schritt vor den anderen zu setzen.

Er wusste nicht, wo er war. Und er wusste nicht, ob es eine gute Idee war, weiter in die Dunkelheit zu gehen. Aber er wusste genau, dass er nicht hier stehen bleiben konnte. Und dass er vorankommen musste.
 

Also lief er los.

Die Augen stur nach vorne gerichtet, um nicht in die verzerrten Gesichter um sich herum blicken zu müssen.
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

„Bring mir die Kräuter rüber, Alec!“ Alec eilte in Magnus' Arbeitszimmer und zog ohne lange zu suchen die benötigten Behälter mit den Kräutern aus dem Regal. Schnell lief er zurück ins Wohnzimmer und zur großen Ledercouch. Auf ihr lag Magnus. Lebloser und blasser als je zuvor. Beim Anblick musste Alec schwer schlucken.

Catarina saß direkt vor ihm. Konzentriert überflog sie einige Passagen aus einem Medizinbuch.
 

Catarina war direkt nach dem Anruf mittels Portal in Magnus' Wohnung gekommen. Sie hatte ihn angerufen, um ihn vor Isaac zu warnen, den sie am Tag zuvor in der Stadt gesehen hatte. Als sie in der Wohnung auftauchte, erblickte sie zuerst dessen toter Körper auf dem Boden. Anschließend Alec, der Magnus' Kopf auf seinem Schoß hatte und sie mit leerem Blick anschaute. „Was ist passiert?“ Catarina war schnell an Alec's Seite und musterte Magnus. Ihr Blick blieb an dem Dolch haften, der noch immer in dessen Körper war.

„Ich wusste nicht, ob ich ihn heraus ziehen kann...“ Für einen kurzen Augenblick betrachtete sie den Dolch noch, ehe sie eine Hand auf Alec's Schulter legte. „Hättest du ihn herausgezogen, wäre das sein Tod gewesen. Dieser Dolch ist mächtiger, als er scheint. Getränkt mit dem Blut eines Warlocks, verflucht von einem Dämon, wirkt der Dolch als Gefäß für ein unglaublich starkes Gift...“ Ihr Blick haftete sich in Alec's blaue Augen und er konnte darin so viel sehen. All die Jahre, Erfahrungen, Verluste und Erinnerungen, die sie in ihrem Leben bereits gesammelt hatte. Vor allem aber, wie ernst die Lage wirklich war. „Es nimmt jedem Lebewesen die Kraft, verhindert eine Selbstheilung und führt den Betroffenen langsam zum Tod. Doch sobald man den Dolch herauszieht, gelangt das Gift in die Blutbahnen und wirkt innerhalb weniger Minuten..“
 

„Alec?“ Die sanfte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte zurück zu Catarina, die noch immer auf dem Boden saß. Das Buch hatte sie beiseitegelegt und sie streckte ihm erwartungsvoll die Hände entgegen.

Vorsichtig reichte er ihr die Behälter. „Wie geht es jetzt weiter?“ Seine Stimme erschien ihm noch immer so fremd und kalt. Seine Augen wanderten immer wieder zu Magnus zurück, dessen Gesicht angespannt und schlaff zugleich wirkte.
 

„Ich werde dieses Gegengift zusammenbrauen. Das wird aber alleine nicht reichen...“ Langsam glitt sein Blick wieder zu ihr zurück. Sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe, ehe sie fortfuhr. „Wir müssen ihm den Dolch herausziehen. Gleichzeitig das Gegengift einflößen. Danach kann ich anfangen ihn mit meiner Magie zu stabilisieren. Doch heilen muss er sich am Ende selbst...
 

Durch das Gift wird er im Schlaf mit Ängsten und Gefahren konfrontiert sein, die ihm seine Kraft nehmen werden. Am Ende… muss er sich selbst heilen. Aber...“ Sie wandte den Blick wieder ab. „Ich weiß nicht, ob er in diesem Zustand stark genug dafür sein wird...“
 

Eine unangenehme Stille breitete sich im Raum aus. Catarina begann die Kräuter zusammen zu mischen. Der Schwarzhaarige stand regungslos da. Der Blick wanderte zurück zu Magnus.

Wenn er sich nur nicht so hilflos fühlen würde.
 

Er ballte die Hände zu Fäusten, spürte den leichten Druck seiner Nägel in der Handinnenfläche.
 

Wenn eine Rune doch nur genug wäre. Wenn er doch einfach ein Iratze auf Magnus zeichnen konnte, um ihm zu helfen. Oder eine Schutzrune.

Zum zweiten Mal in seinem Leben bekam Alec das Gefühl, dass es nicht ausreichte, ein Shadowhunter zu sein. Wieso konnte er nicht über Magie verfügen? Wieso konnte er der ihm wohl wichtigsten Person nicht helfen?

Wieso konnte er Magnus nicht seine Kraft geben, wie er es sonst immer tat...?
 

Plötzlich stockte Alec. Der Blick, der zuvor auf Magnus geruht hatte, wanderte an seinem eigenen Arm hinab. Und blieb an einer bereits verblassten Rune hängen, die man nur noch schemenhaft erkennen konnte.

„Ich weiß, was wir tun können...“, murmelte er erst. Unbewusst glitt seine Hand zu seiner Stele, die er immer bei sich trug. „Was meinst du damit, Alec?“, drang ihm Catarina's Stimme wieder ans Ohr. Er wand sich ihr wieder zu. „Die Allianz Rune.“ Die Rune, die Clary damals erschaffen hatte, als sie gegen Valentine in die Schlacht zogen. Die Rune, die es ihm und Magnus erlaubt hatte, ihre Kräfte zu teilen.
 

„Vielleicht kann ich ihm durch die Rune meine Kraft geben. Dann kann er sich wieder heilen.“ So, wie er es schon ein paar Mal getan hatte.

In Catarina's Augen leuchtete ein kleiner Hoffnungsschimmer auf und auch Alec spürte, wie sein Herz wieder etwas schneller schlug. „Das könnte funktionieren. Lass es uns versuchen!“
 


 

Die Vorbereitungen waren schnell abgeschlossen. Catarina stand neben Magnus, um den Dolch herausziehen zu können. Alec hingegen kniete sich neben Magnus' Kopf und strich mit seinen Fingern sanft ein paar Haarsträhnen zur Seite.

Er beugte sich zu ihm und hauchte einen sanften Kuss auf dessen Lippen. „Magnus...“ Unausgesprochen blieben all seine Gedanken in diesem Moment.

Komm zu mir zurück...

Du kannst nicht gehen...

Ich werde dich retten.
 

Ich liebe dich.
 

„Bereit?“ Er blickte nicht mehr auf. Er nickte Catarina nur zu und sah, wie sie aus den Augenwinkeln ihre Hand um den Griff des Dolches legte. Er selbst stütze Magnus' Kopf etwas und hob ihn am, um ihm das Gegengift einzuflößen. „Los!“ Alles weitere geschah unglaublich schnell;

sie zog den Dolch, während Alec Magnus das Gegengift einflößte. Sobald der Dolch aus Magnus Bauch gezogen war, trat dunkel schimmerndes Blut an die Oberfläche. Sofort legte Catarina ihre Hände über die Stelle und ein sanftes warmes Leuchten schien aus ihnen heraus zu kommen.

Alec zog seine Stele und begann einen Teil der Allianz Rune auf seinen Arm zu zeichnen. Sobald er damit fertig war, ergriff er Magnus' Unterarm und zeichnete den anderen Teil der Rune an dieselbe Stelle, an der dieser auch schon bei der Schlacht in Idris gewesen war.

Sobald er fertig war, konnte er es deutlich spüren: Das Ziehen in seinem Brustkorb, das verdeutlichte, dass seine und Magnus' Kraft miteinander verschmolz. Anders als letztes Mal spürte er jedoch auch eine Schwere, die ihm das Atmen schwerer machte.
 

„Funktioniert es?“, hörte Alec sich selbst sagen. „Ich hoffe es...“ Catarina's Stimme klang angespannt und konzentriert.

Alec wusste, dass auch sie viel ihrer Kraft auf diese Weise an Magnus weitergab. Und auch er spürte die Erschöpfung daher, dass Magnus seine Kraft benötigte.
 

Alec umfasste die Hand von Magnus, die an dem Arm war, wo auch die Rune war, mit beiden Händen. Er wollte etwas sagen. Wollte Magnus Mut zu sprechen. Oder sich selbst. Aber er fand nicht die richtigen Worte.
 

Du kannst es schaffen.

Du kannst aufwachen...
 

Alec drückte die Hand seines Geliebten und beugte sich vor zu dessen Gesicht.
 

Ich bin bei dir…
 

Er erinnerte sich daran, wie er Magnus aus der Zelle in der Höllendimension gerettet hatte; daran, wie er ihn beinahe dort wieder verloren hätte.

An die Sterne über ihren Köpfen, als sie sich das erste Mal nach dem Zwischenfall wieder geküsst hatten.

Die tiefsitzenden Gefühle, das Vertrauen, welches beide seither in ihre Beziehung einfließen ließen.
 

Ein weiteres Mal hauchte er Magnus einen sanften Kuss auf die Lippen. Wartete immer noch auf eine Reaktion oder ein Zeichen.
 

Er erinnerte sich daran, wie geborgen und sicher, wie richtig und vollkommen sich alles anfühlte, seit er wieder mit Magnus zusammen war.

Dass er nicht zögern würde, sein Leben für den Warlock zu opfern.
 

Als nach dem Kuss erneut keine Reaktion von diesem kam, beugte er sich zu Magnus' Ohr und flüsterte:
 

„Aku cinta kamu, Magnus.“
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Magnus blieb vor einer großen Scheune stehen. Er fühlte sich ausgelaugt und erschöpft. Trotzdem trieb ihn etwas dazu an, näher an die Scheune ran zu treten. Sie kam ihm so unglaublich bekannt vor.
 

Mit zitternden Händen legte er eine Hand an die Tür und schob diese langsam auf.
 

Er war auf vieles gefasst gewesen. Doch nicht auf das, was ihn darin erwartete.
 

Kaum hatte er einen Fuß in die Scheune gesetzt, fiel seine Aufmerksamkeit auf etwas, was sich wie ein Pendel hin und her bewegte. Wie erstarrt blickte er nach oben und sah direkt in das leblose Gesicht seiner Mutter. Die an einem der Balken der Scheune hang. Und vom Wind hin und her geschoben wurde.
 

„Mutter...!“ In diesem Moment gaben seine Knie unter ihm nach. Er spürte, wie er schwächer wurde. Doch er konnte seinen Blick nicht abwenden. Auch als ihm eine Träne über die Wange rollte, konnte er sich nicht dazu aufraffen, diese wegzuwischen. Sein Blick war fest in den ausdruckslosen Blick seiner Mutter gehaftet.
 

Erst, als er am Kragen gepackt und zur Seite geworfen wurde, konnte er seinen Blick abwenden. „Du Abschaum!“ Er blickte zu seinem Stiefvater hoch. Dieser blickte immer wieder von ihm zu seiner Mutter und zurück. Dann packte er Magnus am Hals und zog ihn etwas hoch zu sich. „Du Teufelsbrut! Du Monster!“ Er schlug Magnus mitten ins Gesicht. Bevor dieser jedoch auf den Boden fallen konnte, hatte er ihn bereits wieder gepackt und schlug ein weiteres Mal zu. „Du Mörder! Du hast sie getötet!“
 

Magnus konnte sich nicht wehren. Etwas in ihm schrie danach, sich mit allem zu wehren, was er hatte. Doch er schien wie gelähmt. Genau wie damals. Als er als kleiner Junge von seinem Vater verprügelt wurde. „Schau, was du getan hast!“ Sein Kopf wurde in die Richtung gedrückt, in der seine Mutter hang. Doch dort, wo vorher seine Mutter war, hang jetzt nur noch ein Skelett. „Du hast sie umgebracht! Du allein!“
 

Ein brennender Schmerz in seinem Unterarm war es, der Magnus aus seiner Trance heraus riss. Er warf seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Stiefvater, der ihn voller Hass anblickte. „Du kannst mir nichts anhaben! Ich hab dich vor langer Zeit getötet!“

Seine Worte schienen eine Reaktion hervorzurufen. Sein Stiefvater schien ihn noch erboster als zuvor anzusehen. „Das hast du. Und jetzt bin ich dran!“

Plötzlich drückte er Magnus nach unten und erst als dieser in das kühle Nass von Wasser gedrückt wurde, erinnerte er sich wieder ganz genau an diesen Moment. Damals hatte er sich gewehrt, bis er spüren konnte, wie sein Körper schlaffer und schlaffer wurde. Das war der Moment, als Magnus zum ersten Mal Magie gegen seinen Stiefvater einsetzte, und ihn in Flammen aufgehen ließ.
 

Doch so sehr er sich auch bemühte, so sehr er auch kämpfte und versuchte, seine Magie zu sich zu rufen, es blieb erfolglos. Durch die Wasseroberfläche sah er das Gesicht seines Stiefvaters. Hinter ihm das Skelett seiner Mutter. Und er hörte sein lautes, schallendes Lachen.
 

Der Druck auf seine Brust wurde unerträglich und Magnus spürte deutlich, wie er mehr und mehr nach Luft schnappen musste. Und er tat es, nur um einen Schwall Wasser zu schlucken.

Die Kälte und die Dunkelheit schienen die Oberhand zu gewinnen und Magnus konnte sich nur schwer bei Bewusstsein halten.

Das war es dann wohl. Dann hatte sein Stiefvater am Ende doch gewonnen...
 

Gerade, als er dachte, es wäre vorbei, verschwand das Gesicht seines Stiefvaters aus seinem Sichtfeld. Ein lauter Schrei und ein helles Licht drangen durch das Wasser. Magnus – zu geschwächt um sich zu bewegen und an die Oberfläche zurück zu kommen – blieb reglos in dem Wasser.
 

Dann schob sich eine neue Gestalt in sein Sichtfeld. Umgeben von einem hellen Licht konnte er zwei tiefblaue Augen ausmachen. Eine Hand drang durch die Oberfläche, packte ihn und zog ihn mit einem Ruck aus dem Wasser.
 

Keuchend tauchte Magnus auf und sank direkt vor dem See auf die Knie. Er stützte sich mit den Händen ab, während er die Luft um sich herum einatmete. Er zitterte noch mehr als zuvor, doch die Kälte schien langsam zu weichen.

Eine Hand schob sich in sein Sichtfeld. Eine Hand, die zu einem mit schwarzen und verblassten Runen gezierten Arm gehörte. Eine Hand, die er sofort wieder erkannte.
 

Ohne zu zögern ergriff er die Hand und wurde sanft auf die Beine gezogen. Sein Sichtfeld war verschwommen, doch inmitten des hellen Lichtes konnte er Alec sehen.

„Alexander... du bist hier...!“ Er umfasste die Hand noch fester und ging einen kleinen Schritt auf Alec zu.

Dieser blickte ihn wortlos an und für einen kurzen Moment rechnete Magnus mit dem Schlimmsten. Doch anstatt von Qual und Leid, Hass und Wut breitete sich in den tiefblauen Augen Liebe und Wärme aus.
 

Magnus konnte spüren, wie das Zittern in seinem Körper langsam nachließ und es ihm wieder wärmer wurde. Alec's Lippen bewegten sich und die Worte, die an seine Ohren drangen, berühten Magnus direkt tief in seiner Seele.
 

„Aku cinta kamu, Magnus.“
 

Dann wurde die Dunkelheit von dem hellen Licht umhüllt.
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Schlagartig öffnete Magnus die Augen. Sein Atem ging schnell und unregelmäßig und auch sein Herz schlug schneller als er es gewohnt war. Panisch wanderten seine Augen von einer Seite zur anderen und versuchten sich an das helle Licht und die Umgebung zu gewöhnen.

Erst nach ein paar Minuten konnte er erkennen, dass er in seiner Wohnung war.
 

In Sicherheit.

Am Leben.
 

Mühsam versuchte er sich aufzurichten, stockte jedoch auf halbem Weg, als er einen stechenden Schmerz in seiner Magengegend spüren konnte. Schlagartig wurde ihm schwarz vor Augen und er spürte sich wieder zurück sinken. Doch er fiel nicht weit.

„Ich hab dich.“ Plötzlich spürte er zwei feste Hände an seinen Schultern, die ihn balancierten. Er roch den ihm wohl vertrautesten Duft und spürte die Wärme, die von dem Körper neben ihm ausging.

Langsam erstrahlte seine Sicht wieder und als er sanft auf den Rücken zurückgelegt wurde, konnte er in das tiefste Blau blicken.
 

„Du solltest besser noch etwas liegen bleiben, deine Wunde ist noch nicht ganz verheilt.“ Magnus hob seine Hand an und spürte erst jetzt, wie schwach er wirklich war. Seine Finger zitterten ungewohnt stark. Alec ergriff direkt seine Hand und drückte sie.

„Alexander… Was--“ Magnus stoppte. Es war, als würde mit einem Mal der gestrige Abend wieder vor ihm ablaufen. Isaac. Alec. Der Dolch. Dunkelheit. Die Alpträume.
 

Seine Gedanken wurden jedoch unterbrochen, als er Alec’s Lippen auf den seinen spürte. Der Kuss war stark und ungehemmt, voller Emotionen. Magnus ließ seine Augen wieder zufallen und erwiderte den Kuss. Alec vertiefte den Kuss und saugte an seiner Oberlippe, küsste ihn immer und immer wieder, bis Magnus das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.

Als sie sich voneinander lösten, schob der Shadowhunter seine Stirn an die von Magnus und sah ihm tief in die Augen. Magnus konnte so viel in dem Blick lesen. Seine freie Hand hob er an und strich zärtlich durch die schwarzen Haarsträhnen.
 

„Ich dachte, ich hätte dich verloren…“, flüsterte Alec und sah Magnus durchdringend an. Der Angesprochene spürte deutlich, wie wahr diese Worte waren. Ein leichter Schmerz zog sich durch Magnus‘ Brust und er ließ seine Finger weiter durch die Haarsträhnen wandern. „Das dachte ich auch…“

Jetzt erst bemerkte Magnus die schwarze Rune, die an seinem Unterarm war. Soweit er sich erinnern konnte, war die Rune doch bereits längst verblasst.
 

Auch Alec bemerkte, dass Magnus‘ Aufmerksamkeit auf der Rune lag. Er lehnte sich etwas zurück und setzte sich auf den Boden. Ließ die Hand seines Freundes jedoch immer noch nicht los.

„Der Dolch… hat mir meine Kräfte genommen, oder?“ Als Antwort erhielt er zuerst nur ein schwaches Nicken. Dann schilderte Alec ihm alles, was passiert war; angefangen vom Tod Isaac’s, über Catarina’s Hilfe, dem Gegengift, bis hin zur Rune.

Direkt nach seiner Schilderung kehrte kurz Stille zwischen den beiden ein. Magnus betrachtete seinen Freund genauer und schien erst jetzt die Erschöpfung in dessen Gesicht zu erkennen. Er musste schlucken bei dem Gedanken daran, was er ihm alles abverlangt hatte.
 

Abermals begann Magnus sich aufzusetzen; dieses Mal bewusst langsam und mit dem Gewicht mehr auf den Armen, damit er die Stelle um die Wunder herum nicht zu sehr beanspruchte. Ein weiteres Mal spürte er die starken Hände seines Freundes an seinem Rücken. Doch dieses Mal half Alec ihm dabei sich aufzusetzen. Allein zu wissen, dass der Shadowhunter ihn inzwischen so gut kannte und genau wusste, dass der Warlock jetzt nicht nur ruhig liegen bleiben konnte, war eine Wohltat für den Älteren.

Sobald Magnus saß, schlüpfte Alec auf den nun freien Platz neben ihn. Er setzte sich direkt neben ihn. Ihre Schultern berührten sich, ehe Alec seine Hand um Magnus' Taille legte und ihn an sich zog. Seinen Kopf legte er auf Magnus' Schulter ab und schob ihn an dessen Hals.
 

Magnus konnte den warmen Atem an der sensiblen Stelle spüren und hörte sich selbst seufzen. Seine Hand wanderte unbewusst wieder zu dem schwarzen Haarschopf und er streichelte Alec sanft.

Nach einer Weile wanderte sein Blick langsam zum Flur. „Wo ist er eigentlich?“, murmelte er.

Alec hob den Kopf nicht an. Es dauerte sogar so lange, bis er Antwort gab, dass Magnus dachte, er wäre bereits eingeschlafen. „Ich hab ihn nur in ein anderes Zimmer gelegt. Muss ihn nachher noch zusammen mit Jace wegschaffen.“ Ein bitteres Lächeln trat auf Magnus' Lippen. „So eine nette Überraschung.“, murmelte er.

Alec brummte kurz, ehe er seinen Kopf etwas weiter an Magnus' Hals schmiegte. „Ich wollte dich nicht allein lassen. Erst musste ich sicher gehen, dass es dir gut geht.“ Technisch betrachtet wäre er ja nicht allein gewesen. Mit Catarina in der Wohnung. Aber Magnus konnte genau erkennen, was Alec damit aussagen wollte.
 

Mit den Fingern umfasste Magnus eine Strähne und spielte mit den schwarzen Haaren. „Die Allianz Rune...“ Seine Finger wanderten langsam über Alecs Wangen und zogen dann kleine Kreise über seinen Hals bis zu seiner Schulter. Von Alec hörte er nur ein zustimmendes Brummen.

Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie erschöpft der junge Shadowhunter war. Er muss die ganze Nacht wach geblieben sein und nur darauf gewartet haben, dass Magnus aufwacht. Dazu noch muss Magnus einen großen Teil seiner Kraft beansprucht haben.

„Du weißt, wie riskant das war, oder?... Ich war nicht mal bei Bewusstsein und hab dir ohne es zu merken deine Kraft genommen...“ Alec's Kopf hob sich langsam von dem Platz an der Schulter und die blauen Augen trafen auf die katzenartigen goldgrünen Augen.

„Du kanntest das Risiko, das von diesem Dolch ausging. Und hast dich trotzdem dazwischen geworfen.“
 

Magnus musste kurz auflachen, zuckte jedoch gleich darauf zusammen, als er den stechenden Schmerz seiner Wunde spürte. Bevor Alec's Blick jedoch noch besorgter werden konnte, setzte er schnell wieder an. „Stimmt...“ Er schenkte dem besorgten Mann ein aufrichtiges Lächeln. „Weil ich für dich jederzeit mein Leben geben würde.“ Schon in der Höllendimension seines Vaters wusste er, dass er keine Sekunde zögern würde, sein Leben für das von Alec zu geben.

Auf Alec's Lippen bildete sich das kleine Lächeln, welches er nur Magnus schenkte. Auch wenn der Schrecken der Erlebnisse noch tief in seinen Augen geschrieben stand. Seine freie Hand legte er an Magnus' Wange und strich mit dem Daumen über dessen Wangenknochen. „Und ich würde nie zögern, dir all meine Kraft zu geben.“
 

Der Warlock lehnte sich der Berührung entgegen und ließ die Augen etwas in die Ferne wandern.
 

„In meinem Traum… da hab ich dich gesehen...“ Magnus wartete kurz, ob eine Reaktion dazu kam. Er nahm das Schweigen als Anreiz, weiter zu reden. „Ich sah meine Mutter... hängend... Und meinen Stiefvater. Er versuchte mich in einem See zu ertränken.“ Er konnte deutlich sehen, wie Alec schlucken musste. „Was ist... dann passiert, Magnus?“

„Kurz, bevor ich keine Luft mehr bekam… Verschwand er.. und ich wurde von dir aus dem Wasser gezogen. Du standst vor mir und hast hell geleuchtet.“ Wie ein Engel. „Das war, als ich es gehört hab“

„Was hast du gehört?“, fragte Alec leise.
 

Das kleine Lächeln stahl sich zurück in Magnus' Gesicht, als er sich etwas vorbeugte und Alec ins Ohr flüsterte: “Aku cinta kamu, Alexander.“

Er lehnte sich wieder zurück und konnte gerade noch sehen, wie sich Alecs Augen vor Überraschung weiteten, ehe er sich erneut zu dem Warlock vorbeugte, um Magnus leidenschaftlich zu küssen.
 

Für alles Weitere – wie der tote Warlock und die schlafende Catarina irgendwo in seiner Wohnung, eine genaue Schilderung von Magnus' Träumen oder auch seine Wunde, sowie Alec's Erschöpfung – war später auch noch Zeit.
 

Und so schob Magnus seine Hände an die Schulter von Alec und zog sich noch etwas näher an ihn ran. Er spürte Alec's Lippen, seine Hände, seine Wärme und Kraft; als wäre er endlich wieder vollkommen, ließ er sich in dem Kuss gehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  JunAkera
2016-02-15T09:38:26+00:00 15.02.2016 10:38
*//////* ich liebe die FF!
ehrlich, du hast alles eingebaut was ich so mag: bissl Fluff, Action, Drama und Malec ////
sie ist einfach perfekt, ich liebe sie total!
Du hast die Gefühle von den Beiden so gut wiedergegeben und auch die Ängste - vor allem von Magnus in der "Traumwelt" - sind so gut rübergebracht, mit allem was ihm wiederfahren ist ;///;
ich bin absolut begeistert und freue mich so, dass du die FF mir gewidmet hast und sie für mich entstanden ist!
Ich liebe dich ♥♥♥♥
Antwort von:  CookieNatsu
01.04.2016 18:07
Es freut mich so sehr, dass dir die FF gefällt >///u///< <33
Und ich bin froh, die Gefühle von beiden gut rüber gebracht zu haben.. Alec war da schon ziemlich schwer muss ich sagen!
Natürlich ist sie das <3 wenn nicht dir, wem dann? <3<3
Ich liebe dich auch ♥♥♥♥


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