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Alice in Magicland

Die Geheimnisse von Taleswood
von

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Der mysteriöse Besucher

Der Mann hatte alle Öllampen im Zimmer angezündet und stand im Rahmen der Balkontür. Er maß mindestens 6''3 und wirkte äußerst kräftig. Sein dunkelbraunes, gepflegtes Haar war akkurat zurückgekämmt. Auch seine Koteletten waren sauber getrimmt. Er trug eine dunkelblaue Weste über einem weißen Hemd und eine dazu passende Fliege. Es brauchte nichts, um zu erkennen, dass dieser Mann nicht aus dem East End kam.

„Wer... wer sind Sie?“, fragte ich, sichtlich fertig mit meinen Nerven. Eigentlich war es mir auch egal. Alles war mir egal. Er lächelte freundlich und löschte seine Zigarette.

„Ein Freund. Mein Name ist Jacob William Salem, aber die meisten nennen mich Jack. Ich habe dir vor vier Jahren dieses Zimmer zur Verfügung gestellt.“

Noch immer stand ich wie angewurzelt in der Tür. Ich bemerkte den Zylinder und den grauen Wollmantel auf meinem Bett.

„Sie sind der Mann, den ich auf dem Marktplatz traf, nicht wahr?“

Er nickte.

„Leider verlor ich dich in der City aus den Augen. Dann hatte ich mich hierhin aufgemacht, aber du warst schon weg. Also hielt ich es für das Beste, auf dich zu warten. Ich hoffe, ich habe dich nicht erschreckt“, lachte er. Ich zeigte keine Reaktion. Die Bilder steckten noch immer in meinem Kopf und folterten mich. Mr. Salem fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich zögerte. Vielleicht konnte er mir helfen. Wenn er dieses Haus betreten konnte, dann...
 

„Was bin ich?“, platzte es aus mir heraus.

„Was denkst du denn, was du bist?“

Was ich dachte? Ich starrte auf meine Hände und versuchte mir in aller Ruhe ihr Aussehen während des Vorfalls wieder in Erinnerung zu rufen. Glühender Stahl, brennende Fackeln... Nein, so etwas war doch unmöglich.

Aber tatsächlich war es nicht das erste Unerklärliche in meinem Leben und das wusste ich. Der verrückte Traum vor 4 Jahren, die Barriere um das Hotel, der Unbekannte, der über mich wachte... wie konnte ich mir überhaupt die ganze Zeit einreden, dass dies alles nur Zufall war? Es hatte einen höheren Sinn.

„Du beherrschst Magie, Alice. Das ist eine seltene, außergewöhnliche, aber auch gefährliche Gabe, die dir deine Eltern vermacht haben.“

„Meine Eltern haben mich verstoßen, als ich geboren wurde.“

Mr. Salem schüttelte traurig den Kopf und zündete sich eine weitere Zigarette an. Doch er benutzte keine Streichhölzer, sondern schnippte nur kurz mit den Fingern und entzündete so eine kleine Flamme in seiner Hand. Gebannt schaute ich dabei zu. Es wirkte unheimlich und doch faszinierend zugleich.

„Ich war mit ihnen sehr gut befreundet und kenne dich schon, seit du geboren wurdest. Deine Eltern haben dich aufrichtig geliebt. Leider kam es zu einem Vorfall, der sie dazu zwang, dich zu deinem eigenem Schutz ins Saint Peter's abzugeben. Sie baten mich, aus der Distanz ein Auge auf dich zu haben. Ein paar Wochen darauf verstarben beide.“

„Was... was war denn los?“

„Das habe ich leider nie erfahren. Ich hörte, sie wurden verfolgt, aber von wem und warum, das entzieht sich meinem Wissen.“

Ich schluckte schwer. Niemand konnte mir garantieren, dass mich dieser Mann nicht anlog, doch etwas brachte mich dazu, ihm zu glauben.

„Sie haben mich 'Alice' genannt. Ist... ist das mein richtiger Name?“

„Es ist der Name, den dir deine Eltern gaben. Wenn du allerdings 'Sarah' vorziehst, dann werde ich dich auch so nennen. Du bist alt genug, um selber zu entscheiden, was dein richtiger Name ist.“

Darüber musste ich nicht nachdenken. Alice. Alice. In meinem Kopf wiederholte ich den Namen immer wieder. Sein Klang wirkte auf mich beruhigend.

„Meine Eltern... was für Menschen waren sie?“
 

Mr. Salem setzte sich aufs Bett und bot mir den Platz neben ihm an. Ich zögerte, doch alles war besser, als weiter im Türrahmen zu stehen.

„Dein Vater, Samuel, war ein stolzer Magier und ein echter Freund. Er war fähig und gewitzt und immer da, wenn man ihn brauchte. Wir kannten uns schon seit unserer Kindheit und waren unzertrennlich. Deine Mutter, Claire, war eine wunderschöne junge Frau. Fürsorglich und liebenswert. Die Kleider, die ich dir geschenkt habe, gehörten ihr. Sie waren ein absolutes Traumpaar. Und deine Geburt hat sie nur noch glücklicher gemacht.“ Er machte eine Pause und schien sich eine Träne aus dem Auge zu wischen.

„Es traf mich schwer, als ich von ihrem Tod erfuhr. Ich weiß noch, dass ich zu ihnen sagte, dass alles in Ordnung käme und sie dich schon bald wiedersähen. Ich weiß, das ist nicht fair, ausgerechnet dir gegenüber das zu erwähnen, aber ich vermisse die beiden wirklich sehr.“

Ich konnte seine Trauer nur wenig nachvollziehen, immerhin hatte ich meine Eltern nie kennen gelernt. Doch Mr. Salems Ausführungen weckten in mir die Sehnsucht, sie einmal im Leben getroffen zu haben. Das Wissen, das dies unmöglich sei, machte mich traurig.
 

„Warum haben Sie mich nie aus dem Heim geholt?“, fragte ich ihn um das Thema zu wechseln.

„Tut mir leid, mir waren die Hände gebunden. Ich musste warten, bis du entweder entlassen wurdest, oder dich vorzeitig verabschiedet hast.“

„Und diese ganze Sache... der Traum und das Hotel und alles...“

„Um es einfach zu sagen: Ich hatte das alles schon vor Jahren vorbereitet. Der Rest war schnell getan.“

„Und warum haben Sie mich nicht direkt danach angesprochen?“

„Hättest du mir denn vertraut? Ich wollte dich auch nicht überrumpeln.“

„Vielleicht hätten Sie das besser getan...“

Wieder drangen die Bilder der letzten Stunde in mein Bewusstsein. Deans verkohlter Kadaver, Thomas' verängstigter Gesichtsausdruck... Bestimmt hielt er mich jetzt für ein Monster. Wer würde nur solch eine zerstörerische Gabe wollen? Doch ich musste auch zugeben, dass sie mich gerettet hatte.
 

„Alice... was ist passiert bevor du nach Hause kamst?“

Mr. Salem schien zu ahnen, was mit mir los war. Ich wagte es dennoch nicht einen Ton zu sagen.

„Es gibt nur eine Möglichkeit, unbewusst von seiner Magiebegabung zu erfahren. Eine Überreaktion. Der Magier dreht in extremer Gefahr durch und vernichtet unkontrolliert alles, was er als Bedrohung ortet. Das ist passiert, oder?“

Musste ich darauf wirklich antworten? Er wusste es doch sowieso.

„Hast du dabei jemanden verletzt?“

Ich nickte langsam, unfähig ihm die Wahrheit zu erzählen.

„Einen Freund?“

Ein verächtliches Lachen entwich meinen Lippen: „Nein, definitiv keinen Freund. Eher das Gegenteil. Und es wäre auch gelogen, zu sagen, dass er das nicht verdient hatte.“

„Verdient oder nicht, das macht für einen halbwegs gewissenhaften Menschen keinen Unterschied. Du machst dir Vorwürfe, das sehe ich.“

„Ich will so etwas nie wieder tun...“, flüsterte ich, während mir ein Schauer über den Rücken lief. Eine kurze Zeit lang herrschte gespenstische Stille, bis Mr. Salem aufstand und mir seine Hand entgegenstreckte.

„Damit Magie nicht unkontrolliert wütet, muss sie beherrscht werden. Von selbst wirst du sie allerdings kaum in den Griff bekommen und ich fürchte, beim nächsten mal könntest du auch Unschuldigen schaden. Und dir selbst. Wenn du möchtest, kann ich dir beibringen mit Magie umzugehen. Du wärst dann meine Schülerin und würdest bei mir wohnen. Keine Sorge, mein Haus ist groß genug.“

Unschlüssig schaute ich von seiner Hand hinauf zu seinem Gesicht und sah, dass er es definitiv ernst meinte. Freund der Eltern hin oder her, aber war er nicht etwas zu sehr um mich besorgt?

„Warum interessiert es Sie so sehr, was aus mir wird?“, fragte ich skeptisch.

„Um ehrlich zu sein, fühle ich eine gewisse Verpflichtung dir gegenüber, nachdem ich dich so lange bewacht habe. Es hat weniger etwas mit deinen Eltern zu tun, als mit dir selbst. Ich mag dich und deine aufmüpfige Art. Und ich glaube, dass aus dir eine wirklich talentierte Magierin werden kann. Außerdem bin ich ein Gentleman durch und durch und als solcher ist es meine Pflicht, einer jungen Dame in Not zu helfen.“

Er machte eine sarkastische Verbeugung, die mich dennoch erröten ließ. Ich schätzte ihn auf etwa Mitte 30 ein – und damit viel zu alt – doch musste auch zugeben, dass mir sein Aussehen und seine charmante Art gefielen.

„Aber ich werde mich dir nicht weiter aufdrängen, wenn du ablehnen solltest.“

„Ich bin mir nicht sicher... wie kann ich Ihnen vertrauen?“

Tatsächlich ging es mir nicht einmal darum. Ich glaubte Mr. Salem jedes Wort. Hätte er mir das alles heute morgen offenbart, wäre ich wohl bereitwillig mitgekommen. Doch auf meinen Lippen spürte ich noch immer Thomas' Kuss und mein Herz brannte danach, wissen zu wollen, wie es ihm ging. Selbst wenn er nun Angst vor mir hätte, so hätte ich zumindest Gewissheit, dass er okay war. Nein, ich kann noch nicht weg.

„Ich kann verstehen, dass dich das überfordert. Wenn du möchtest, kannst du eine Nacht drüber schlafen, aber zuvor...“ Er griff in seine Westentasche und holte eine kleine Box hervor.

„... möchte ich dir noch ein Geburtstagsgeschenk überreichen.“

Ich machte sie auf und fand ein Medaillon, gebettet auf einem kleinen Kissen. Es war aus Gold und hatte eine Umrandung aus roten Steinen. Ich bemerkte einen kleinen Hebel, mit dem es sich öffnen ließ. In seinem Innerem befand sich ein kleines Foto, mit einem jungen Pärchen, die ernst in die Kamera schauten.

„Dieses Foto haben deine Eltern zu ihrer Hochzeit anfertigen lassen. Mehr habe ich leider nicht von ihnen. Mit diesem Medaillon besitzt du ab sofort alles, was ich vor der Zwangsversteigerung retten konnte.“

Schon fast ehrfürchtig legte ich die Kette an und blickte in den Spiegel. Es war das erste mal in meinem Leben, dass ich Schmuck trug. Für Whitechapeler ein wahres Privileg. Ich sah mich in meinem Zimmer um. Das Negligé, mein Kleid, der Spiegel, und einige kleinere Gegenstände... Insgesamt 10 Schätze zählte mein Zimmer, es selbst mit eingeschlossen. Wenn ich all diese verkauft hätte , hätte ich sicherlich ein halbwegs angenehmes Leben führen können. Doch das würde ich niemals übers Herz bringen.

„Es steht dir gut.“

„Danke...“, flüsterte ich mit leichtem Missmut.

„Dieses Medaillon ist nicht nur ein einfacher Schmuckgegenstand. Es dient für dich auch als Medium. Jeder Magier besitzt so etwas in Form eines persönlichen Gegenstandes, der dabei hilft, die Kräfte in einem besser zu kontrollieren. Solltest du dich also dagegen entscheiden, mitzukommen, wird es trotzdem für dich von Nutzen sein. Ruh dich aus, wir sehen uns morgen wieder.“

Der Magier verließ das Hotel und ließ mich gedankenversunken zurück. Ich setzte mich an das Kopfende des Bettes und zog meine Beine heran. Immer wieder blitzte in meinen Erinnerungen Deans Tod auf. Als wäre er nicht schon im Leben nervig genug gewesen.
 

Der Morgen kam viel zu schnell. Ich hatte kaum geschlafen und fand auch in meinen Träumen keine Ruhe. Doch zumindest war mir klar, was ich zu tun hatte. Eigentlich wusste ich das auch schon gestern Abend.

Müde kämpfte ich mich aus dem Bett, zog mich an und ging langsam zur Steamed Rat. Wie würde er reagieren? Was sollte ich sagen? Thomas stand drinnen am Tresen und hatte einige schwere Blessuren im Gesicht. Er verlor jegliche Fassung, als er mich erblickte, stürmte hinter dem Tresen hervor und auf mich zu.

„Hör zu Tom...“, wollte ich noch beginnen, doch weiter kam ich nicht, denn er drückte mich an sich, so fest, als wäre ich jahrelang verschollen gewesen.

„Du lebst noch, so ein Glück“, flüsterte er mit einer Stimme, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.

„Was ist das denn für eine Aussage? Was hast du denn erwartet?“, fragte ich sarkastisch.

„Bitte Sarah, ich weiß nicht was gestern passiert ist, aber du sahst so schockiert aus... Ich dachte wirklich, du würdest dir etwas antun. Wenn ich doch nicht nur so ein Feigling wäre, dann wäre ich dir hinterher gelaufen.“

„Verstehe ich das grade richtig? Du hast keine Angst vor mir? Du denkst nicht, ich wäre ein Monster?“

„Angst?“, er sah mich unsicher an. Von Nahem sahen seine Wunden nur noch schlimmer aus. Sein rechtes Auge war so geschwollen, dass er es kaum öffnen konnte. Seine Nase steckte hinter einer dicken Bandage und schien sogar gebrochen zu sein. Wie lange er wohl gestern behandelt werden musste?

„Nun um ehrlich zu sein... schon, aber... Das ändert nichts daran, was ich für dich empfinde und... ach verdammt ich liebe dich, Sarah! Ja ich habe Angst vor dir, aber es gibt doch bestimmt eine logische Erklärung dafür, oder? Aber in keinem Fall, will ich dich verlieren.“

Mein Herz schlug noch schneller als gestern. Verdammt, ich war mir doch so sicher, dass ich mich nur verabschieden wollte. War ich etwa wirklich in ihn verliebt?

Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen, zog ihn am Kragen und küsste ihn so wild, dass es mich selbst überraschte. Wieder wurde Thomas dabei so überrumpelt, dass er nicht wusste, wie er reagieren sollte, doch kurz darauf schlang er seine Arme um mich und erwiderte den Kuss mit der gleichen Leidenschaft.

Je länger er anhielt, desto mehr schmerzte es mich zu wissen, dass ich gehen musste. Hierzubleiben und das Risiko einzugehen, eines Tages jemanden zu töten, bei dem ich es wirklich bereuen würde, war keine Option.

„Sarah... weinst du etwa?“, fragte er mich, nachdem sich endlich unsere Lippen voneinander lösten.

Ich strich über meine Wange und bemerkte, wie mir Tränen hinunter liefen.

„Hör zu... Ich weiß nicht, wie verrückt das für dich klingen mag, aber es hat sich gestern herausgestellt, dass ich eine Magierin bin. Und das solche Ausbrüche vielleicht immer wieder passieren könnten.“

„Verrückt nicht unbedingt, aber woher weißt du das so genau?“

„Von dem Mann, der immer noch auf seinen Kaffee wartet.“

Wir drehten uns zu einem der hinteren Tische, an denen tatsächlich Mr. Salem saß. Ich hatte weder ihn, noch einen der anderen wenigen Gäste im Pub bemerkt und vernahm erst jetzt das leichte Gelächter einiger Kerle. Nicht das es mich wirklich interessierte, was andere über mich dachten.
 

„Deswegen brauchtest du also noch ein wenig Bedenkzeit. Das kann ich verstehen.“

Mr. Salem kam auf uns zu und gab Thomas die Hand, der leicht eingeschüchtert war.

„Jack Salem, mein Name. Ich bin ein Freund deiner Geliebten und habe ihr das Angebot unterbreitet, mit mir Magie zu studieren. Das würde solche Überreaktionen fast komplett eindämmen. Es wäre sicherer für ihr Umfeld, aber auch für sie selbst.“

„Ich verstehe das ehrlich gesagt nicht so ganz. Wohin würden Sie sie denn mitnehmen?“

Mir fiel auf, dass ich das selbst nicht wusste. Anscheinend kamen wir gestern nicht dazu, darüber zu sprechen.

„Es ist ein verwünschter Ort namens Taleswood, südöstlich von London. Er ist eingeschlossen von einem Märchenwald, mit einem sprechenden Fuchs als Bürgermeister, einem stromaufwärts fließendem Fluss und einer Bäckerei, die von Gartenzwergen geleitet wird.“

Thomas und ich wollten bereits loslachen, doch spürten, dass er keine Scherze machte. Ich sollte es langsam wirklich aufgeben, mein Leben mit normaler Logik zu erklären.

„Und wie gelangt man in diese Stadt?“, fragte ich, noch immer etwas skeptisch, ob er uns nicht doch auf den Arm nahm.

„Es gibt viele Wege, aber wir beide werden den wahrscheinlich kürzesten, durch den Spiegel in deinem Zimmer nehmen. Portalmagie.“

„Portalmagie?“

„Dir das zu erklären, würde zu lange dauern. Also hast du dich dazu entschieden, mit mir zu kommen?“

Ich nickte langsam. Thomas schien nun zu begreifen, dass dies unsere vorerst letzte Begegnung war.

„Nein, warten Sie.... kann... kann ich vielleicht mitkommen?“

„Tut mir leid, aber du wirst Taleswood nicht so betreten können, wie wir beide. Wenn du diese Stadt wirklich besuchen möchtest, musst du deinen eigenen Weg finden. Ich habe meinen ersten Besuch auch nicht durch Spiegel gemacht. Um es einfach zu erklären: Das Spiegelportal kann nur von Menschen genutzt werden, die Taleswood bereits besucht haben. Alice ist dort geboren, also kann sie diesen Weg nutzen. Allerdings wird sie vorerst auch dort bleiben müssen und nicht mehr nach London zurückkehren können. Für mindestens ein Jahr.“

„Alice?“

„Das ist mein richtiger Name“, sagte ich und gab Thomas einen letzten Abschiedskuss. Er schmeckte bitter. „Ich wünschte es ginge anders, aber ich will nie wieder in so eine Situation geraten, wie gestern Abend. Wirst du auf mich warten?“

„Was ist das für eine Frage? Sarah... Nein entschuldige, Alice. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Und wenn es eine Möglichkeit für mich gibt, dich zu besuchen, dann werde ich das tun, versprochen.“

Nach außen hin versuchte ich meinen Stolz zu bewahren, doch ich spürte wie meine Knie weich wurden. Jetzt nur nicht nachgeben! Ich verließ die Steamed Rat zusammen mit Mr. Salem, ohne mich noch einmal umzudrehen und ging zurück in mein Zimmer.
 

Der Magier hatte extra einen leeren Koffer mitgebracht, in den ich alles mitnehmen konnte, woran mir etwas lag.

„Aber um Kleidung brauchst du dir keine Sorgen machen. Wir lassen dir in Taleswood neue anfertigen. Das, was du besitzt, ist ja nicht mehr das Gelbe vom Ei.“

Damit fiel mir die Auswahl leicht und ich beschränkte mich auf die Geschenke, die ich in den Jahren erhielt. Dementsprechend schnell war der Koffer auch gepackt.

„Und jetzt?“, fragte ich, noch immer unsicher, was es mit dem Spiegelportal auf sich hatte.

„Jetzt beginnt, die wahrscheinlich interessanteste Reise, die du jemals haben wirst.“

Mr. Salem zückte einen Dolch, schnitt sich einmal leicht in die Handfläche und legte die Hand auf die Feenfigur in der Rosenkrone. Erst schien es mir wie eine optische Täuschung, oder eine Illusion, doch tatsächlich fing der Spiegel langsam an, vor meinen Augen zu schmelzen und einer Wasseroberfläche zu gleichen. Dann erschienen einzelne Farbtropfen, die gemächlich auf der Oberfläche Formen annahmen und sich nach und nach in ein verschwommenes Aquarellbild verwandelten. Es schien ein Zimmer darzustellen. Vorsichtig hielt ich einen Finger in die Oberfläche, doch obwohl sie optisch existierte, fühlte ich keinen Widerstand. Ich schaute meinen zukünftigen Lehrer fragend an, der mir mit einer freundlichen Handbewegung bedeutete, hindurchzugehen.

„Keine Sorge, das erste mal ist immer etwas befremdlich. Wenn es dir hilft, kannst du auch die Augen schließen.“

Meine Aufregung wuchs mit jeder Sekunde. Was mich wohl auf der anderen Seite erwarten sollte?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Phinxie
2016-04-12T06:31:20+00:00 12.04.2016 08:31
Ich mag Alice :)
Und Thomas auch, ebenso wie Jack: Ich finde es schön, wie du es schaffst, sympathische Charaktere zu erschaffen, die man auf Anhieb mag. Ich hoffe daraufhin nur, dass du es auch schaffst "Bösewichte" zu erschaffen ;)
Die Geschichte ist - wie auch schon im letzten Kapitel angemerkt - ein wenig gehetzt, insbesondere die Szene in dem Café. Das Gespräch zwischen Alice und Jack fand ich sehr gut gelungen: Es wurde nicht zu viel geredet, aber auch nicht zu wenig. Der Leser hat einiges verstanden, aber viele Fragen stehen dennoch offen.
Die wichtigste Frage bei mir: Was ist mir Alice's Eltern passiert?
Ich hoffe, ich kriege eine Antwort darauf ^^

Während diesen Kapitel hat sich gerade wegen dem Gespräch im Café eine große Frage aufgetan:
Ist Magie bekannt?
Also, bekannt im Sinne von "Es gibt sie und die Leute glauben daran." Normalerweise - und nimm es mir jetzt bitte nicht übel - wird die Magie in realistischen Welten eher geheim gehalten. Beziehungsweise, die Menschen wissen gar nichts von Magie. Nach diesen Kapitel hab ich den Eindruck, dass die Menschen wissen würden, dass es auch Magier unter ihnen gibt etc.
Der Eindruck verstärkt sich dadurch, dass die drei sich fröhlich in einem Café darüber unterhalten, wo ihnen im Endeffekt jeder zuhören kann ;)

Das ist nicht schlecht und wäre mal etwas anderes als das typische "Magie muss geheim gehalten werden" ^^ Alles in allem ein gelungenes Kapitel und ich bin äußerst neugierig darauf, wie es nun mit Alice weiter geht :3

Lg,
Nymphy ^-^

Antwort von:  Lazoo
12.04.2016 12:13
Jein, Magie ist eigentlich insofern nicht bekannt, dass sie jedem ein Begriff ist. Sie wird aber auch nicht explizit geheimgehalten. Im Gegenteil: Wahrsager, Medizinmänner, Hexen... Diese Berufe sind zwar von der Öffentlichkeit nicht unbedingt anerkannt, aber wie in der Realität absolut existent und ein Magier bietet seine Dienste auch immer der Allgemeinheit an - es gibt halt wie bei uns Leute, die daran glauben und Leute, die das nicht tun.
Insofern kann man sich auch in einem Café darüber ohne Probleme unterhalten, denn es tut nichts zur Sache, ob die Leute das mitbekommen oder nicht. Magie ist gewissermaßen ein offenes Geheimnis.
Thomas ist zwar vorher noch nie mit Magie in Berührung gekommen und er weiß auch nicht, wie er damit umzugehen hat, aber da Alice davon überzeugt ist, nimmt er es so hin, als etwas, dass er einfach noch nicht kennt: Er ist halt ein sehr intelligenter und weltoffener Mensch und lässt sich auch auf neue Dinge ein.
Alice bleibt keine andere Wahl, als es anzuerkennen, denn die einzige Alternative Erklärung die ihr einfiele wäre, dass alles a) Zufall oder b) ein böser Traum wäre. Beides nicht sonderlich optimal.

Aber es stimmt, die Szene hätte besser geschrieben sein können. Ich bin auch im Nachhinein nicht 100%ig damit zufrieden. Die Sache dass alles etwas gehetzt ist: Ja wie gesagt, das muss ich peu à peu verbessern. Ich hoffe es bessert sich in den nächsten Kapiteln.


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