Der perfekt Moment
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Es war noch früh am Morgen, als ein rosahaariges Mädchen mit einer Kamera in der Hand durch den Park schlenderte. Der Himmel hatte noch einen leichten Grauton, der langsam von der aufgehenden Sonne verdrängt wurde.
Für Sakura war es die schönste Zeit des Tages, sie liebte Sonnenaufgänge und es erfüllte sie mit Glück, wenn sie diese dann auch noch an einem ihrer Lieblingsorte beobachten konnte. Seelig lächelnd vergrub sie ihr Gesicht in ihrem Schal, denn es war doch ziemlich kalt an diesem Frühlingsmorgen und ihr Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft.
Immer weiter trugen sie ihre Füße ins Innere des Parks und dabei beobachtete sie ihre Umgebung ganz genau. Denn sie war an diesem Sonntagmorgen nicht einfach so hier – nein, ganz im Gegenteil. Sie war extra so früh aufgestanden, um ein Foto für einen Wettbewerb zu schießen. Die Fotografie war ihr Hobby und über die Schule hatte sie an einem landesweiten Wettbewerb teilgenommen und hatte es sogar in die finale Runde geschafft. Jetzt waren nur noch 3 Teilnehmer übrig, die um den Sieg kämpften.
Für das Finalfoto hatte sich die Jury etwas ganz Besonderes überlegt. Sie sollten alle den Frühling fotografieren. Im ersten Moment hatte sie noch gedacht, dass das Thema eigentlich zu einfach wäre für das Finale. Doch im Nachhinein wurde ihr bewusst, wie schwierig diese Aufgabe doch war, denn was war der Frühling überhaupt? Wie sollte man mit nur einem Bild den Frühling darstellen?
Und genau deswegen war sie nun hier. Sie wusste nicht wirklich was sie machen sollte und wollte sich von der Natur inspirieren lassen. Denn für sie waren Naturbilder immer noch die schönsten Bilder, die auch am meisten aussagen konnten. Den ganzen Wettbewerb war sie ihrem Stil treu geblieben und so sollten auch das letzte Bild ein Naturbild werden.
Nachdenklich ließ sie ihren Blick durch den Park streifen und griff für das erste Foto nach ihrer Kamera. Den Blick durch die Linse gerichtet schoss sie das erste Foto.
Klick – Das erste Foto war eine Bank am Rande des Parks, die noch leicht verschneit war.
Klick – Das zweite war ein verwachsener Baum.
Klick – Das dritte ein Vogel auf einer vereisten Pfütze
Klick – Klick – Klick.
Sie machte noch mehrere Fotos, doch irgendwie war keines der Bilder das Richtige. Keins davon sagte wirklich das aus, was sie damit zeigen wollte. Gefrustet ließ sie die Kamera sinken.
Was wollte sie denn überhaupt zeigen? Nachdenklich verzog sie das Gesicht.
Eigentlich war sie völlig ohne Plan losmarschiert und hatte sich gedacht, sie würde die perfekte Kulisse schon finden, wenn sie sie sehen würde, doch dem war leider nicht so. Wie schön dieser Morgen auch war, er brachte nicht das mit sich, was sie sich erhofft hatte.
Enttäuscht wollte sie schon ihre Kamera in ihrer Tasche verstauen, als sie plötzlich etwas in ihrem Augenwinkel wahrnahm.
Vorsichtig, ohne einen Laut von sich zu geben schlich sie näher und was sie sah, ließ ihrem Atem stocken.
Da saß ein junger Mann auf einer Bank vor dem See. Es war ungewöhnlich, so früh hier schon jemanden anzutreffen. Doch das war es nicht was sie überraschte, sondern dass der junge Manneinen Zeichenblock in seinen Händen hielt, auf dem er etwas mit Kohle zeichnete. Total gebannt von dem Anblick, der sich ihr bot, ging sie so nah wie möglich näher, ohne dass er sie bemerken würde.
Und dann blieb sie stehen und ließ das Bild, welches sich ihr bot auf sie wirken.
Ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen.
Es war perfekt!
Der junge Mann mit seinem tiefschwarzen Haar, der dunklen Kleidung und seiner fast schon weißen Haut. Wie er da auf der alten von Moos überwachsenen Bank am Ufer des Sees saß und am Malen war. Der hoch konzentrierte Blick in seinem markanten Gesicht, der auf einem einzelnen Maiglöckchen lag, welches auf der noch von Schnee durchzogenen Wiese wuchs. Doch am Atemberaubendsten war, dass ein kleiner roter Schmetterling trotz der kalten Jahreszeit auf dem Maiglöckchen saß. Das ganze bildete einen wunderschönen Kontrast zu dem ganzen Grau und Weiß.
Voller Vorfreude nahm sie ihre Kamera in ihre kribbelnden Finger.
Die ganze Szene fing sie mit ihrer Linse ein.
Klick – und schon war es geschehen, sie hatte diesen Moment für immer festgehalten.
Dabei hatte der Junge sie noch nicht wahrgenommen, so konzentriert war er in seine Arbeit vertieft.
Als sie das Foto auf ihrer Kamera anzeigen ließ wurde ihr Grinsen immer größer, denn das war genau das, war sie gesucht hatte. Das würde ihr Foto für den Wettbewerb werden.
Denn das war Frühling.
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