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PECCATUM MORTIFERUM

Die lüsterne Romanze von Eitelkeit und Wollust
von

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SPATIUM

Es begab sich zur Zeit des Turmbaus von Babel, dass Eitelkeit den Menschen mehr schätzte als verachtete. Denn der Versuch dem Herren gleich zu kommen, indem sie einen Turm bauten der bis zum Himmel reichen sollte, beeindruckte ihn ebenso wie es ihn nährte, denn der Hochmut der Menschen war ebenso emporragend wie ihr Erbaunis. Doch Hochmut kommt vor dem Fall und als der Turm zerstört wurde und die Menschen in Sprachen geteilt, auf dass ihre Kommunikation sie nicht mehr dazu bringen würde, zusammen zu agieren und ein Bildnis zu bauen welches Gott erzürnen würde, kam Unruhe unter die Völker. Wollust war selbst nicht begeistert vom Verlauf der Dinge. Mit Stolz hatte sein Bruder in die Ferne geblickt, wo die Turmspitze beinahe bis in die Wolken geragt hatte. Nun, war alles zerstört und Eitelkeit bemängelte wieder die Unfähigkeit der Menschen, während Wollust selbst nur dabei zusehen konnte, wie die Menschen sich teilten und die Lust missachteten, die zu Zeiten dieser Tragödie nicht von Interesse war. Es war die reinste Flaute für die beiden Sünden, die ihr Dasein in den ansehnlichen Zeltreihen fristeten, die sie und ihre Bediensteten beherbergten. Jedenfalls die, die nicht dem Turmbau gefolgt waren, doch auch sie hatten neue Sprachen gelernt und Wollust, der die Lüsternheit hatte an ihnen sehen wollen, hatte ehe ernüchternd bei dem Versuch zugesehen, während Eitelkeit sich regelrecht darüber ausgelassen hatte. "Jedes Wort dass sie mir sagen, jedes Kompliment dass sie mir machen, klingt wie Spott in meinen Ohren!" - "Weshalb?" Der junge Schönling war auf und ab gegangen, selbst die Wut stand ihm gut zu Gesicht und Wollust, hatte diese Tatsache bemüht milde aufgenommen. "Ich verstehe sie nicht!"

Das, hatte dem Herren der Lust ein jehes Schmunzeln entlockt. "Tja, die Sprache der Leiber funktioniert eben besser als die der Stimme" - "Mach dich nicht über mich lustig!" Das Amüsement hatte er sich nicht gänzlich aus dem Gesicht wischen wollen, doch stachelte Wollust auch gerne da, wo Eitelkeit die Grenzen seiner Überheblichkeit bewahrte. "Vielleicht die Gerechte Strafe" - "Wofür?!" - "Dafür, dass du ihnen Modebewusstsein gegeben hast".
 

Es war so gewesen, dass die Menschen in ihren eher schlichten Lumpen viel eher den Reizen des Körpers ausgesetzt gewesen waren als jetzt, wo sie beinahe bis zum Haupt bedeckt waren von edlen Stoffen. Eitelkeit, hatte irgendwann angefangen ihnen nahe zu bringen welche Kleidung sie über andere erheben würde. Er selbst, war dabei natürlich immer der Ansehnlichste geblieben. Nur Wollust, hatte all das weniger gut aufgenommen.
 

"Dass du dich daran immer noch so störst", mit einem deutlichen Augenverdrehen, hatte Eitelkeit die Arme verschränkt und eher ohne richtiges Blickziel zum offenen Zelteingang geblickt, der die Kühle der Nacht herein ließ. "Du hast ihnen den Sinn für Nacktheit genommen. Ihre Scham unterstützt, ihre Eitelkeit gestärkt, sie werten einander nun nach den Stoffen die sie tragen! ... keiner ist mehr den unweigerlichen Reizen des anderen nackten Fleisches ausgesetzt". Er klang beinahe tatsächlich davon mitgenommen. Eitelkeit, dessen schlanken Finger sich um die eigenen Oberarme gelegt hatten, schwieg einen kurzen Augenblick, ehe er zu Wollust herüber sah. "Ist es nicht reizvoller zu begehren, was man nicht erahnen noch haben kann?"
 

Er hatte die Blicke seines Sündenbruders gespürt. Eitelkeit war nicht dumm, er wusste um jedes Verlangen, dass um ihn gehegt wurde und auch Wollust, oder vor allem Wollust, hatte daraus nicht wirklich ein Geheimnis machen können. Eitelkeit jedoch, war seinem Dasein nachgekommen und hatte sich, hochmütig wie eh und jeh, der Begierde des Anderen verwehrt. Und auch jetzt, saß Wollust da und betrachtete den Schönling, der weniger willenlos wie andere in seiner Nähe agierte und sich schon von beinahe quälender Sturheit zeigte. Momente wie dieser gerade waren es, die Wollust am meisten frustierten. Wenn Eitelkeit damit spielte, mit dem Wissen um die kleine Schwäche, die der Herr der Lüsternheit für sein Äußeres hegte. Er hatte eine Vorliebe für hübsche Frauen und Männer, da kam nicht von ungefährr, dass er Eitelkeit jedes Mal mit Ausgeibigkeit bedachte, wenn dieser sich in der vollsten Blüte seiner Schönheit gab - was gerade zu immer der Fall war. Wie unbefriedigend, ein Zustand, den Wollust bei weitem verabscheute.
 

Er erhob sich von dem hölzernen Stuhl, auf welchem er bis dahin getront und Eitelkeit bei seinem Verdruss zugesehen hatte und ging auf diesen zu. Distanz war etwas, was nicht zu Wollust' Verständnis von Formalitäten gehörte. Er kam Eitelkeit ganz nahe, beinahe so, dass sich die Wärme ihrer Leiber hätte mischen können, würden sie länger so zusammen stehen. "Da ist etwas dran". Die Worte rollten von seiner Zunge, als er die blasse Haut des schlanken Halses bedachte, der eine perfekte Fläche bot, um dort allerlei Male zu setzen. Etwas, dass der Eitelkeit garantiert Ärgerniss entlocken würde, er war immerhin so darauf bedacht die Perfektion zu verkörpern, die er ohnehin schon war. Von hinten war er an ihn heran getreten und nun, da er sich sicher war, dass sein Atem das bleiche Fleisch am Übergang von Hals zu Schulter kitzelte, ging er um Eitelkeit herum, bis er vor ihm stand und ihm in das schöne Gesicht sah, welches ihm eher eine vage und abwartende Mimik zeigte.
 

Keine Gänsehaut, kein Erröten oder gar Erblassen hatte er ihm in ihrem bisherigem Beisammensein entlocken können. Wollust wusste um sein Domizil, sein Können doch war er nie an jemanden geraten, der es ihm so schwer gemacht hatte und das, nagte an ihm. Knabberte an seinen Knochen und Biss in sein Gemüt. Charme war sein Talent, verwerflich sein Begehr und doch präzise sein Handeln. Doch es schien an Eitelkeits Haut herab zu gleiten, wie Wasserperlen auf feingeschliffenem Alabaster, dabei lebte die hochmütige Gestalt doch von ihrem Ansehen und den Komplimenten, die man ihm schenkte.
 

Wollust entschied sich jedoch nun in dieser Sekunde, da er vor ihm stand und die Haltung des Übermuts nicht mehr ertragen konnte, für eine neue Taktik. Wenngleich er auch nicht die Kluft ihres still schleichenden Disputs passieren konnte, so gab es einen Abstand, den er zu brechen wusste. Es geschah schneller, als Eitelkeit hätte reagieren können und schon, schmiegte sich die von Bartstoppeln kratzende Haut schnell an sein Kinn, rieb über seine Blässe und lenkte nur sperrlich von den dreisten Lippen ab, die die Seinen berührten - zielstrebig. Und so, dass es viel schneller vorbei war, als dass der Überhebliche darauf hätte eingehen können - wäre es denn in seinem Sinn gestanden. Dessen, würde Wollust sich wohl nie sicher sein können, wessen er sich allerdings sicher war, war der Ausdruck des schamvollen Zorns in Eitelkeits Gesicht. "Du... wagst es?!" Ja das hatte er. Wollust, hatte gewagt Eitelkeit zu küssen und nun, da er sah, wie Eitelkeit den Hochmut griff, der ihn wie ein Mantel schützen sollte, spürte er die Zufriedenheit seinen Brustkorb empor kriechen, bis seine Mundwinkel sich hoben und er sichtlich amüsiert davon dabei zusah, wie Eitelkeit kehrt machte und das Zelt verließ.
 

Noch Stunden später, als die Morgenröte den Sternenhimmel der Nacht ablöste, konnte Wollust sich nicht losreißen von dem nachhaltigen Gefühl weicher Lippen an den eigenen. Als hätte er es niemals zuvor so wahrgenommen, waren sie doch anders gewesen als die weichen Kissen des Mundes einer Frau, anders als jeder Kuss eines zarten jungen Mannes.

Den klitzekleinen Tirumph trug er mit einem Schmunzeln bis in die frühen Morgenstunden.
 


 

❖ ❖ ❖
 


 

Neid war von hagerer Statur. Seine Wangen wirkten beinahe ein wenig eingefallen, selbst wenn er Alterlos erschien. Sein Haar war etwas schütter, seine Augen blassblau und seine Kleidung weniger ansehnlich als die, die Eitelkeit zu aller erst sich und dann auch Wollust gegönnt hatte. Als er aufgetaucht war, hatte er das Land auf dem sie lebten, ebenso wie die Zeltreihen in welcher sie hausten mit argwöhnischer Miene betrachtet und es war nicht besser geworden, als er das erste Mal vor Wollust gestanden hatte. Dieser war attraktiv, durchaus begehrlich, doch Neid sah nur das, was er nicht hatte. "Du musst Neid, unser verschollener Bruder sein" - "Ich war nie verschollen", folgte gleichsam eine eher trockene Erklärung. "Wir haben uns dennoch gewundert, wo du bleibst."
 

Die Begrüßung schien Neid kaum zu behagen, denn Wollust hatte sich erhoben, um brüderlich die Arme um seine schmächtige Gestalt zu legen, ehe er die Hände auf seinen Schultern platzierte und über die mangelnde Ähnlichkeit staunte, die ihnen von ihrem Vater geschenkt worden war. Dieser hatte ihm damals, als er Eitelkeit die Erde hatte betreten lassen, gesagt dass sie keine Brüder des Blutes waren. Sondern der Sünde.
 

Besagter kam auch, begleitet von den Dienstmägden, die bis dahin die weiche Haut seiner Hände mit feinen Wurzelölen massiert hatten, um sie in ihrer Unbeflecktheit mangelnder körperlicher Arbeit zu bewahren. Wollust, hätte sie bei dieser Gelegenheit sofort um den Finger wickeln und zum Begrüßungsgeschenk des neuen Bruders machen können, doch schien dieser weniger interessiert an dem Mägden als an der makellosen Gestalt, die ihnen mittig das Zelt betreten hatte. Seine Aufmerksamkeit spiegelte die Intensität derer, die Neid ihm zukommen ließ, war allerdings weniger von Scheelsucht erfüllt als von prickelndem Hochmut dessen, was Neid ihm sogleich entgegen brachte. Tiefste Eifersucht.

"Wer ist er?", diese Frage war doch unsinnig, ebenso herablassend, denn Eitelkeit wusste genau, wer ihr neuer Gast war und unterwarf ihn gleich der gespielten Gleichgültigkeit.

Wollust, unterbrach weder das Spiel, noch machte er sich zur Figur, denn wäre er auf dem Schachbrett, so hätte er sich noch immer in der Rolle des Königs gesehen.

"Das ist Neid, er ist endlich zu uns gestoßen" - "Offensichtlich". Neid sah missmutig drein. "Es werden noch andere kommen. Vater hat es mir gesagt, hat er es euch auch gesagt?" Wolust entfernte sich von dem neuen Bruder, bedachte Eitelkeit dabei musternd, denn dieser hatte nach dem Kuss keine Äußerung mehr diesbezüglich über die Lippen gebracht, die sich noch immer in das Gedächtnis der Lüsternheit eingebrannt hatten.

"Hat er", gab er dabei zur Antwort, ehe er auf den Stuhl zutrat, auf welchem er schon vorher gesessen hatte. "Natürlich hat er das", entkam es Neid unter zischendem Atem. Eitelkeit, konnte sich ein schmunzeln daraufhin nicht verkneifen. "Hattest du erhofft, du wärst der Einzige, dem er das mitteilt?" ... es war quasi eine Selbstverständlichkeit, dass er noch bohren musste. Der Zwist zwischen Neid und Eitelkeit war damit gesät.
 

Und er ließ die Sprossen wachsen über die nächsten Tage und Wochen hinweg, die folgen sollten. Neid war kein angenehmer Geselle, denn jeden Tropfen Wasser, den ein anderer Bekam, wog er auf mit dem, was er für sich beanspruchte. Er empfand keinen Genuss in den Frauen und Männern, die Wollust ihm zukommen ließ um sein Gemüt zu erheitern. Er neidete ihm jeden anderen Menschen, den er ihm nicht geschickt hatte. Doch seine größte Missgunst, galt der Überheblichkeit in fleischlicher Person. Eitelkeit wusste um jeden argwöhnischen Blick. Und er labte sich an Neids Verdruss, während er es genoss derlei Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen. Etwas, das wiederum an Wollust' Gastfreundschaft kratzte, wenn auch nur an der Oberfläche.
 

Es war die Nacht der vierten Woche nach Neids Ankunft, als er die Eile der Bediensteten mitbekam, die wie eine getriebene Herde Schafe Unruhe in die Zeltreihen brachten. Als draußen das Wiehern eines Rosses zu hören war, hatte er gespäht und entdeckt, dass es gesattelt und zum Aufbruch bereit gemacht worden war. "Du", seine Hand ergriff die nächstbeste Magd, die erbebte bei der Berührung und sich ihm zuwandte, als wolle sie sich im sogleich willig präsentieren. Wollust, schenkte dem allerdings keine Beachtung. "Sag mir, was ist hier los". Die Sprache der Leiber hatte ihn die der Zungen gelehrt, jedenfalls verstand er mittlerweile gebrochen dass, was seit dem Turmbau zu Babel zu einer Art Kauderwelsch verkommen war. "Hübscher Herr sich bereit gemacht. Hübscher Herr will gehen fort". Wollust, entließ sie daraufhin seiner reißerisch reizvollen Mangel, sie schluckte angetan, als er davon schritt und sie stehen ließ. Als er in Eitelkeits Zelt ankam, war dieser schon umdring von zwei Frauen, die ihn in die Stoffe des Aufbruchs kleideten. Er beoachtete diese Szene zunächst schweigend, ehe er an Eitelkeit heran trat und begutachtete, wie sorgsam die beiden Mädchen arbeiteten, um auch ja keinen Fehler zu machen. "Du gehst?" Eitelkeit, schenkte ihm keinen Blick, sondern sah beinahe teilnahmslos gerade aus. "Es ist an der Zeit" - "Weshalb?"

Die schalnken Finger der Eitelkeit wurden umfasst von den zarten Händen der Frauen, die ihm Handschuhe aus feiner Seide über die Fingerspitzen bis zu den Knöcheln zogen. Erst dann, nahmen sie Abstand. Ihr Werk war getan und Eitelkeit, hielt der Wollust die Hand entgegen, welche dieser kurz ansah, ehe er sie nahm, womit Eitelkeit von dem hölzernen Schemel unter seinen Füßen stieg. "Ich habe nicht die Chance wie du über die Leiber dieser Gestalten die Sprache der Zungen zu lernen. Neid ermüdet mich, ich brauche das Ansehen der Menschen. Viel eher noch, ich muss es verstehen. Vater sagte, ich soll jede Sprache von den Lippen eines Menschen hören, dann wird er sie mich verstehen lassen." - "Du willst gehen um ihre Sprachen zu lernen." - "Ganz genau".

Eitelkeit, wandte den hübschen Kopf nun der Wollust zu und musterte ihn kurzweilig, als wäre es ihm die wenigen Sekunden wert, die er als Abschied akzeptieren wollte. "Du wirst die Zeit schon zu nutzen wissen. Wehe ich komme zurück und du hast ihnen den Sinn für Kleidung wieder ausgetrieben". Da, konnte Wollust sich das seichte amüsierte Schnauben nicht verkneifen. "Vermutlich werde ich an der Wurzel greifen und dir den Sinn dafür 'austreiben' müssen". Eitelkeit, entzog ihm daraufhin seine Hand und hob sie leicht, um jedes weitere Kommentar diesbezüglich zu stoppen. "Versuch es gar nicht" und damit, ließ er sich von einer der Bediensteten seinen Dolch bringen. Er war umfasst von einer Scheide aus purem Gold. Der Griff war für die Unbeflecktheit seiner Hände geschaffen, als er die Klinge hervor zog, zeigte sie sich in Form des Scherbenstückes eines Spiegels. Er betrachtete sich darin, eisblaue Augen sahen zurück und zu seiner Seite, konnte er Wollust erkennen, der ihn ebenso im Spiegelbild gemustert hatte. Damit, schob er den Dolch zurück in die Scheide, gab ihn dem Mädchen, die ihn geholt hatte, woraufhin diese ihn an seinem Gürtel befestigte.

"Du wirst ihnen allen den Atem rauben", setzte Wollust zu einem Kompliment an. "Natürlich werde ich das", beendete Eitelkeit es und sah noch einmal zur Lüsternheit herüber, schelmisch waren seine Züge nun. Damit, war der Abschied gesprochen und Eitelkeit ritt diese Nacht noch los, begleitet von zwei Männern, die ihr Leben seinem Schutz verschieben hatten und dem Begehr, welches sie für ihn hegten.
 

Von Neid hatte er sich nicht verabschiedet.



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