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Die Wölfe 6 ~Die Söhne des Paten~

von

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~Schlechte Nachrichten~

Als Raphael die Tür nach sich schließt, wird es bedrückend still. Die Fröhlichkeit ist aus Diegos Gesichtszügen verschwunden, ernst blickt er auf das Glas in seinen Händen. Das schlechte Gefühl in meinem Magen wird schlimmer. Nach allem, was passiert ist, muss im Clan das Chaos toben und ich liege hier untätig im Bett.

„Was glaubst du, wie lange du noch hier bleiben musst?“, will Diego kleinlaut wissen. Das klingt bald so, als wenn jeder Tag schon einer zu viel wäre. Ich weiß keine Antwort darauf. Bisher habe ich noch keinen Arzt zu Gesicht bekommen, der mich über meinen Zustand aufgeklärt hat. Schon das Sitzen ist mir zu viel, aber ich ahne bereits, dass uns die Zeit davon läuft.

„Wie viel Zeit kannst du mir denn noch verschaffen?“ Diego schweigt und nimmt einen großen Schluck aus seinem Glas. Erschwert atmet er durch und wagt es nur flüchtig mich anzusehen.

„Wenn es nach mir ginge, würde ich dich sofort mitnehmen.“ So schlimm?

„Wir haben Glück, dass sich die Drachen momentan noch selbst zerfleischen, auf der Suche nach einem neuen Paten, aber bei uns sieht es nicht viel besser aus. Es gibt jetzt schon zwei Lager, eines für und eines gegen dich.“ Na toll, als wenn es nicht reichen würde, dass mir die Drachen nach dem Leben trachten. Ich wende meinen Blick ab und betrachte einen Moment gedankenverloren meine Bettdecke.

Es ist Donnerstag, wenn ich am Wochenende ein Clantreffen einberufe, habe ich noch zwei Tage, um anständig zu Essen und wieder zu Kräften zu kommen. Trotzdem werde ich Susen, um ein heftiges Schmerzmittel bitten müssen, damit ich überhaupt aufstehen kann. Aber es hilft alles nichts. Ich muss vor den Drachen wieder auf die Beine kommen, sonst war alles umsonst. Mein Entschluss steht fest, wenigstens nach außen hin, muss ich den Schein waren und dem Feind demonstrieren, dass ich wieder fit bin.

„Berufe für Sonntag ein Clantreffen ein und hole mich Samstag ab. Erzähle niemanden, dass du mich holst und komme allein.“

„Bist du dir sicher? Du siehst nicht so aus, als wenn du so schnell, wieder auf die Beine kommst!“ Ich fühle mich auch nicht so. Obwohl ich nur sitze, spannt die Narben über meiner Hüfte und sticht entsetzlich. Schweiß rinnt mir von der Stirn und den Rücken hinab, so intensiv ist der Schmerz. Wie ich bis Samstag aufstehen soll, ist mir selbst ein Rätsel, aber das Überleben meines Clans und meiner Familie hängt jetzt davon ab, dass ich Stärke demonstriere.

„Ich mach das schon!“, versichere ich Diego und füge an, „Bringe mich lieber auf den neusten Stand!“ Er betrachtet mich einen Moment zweifelnd, doch als ich ihn weiter auffordernd ansehe, beginnt er zu erzählen: „Der Club ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Ein Wiederaufbau lohnt sich nicht.“ Ich atme tief durch. Dann steht meine Fabrik also nicht mehr? Der Club lief gerade mal seit einem Monat gewinnbringend und nun ist alles dahin, schon wieder. Reicht es denn nicht, dass er vor fünf Jahren abgebrannt ist?

„Zahlt denn wenigstens die Versicherung?“, will ich wissen. Diego sieht mich überrascht an.

„Der Club war versichert?“

„Ja sicher! Er ist schon einmal abgebrannt, dieses mal haben Aaron und ich vorgesorgt!“ Die Gesichtszüge meines Bandenchefs hellen sich auf.

„Na wenigstens ein Problem weniger.“

„Wo sind die Wölfe unter gekommen, die in der Fabrik gewohnt haben?“, will ich wissen. Die meisten Mitglieder meiner alten Gang, habe ich von der Straße aufgesammelt. Die abgebrannte Fabrik ist für viele nicht nur ihr Arbeitsplatz sondern auch ihr zu Hause gewesen. Diego überlegt einen Moment und trinkt einen weiteren Schluck. Als er zu sprechen beginnt, wandert sein Blick auf den Boden: „Die, die Verwandte und Beziehungen haben, sind bei Freunden untergekommen, aber ein Großteil sitzt wieder auf der Straße.“ Das habe ich erwartet. Sie haben vorher nichts gehabt und nun auch keinen Job mehr.

„Nimm dir Geld von Aarons Konto und bring sie in Hotels unter. Ich brauch sie jetzt als Geschäftsmänner, nicht als Säufer und Obdachlose. Sie sollen wissen dass ich mich um meine Leute kümmere.“ Vielleicht wird das die Gemüter etwas beruhigen. Diego nickt, sieht aber noch immer nicht auf. Irgendetwas anderes muss ihn beschäftigen.

„Das schlimmste hast du dir für den Schluss aufgehoben, oder?“ Ein flüchtiges Lächeln huscht ihm über die Lippen. Er füllt sich sein Glas und trinkt es leer, dann erst kann er sich zu einer Antwort durchringen: „Ich bin mir nicht hundert Prozent sicher, aber ...“

„Jetzt spucks schon aus!“, entgegne ich ungehalten. Er zögert doch sonst nicht so mit Informationen. Diego seufzt.

„Ich glaube ich habe Giovanni gesehen.“ Mir bleibt die Luft weg, ungläubig betrachte ich ihn. Giovanni gehörte einmal zur Führungsspitze unseres Syndikats, bis Aaron ihn nach Italien geschickt hat. Er sollte dort die Cosa Nostra übernehmen. Wieso ist er wieder zurück? Den kann ich hier nicht gebrauchen.

„Bist du dir sicher?“

„Nein, aber glaubst du der bleibt in Italien, wenn er von Aarons Ableben hört?“ Sicher nicht. Noch zu Aarons Lebzeiten war er scharf auf den Posten des Paten. Doch Aaron wollte mich als Nachfolger. Mehr als einmal hat Giovanni deswegen versucht mich aus dem Weg zu räumen. Ob er jemals dorthin abgereist ist? Was, wenn alles, was bisher geschehen ist, auf seinem Mist gewachsen ist? Eine dunkel Ahnung nimmt in mir Gestalt an. Aarons Tot, die Zerstörung des Clubs, die Spaltung meiner Leute, was wenn er dort die Fäden gezogen hat. Er agiert schon immer im Hintergrund, nie habe ich ihm etwas nachweisen können.

Ich muss hier raus, so schnell wie möglich.
 

„Jester ist heute entlassen worden, er lässt dir ausrichten, dass du so schnell wie möglich ins Anwesen zurückkehren sollst.“, unterbricht Diego meine Gedanken. Dann geht es dem alten Mann wieder besser. Bisher habe ich noch keinen Gedanken an ihn verschwendet, dabei läuft in meinem Haus, ohne den Butler, gar nichts.

„Hat er dir gesagt, was es so wichtiges gibt?“ Eigentlich ist Jester immer ruhig und stellt keine Forderungen. Wenn er will das ich ins Anwesen komme, dann sicher nicht ohne Grund.

„Nein, aber es klang wichtig. Du kennst doch Aaron, der hat sicher auch für den Fall seines Todes vorgesorgt.“ Wollen wir es hoffen. Einen Notfallplan des alten Paten, kann ich jetzt wirklich gut brauchen.

„Planänderung. Du holst mich morgen gegen vier hier ab. Park hinter dem Krankenhaus, wir verschwinden durch den Seiteneingang. Wenn Giovanni wirklich im Land ist, muss ich ihm einen Schritt voraus sein. Ihm traue ich jederzeit ein weiteres Attentat auf mein Leben zu.“ Diego nickt, er holt Luft, um etwas zu sagen, doch ich bin noch nicht fertig.

„Sprich mit Jan und nimm ihn mit zum Anwesen. Sorgt bis morgen für die Sicherheit im Anwesen und passt auf Jester und meine Familie auf. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache.“

„Und was ist mit dir?“ Besorgt legt Diego die Stirn in Falten.

„Ich habe noch meine beiden Gorillaleibwächter. Aaron wird schon einen Grund dafür gehabt haben, dass er die beiden für meine Sicherheit eingestellt hat. Bis morgen werden die ihren Job schon machen.“

„Enrico!“

„Was denn?“ Diegos Blick wird eindringlicher.

„Schaffst du es wirklich bis morgen Nachmittag auf die Beine zu kommen?“

„Was habe ich denn für eine Wahl?“ Diego seufzt und erhebt sich. Sein Glas stellt er auf meinem Nachttisch. Er kennt seine Aufgaben und will sich offensichtlich sofort ans Werk machen, doch als er geht, rufe ich ihn noch einmal zurück: „Diego, wenn du auf deinem Weg meinen Bruder oder Susen triffst, schick sie zu mir“, bitte ich ihn. Ein verstehendes Lächeln ziert seine Mundwinkel.

„Du willst dich wohl zudröhnen lassen, was?“

„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig.“

„Übertreib es damit nicht. Wir brauchen jetzt deinen wachen Verstand!“ Ich nicke lediglich und lege mich wieder hin. Das Sitzen ist mir zu anstrengend. Das kann was werden, wenn ich morgen aufstehen und herumlaufen muss. Wenigstens bis zum Automobil und von ihm bis ins Anwesen, werde ich schaffen müssen. Beim Clantreffen am Wochenende, kann ich mich ja in einen der Sessel setzen.

Die Tür meines Zimmers öffnet und schließt sich. Das Diego geht, realisiere ich nur beiläufig. Von den paar Minuten des Sitzen und Redens bin ich schon erschöpft. Hoffentlich kennt Susen ein Mittel, das mich die nächsten Tage überstehen lässt. Meinen Blick richte ich aus dem Fenster und sehe auf die befahrene Hauptstraße. Ist Giovanni wirklich zurück? Auch wenn Aaron dagegen war, ich hätte den Kerl umlegen sollen, als ich es noch konnte. Mit ihm und den Drachen im Nacken, bin ich so gut wie tot.
 

Wäre doch nur mein Schwiegervater noch am Leben. Der Clan braucht jetzt jemand starkes, wie ihn. Wie soll ich meinen Leuten in dem Zustand denn vorspielen, alles im Griff zu haben? Seufzend lege ich meinen Arm auf die Stirn. Wenn ich den Clan nicht schnell unter Kontrolle bringe und den Drachen und Giovanni die Stirn biete, sind bald auch noch die letzten Menschen tot, die mir etwas bedeuten: Judy und die Kinder, mein Bruder und seine Frau, Toni. Hier im Krankenhaus, ist Antonio noch das leichteste Ziel. Er muss auch so schnell wie möglich hier weg. Ob Susen ihn wohl bei sich in der Praxis unterbringen kann, oder noch besser, in der Villa, bei mir? Ich müsste ihr sicher nur die Geräte beschaffen. Auch Judy und unser jüngster Sohn, sollten nicht länger im Krankenhaus bleiben.

Zu Hause brauchen wir neue Wachhunde und Wachpersonal kann auch nicht schaden. Die Villa sollte ich zu einem Hochsicherheitsbereich umfunktionieren, aber ob das reicht?

Was hätte Aaron jetzt an meiner Stelle getan? Ich seufze schwer und schließe die Augen. Wenn wenigstens Toni wach wäre. Ihm würde sicher etwas hilfreiches einfallen und selbst wenn nicht, würde ich mich in seiner Gegenwart wohler fühlen. Sicher würde er irgend einen Witz auf meine Kosten machen und dabei fies grinsen. Sein aufmunterndes Lächeln fehlt mir.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tales_
2016-04-17T15:44:22+00:00 17.04.2016 17:44
Huhu,
schön das es hier weiter geht :)
Ich hoffe Enrico mutet sich nicht zuviel zu.
Aber ich kann verstehen, daß er keine Wahl hat.
Seine Idee alle ins Anwesen zu holen finde ich gar nicht mal so schlecht.

Ich bin gespannt; )
Lg shanti
Antwort von:  Enrico
18.04.2016 06:17
Im Moment geht es mit dem Schreiben nur sehr schleppend voran. Kapitel ohne Toni liegen mir irgendwie nicht und in beiden Teilen ist das gerade der Fall. ^^

Die ersten Wochen werden auf jeden Fall eine große Herausforderung für Enrico werden.


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