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Anne im Traumhaus

von

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Captain Body

Anne schnitt gerade einen Strauß Rosen für den Friedhof ab, als Mrs. Lynde angerauscht kam. Mit geröteten Wangen und einem Korb unter dem Arm kam sie auf das Haus zu.
 

„Guten Tag, Rachel“, rief Anne ihr zu.
 

„Hallo, Anne. Ich komme gerade von Maggi Peterson, die Arme kann sich wegen ihres Rheumas kaum regen, da hab ich ihr etwas von meinem Pflaumenkompott vorbeigebracht. Ich hab ihr versprochen auf dem Heimweg, bei euch vorbei zu schauen. Sie hat nämlich darum gebeten, dass Gilbert mal bei ihr vorbeikommt“, sagte Mrs. Lynde.
 

„Gilbert, ist leider gerade nicht da, aber ich werde es ihm ausrichten. Möchtest du vielleicht einen Tee mit mir trinken, Rachel?“ einladend zeige Anne auf das Haus.
 

„Danke, gerne. Dann kann ich dir gleich eine Neuigkeit erzählen, die ich so eben erfahren habe“, mit diesen Worten schritt Mrs. Lynde auf die Veranda zu.
 

Anne lachte still in sich hinein Mrs. Lynde war wohl kaum wegen dem Rheuma von Mrs. Peterson vorbei gekommen, denn Gilbert sah sowieso jeden zweiten Tag nach ihr. Vielmehr wollte Mrs. Lynde den neuesten Klatsch los werden. Aber so war sie nun einmal, Neuigkeiten in Avonlea wurden grundsätzlich von Rachel verbreitet, das war zuverlässiger, als jede Tageszeitung. Sie setze sich auf die Veranda und Anne ging in die Küche, um das Teewasser aufzustellen.
 

„Warum ist denn Mrs. Lynde hier?“ frage Susan, die Rachel bereits gehört hatte.
 

„Sie will mal wieder den neuesten Klatsch loswerden“, flüsterte Anne ihr leise zu.
 

„Gehen sie nur schon raus, liebe Frau Doktor, ich bringe gleich den Tee und etwas von dem Nusskuchen.“
 

Di kletterte auf Annes Schoss, als sie es sich bequem gemacht hatte. Nan hingegen blieb bei Susan in der Küche.
 

„Was gibt es denn neues in Avonlea?“ fragte Anne.
 

„Du glaubst wohl, ich will hier Klatsch verbreiten“, antwortet Rachel entsetzt.
 

„Ich würde nie sagen, dass sie klatschen, Rachel “, sagte Anne und lächelte sie an.
 

Mrs. Lynde wusste nicht, was sie davon halten sollte, jedes mal, wenn Anne so sprach, glaubte sie den Spott in ihrer Stimme zu hören. Aber Anne war schon immer komisch gewesen. Außerdem wollte sie die Geschichte unbedingt loswerden.
 

„Nun, wie ich gehört habe, bekommen wir bald ein neues Gemeindemitglied“, begann Mrs. Lynde. Inzwischen brachte Susan den Tee.
 

„Jemand neues in Avonlea?“ nun war auch Annes Neugier geweckt. Vielleicht würde sie ja eine neue, verwandte Seele kennen lernen. Gespannt hörte sie nun zu.
 

„Ja, stell dir vor. John Peterson nimmt seinen alten Großonkel bei sich auf. Fünfzig Jahre lang, hatte er in Glen St. Mary gelebt, dort hat er im Leuchtturm gelebt. Doch jetzt ist er zu alt und sieht nicht mehr gut. Man hat einen neuen, jüngeren Mann eingestellt und Captain Boyd zieht jetzt zu seinem Großneffen.“
 

„In einem Leuchtturm zu leben, stelle ich mir romantisch vor. Jeden Augenblick kann man auf das Meer blicken, man sieht den Sonnenauf- und –untergang. Wäre ich alleine, könnte ich mir auch vorstellen in einem Leuchtturm zu leben. Eine schöne Aufgabe, dass Leuchtfeuer zu bewachen“, schwärmte Anne.
 

Mrs. Lynde konnte ihren Gedankengängen nicht folgen. Was sollte schön daran sein, in einem alten Leuchtturm zu leben und jeden Tag so viele Stufen rauf und runter laufen zu müssen? Anne war in ihren Augen einfach seltsam und anscheinend schien die Ehe und vier Kinder daran auch nichts zu ändern. Rachel hatte die Hoffnung, dass das erwartete fünfte Kind, etwas daran ändern würde, aufgegeben. Anne wäre wahrscheinlich mit sechzig noch genau so sentimental und albern, wie mit vierzehn.
 

„Wollte er denn nicht lieber in Glen St. Mary bleiben? Wo er doch sein ganzes Leben dort verbracht hat?“ fragte Anne weiter.
 

„Nein, ich glaube seine ganzen Freunde dort sind bereits unter der Erde. Ich schätze mal, er hat sich dort einsam gefühlt. Er ist schon 75.“ Sagte Mrs. Lynde.
 

“Ja, wer möchte schon ohne Freunde leben”, sagte Anne.
 

„So,“ unterbrach Rachel sie in ihren Gedankengängen. „Ich muss jetzt mal weiter. Danke für den Tee.“ Rachel ging davon und Anne wusste, dass Rachel an diesem Tag noch so manchen Tee in Avonlea trinken würde.
 

„Ich bin schon auf diesen Captain Body gespannt!“ sagte Anne zu sich selbst und küsste die kleine Di auf die Wange.
 

Gilbert sollte Captain Boyd zu erst kennen lernen. Captain Boyd stürzte auf der Treppe, seines Großneffen, und verstauchte sich das Handgelenk. Am Abend erzählte Gilbert Anne von ihm.
 

„Ein sehr netter Mensch, dieser Captain Jim.“
 

„Wieso Captain Jim?” fragte Anne verwundert.
 

„Er sagte, ich solle ihn Captain Jim nennen. Alle würden ihn immer Captain Jim nennen. Seit vierzig Jahren, hätte ihn keiner mehr mit Captain Boyd angesprochen. Ich glaube, er hat in seinem Leben schon vieles erlebt. Du musst ihn bald mal kennen lernen. Ich glaube er wird dir gefallen, Anne.“
 

Nun war Anne nur noch neugieriger auf Captain Jim.

Am Sonntag gingen Anne und Gilbert mit ihren Kindern am Meer spazieren. Munter und fröhlich liefen sie am Strand entlang. Jem und Walter hatten eine Sandburg gebaut, während die Zwillinge mit ihren Eltern weiter liefen.
 

„Sieh mal“, sagte Gilbert plötzlich. „Ich glaube, dass da vorne ist Captain Jim.“
 

Gespannt blickte Anne nach vorne und sah dort einen großen Mann mit weißen Haaren stehen, der sehnsüchtig auf das Meer zu blicken schien. Captain Jim drehte sich um und erblickte jetzt den jungen Doktor. Freundlich kam er auf sie zu.
 

„Guten Tag, Dr. Blythe. Machen sie einen Sonntagsspaziergang?“ er stand jetzt fast vor ihnen und Anne konnte sein braunes, vom Wetter gegerbtes Gesicht sehen. Man erkannte sofort, dass Captain Jim Jahrzehntelang am Meer gelebt hatte.
 

„Hallo, Captain Jim“, antwortete Gilbert „Darf ich ihnen meine Frau vorstellen. Anne, das ist Captain Jim.“
 

Captain Jim ergriff ihre Hand und nickte ihr sanft zu. In seinen Augen konnte man seine Sanftmut und Freundlichkeit sehen. „Es freut mich, sie zu treffen, Mrs. Blythe.“
 

„Ich freue mich auch, sie endlich mal kennen zu lernen, Captain Jim.“ Anne lächelte zurück.
 

Vom ersten Moment an, fand sie Captain Jim sympathisch und sie wusste sofort, dass er eine verwandte Seele war. Inzwischen, waren die Kinder angestürmt gekommen.
 

„Oh“, sagte Gilbert und nahm Nan auf den Arm. „Das sind unsere Kinder. Jem, Walter und unsere Zwillinge Di und Nan.“
 

Captain Jim reichte ihnen alle die Hand. „Sie haben eine reizende Familie, Herr Doktor,“ sagte er und lächelte.
 

„Haben sie eine Tätowierung?“, fragte Jem plötzlich dazwischen.
 

„Jem!“ rief Anne und sah ihren Sohn an „So etwas fragt man doch nicht.“
 

Doch Captain Jim lachte. „Ist schon gut. Ich sehe schon, hier haben wir einen ziemlich neugierigen kleinen, jungen Mann. Wieso willst du das den wissen?“ fragte er Jem.
 

„Tom Boulter sagt, alle Seemänner haben eine Tätowierung,“ antwortete Jem. „Haben sie eine?“
 

„Nun gut, ich werde dir mein Geheimnis verraten. Ich habe wirklich eine Tätowierung. Irgendwann zeige ich sie dir mal“, versprach er.
 

„Und haben sie auch einen Papagei?“ fragte Jem weiter.
 

„Nein, einen Papagei habe ich nicht. Aber ich habe einen Kater. Doch der ist schon ziemlich alt, sowie sein Besitzer. Mäuse jedenfalls jagt er keine mehr.“

„Und wie ist es mit...“ Jem hätte Captain Jim ein Loch in den Bauch gefragt, wenn man ihn nur ließe.
 

Doch Gilbert unterbrach ihn jetzt. „Jem, es ist gut fürs erste“, ernst sah er ihn an.
 

Jem war lieber ruhig. Auch wenn es ihm schwer fiel. Doch wenn Papa einen so ansah, sollte man ihn lieber ernst nehmen.
 

„Jem, was ist mit unserer Sandburg?“ fragte ihn jetzt Walter. Walter war nie besonders darauf erpicht mit Fremden reden zu müssen. Lieber wollte er weiterspielen. Die Kinder rannten zu ihrer Sandburg und spielten.
 

„Es tut mir leid, dass Jem so neugierig ist,“ entschuldigte Anne sich bei Captain Jim.
 

„Das macht doch nichts. Ich mag Kinder und ich beantworte gerne all ihre Fragen. Als Kind muss man schließlich Fragen stellen, um die Welt kennen zu lernen.“ Eine Weile unterhielten sie sich noch mit ihm, dann machten sie sich wieder auf den Heimweg.
 

„Captain Jim, ist wirklich sehr nett“ sagte Anne zu Gilbert.
 

„Glaubst du, dass er eine verwandte Seele ist?“ fragte Gilbert und legte lächelnd den Arm um sie.
 

„Ich glaube es nicht nur, sondern ich weiß es.“
 

„Bis jetzt hast du mit deinen Vermutungen immer recht gehabt, Karotte.“ Er küsste sie, dann musste er Di auf den Arm nehmen, die ungeduldig an seiner Jacke zog.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Amy-Lee
2017-02-04T20:26:02+00:00 04.02.2017 21:26
Hi, es war toll.

Kein Problem das es so lange gedauert hat, der Alltag geht vor.

Super, eine weitere verwandte Seele ist nach Avonlea gezogen und Jem widert etwas spannendes erzählt zu bekommen,
dass ist schön, der Älteste ist der Abenteuerlustige von den Kids wie mir scheint.

Ich freue mich auf weiteren Lesestoff.
Bye


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