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Anne im Traumhaus

von

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Ein ungewöhnlicher Besuch

Es war ein Wochenende im August. Anne hängte die Wäsche an die Leine, während der fünf Monate alte Walter in seinem Körbchen daneben lag und friedlich mit seiner Rassel spielte. Gilbert war mit Jem hinter dem Haus und das Lachen von Jem schallte durch den Garten. Plötzlich hielt ein Automobil vor dem Haus und Anne sah, dass ein Mann in einem eleganten Anzug aus dem Wagen stieg. Er kam auf das Gartentor zu und zog höflich den Hut, als er Anne erblickte.
 

„Guten Tag“, sagte er „entschuldigen sie, ich such Mrs. Anne Blythe.“
 

„Ich bin Mrs. Blythe“, antwortete Anne und ging verwundert auf ihn zu.
 

„Ah, es freut mich, sie endlich kennen zulernen“, er streckte ihr die Hand entgegen. „Darf ich mich vorstellen, ich bin Mr. McKenzie und ich komme von Hamilton & Hamilton, einer Rechtsanwaltskanzlei in Halifax.“
 

Gilbert kam mit Jem auf dem Arm um die Ecke. „Guten Tag, kann ich ihnen helfen?“ fragte er und sah zu Anne, die mit den Schultern zuckte.
 

„Sie sind bestimmt Dr. Blythe. Ich bin Mr. McKenzie“ und er sagte seinen Spruch noch einmal. „Ich habe ihnen eine ganze Menge zu erklären. Vielleicht könnten wir uns setzen.“
 

„Natürlich“, Gilbert geleitete Mr. McKenzie zum Haus, während Anne Walter auf den Arm nahm.
 

Susan war gerade da und nahm ihnen Jem und Walter ab und setzte Wasser für Tee auf. Anne und Gilbert saßen mit ihrem unbekannten Gast im Wohnzimmer.
 

„Nun gut, ich arbeite wie gesagt für eine Rechtsanwaltkanzlei und war auf der Suche nach ihnen Mrs. Blythe. Hamilton & Hamilton haben auch eine Kanzlei in Schottland, genauer gesagt in Edinburgh. Dort wurden wir von Sir John Walter Shirley beauftragt, sie zu suchen.“
 

Anne saß da und war total verblüfft.
 

„Mrs. Blythe, was genau wissen sie über ihre Familie? Damit ich weiß, wie weit ich ausholen muss.“
 

„Ich weiß nur, dass meine Eltern Walter und Bertha Shirley hießen, dass sie beide Lehrer waren und am Gelbfieber starben, als ich drei Monate alt war. Und ich weiß noch, dass sie Shirleys ursprünglich aus Schottland kommen.“
 

„Mmmm“, Mr. McKenzie nickte nachdenklich. „Das ist allerdings nicht viel. Gut ich versuche in Kürze  das Wichtigste zu erzählen.“ Er nahm einen Schluck Tee und begann. „Kurz gesagt, Sir John Walter Shirley ist ihr Großvater Mrs. Blythe.“
 

Anne schluckte und sah nervös zu Gilbert. Gilbert nahm ihre Hand und drückte sie.
 

„Aber ich dachte immer ich hätte keine Verwandten mehr.“ Sie hatte das Gefühl einen Kloß im Hals zu haben.
 

„Doch sie haben noch Verwandtschaft in Schottland. Ihr Vater hatte sich mit seinem Vater zerstritten und war daraufhin nach Kanada gegangen. Sir Shirley ist inzwischen alt und krank. Er hält sich jedoch in Halifax auf. Er hatte in den letzten Jahren viel Zeit zum Nachdenken, Sir Shirley ist seit einem Reitunfall vor 5 Jahren an den Rollstuhl gefesselt. Er weiß, dass er in der Vergangenheit Fehler gemacht hat und will nun einen Teil davon wieder ins Reine bringen. Ihr Vater hatte nach seinem Weggang noch Kontakt mit Miss March, einer langjährigen Hausangstellten. Über sie wusste ihr Großvater, von ihrer Geburt und von dem Tod ihres Vaters. Nun hat er uns beauftragt, nach ihnen zu suchen, was gar nicht so einfach war. Denn in dem Waisenhaus hat es vor zwei Jahren gebrannt und sämtliche Papier gingen dabei verloren. Durch Zufall habe ich ihre Spur wieder gefunden, als ich in einem Laden ein Buch von ihnen fand. Der Name Anne Shirley-Blythe hatte mich aufmerksam gemacht. Über ihren Verleger, fand ich dann ihren Aufenthaltsort heraus.“ Er nahm einen erneuten Schluck aus seiner Teetasse.
 

Anne schossen die Tränen in die Augen. „Wollen sie damit, sagen, dass mein Großvater, die ganze Zeit von mir gewusst hat? Er hat gewusst, dass meine Eltern tot sind und hat sich nicht um mich gekümmert?“ Annes Hand zitterte und Gilbert legte den Arm um sie.
 

„Ich...“Mr. McKenzie bemerkte, dass er in seiner Erzählung einen Fehler gemacht hatte. Er hätte nicht erwähnen dürfen, dass Sir Shirley, schon lange von ihrer Existenz wusste. „Nun, ich denke sie sollten das 'Ganze am besten mit ihrem Großvater selbst besprechen. Er würde sie gerne sehen Mrs. Blythe“.
 

„Warum will er mich jetzt sehen? Er hat mich die ganzen Jahre nicht sehen wollen.“
 

„Ich sagte ja, schon, dass er viele seiner Fehler bereut...“
 

„Nein“, sagte Anne entschlossen und stand auf. „Vielen Dank, dass sie sich die Mühe gemacht haben nach mir zu suchen, Mr. McKenzie. Aber sie können Sir Shirley ausrichten, dass ich ihn nicht zu sehen wünsche. Und jetzt entschuldigen sie mich bitte, Mr. McKenzie ich habe noch zu tun“. Mit diesen Worten ging Anne aus dem Zimmer.
 

Betreten saß Mr. McKenzie da. Er reichte Gilbert seine Karte. „Bitte rufen sie mich an, wenn sie ihre Meinung ändern sollte. Ich werde noch zwei Wochen lang in Charlottetown zu tun haben.“ Gilbert nickte und nahm die Karte entgegen.
 

Er fand Anne im Garten. Mit rotgeweinten Augen sah sie ihn an.
 

„Oh, Gil, ich kann es einfach nicht glauben, wie kann ein Mensch nur so grausam sein.“
 

Gilbert legte den Arm um sie und sagte: „Urteile nicht zu hart, Anne. Du weißt nicht, was vorgefallen ist. Denk in Ruhe darüber nach und überstürze nichts?“
 

Anne vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und weinte.
 

Die ganze Geschichte ging ihr ständig durch den Kopf. Nachts lag sie wach und grübelte über ihren Großvater nach. Gilbert drehte sich zwei Tage später im Bett um und sah im Mondlicht, dass Anne mit offenen Augen im Bett lag.
 

„Was ist Anne? Warum schläfst du denn nicht?“, flüsterte er leise.
 

„Oh, Gil, ich kann einfach nicht schlafen. Was soll ich denn nur tun?“
 

„Du denkst die ganze Zeit darüber nach, was Mr. McKenzie gesagt hat, nicht wahr?“ Er streckte seine Hand nach ihr aus und Anne rückte in seine Arme.
 

„Bevor ich nach Green Gables kam, habe ich mir oft gewünscht, irgendwelche Verwandte zu haben. Ich träumte als kleines Mädchen davon, dass plötzlich ein unbekannter Verwandter auftauchen würde und mich von den Hammonds oder aus dem Waisenhaus fortholen würde. Jetzt weiß ich, dass ich einen Großvater habe und dass er die ganze Zeit über von meiner Existenz wusste. Warum nur hat er mich nicht geholt? Warum hat er sich nicht um mich gekümmert? Ich bin so wütend und enttäuscht von ihm, Gil.“
 

„Verurteile ihn nicht zu früh, Anne. Natürlich, war es falsch von ihm, sich nicht um seine Enkeltochter zu sorgen. Ich will ihn ganz bestimmt nicht entschuldigen. Aber ich weiß auch nicht, wie sein Leben verlaufen ist und welche Gründe er für sein Vorgehen hatte.“
 

„So, sehr ich auch wütend auf ihn bin, so weiß ich doch auch, dass dies meine Chance ist, mehr über meine Eltern zu erfahren. Vielleicht existiert ja sogar eine Fotografie. Gerade eben ist mir wieder Miss Staceys Gebot eingefallen `Jeder Morgen ist frei von Fehlern`, mein Großvater bereut vielleicht heute seine Fehler. Soll ich ihm eine Chance geben sie wieder gut zumachen? Ich selbst habe in meinem Leben schon genügend Fehler gemacht. Besonders, als ich nicht einsah, dass ich dich liebe. Zum Glück habe ich meine Chance bekommen, es wieder gut zumachen. Du wurdest wieder gesund und ich konnte dir sagen und zeigen, wie sehr ich dich liebe.“ Sie sah ihm in die Augen und ihre helle Haut schimmerte im Mondschein.
 

„Egal, wie du dich entscheidest, Anne, ich werde auf jeden Fall zu Dir stehen.“ Sanft küsste er ihre weichen, einladenden Lippen.
 

“Also gut“, sprach sie „ich werde mich mit Mr. McKenzie in Verbindung setzten. Aber bitte, Gil, wenn ich zu meinem Großvater gehe, musst du mitkommen. Alleine schaff ich das nicht.“
 

“Natürlich, Anne-Mädchen. Du weißt doch, dass ich immer für dich da bin. Ich lass dich nicht allein, wenn du mich brauchst.“
 

„Gil, ich liebe Dich.“ Sie hielten sich in den Armen und für einige Momente waren die Sorgen um das Treffen mit ihrem Großvater vergessen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Amy-Lee
2016-05-10T20:18:05+00:00 10.05.2016 22:18
Hi, es war toll.
Anne hat also noch einen Großvater, das ist schön, auch wenn ich es nicht so toll finde,
das Er sich nicht um seine Enkeltochter gekümmert hat, aber da war womöglich,
verletzter stolz im Spiel und jetzt will wo dieser verraucht ist, will Er sich seiner Enkelin nähern,
weil Sie der einzige Erbe ist.
Ich bin gespannt wie es weiter geht.
Bye


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