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adventures of my mind

#aomm
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
(Genre: Slash) Komplett anzeigen

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#schillernd - Curtain's Fall

„Jannis! Jannis!“ Aufgeregte Rufe einer Reporterin zwischen einer Masse am Menschen, die sich wie Tausende anfühlte. Dabei waren heute vielleicht 40 oder 50 Journalisten, Blogger Fotografen für den Aufmarsch auf dem grünen Teppich zugelassen worden. „Herr Wagner! … Ah, vielen Dank, dass Sie uns Ihre Zeit schenken.“

„Kein Problem, dazu sind wir heute hier.“ Ein Lächeln, immer hübsch freundlich bleiben, das zweite Gesicht nur nicht fallen lassen.

„Herr Wagner-“

„Bleiben Sie ruhig bei Jannis, ich bin erst 23 Jahre alt.“

„Oh, vielen Dank. Da möchte ich auch direkt meine erste Frage anschließen: Sie sind gerade einmal 23 und haben schon eine beeindruckende Karriere vorzuweisen. Und ihre treuen Fans erst!“

„Ja, ich hatte das Glück eines fleißigen Managers mit ziemlich gutem Bauchgefühl.“

„Matthias Sänger.“

„Ja, Matt hat mir immer Rollen besorgt, die perfekt auf meinen Typ passen, und seit den drei Ewigkeit-Filmen … na ja, Sie kennen die Geschichte ja.“

„Wer kennt die nicht?“ Die Reportein ließ ein perlendes Lachen vernehmen. „Die erfolgreichste Fantasybuchreihe der letzten zehn Jahre und die Verfilmungen waren allesamt ein Hit bei Kritikern und Publikum. Eine sichere Bank sozusagen, besonders bei einem so gutaussehenden Hauptdarsteller. Da würde sich doch jeder verlieben!“

„Oder beißen lassen.“

„Ja, genau!“ Noch ein Lachen. Und ein verführerischer Augenaufschlag. „Aber was Sie jetzt machen, geht in eine vollkommen andere Richtung: Lichtmomente. Zum ersten Theather, und außerdem kein einfacher Stoff, wie man mir sagte. Wie kommt es?“

„Na ja, so viel Spaß es auch macht, Vampire zu spielen – oder eine andere Version davon zu spielen, Sie wissen ja, dass ich ganz geheim wirklich einer bin – aber irgendwann will man sein Spektrum doch erweitern. Ich kann nicht immer nur den gutaussehenden Helden spielen. Es muss auch mal ein bisschen anders sein, tiefer. Natürlich machen wir hier nichts komplett Abwegiges, es ist kein experimentelles Theather mit drei Darstellern in Lendenschurz – ich habe die meiste Zeit immer noch alle meine Klamotten an, aber ja … es ist eine Herausforderung.“

„Da dürfte sich die Damenwelt freuen. Ich nehme an, Sie erhalten dabei alle nötige Unterstützung von ihren Fans, auch wenn es sehr anders ist?“

„Natürlich, sie sind alle sehr aufbauend. Die sozialen Medien laufen fast über, ich komme überhaupt nicht mehr mit dem Lesen hinterher. Aber auch die Stimmung im Team ist grandios. Fynn … Fynn Adrian, der die andere Hauptrolle spielt, könnte mir nicht mehr helfen. Wenn ich mit ihm auf der Bühne stehe, habe ich das Gefühl, viel besser zu sein als sonst.“

„Dann dürfen wir uns ja auf ein wahres Erlebnis freuen. Dann noch viel Spaß bei der Premierenfeier und Hals- und Beinbruch für die erste Vorstellung!“

„Danke.“
 

So ging es noch eine halbe Stunde lang weiter, Magazin um Magazin, Zeitung um Zeitung, ob klassisch print oder modern online – alle rissen sie sich nach uns, um die immergleichen Fragen zu stellen. Aber das war PR, da musste man durch. Und im Grunde mochte ich es auch, über meine neuen Projekte zu sprechen, denn ich hatte nicht gelogen: Mein Manager hatte ein gutes Händchen für meinen Typ, schickte mich fast ausschließlich zu Castings für Rollen, die mir unglaublich Spaß machten. So auch dieses Mal, wobei ich für Lichtmomente schon auf einen gewissen Bekanntheitsbonus zurückblicken konnte. Ich war halb ausgerastet, als Matt mir gesagt hatte, dass der Regisseur tatsächlich mich haben wollte. Und dann noch die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit Fynn Adrian, der im letzten Jahr quasi aus dem Nichts aufgetaucht war und so ziemlich alle anderen Theatherdarsteller an die Wand gespielt hatte. Er hatte dieses gewisse etwas, dem man sich einfach nicht entziehen konnte. Man konnte regelrecht neidisch werden – das waren einige Kritiker ganz offensichtlich, denn sie konnten seine Leistung zwar nicht herabwürdigen, gaben ihm allerdings oft unschöne Spitznamen wegen seines Aussehens. Seine Nase, die wohl einmal gebrochen und schlecht verheilt war, oder seine deutlichen Augenringe. Ansonsten sah er eigentlich ganz normal aus: Grüne Augen, glatte braune Strähnen, die ihm bis über die Ohren und in den Nacken fielen. Aber mir konnte das sowieso egal sein. Ich hatte ein ganz anderes Verhältnis zu ihm. Ich hatte bisher schon so viel gelernt … und dann …

Am Ende der Presse-Geschichte stellten wir uns alle noch zu einem Gruppenfoto auf – unser Regisseur, die Produzenten, die Darsteller der wichtigen Rollen und natürlich auch Fynn und ich. Wie selbstverständlich rückte man uns beide in die Mitte, damit wir besonders gut zu sehen waren. Ebenfalls wie selbstverständlich legte Fynn mir eine Hand auf den Rücken, genau auf die Wirbelsäule, ungefähr eine Handbreit unter den Schulterblättern. Die Berührung war mir so bewusst, als hätte ich keinen Anzug an, als würde Haut auf Haut treffen. Und es warf mich zwei Wochen zurück.
 

Angespannte Stimmung herrschte während der Proben – und es war mehr oder weniger meine Schuld, weil ich eine last minute eingeschobene Szene trotz intensiver Trainings und Besprechungen einfach nicht hinbekam. Sie war nicht sehr lang, veränderte aber unsere Figurenkonstellation beträchtlich und bescherte mir vor allem das Dilemma, an meine Leistungsgrenzen zu kommen. Ein paar meiner Kollegen waren sauer auf mich, ich war sauer auf mich und wir beendeten den Tag eine Stunde früher, bevor es noch knallte. Ich war geladen, Fynn dafür umso ruhiger.

Nach dem Umziehen kam er in meine Umkleide und bot mir an, privat noch etwas weiter zu proben, bis ich die Szene drauf hatte. Trotz schlechter Laune nahm ich an, schließlich nahte die Premiere und da ich nicht mehr umbesetzt werden konnte, musste ich das entweder hinkriegen oder der Drehbuchautor musste seine geliebte Kreation wieder abändern. Zugegeben, es wäre wirklich ein Verlust, ganz egal, wie schwer mir das alles fiel.

„Ich hab so was noch nie gespielt“, murrte ich, als Fynn und ich uns auf die Couch setzten, die in meinem Raum stand.

„Wird schon“, sagte er nur knapp, machte es sich bequem und legte sein Skript erst einmal beiseite.

„Ich hab mich einfach auf Sozialdrama und eine vollkommen kaputte Figur eingestellt. Das ist so anders als der ganze Teenie-Schwarm- und Vampir-Kram, den ich bisher gemacht habe. Das ist Umstellung genug. Aber jetzt muss ich das ganze Stück schwul spielen, ich hab doch keine Ahnung davon!“

„Ach, das ist auch nicht so anders“, wandte Fynn ein, „Schwule sind schließlich auch nur Menschen. Du sollst schließlich keine Vorzeige-Dragqueen sein, sondern einfach nur ein Kerl, der sich in einen anderen Kerl verliebt. Oder nicht ganz verliebt. Spiel das Stück einfach wie bisher – du bist gut darin! – und einfach nur diese Szene anders. Das ist der einzige Moment, in dem es zählt.“

Ich nickte. Zaghaft. Schlielich … „Trotzdem ändert es nichts dran, dass ich diese Szene einfach nicht hinkriege. Ich kann es nicht richtig fühlen. Es ist so … seltsam, wenn ich einen Kerl küssen soll.“

„Dann küss doch einfach mich.“

„Du bist ein Kerl.“

Ich schmunzelte daraufhin. „Das wäre ich wohl, wenn du mich nicht kennen würdest. Aber ich hoffe doch, dass ich nicht irgendein Kerl für dich bin, sondern ein Freund.“

„Ich hab auch noch nie einen meiner Kumpels geküsst … und ich würde es wahrscheinlich auch nicht machen, die geben mir dann sicher eins aufs Maul.“

„Ich werd dir ganz sicher keins aufs Maul geben.“

„Das bezweifle ich nicht.“ Und er schaffte es tatsächlich endlich, meine Laune ein wenig zu heben. Sein Optimismus, seine positive Art. Ich lächelte zurück.

„Okay“, setzte Fynn schließlich wieder an, „da wir das nun geklärt hätten … Das Geheimnis ist eigentlich ziemlich simpel: Du musst dich nur entspannen. Wenn du dich wohlfühlst, kommt der Rest von ganz allein. Ich nehme mal an, dass bisher einfach zu viel um uns rum passiert ist. Die ganzen Leute, die irgendwas von dir erwarten, tun dir nicht gut, wenn du selbst schwarz siehst. Du hast dich einfach nicht wohlgefühlt.“

„Nicht wirklich.“

„Na dann … fühlst du dich jetzt wohl?“

„Ich denke schon.“

„Gut, dann lass uns das angehen.“

„Okay“, willigte ich ein und wollte nach dem Skript auf dem Tisch greifen, aber Fynn hielt mich zurück. Als ich ihn fragend ansah, schüttelte er den Kopf.

„Wir gehen jetzt noch nicht ganz nach Drehbuch. Das hier wird einfach nur die richtige Stimmung.“

„Äh …“

„Ich werde dich jetzt küssen, ganz langsam, damit du sicher wirst. Augen zu … wenn du willst.“

Ich wusste nicht, ob ich wollte – ob es das alles hier war oder nur das mit dem Augenschließen. Ich wartete einfach ab, ebenso wie Fynn. Wir starrten uns sicher eine Minute lang an, ehe er schließlich den ersten Schritt machte: Er setzte sich dicht neben mich und blickte mir unverwandt ins Gesicht, legte mir die linke Hand auf die Schulter und ließ mir genug Zeit, um mich darauf vorzubereiten, zu reagieren, wenn ich denn wollte. Und meine Reaktion war, dass ich doch die Augen schloss, als Fynn mir so nahe war, dass ich ihn schon ganz nicht mehr richtig fokussieren konnte.

Er drückte mir nicht die Lippen auf, sondern legte zuerst seine Stirn an meine, atmete tief ein und aus, sodass ich einen kräftigen Luftstrom auf meiner Haut spüren konnte. Er wartete dann wieder etwas, ehe er sich weiter bewegte: Er schob die Nase etwas zur Seite, sodass sie an meiner rieb und dann an meiner Wange lag. Seite Lippen berührten mich noch immer nicht. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, ich dachte wohl einfach an gar nichts … außer an diese leichten, sanften Berührungen, die zwar ungewohnt waren, aber nicht schlimm. Vielleicht würde ich sogar vergessen, dass ich das gerade mit Fynn, einem ganz normalen Mann, tat und nicht mit einer bildhübschen Frau.

Dann schluckte Fynn. Ich konnte fühlen, wie sich seine Lippen dabei leicht bewegten, meine Haut streiften, sein Atem dafür sorgte, dass sich die kleinen Härchen auf meinem Gesicht aufstellten. Seine Hand rutschte in meine Halsbeuge, und erst dann kam endlich der Kuss.

Fynn strich sanft über meine Lippen, übte ein winziges bisschen Druck aus, saugte ebenso ein wenig, versuchte, mich zu animieren und es mir gleichzeitig so einfach wie möglich zu machen. Und ohne dass ich es wirklich bewusst tat, ließ ich mich auf das alles hier ein, lehnte mich etwas in seine Richtung, legte den Kopf nur ein Stückchen schiefer, damit wir besser zueinander passten. Dabei merkte ich, wie sich meine Muskeln entspannten. Es war, als ob ich noch etwas tiefer in das Polster des Sofas rutschen würde, obwohl ich mich keinen Millimeter bewegte. Es fühlte sich schlichtweg bequemer an als eben noch.

Das war auch gut so, denn ohne Pause oder weitere Vorankündigung ging es weiter. Waren bisher nur unsere Lippen im Spiel gewesen, öffnete Fynn nun leicht den Mund, um seine Zunge auf mich loszulassen. Und ich zögerte kaum, tat es ihm gleich, ohne dass er mich großartig bitten musste. Es war wirklich überhaupt nicht anders als mit einer Frau, es war eigentlich egal, denn Fynn konnte gar nicht mal so schlecht küssen. Eigentlich so gut, dass ich mich bald vergaß.

Meine Hände, die bisher noch tatenlos neben mir gelesen hatten, wurden nun aktiv. Wie von selbst schlangen sie sich um Fynns Oberkörper, zogen ihn näher an mich heran, ganz natürlich. Ich verlor mich in unserem Kuss, wir verloren uns darin, und es störte mich auch nicht im Geringsten, als Fynn sich aus der Umarmung löste und sich stattdessen auf meinen Schoß setzte, ohne uns zu unterbrechen. Ich mochte sein Gewicht auf mir, es tat gut, und er schien so wesentlich besser an alles heranzukommen, ohne sich strecken zu müssen – schließlich war ich einen halben Kopf größer als er, obwohl er ein paar Jahre älter war.

Ich wusste nicht, wie lange wir das schon machten, es war auch egal, denn wir waren die letzten im Theather. Aber im Grunde war es erstaunlich, wie schnell alles ging, wo ich doch vor Kurzem noch solche Probleme mit einer solchen Situation hatte. Ich merkte auch erst, dass Fynn sich in meinem Schoß bewegte, als Blut und Hitze in meinen Schritt strömten. Das irritierte mich dann doch.

„Wa- … warte“, keuchte ich, als ich mich löste und an mir herabsah, „ich …“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war mir peinlich, dass das gerade vor ihm passierte.

„Kein Problem“, raunte Fynn jedoch nur, „alles gut.“

„Nein, ich … ich weiß nicht, warum …“

„Weil du vollkommen entspannt bist. Das ist gut, du hast den Dreh raus.“

„Das darf im Stück aber nicht passieren.“

„Nein, das sollte es nicht“, schmunzelte er und strich über meine Stirn und meine Haare.

„Okay … ähm … ich denke, ich sollte das unter der Dusche wegmachen.“

„Ich kann dir dabei auch helfen. Bleib hier …“

„Äh …“, zu mehr war ich nicht fähig, denn Fynn beugte sich wieder zu mir hinab, und ich schloss wie automatisch die Augen, denn ich ahnte, dass er mich wieder küssen würde. Was er sonst noch tun wollte, wusste ich nicht. Ich hatte auch keine Ahnung, wieso ich ihn einfach machen ließ. Objektiv könnte man hier argumentieren, dass sich mein Körper so in einer erotischen Art und Weise an ihn gewöhnen würde, dass das besser war, damit so ein Missgeschick nicht auf der Bühne passierte. Subjektiv … tja …

Aber es tat gut, so gut. Er küsste mich nicht nur weiter, sondern ließ wieder die Hüften in meinem Schoß kreisen, machte sich besonders schwer, erzeugte eine elektrisierende Reibung zwischen uns, die so unglaublich erregend war. Ich konnte nicht anders, ich schlang meinen Arm wieder um ihn und drückte seine Hüfte noch etwas fester gegen meinen Schritt. Fynn beschwerte sich nicht, sagte auch nichts gegen das genüssliche Seufzen und leise Stöhnen, das mittlerweile zwischen unseren Küssen aus meinem Mund kam.

Stattdessen wand seine freie Hand – die andere lag noch immer an meiner Halsbeuge – an meinem Oberkörper hinab, löste den Knopf an meiner Jeans und glitt unter den robusten Stoff.

„Uhnnn …“, entkam es mir, während Fynn sein Gewicht zur Seite verlagerte, um besseren Zugang zu meiner Hose zu haben. Er machte mich damit ganz verrückt, mir wurde immer wärmer, mein ganzer Körper begann zu kribbeln und spannte sich von allein wieder an. Plötzlich drückte ich meinen Hinterkopf gegen die Sofalehne und biss mir auf die Unterlippe. Das dämpfte die Geräusche, die aus meinem Mund kamen etwas, verhinderte sie aber nicht ganz. Ich wünschte, Fynn würde mich weiter küssen, so sehr … hmmmm … Und dann war es vorüber.

Außer Atem öffnete ich die Augen – und sah Fynn vollkommen unberührt vor mir sitzen. Mein Gesichtsausdruck musste Bände sprechen, denn ohne dass ich auch nur eine Silbe gesagt hatte, gestand er mir direkt: „Sorry, bitte sei mir nicht böse, aber … ich bin asexuell. Es liegt nicht an dir, ich kann einfach nur keine sexuelle Lust empfinden. Es … tja …“

„Und … äh … und das eben?“, stotterte ich, als ich meine Sprache widerfand.

Fynn grinste daraufhin – nur ein wenig, ganz leicht – und küsste mich wieder, ehe er antwortete: „Das ist ein wenig kompliziert. Ich mag dich, und es freut mich, wenn es dir Spaß macht. Außerdem heißt asexuell nicht auch, dass ich gar keine Gefühle hätte. Ich habe mich schon in unzählige Menschen verliebt … Männer wie Frauen … aber leider-“ Er seufzte tief und schob sich von meinem Schoß herunter, um sich neben mich auf die Couch zu setzen. „Leider bin ich in einer Familie aufgewachsen, in der so ein abnormales Verhalten, wie meine Mutter es immer so nett umschrieb, nicht erwünscht war. Als sie mich das erste Mal beim Knutschen mit einem Jungen erwischt hat, hat sie mir Strafpredigten gehalten, mich zum Pfarrer und irgendeinem Quacksalber geschickt und mir eingeschärft, dass ich so was nie wieder tun sollte. Das ging lange so … zu lange, denke ich. Es war wohl eine Überkompensation, dass ich jedes sexuelle Bedürfnis verloren hab. Meine Beziehungen halten deshalb auch nie lange. Ich finde es okay, dass wer immer gerade mit mir zusammen ist, auch Sex mit mir haben will. Ich mache mit, weil ich sie glücklich machen will … aber früher oder später kommt immer der Punkt, an dem es nicht mehr reicht, nur mitzumachen. Irgenwann wollen sie immer, dass ich auch mal Leidenschaft zeige, und das kann ich nun mal nicht.“

Das musste ich erst einmal sacken lassen – alles zusammen. Fynn schien jedoch ungedudig zu werden: „Also, Jannis … du hast jetzt die Chance, dein Heil in der Flucht zu suchen, die Ausgänge wären überall.“ Jep, ich musste ganz, ganz dringend etwas sagen – irgendwas. Aber was suchte ich mir ausgerechnet aus?

„Hast du dich etwa in mich verliebt?“

Stille. Das musste er wohl erstmal sacken lassen.

Nach einer guten halben Minute fing Fynn dann zu grinsen an – diesmal fast von einem Ohr zum anderen. „Weiß nicht, aber ich mag dich. Und du?“

„Äh …“
 

Im Nachhinein gesehen, hatte ich das wohl. Und das war schon irgendwie schräg, denn ich hate etliche Filme gedreht, die eigentlich genau dazu geschaffen waren, dass ich mich in meine Spielpartnerin verliebte – diese romantischen, leicht bis schwer kitschigen Komödien und nicht zuletzt diese Vampir-Filmreihe. Ich weiß nicht mehr wie viele Klatschblätter schon gemeldet hatten, dass ich mal wieder mit jemand anderem zusammen wäre, obwohl ich seit Jahren nichts Ernstes mit irgendwem gehabt hatte. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal während einer Produktion verlieben würde, schließlich war ich ein professioneller Schauspieler, der zwischen Arbeit und Privatleben unterscheiden konnte.

Und dann kam dieser Kerl und haute mich quasi von den Füßen. Und die Medien hatten absolut nichts davon mitbekommen.

Es war allerdings auch noch nichts Festes, wir verbrachten einfach gerne Zeit miteinander, saßen während der Pause in den Proben zusammen in unseren Umkleideräumen oder gingen gemeinsam etwas essen. Fynn war eine so angenehme Gesellschaft, dass ich in seiner Gegenwart auf meiner Couch eingeschlafen war. Er hatte sich derweil auf den kleinsten Rest Sitzfläche zu meinen Füßen gequetscht und ein Buch gelesen, bis die Probe weitergegangen war.

Wir hatten uns jedoch immer wieder geküsst – in kleinen, heimlichen Momenten, wenn ich es gebraucht hatte oder einfach nur wollte. Und auch wenn Fynn selbst kein Verlangen danach verspürte, vermittelte er mir immer ein gutes Gefühl. Manchmal fing er sogar an, wenn er merkte, dass mir danach war, ehe ich es überhaupt wusste. Vielleicht sollte ich mich schlecht fühlen, dass ich immer nur nahm und ihm nie etwas dafür zurückgab … aber er wurde auch nicht müde, zu betonen, dass es ihm genügte, wenn er mich damit glücklich machen konnte. Ich konnte es schwer nachvollziehen, aber wenn das seine Vorstellung von einer Beziehung war, dann wollte ich mich nicht beschweren.
 

Und dann kam der Tag, der Premierentag, an dem plötzlich alles so grundlegend anders lief.

Nach der Vorstellung, nachdem uns jeder im Team ungefähr fünfmal gratuliert und uns bescheinigt hatte, wie wundervoll wir gewesen wären, zog er mich beiseite, in seine Umkleide hinein und schloss hinter uns ab. Seine Pupillen waren riesig, seine Augen fast schwarz. Ich schob es auf die Euphorie, weil wir unseren ersten öffentlichen Auftritt so gut wie nur irgend möglich hinbekommen hatten.

Aber es war etwas anderes, denn er würgte mich ab, als ich ihm noch einmal gratulieren wollte, drückte mich mit dem Rücken gegen die Tür und presste sich ganz dicht an mich – wesentlich forscher, als ich es von ihm gewohnt war. Er fiel beinahe über mich her, konnte seine Hände nicht stillhalten und bebte regelrecht. Und er atmete schwer.

„Fynn … Fynn!“, keuchte ich atemlos, als er für einen winzigen Augenblick von mir abließ. Ich nahm außerdem sein Gesicht in meine Hände, um ihn kurz auf Abstand zu halten, um kurz durchatmen zu können. Aber sein Anblick verschlug mir erst recht den Atem: Fynns Augen wirkten nicht nur schwarz, sie waren schwarz und außerdem blutunterlaufen. Und als wäre das nicht schon genug gewesen, beugte er sich mit aller Macht wieder in meine Richtung, stürzte sich auf meinen Hals, um diesen mit Küssen zu überdecken und mit der Zunge über meine Haut zu streichen. Ich lockerte meinen Griff und ließ mich zu seinem genüsslichen Seufzen hinreißen, weil es so unglaublich guttat. Ich konnte nicht anders – ebenso wie ich nichts dagegen machen konnte, dass meine Hüfte sich an seine presste, um für Nähe und Reibung zu sorgen. Ohhhhh … ohhhhh … oh!

Da waren plötzlich seine Zähne. Aber die knabberten nicht in zärtlicher Manier, wie ich es von Fynn gewohnt war – nichts war heute, wie ich es von Fynn gewohnt war. Stattdessen biss er mich. Und er saugte dabei! Es tat plötzlich richtig weh – so sehr, dass ich mich ruckartig losriss und eine Armlänge Abstand zwischen uns brachte. Und dann erstarrte ich. Denn ich sah, woher der Schmerz gekommen war.

„Es … ich … Jannis, bitte, ich …“

An seinen Lippen klebte Blut.

Weil er mich gebissen hatte.

„Wie willst du mir das erklären?!“, platzte es aus mir heraus – im selben Moment, in dem er „Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären kann“ sagte. Er starrte mich nur mit großen Augen an, die nun wieder mehr grün als schwarz waren. Ich konnte es nachvollziehen: Sämtliche Erregung war auch bei mir verpufft … teilweise zumindest. Stattdessen war es eine andere Art von Aufregung, die mich jetzt beherrschte: Ich war sauer.

„Ist das irgendein schräger Fetisch von dir?“, schnappte ich. Ich war nicht nur wütend, sondern fühlte mich auch betrogen. „Asexuell, aber dafür pervers?! Hast du extra damit gewartet, bis ich keinen Rückzieher mehr machen kann, um es mir zu sagen? Der Idiot hat sich ja sowieso schon verknallt, der wird das schon schlucken!“ Verflucht!

Ich hätte es wissen sollen. Diese schillernde Glitzerwelt war so falsch wie Modeschmuck: hübsch anzusehen, aber nicht echt.Wir alle trugen Masken, und keiner wusste, was der andere hinter seiner verbarg. Aber es war eben doch nicht alles Gold, was glänzte, und ich hatte mich täuschen lassen – dass Fynn die große Ausnahme wäre und mir tatsächlich zeigte, wie er wirklich war. Ich hatte mein Herz an ihn verloren, Herrgott nochmal! Ich!

„Ich habe dir nicht die ganze Wahrheit gesagt“, setzte Fynn schließlich zu einer Erklärung an und wischte sich mit dem Ärmel das Blut von den Lippen.

„Was du nicht sagst.“

„Ja … ich …“, er seufzte und fuhr sich sichtlich verzweifelt durch die dunklen Haare. Ich verdrängte, wie gut er aussah, wenn er es so nach hinten strich. „Ich habe dir gesagt, ich sei asexuell, weil ich in einem strengen Elternhaus aufgewachsen bin.“

Warum fing er jetzt damit an? Es ging um das, was er eben getan hatte, nicht um etwas, was ich längst akzeptierte!

„Beides ist wahr, aber es hat nichts miteinander zu tun. Ich … ich hab das noch nie jemandem erzählt, aber ich wurde im Jahr 1867 geboren und bin 1893 gestorben … und wieder auferstanden. Wenn man damals als Mann nicht nur auf Frauen stand und es rauskam, drohten einem schwere Strafen. Man hat mich nie erwischt, aber ich bin da an jemanden geraten, den ich besser nie getroffen hätte …“

Er verstummte, sah mich wieder an. Und ich blickte nur zurück. Das war nicht sein Ernst? Er wollte mich hier nicht mit so einer abgeschmackten Story von der Tatsache ablenken, dass er mir direkt ins Gesicht gelogen hatte? Und belog mich dabei schon wider!

„Das ist jetzt ein Scherz, oder?“

„Warum sollte ich in so einer Situation Witze machen? Und bist du nicht derjenige, der aller Welt erzählt, er sei ein Vampir?“

„Ja, aber das ist doch nur ein PR-Gag! Das ist alles mit meinem Manager abgesprochen, um mich als Marke zu etablieren. Du glaubst doch nicht tatsäch, dass-“

„Doch! Du musst mir das glauben, weil es die Wahrheit ist. Hier!“ Damit griff er nach meiner Hand, packte meinen Zeigefinger besonders fest und nahm ihn in den Mund. Und an meiner Fingerspitze konnte ich tatsächlich ungewöhnlich scharfe Eckzähne fühlen. Als ich das realisierte, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass Fynn mir durchaus die Wahrheit erzählen könnte, und ich zog meine Hand ruckartig wieder zurück. Ausgerechnet dabei schnitt ich mir die Fingerkuppe auf.

„Ah!“, keuchte ich auf. Weil solche Schnitte immer am meisten weh taten.

„Entschuldige“, sagte Fynn daraufhin, nahm erneut meine Hand – sanfter dieses Mal – und saugte an der kleinen Wunde, bis … sie sich wieder geschlossen hatte. Als er mich losließ, war da nur noch gerötete Haut, sonst nichts mehr.

„Glaubst du mir jetzt?“

„Äh …“ Ich hielt meine Hand höher, drehte sie und betrachtete sie von allen Richtungen. Hier gab es jetzt nur zwei Möglichkeiten: „Entweder du bist ein Vampir oder ich bin einer. Und ich weiß, dass ich definitiv keiner bin.“

„Ja, leider.“

„Hm?“

Fynn legte nun wieder ein zaghaftes Lächeln auf, ein eindeutiger Versuch, mich zu besänftigen.

„Bevor ich dich kennengelernt habe, hatte ich gehofft, dass es nicht nur ein PR-Gag ist. Ich meine, es war nicht sonderlich wahrscheinlich, aber es wäre schön gewesen, wenn doch.“

„Aha …“, machte ich. „Und nun?“

„Ich würde dich gerne küssen“, gab Fynn frei heraus zu, „wenn ich darf.“

„...“

„Es ist natürlich auch okay, wenn nicht. Ich habe im Grunde erwartet, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, sobald die Katze aus dem Sack ist.“

„Das habe ich nicht gesagt“, wandte ich ein, „aber ich dachte, dass du keine Bedürfnisse in der Richtung hast.“

„Ach, das. Das meinte ich vorhin: Das Umfeld, in dem ich geboren wurde, hat nichts damit zu tun. Dafür hängt mein Sexualtrieb an meinem Bedürfnis nach Blut. Wenn ich gut genährt bin, ist er quasi nicht vorhanden – und andersrum.“

„Und heute bist du hungrig.“

„Ja. Ich denke, es liegt an der Aufregung. Mein Stoffwechsel ist aktiver, weil ich noch nie in so einer Situation war. Ich führe dieses öffentliche Leben noch nicht so lange. Ich weiß, dass ich ein guter Schauspieler bin, aber die ganze Aufmerksamkeit, und ich hatte auch lange niemanden mehr, der mir so viel bedeutet hat wie du. Ich … hab es einfach irgendwie unterschätzt, und dann noch die Euphorie nach der Vorstellung … Es ist blöd gelaufen.“ Es war ihm sichtlich unangenehm.

„Wenigstens weiß ich es jetzt“, meinte ich tröstend, lente mich nach vorn und setzte einen Kuss auf seine Stirn. Als ich mich wieder aufrichtete, blickte Fynn mich freudig überrascht an, lächelnd. „Und jetzt erklärst du mir alles. Und wenn du wieder was weglässt, setz ich dich raus in die Sonne, damit du dort zu Staub zerfallen kannst.“

„Das wird leider nichts helfen.“

„Schade.“

Das Grinsen, das sich daraufhin auf seinem Gesicht breitmachte, wärmte mein Herz – ganz genau wie eben erwähnte Sonne.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, wie erwartet, halte ich diese Challenge natürlich nicht bis zum Ende durch. Nach der Hälfte ist schon Schluss ^^" Aber es hat Spaß gemacht, und ich hatte endlich mal die Gelegenheit, ein paar Plot Bunnys aus meinem Hirn zu Papier zu bringen. Besonders "By the River" musste wirklich mal raus. Vllt schreibe ich noch ein paar Kurzgeschichten und breche viel zu langes Zeug auf was Kurzes, Knackiges runter. Aber nicht mit Zeitlimit oder Thema.

Danke für's Lesen und bis bald! :3 Komplett anzeigen

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