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Trugbilder

Facetten einer Feindschaft
von

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Unter dem Blick des Raben

Hand in Hand mit dir weise ich die Welt in ihre Schranken.

(Friedrich von Schiller)
 

 
 

 

Harry wollte nichts anderes, als sich verkriechen. Er war es leid Hermines prüfenden Blick auf sich zu spüren. Rons Bemerkungen darüber zu hören, dass er es doch endlich hätte lernen müssen, seinen Geist zu verschließen – es sei denn Snape manipuliere Harrys Bemühungen.

 

Gerade hatte Harry wieder eine Okklumentik-Stunde hinter sich gebracht und sich eine Schimpftirade seines Lehrers anhören müssen. Etwas hatte den dunkelhaarigen Gryffindor stutzen lassen. Snape hatte ihm vorgeworfen, durch sein Unwillen Okklumentik zu lernen, auch diejenigen zu gefährden, die er anscheinend liebte. Harry war sich sicher, dass Snape mit dieser Aussage nicht Hermine und Ron meinte – und auch nicht Sirius.

 

War es möglich, dass der Hauslehrer der Slytherins von seiner heimlichen Liebelei zu Draco Malfoy wußte? Sie hatten wirklich versucht einander aus dem Weg zu gehen, die gemeinsamen Stunden im Raum der Wünsche zu vergessen – doch es war unmöglich gewesen. Genauso, wie eine unsichtbare Macht Harrys Gedanken immer wieder in die Mysteriumsabteilung lockte, genauso zog es ihn in Malfoys Nähe. Die Stunden mit Draco waren derzeit sein einziger Lichtblick.

 

Gerade als Harry den siebten Stock erreicht hatte und auf den Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten zuhielt, wurde aus dem dumpfen Schmerz hinter seiner Stirn, ein entsetzliches Reißen. Er umfasste seinen Kopf mit beiden Händen und musste hart an sich halten um nicht aufzuschreien. Ein irres Lachen dröhnte in seinem Kopf wieder und falsche Freude flutete seine Gedanken. Gerade als seine Knie nachzugeben drohten, legte sich ein Arm um seine Taille und zog ihn mit sich.

 

Der Kopfschmerz machte den Dunkelhaarigen beinahe blind, doch er wusste, dass es Draco war, der ihn aufrecht hielt.

 

„Leg dich hin, Potter“, murmelte der Slytherin mit leiser Stimme und zog Harry mit sich. Vollkommen ermattet lehnte er seinen Kopf an Dracos Brust und genoss dessen Finger, die durch sein zotteliges Haar fuhren und den dumpfen Kopfschmerz anscheinend vertreiben konnten.

 

„Voldemort hat richtig gute Laune...“, murmelte Harry mit schleppender Stimme. Er war so müde, so ausgelaugt.

 

Dracos Lippen berührten seine Stirn und als Harry den Blick hob, entdeckte er den besorgten Ausdruck in der Miene seines Freundes. Mit einem schiefen Lächeln strich Harry ihm über die Wange. „Guck nicht so. Nach den Stunden bei Snape ist es einfach immer etwas schlimmer. Das geht vorbei.“

 

„Warum schaffst du es nicht die Okklumentik anzuwenden, Harry? Es ist wirklich nicht so schwer. Ich lerne das seit meinem achten Geburtstag.“

 

Harry schaute Draco überrascht an. „Du beherrscht Okklumentik? Lernen das alle Slytherins?“

 

„Nein, nur die Todesser-Kinder.“ Dracos Miene bekam einen beinahe trotzigen Gesichtsausdruck.

 

„Wirklich?“

 

Draco zuckte mit den Schultern. „Es ist unter Schwarzmagiern ziemlich verbreitet sich benötigte Informationen einfach aus den Köpfen der Leute zu stehlen. Das erspart langes Herumgerede. Wenn man seine Familieninternas schützen möchte, bietet es sich an.“

 

Harry schüttelte den Kopf und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Nachdenklich stierte er an die Decke. „Es ist wegen Snape. Er macht irgendwas... Ich weiß auch nicht. Ich glaube, er verhindert, dass es mir gelingt. Seit meinen Okklumentik-Stunden habe ich permanent Kopfschmerzen.“ Er fuhr sich mit einer Hand über die Stirn.

 

„Nein, das tut er ganz sicher nicht, Harry. Gib mir deine Hand!“, behutsam zog der Blonde die Hand seines Freundes zu sich. „Oh, wieder ein Date mit Umbridge gehabt?“

 

Harry brummelte einen zustimmenden Laut.

 

„Das erklärt, warum Professor Snape mir heute Abend einen Tiegel mit einer Salbe zugesteckt hat und mir riet sie mitzunehmen, wenn ich mich das nächste Mal Nachts außerhalb meines Bettes herumtreibe.“ Draco griff in die Tasche seines Umhanges.

 

„Schmeiß sie weg. Vermutlich wird mir die Hand abfallen, wenn ich sie benutze“, knurrte Harry mürrisch. „Hast du ihm von uns erzählt?“

 

Draco hielt abrupt inne, dann lachte er laut auf. „Manchmal glaube ich, dass er wirklich recht hat.“

 

Harry runzelte die Stirn und folgte mit dem Blick Dracos Finger, der die Heilpaste vorsichtig auf Harrys Handrücken verstrich.

 

„Womit?“

 

„Dass du Blöd bist“, entgegnete der Blonde mit schneidender Stimme.

 

„Oh, das...“ Es gab dieser Tage wohl kaum etwas, was den Dunkelhaarigen noch erzürnen konnte – es war schließlich alles schon einmal dagewesen.

 

„Er wendet Legilimentik bei dir an. Hast du das Prinzip davon verstanden?“ Draco fuhr sich mit einer Hand durch das blonde Haar. „Mir läge tatsächlich viel daran, dass du es endlich lernst! Ich habe wirklich keine Lust mir von meinem Lehrer auf den Schwanz glotzen zu lassen, nur weil mein Freund es nicht schafft diese Erinnerungen für sich zu behalten!“

 

Harry spürte wie ihm die Farbe in die Wangen schoß. „Oh...“, machte er leise und wirkte zerknirscht. „Oh man...“

 

„Doch noch beschissener wird die Situation, wenn Voldemort – da er ja seit Weihnachten weiß, dass er in deinem Kopf herumspazieren kann, wie er will – auch hiervon erfährt. Er wird uns benutzen. Er kennt deine Macken – wie alle anderen Menschen dieser Welt auch. Was würdest du wohl tun, wenn er mich gefangen hält und dir zeigt, dass er seine Spielchen mit mir treibt? Hm?“

 

Draco war von Harry abgerückt und musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. „Du scheinst der Einzige zu sein, der entweder nicht über genug Weitblick verfügt oder dem einfach ein Quäntchen Intelligenz fehlt!“

 

Das allerdings traf Harry genau da wo es weh tat. Mühsam rappelte er sich auf und wich vor Draco zurück. Sekundenland starrten die Jungen einander an, dann schüttelte Harry den Kopf und wandte sich ab. Mit hängenden Schultern schlich er hinüber zu einem Fenster. Er setzte sich halb auf die Fensterbank und lehnte seine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe.

„Ich wünschte, ich könnte einfach gehen...“, wisperte er mehr zu sich selbst, als zu Draco. Tatsächlich hatte er sich seit dem Sommer immer ausgemalt, wie es wohl wäre, einfach ein paar Sachen zusammen zu packen und gemeinsam mit Sirius zu verschwinden. Die Zaubererwelt war groß und es gab Orte, an denen man sich nicht mit Voldemort rumschlagen musste. Orte, an denen Sirius nicht als gemeingefährlicher Mörder galt. Orte, an denen sie einfach leben konnten.

 

Harry schloss die Augen und presste Zeigefinger und Daumen an seine Nasenwurzel.

 

„Und wo willst du hin?“, erklang Dracos Stimme leise und weich direkt an seinem Ohr.

 

„Ich weiß nicht. Aber ich...“ Er zuckte mit den Schultern und verspürte dieses Brennen hinter seinen Lidern, die Enge in seiner Kehle. Er schluckte diese Schwäche hinunter. „Warum wird jeder Schritt den ich tue - oder eben nicht - so hart gewertet? Ich meine, wenn ein normaler 15 Jähriger sich entschließt in irgendeinem Unterrichtsfach keine gute Leistung bringen zu wollen, tja, dann gibt es eine schlechte Note, Streit mit den Eltern, einen Rüffel der Lehrer. Ok. Doch bei mir... Egal was es ist. Wenn ich in irgendetwas schlecht bin, dann wirft mir sofort jemand vor, dass ich den Weltfrieden gefährde.“

 

Draco zog ihn sanft in seine Arme -niemals hätte Harry erwartet einmal so etwas bei einem Jungen seines Alters zu spüren. Es kam ihm so unwirklich vor – er in Draco Malfoys Armen. Trost finden bei seinem liebsten Feind. Noch nie hatte ihn jemand so berührt, so wertschätzend, so schützend.

 

„Bisschen überheblich heute, was? Ich glaube nicht, dass der Frieden der Zaubererwelt von deiner Note in Wahrsagen abhängt, Potter“, stichelte der Blonde mit liebevoll neckender Stimme. „Behaupte also nicht, dass egal was du tust, die Last der Welt auf deinen Schultern liegt! Und wenn du noch auffälliger Rebellieren willst, dann gäbe es auch noch die Pflege magischer Geschöpfe. Ich bin mir sicher, dass niemand zu schaden kommt, wenn du einen Knallrümpfigen Kröter zu Tode pflegst. So wichtig bist du nun auch nicht, Goldjunge!“

 

Harry lachte beinahe lautlos auf, doch er wurde sofort wieder ernst. „Ich würde dich niemals absichtlich in Gefahr bringen, Draco. Nie.“

 

„Dann weißt du, was du zu tun hast, oder?“

 

Harry seufzte leise, doch dann erhellte ein Gedanke seine Miene. „Bring du es mir bei! Ich meine, wenn du es doch angeblich mit der Muttermilch aufgesogen hast...“

 

Draco runzelte nachdenklich die Stirn. „Warum nicht... Versuchen wir es einfach.“

 

Er löste sich von Harry und ging durch den Raum. Der Gryffindor beobachtete, wie sein Freund zwei flache Kissen auf den dicken Teppich vor dem Kamin legte.

 

„Komm her, Goldjunge.“ Draco deutete auf die Kissen. „Schuhe aus, Umhang auch. Setz dich da hin. Ich habe jetzt keinen Plan oder sowas. Ich mache jetzt einfach das, was meine Mum mit mir gemacht hat, ok?“

 

Harry nickte und ließ sich auf eines der Kissen fallen - Draco ihm gegenüber.

 

Die Wärme des Kaminfeuers legte sich wie eine wohlige Decke um sie.

 

„Du musst deinen Körper schließen. Also, ich meine, setz dich am Besten im Schneidersitz hin und lege deine Hände ganz locker ineinander.“ Harry musterte den Blonden erstaunt. Vollkommen entspannt und locker, saß Draco ihm gegenüber, die Beine angewinkelt übereinander gelegt. Er schmunzelte mit diesem frechen Flackern im Blick. „Lotussitz, Potter. Braucht man etwas Übung für. Ein Gryffindor wie du sollte froh sein, wenn er sich nicht schon im Schneidersitz ne Zerrung holt.“

 

Harry grinste leicht, musste aber feststellen, dass Draco recht hatte.

 

„Einiger maßen bequem?“, hakte Draco nach.

 

„Ja, ist ok.“

 

„Gut, dann schließe die Augen und atme ein und aus. Konzentriere dich nur auf deinen Atem, auf nichts sonst. Wenn irgendwelche Gedanken auftauchen, lasse sie einfach wegziehen. Stell dir vor, du sitzt in einem leeren Raum, dein Atem ist der Lufthauch, der hindurchzieht und dich immer wieder berührt. Nichts sonst.“

 

Was bei Draco beinahe ein Automatismus war, schien für den Dunkelhaarigen tatsächlich Schwerstarbeit zu sein. Doch er bemühte sich, allem Anschein nach.

 

Während der Slytherin in meditativer Haltung dasaß und es genoss sich der Ruhe hinzugeben, beobachtete er seinen Freund. Immer wieder verspannten sich Harrys Schultern, bewegten sich seine Lippen, nur um dann doch für eine kurze Weile zurück zu finden in die Entspannung.

 

Dracos Blick glitt über Harrys Körper. Schön war er nicht, dieser linkische Knabenkörper. Und doch war er begehrenswert in seiner Unvollkommenheit. Die Hände waren wohl das Schönste an ihm. Es faszinierte Draco, wie sie sich bewegten – mit so einer unschuldigen Eleganz, derer Harry sich nicht bewusst war. Es war so typisch für die mutigen Löwen, dass sie ihre eigenen Ausstrahlung nicht empfinden konnten. Severus Snape nannte es herumstolzieren wie Gockel, doch das war es nicht. Gryffindors Zeichen war nicht umsonst der Löwe – Stolz und Übermut strahlte ihnen voraus. Nun gut, Longbottom vielleicht nicht – und auch Weasley war eher plump, aber einige wenige, zogen zurecht die Blicke der anderen auf sich.

 

Draco riss sich aus seinen Gedanken, als er feststellte, dass Harrys Atem sehr gleichmäßig und tief geworden war. Mit einem Grinsen beobachtete er, wie Morpheus seine Fühler ausstreckte und den Dunkelhaarigen zu umschlingen begann. Ganz langsam neigte Harrys Kopf sich vor, sanken seine Schultern herab und wandelte sich sein tiefer Atem in leises Schnarchen.

 

Mit einem Schlenker seines Zauberstabes, ließ Draco weitere Kissen erscheinen. Er zauberte eine Decke herbei und dirigierte Harry behutsam in eine liegende Position. Sanft nahm er ihm die Brille von der Nase und schmiegte sich an ihn. „Ich würde mit dir gehen, egal wohin...“, wisperte Draco und zog den schlafenden Harry sanft in seine Arme.

 

Keiner von ihnen bemerkte den Raben, der auf dem schmalen Fenstersims saß und die Szenerie durch das Fenster beobachtet hatte. Das Tier, in dem eine menschliche Seele ruhte, verspürte bei diesem Anblick eine unbezähmbare Sehnsucht. Alte Erinnerungen durchfluteten den Geist des Raben. Er stieß sich von dem steinernen Untergrund ab, ließ sich in die Tiefen sinken, bis ein Windhauch ihn erfasste und mit sich trug.
 

 
 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  schickimicki
2015-10-19T18:52:19+00:00 19.10.2015 20:52
Oh ich hab es noch einmal gelesen und mich nochmal in die Stelle verliebt, die ich dir schon bei FF.de geschildert habe. Ich liebe es wie du Schreibt und Umschreibst und Beschreibst. Du hast echt Talent.

Was mir aufgefallen ist, dass du die gesamte FF auf Adult gesetzt hast. Das ist das Pendant zu AVL. Es können also nur Personen mir Altersverifikation deine Story lesen. Ich würde das rausnehmen. Es reicht wenn du die Warnung in den Kapiteln hinzufügst.

Schicki


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