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Nightmare

Pass auf, sonst wird der Albtraum wahr
von

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Watch out, the nightmare comes

Es war ein kühler Herbstmorgen an einem ruhigen Samstag. Gerade war der September vorbei und der Oktober hatte begonnen. Mit jedem Tag wurde es langsam kühler und die ersten Menschen liefen mit Rotznasen herum oder fingen an, sich die Seele aus dem Leib zu husten. Der kleine Naruto war davon jedoch nicht betroffen. Er lief aufgeregt durch die Wohnung, welche noch mit vielen Kisten vollgestellt war.
 

„Naruto, bitte hilf mir und pack deine Sachen zusammen. Sonst kommen wir nie los“, rief Kushina, eine rothaarige Frau mit heftigem Temperament aus der Küche. Sie war damit beschäftigt, die letzten Sachen zusammen zu suchen, da sie ja heute umziehen wollten.
 

Kushina und Minato, Narutos Vater, hatten sehr viel Zeit damit verbracht, ein passendes Zuhause für sie drei zu finden und nun war es endlich so weit. Nach längerem Überlegen und mehreren Besichtigungen entschieden sie sich für ein kleines Haus am Land. Es war recht modern und schon fertig möbliert, ein Neubau mit Pool und kleinem Garten. Kushina hatte sich sofort in das Häuschen verliebt und auch Minato gefiel es. Naruto würde es heute zum ersten Mal sehen, denn er hatte darauf bestanden, sich überraschen zu lassen und dann alles zu erkunden.
 

Die Familie, welche zuvor in dem Haus gewohnt hatte, war aus unerfindlichen Gründen ausgezogen und hatte ihr ehemaliges Zuhause für einen äußerst billigen Preis verkauft. Minato war deswegen skeptisch gewesen, jedoch konnte er keine etwaigen Schäden feststellen.
 

Der Umzugswagen hielt quietschend vor der Tür und der kleine, strohblonde Junge rannte aufgeregt hinaus. Er sprang durch den Garten und sang lustige Lieder, während er die Umzugsleute neugierig beobachtete. Diese schenkten ihm aber wenig Beachtung.
 

Wenig später war das gesamte Gepäck in dem großen Lastwagen verladen und die Familie konnte aufbrechen. Das hieß, Naruto und Kushina brachen auf, denn Minato musste dringend weg. Der blonde Mann hatte es eilig gehabt, da er von seinem Chef dringlich in Frankreich benötigt wurde. Sofort war er dort hingeflogen und musste somit leider seine Familie zurücklassen. Jedoch ging es dabei um viel Geld, welches über die weitere Existenz der drei entscheiden würde.
 

Naruto schnappte seinen Rucksack und lief dann lachend zu dem kleinen roten VW, welchen seine Mutter sich gekauft hatte, als feststand, dass Minato häufiger unterwegs sein würde, und ein einziger Wagen somit nicht ausreichte. Hibbelig sprang er auf und ab und wartete auf seine Mutter.
 

„Beeil dich, Mami! Ich will das neue Zuhause erforschen!“, rief der Kleine und seine tiefblauen Augen strahlten hell. Seine temperamentvolle Mutter brauste auch sogleich heran und schleuderte ihre Handtasche auf den Beifahrersitz.
 

„Nun hetz mich doch nicht so! Der Umzugswagen braucht sowieso länger als wir. Dein Vater ist ein toller Typ, lässt mich einfach alleine mit der ganzen Arbeit“, schimpfte Kushina und steckte den Schlüssel hektisch in die dafür vorgesehene Aussparung. Der Motor brummte leise, als sie den Schlüssel drehte. Dann brauste sie schon davon.
 

Ungefähr vierzig Minuten später erreichten sie das Haus, die Umzugsleute waren schon da und schafften nach und nach die Kisten ins Innere der neuen Heimat. Kushina und Naruto packten mit an und räumten gleich alles dorthin, wo es hingehörte. Sprich: Die Schachteln, auf denen „Küche“ stand, kamen in ebendiese und so weiter. Naruto trug seine Kisten in das Zimmer, welches von nun an ihm gehörte. Er war begeistert davon, so ein riesiges Zimmer bekommen zu haben.
 

Neugierig machte der Achtjährige sich jetzt auf, um das Haus zu erkunden. Dabei ließ er vom Keller bis zum Dachboden nichts aus. Alles war schlicht eingerichtet, aber hell und einladend. Ihm gefiel das Haus alles in allem, doch er stand den Arbeitern ständig im Weg herum, weshalb seiner Mutter irgendwann der Kragen platzte und sie ihn in sein Zimmer schickte.
 

Schmollend saß Naruto nun in seinem Bett. Er hatte schon seine ganzen Spielsachen ausgepackt und sie an ihren Platz gesetzt. Das hieß, er hatte sie im ganzen Zimmer verstreut und musste aufpassen, nichts zu zertreten, wenn er auf die Toilette wollte.
 

Gelangweilt starrte der Blonde nun die Wände an. Ihm viel auf, dass er sich den Schrank noch gar nicht näher angesehen hatte. Wer weiß, vielleicht führte dieser ihn ja auch in ein fremdes Land, so wie die Kinder aus dem Film, welche schließlich sprechende Tiere und andere fantastische Wesen getroffen hatten. Freudig lief er auf den massiven Eichenschrank zu und öffnete die schwere, dunkelbraune Türe an dem goldenen Scharnier.
 

Zu Narutos Enttäuschung war der Schrank aber leer. Er seufzte auf und kletterte dann hinein, in der Hoffnung, vielleicht doch noch etwas zu finden. Und siehe da, er fand auch etwas. Unter einer lockeren Diele blitzte irgendetwas hervor.
 

Naruto hob die Diele an und holte das Etwas heraus. Es war ein Buch mit samtenem, rotem Umschlag und einem ebenfalls goldenen Scharnier, das dem an der Schranktür glich. Neugierig löste der blonde Junge die Schnalle und schlug die erste Seite auf. Die Schrift war geschwungen und wirkte alt, doch Naruto konnte sie trotzdem lesen, auch wenn es ihm etwas schwer fiel.
 

Wer das hier liest, sei sich gewiss, dass das hier erst der Anfang ist.

Nun traue dich und schau hinein, was ich verberge in mir, fein.

Es ist unglaublich, fabelhaft. In mir verbirgt sich besondere Kraft.

Doch folgst du nicht, dann pass gut auf. Dein Schicksal nimmt dann seinen Lauf.

Ich werde dich das Fürchten lehren, und deine Liebsten werden sterben.

Nun folge meiner Instruktion, und spare die jedweden Hohn.

Bist du bereit, dann lese mich, schau deiner Zukunft ins Angesicht.
 

Naruto fand schon die erste Seite spannend und freute sich auf die kommende Fantasiegeschichte. Sorglos blätterte er auf die nächste Seite, von welcher ihm Zeichnungen entgegenstarrten. Die Gesichter wirkten fahl und leblos, fast schon unheimlich, dennoch trugen sie ein Grinsen im Gesicht. Der kleine Junge las weiter.
 

» Es war einmal ein kleiner Gnom. Sein Name war Oruga. Oruga war anders, als die anderen Gnomen, denn seine Mütze, die war schwarz. Oftmals wurde er dafür von seinen Kollegen gehänselt und verspottet. Oruga war sehr traurig darüber, er fragte sich, was er denn falsch gemacht hatte. Warum durfte er nichtmitspielen? Warum wollte niemand sein Freund sein? Oruga fristete sein Dasein in Einsamkeit, bis er eines Tages einen Brunnen fand. Der Brunnen war tief, doch er konnte trotzdem bis nach unten sehen. Von unten herauf sprach plötzlich eine Stimme.

„Hallo, mein Lieber. Sag, was ist dein Gewähr?“ Oruga erschrak fürchterlich, doch die Stimme versicherte ihm, dass er keine Angst haben musste.

„Ich bin kein gewöhnlicher Brunnen. Ich kann dir einen Wunsch erfüllen, du brauchst nichts weiter tun, als mir dein Leid zu klagen.“

Froh darüber, dass Oruga endlich jemand zuhörte, schüttete er dem tiefen Brunnen sein Herz aus. Der Brunnen schwieg und lauschte seiner Erzählung.

„Ich sehe, das Rot ist es, das dich quält. Du magst die schwarze Mütze nicht, so scheint es mir. So will ich dir deinen Wunsch gewähren und dir das kräftigste und mächtigste Rot von allen schenken.“

Oruga freute sich sehr darüber und ging frohen Mutes nach Hause. Dort sprach er die magischen Worte, die der Brunnen ihm genannt hatte, und ging zu Bett. Doch es sollte anders kommen. Als Oruga aufwachte und in den Spiegel sah, da war nicht nur seine Mütze schwarz, sondern auch sein ganzer Körper. Wutentbrannt zerschlug er den Spiegel mit seinen Fäusten, woraufhin dieser in tausend Teile barst und seinen Körper zerschnitt und verstümmelte. Auch seine Augen hatte es erwischt, zwei tiefe Splitter hatten sich in seine Augenhöhlen gebohrt. Schreiend riss Oruga sie heraus und warf sie auf den Boden. Seine Augen waren nun blutrot. Zornig zog er los und riss alle Gnomen in den Tod, ehe er sich schließlich zu einer Schreckgestalt wandelte, schlimmer noch, als in unserer Vorstellung je möglich wäre. Das Maul war zu einem bösartigen Grinsen verzerrt, die langen Klauen streckten sich nach ihren Opfern aus. Man nannte ihn von da an nur noch den Okuloruga. Und noch heute streift er nun durch die Welt und zieht alle in seinen Bann, die ihn in seinen Kopf lassen. Auch dich wird er zu sich rufen, wenn die Zeit gekommen ist. «
 

Naruto war erschüttert über das, was er gerade gelesen hatte. War das wirklich wahr? Würde der Okuloruga kommen, um ihn zu holen? Die schrecklichen Zeichnungen, die sich neben der Geschichte befanden und ein ironisches Licht auf die schöne, feingeschwungene Schrift warfen, wollten ihm gar nicht mehr aus dem Kopf gehen.
 

Weinend lief er nun zu seiner Mutter, welche sich nach getaner Arbeit auf dem Sofa niedergelassen hatte. Naruto berichtete unter Tränen vom schrecklichen Okoluruga und betete immer wieder den gleichen Satz. „Er wird kommen, er wird mich holen, ich werde sterben.“
 

Erschrocken über diese Überreaktion ihres Sohnes nahm Kushina ihm das Buch weg und verbrannte es augenblicklich.

„Das ist nur eine Geschichte, Naruto. Die hat jemand geschrieben, der Kindern eins auswischen möchte. Beruhige dich, mein Kleiner, es wird alles gut werden.“
 

Naruto glaubte ihr vorerst, zumindest versuchte er es. Seine Mutter machte ihm eine heiße Schokolade, bevor er schlafen gehen musste. Der blonde Junge warf einen unsicheren Blick auf den dunklen Schrank, welchen die Rothaarige mit seinen Sachen vollgeräumt hatte. Nervös drehte er sich um und schlief dann endlich im Beisein seiner Mutter ein. Sie verließ den Raum und löschte das Licht, da sie auch müde vom anstrengenden Umzug war und endlich schlafen wollte.
 

Gegen Mitternacht erwachte Naruto. Ein leises Klopfen hatte ihn aus seinen Träumen gerissen. Erst dachte er, sein Vater wäre zu Hause, doch niemand war an seiner Tür. Da Naruto noch keine Nachttischlampe hatte, versuchte er, im Dunkel seines Zimmers irgendetwas zu erkennen. Das Klopfen hallte erneut durch den Raum. Verängstigt stellte der Junge fest dass es aus dem Schrank kam. Schnell versteckte er sich unter seiner Decke und hielt sich die Ohren zu, in der Hoffnung, es möge endlich aufhören.
 

Doch das Klopfen wurde immer penetranter und lauter, bis es schließlich so laut war, dass Naruto weinend nach seiner Mutter rief. Diese kam eilig angerannt und drehte das Licht an.

„Was ist denn los, mein Sohn?“, fragte sie erschrocken und sah ihren weinenden Sohn verschlafen an.
 

„Mama, er war da. Er hat an die Schranktür geklopft!“, rief Naruto aufgebracht und streckte die Hände nach seiner Mutter aus. Diese kam auf ihn zu und nahm ihn in den Arm.
 

„Wer? Wer war da?“, fragte sie verwirrt und schaute zu dem Schrank.
 

„Na der Okuloruga!“ rief Naruto weinend und klammerte sich an seine Mutter. Diese streichelte ihn beruhigend und schüttelte nur ungläubig den Kopf.
 

„Naruto, das ist nur ein Hirngespinst. Es gibt keinen Okuloruga, das Klopfen hast du bestimmt geträumt.“ Doch Naruto schüttelte nur hektisch den Kopf.
 

„Nein, nein, nein! Es gibt ihn, und er wird kommen!“, schrie der Junge außer sich und krallte sich fast schon zu fest an seine Mutter. Diese drückte ihn nun sanft in sein Kissen zurück.
 

„Ich werde dir beweisen, dass es nichts gibt, wovor du Angst haben musst.“ Mit diesen Worten stand sie auf und ging zu dem Schrank. Dann öffnete sie die Türen, welche leise knarrten.
 

„Siehst du, hier ist gar nichts“, bestätigte sie ihre Aussage von vorhin und gab den Blick auf das Schrankinnere frei. Dort sah alles ganz normal aus und war unverdächtig.
 

„Und jetzt schlaf wieder. Wir müssen morgen früh aufstehen“, meinte Kushina streng und schloss die Schranktüren wieder. Dann verließ sie Narutos Zimmer und löschte erneut das Licht.
 

Naruto war nervös und konnte lange nicht einschlafen. Doch als nichts weiter passierte, fielen ihm doch wieder die Augen zu. Die nächste Nacht wollte er im Zimmer seiner Mutter schlafen, doch diese meinte nur, dass er inzwischen alt genug war, um alleine zu schlafen.
 

Also lag er auch die anschließende Nacht wieder in seinem Bett, mit dem großen, unheimlichen Schrank im Blick. Seine Mutter hatte ihm Baldriantropfen gegeben, damit er leichter einschlafen konnte. Doch mitten in der Nacht wurde er wieder geweckt. Das Klopfen war nun ein lautes Kratzen, das sich tief in Narutos Gedächtnis brannte.
 

„Geh weg“, flüsterte er und klammerte sich an sein Kissen. Im nächsten Moment war alles still. Doch plötzlich war das Kratzen so heftig, dass Naruto befürchtete, das Holz würde gleich bersten.
 

„Geh weg!“, rief er nun lauter. Wieder war alles still, dieses Mal aber länger. Naruto dachte schon, er hätte ihn erfolgreich verjagt, als plötzlich ein klickendes Geräusch zu hören war, gefolgt von einer knarrenden Schranktür, die sich langsam öffnete. Naruto lugte verängstigt unter der Decke hervor und musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass die Schranktür sich wirklich ein Stück geöffnet hatte.
 

Wieder war ein Kratzen zu hören und Naruto glaubte, die scharfen Klauen des Okuloruga zu erkennen, die das Holz zum Ächzen brachten. Der kleine, traumatisierte Junge fing an zu weinen und schrie panisch nach seiner Mutter.
 

Wenig später stand Kushina auch in der Tür und musterte ihren aufgelösten Sohn entsetzt. Er sah wirklich verstört aus. Die Rothaarige machte sich Sorgen um ihren Schützling und erlaubte ihm, diese Nacht bei ihr zu schlafen.
 

Und so ging das den Rest der Woche. Naruto schlief jeden Tag bei seiner Mutter und wurde wieder viel ruhiger. Er sprach auch nicht mehr vom Okuloruga und in das mittlerweile fertig eingerichtete Haus kehrte nun Ruhe ein. Da Kushina fand, ihr Sohn sah wieder viel besser aus, meinte sie, er sollte doch versuchen, diese Nacht wieder in seinem Zimmer zu schlafen. Mit einem mulmigen Gefühl willigte Naruto ein und versuchte, nicht an das Monster in seinem Schrank zu denken.
 

Als der Abend hereinbrach und es Zeit war, schlafen zu gehen, ließ Naruto das Licht an. Er wollte nicht in vollkommener Dunkelheit sein, wenn er nun wieder alleine war. Seine Mutter sang ihm ein Schlaflied, wodurch der Achtjährige leichter einschlafen konnte. Naruto fiel in einen traumlosen Schlaf, wurde aber schon bald von Albträumen geplagt, weswegen er mitten in der Nacht hochschreckte. Zu allem Übel musste er feststellen, dass das Licht nicht mehr angeschaltet war.
 

„Mami hat es bestimmt aus Gewohnheit ausgemacht“, sagte der Kleine bekräftigend zu sich selbst. Dann stand er auf und tapste zum Lichtschalter. Als er diesen umlegte, tat sich aber nichts. Sein Blick glitt hoch zu der Lampe, wo sich die zuvor dagewesene Glühbirne nicht mehr befand. Verschreckt riss er die Zimmertür auf und drehte das Licht im Gang an. Gott sei Dank funktionierte dieses und Naruto überlegte, ob er einfach auf dem Flur schlafen sollte.
 

Müde ließ sich der Blonde an der Wand herunter und zog seine Knie an seinen Oberkörper, dann schlang er die Arme darum, um sich selbst zu wärmen. Gerade war Naruto am Einschlafen, da hörte er ein dumpfes Geräusch. Sofort war er wieder wach und lauschte. Es klang, als würden schwere Schritte über den Holzboden schlurfen. Schwer schluckte Naruto, die Schritte kamen eindeutig aus seinem Zimmer.
 

„Mami“, flüsterte er in den leeren Flur und hoffte, seine Mutter würde ihn hören und ihm zur Hilfe kommen. Doch nichts geschah. Die Schritte verhallten und alles war wieder still. Nur das Ticken der Wanduhr war zu hören. Naruto drehte seinen Kopf leicht zu seiner Zimmertür, und genau in diesem Moment begann es hektisch von innen an die Tür zu hämmern.

„Du entkommst mir nicht. Ich kriege dich! Du entkommst mir nicht. Ich kriege dich!“, drang es durch die Tür. Immer wieder grollte die tiefe, raue Stimme durch die Tür und wiederholte dieselben Worte, immer hektischer und immer wilder. Die Tür wackelte heftig und Naruto hatte Angst, sie würde gleich bersten.
 

Starr vor Schreck saß der Junge da und wusste sich langsam nicht mehr zu helfen.

„GEH WEG! Lass mich in Ruhe!“, brüllte er nun und hoffte, das Klopfen würde aufhören. Und so war es auch. Augenblicklich war es wieder still. Naruto zitterte, sein kleines Herz raste ungesund. Er drückte sich an der Wand nach oben und hielt sich dann an der kühlen Mauer fest, während er auf das Zimmer seiner Mutter zulief.
 

Es krachte, als die Glühbirne im Flur plötzlich zerplatzte und die Splitter zu Boden fielen. Naruto stand nun in vollkommener Dunkelheit. Er hörte ein schweres, tiefes Atmen. Der Junge war davon überzeugt, dass der Okuloruga genau hinter ihm stand und nur die Hand ausstrecken brauchte, dann würde er ihn haben und ihm die Augen und anschließend seine Seele rauben, während er seinen Körper verzehrte.
 

Doch Naruto wollte nicht sterben. Er holte tief Luft, spannte sich an und brüllte dann ganz laut: „MAMI!“ Sogleich öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer seiner Mutter und Kushina stand erschrocken im Türrahmen.
 

„Naruto? Hast du etwa schon wieder Albträume?“, fragte sie ihren Sohn und schüttelte den Kopf. Sie versuchte, das Licht anzudrehen, doch das funktionierte natürlich nicht.
 

„Mami, der Okuloruga, er war genau hinter mir! Er hat die Lampe kaputtgemacht! Und bald holt er mich. Bald holt er mich, Mami! Ich will nicht mit ihm gehen! Er darf meine Augen nicht haben, er darf nicht!“
 

Kushina hatte nun wirklich Angst um ihren Sohn. Sie beschloss, gleich am nächsten Tag mit ihm zu einem Psychologen zu gehen. Die restliche Nacht ließ sie ihren Sohn wieder bei sich schlafen, doch keiner der beiden machte noch ein Auge zu. Es brachte nichts, ihrem Sohn zu erklären, dass es dieses mysteriöse Wesen nicht gab, das wusste sie jetzt. Naruto brauchte professionelle Hilfe, denn seine Angst war echt.
 

Am nächsten Tag räumte Kushina die Scherben der Glühbirne weg und setzte eine Neue ein. Sie war sicher, dass diese beim Transport beschädigt worden war, warum sonst hätte sie auch platzen sollen?
 

Sie hatte sich in ihrem Freundeskreis ein wenig umgehört, ob jemand einen guten Kinderpsychologen kannte. Und wenig später hatte sie auch einen Termin mit einem engagierten, jungen Mann, der sie freundlicherweise dazwischen klemmen konnte, als er hörte, dass es ein Notfall war.
 

Nach der Sitzung hatte sich der Arzt ein Urteil gebildet. Er meinte, dass Naruto an Wahnvorstellungen litt, und das nicht zu knapp. Es war möglich, dass die plötzliche Umstellung durch den Umzug ihn überfordert hatte und die Abwesenheit seines Vaters auch seinen Teil dazu beitrug. Das hieß, Naruto brauchte ein aktiveres soziales Umfeld. Anfangen sollte Kushina damit, ihrem Sohn einen Spielgefährten zu holen, der auch rund um die Uhr für ihn da sein konnte. Und da kam ihr die Idee.
 

Naruto spielte gerade im Wohnzimmer, als seine Mutter nach Hause kam.

„Naruto, mein Lieber? Komm mal her, ich habe eine Überraschung für dich!“, rief sie vom Eingangsbereich. Sofort lief Naruto freudestrahlend zu seiner Mutter und hatte keine Augen mehr für seinen Onkel, der in ihrer Abwesenheit auf den kleinen Jungen aufgepasst hatte.
 

„Wirklich? Was ist es?“, fragte er mit leuchtenden Augen und schaute die Rothaarige ungeduldig an. Kushina gab den Blick dann auch schon auf ein hübsches Mädchen frei, das hinter ihr auf dem Boden saß und schüchtern den Blick abgewandt hatte.
 

„Sie ist megahübsch! Ist das nun meine kleine Schwester?“, fragte Naruto und lief auf das dunkelhaarige Mädchen zu. Kushina lächelte nur und nickte leicht.
 

„Zeig Marie doch dein Zimmer, was sagst du dazu?“, schlug die Erwachsene ihrem Sohn vor. Dieser nickte gleich begeistert und zog Marie an ihrer Hand die Treppen nach oben.
 

„Schau Marie. Das ist mein Zimmer! Und da drin, da wohnt der Okuloruga“, flüsterte Naruto dem Mädchen ins Ohr und zeigte verheißungsvoll auf den dunklen Eichenschrank.
 

„Er kommt immer nachts, aber keine Angst. Ich werde dich beschützen! Wir sind füreinander da!“ Strahlend sah er dem Mädchen in ihre tiefschwarzen Augen. Sie sah aber nur schweigend auf den Schrank.
 

„Du brauchst nicht unsicher zu sein. Jetzt, wo wir zu zweit sind, kann uns der Okuloruga nichts mehr tun!“
 

Und dann war es auch schon wieder soweit. Der Abend brach herein und die kleine Marie lag neben Naruto im Bett. Er hatte darauf bestanden, dass sie bei ihm schlafen sollte. Kushina hatte natürlich nichts dagegen und hoffte, dass Naruto diese Nacht ruhig schlafen würde. Und tatsächlich schlief er ruhig ein.
 

Mitten in der Nacht wachte der Blonde jedoch auf, weil es neben ihm kalt geworden war.

„Mh…“, gab er leise von sich und rieb sich die Augen. Und da stellte er fest, was falsch war. Marie war verschwunden!
 

„Marie?“, fragte Naruto in den leeren Raum. Sofort überkam ihn wieder dieses mulmige Gefühl, welches ihn plagte, seit er zum ersten Mal das Buch in die Hände genommen hatte. Er hoffte, sie wäre nur auf die Toilette gegangen, doch die Tür war zu und die Lichter waren alle aus.
 

„Marie?“, rief er nun etwas lauter und vernahm ein leises Wimmern. Sofort sprang er aus dem Bett und durchsuchte sein Zimmer. Doch sie war nirgends zu finden. Schließlich fiel sein Blick auf den Eichenschrank. Er biss sich fest auf die Lippe und fixierte das schwere Möbelstück.
 

„Marie, bist du da drin?“ Wieder erhielt er nur ein leises Wimmern als Antwort. Aber es kam eindeutig aus dem Schrank!
 

„Oh nein, Marie! Halte durch, ich rette dich!“, rief Naruto und öffnete den Schrank. Doch da war nichts. Seine ganzen Klamotten waren verschwunden, Marie war auch nicht hier. Nichts, als pure Dunkelheit befand sich in dem Schrank.
 

„Marie?“, fragte er verunsichert in den Schrank, erhielt aber keine Antwort. Und im nächsten Moment leuchteten ihm blutrote Augen entgegen. Ein tiefes Röcheln drang aus dem Schrank, und noch ehe Naruto einen klaren Gedanken fassen konnte, griffen die scharfen Klauen des Okuloruga nach ihm und zogen ihn in den Schrank. Niemand hörte die schmerzerfüllten und verängstigten Schreie, die der blonde Junge diese Nacht ausstieß, bis sie schließlich verstummten.
 

Am nächsten Tag stand Narutos Mutter relativ spät auf, immerhin war Sonntag und sie hatte keine Arbeit. Als sie in Narutos Zimmer ging, entdeckte sie, dass ihr Sohn sich unter der Decke versteckt hatte und ruhig zu schlafen schien. Lächelnd schüttelte sie den Kopf und ging auf Narutos Bett zu.
 

„Aufwachen, Naruto. Es ist schon fast Mittag“, hauchte sie sanft und zog die Decke zurück. Doch was sie erblickte, raubte ihr schier den Atem. An der Stelle, wo sie ihren Sohn vermutet hatte, lag eine zerfetzte Puppe mit tiefschwarzen Augen und einer schief grinsenden Fratze.
 

„Marie“, flüsterte Kushina erschrocken und rannte panisch durch das ganze Haus, um ihren Sohn zu suchen. Doch sie fand ihn nicht, und würde es auch niemals tun.
 

Und noch heute erzählte man sich mit gesenkter Stimme in kleinen Kreisen die Geschichte von Naruto, dem Jungen, der dem Fluch des Okuloruga zum Opfer gefallen war und seiner Mutter, die sich nach dem rätselhaften Flugzeugabsturz ihres Mannes das Leben genommen hatte.



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