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Imperativ

Kontrolle über deine Sinne.
von

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-7-

 

Bedauerlicherweise konnte Sakura nicht behaupten, dass der Zwist zwischen ihrem bisherigen Leben und der Zeit, die das Training für Sasuke in Anspruch nahm, in irgendeiner Weise erträglicher geworden wäre. Seit ihrem Gespräch mit Ino hatte sie versucht, wieder mehr Zeit für ihre beste Freundin einzuplanen, was sie regelmäßig ein paar zusätzliche Stunden Schlaf kostete, in denen sie dann ihren Unistoff nachholte. Das alles ging aber nicht spurlos an ihr vorbei. Sie fühlte sich müde, ausgelaugt und schlapp. Und schuld daran war nur Sasuke Uchiha.

 

Immer wieder erwischte sie sich dabei, wie sie in Gedanken Möglichkeiten durchspielte, wie sie seiner Organisation doch noch entkommen konnte. Irgendwo musste der Kerl eine Schwachstelle haben und wenn sie die erst mal gefunden hatte, konnte er sie nicht mehr dazu zwingen, ihre Zeit für ihn zu opfern. Sie würde ihm und seinen komischen Freunden den Rücken kehren und nie wieder auch nur ein Wort über die Sache verlieren. Der einzige, den sie vielleicht ein bisschen vermissen würde, war Naruto, doch das spielte erstmal keine Rolle, denn bisher war ihr sowieso noch kein brauchbarer Einfall gekommen. Es schien absolut unmöglich Sasuke zu entkommen, ausweglos.

 

An diesem Tag war es besonders schlimm, denn Ino hatte sie ohne etwas zu ahnen in einen Zwiespalt gebracht, als sie sie völlig aufgelöst angerufen hatte. Normalerweise sollte sie seit knapp dreißig Minuten beim Training mit Naruto sein, doch stattdessen war sie hier, in der Cafeteria der Bibliothek und widersetzte sich damit ganz klar Sasukes Befehlen. Sakura hatte lange mit sich gerungen, bevor sie schließlich eine Entscheidung getroffen hatte. Offenbar war es ein Notfall und Naruto würde das bestimmt verstehen. Er würde sie nicht verpfeifen, daran glaubte sie ganz fest. Trotzdem wurde ihr mit jedem Blick auf die große Uhr an der Wand über der Eingangstür ein wenig mulmiger.

 

„Er ist so ein verdammter Mistkerl“, schimpfte Ino empört und riss sie so aus ihren Gedanken.

 

Es war ein wenig schwierig sich auf das Gespräch zu konzentrieren, wenn sie im Hinterkopf ständig durchspielte, was passieren würde, wenn Sasuke herausfand, dass sie hier war statt mit Naruto zu üben. Abgesehen davon war sie auch heute wieder unendlich müde und hatte höchstens fünf Stunden geschlafen.

 

„Ino, er hat dich überhaupt nicht verdient. Er ist es nicht wert, dass du dich so aufregst“, versuchte sie Ino zum wiederholten Mal zu beruhigen.

 

Es ging um Darui, ihren Freund, beziehungsweise mittlerweile Exfreund. Offenbar hatte er sie auf einer seiner Reisen mit einer Kollegin betrogen und das wohl auch nicht zum ersten Mal. Nachdem sie das erfahren hatte, hatte sie sofort angerufen und sie in die Cafeteria bestellt, die praktischerweise direkt in der Mitte zwischen Sakuras Studentenwohnheim und ihrer Wohnung lag. Außerdem brauchte Ino grundsätzlich etwas Süßes, wenn sie sich über irgendetwas aufregte und davon gab es hier reichlich. Die Cafeteria war ihr gemeinsamer Ort, an dem sie sich regelmäßig über alles und jeden auskotzten, wenn sie ein Problem hatten.

 

„Ich verstehe es einfach nicht“, Inos Tonfall ging wieder in ein wehleidiges Klagen über. „Ist sie hübscher als ich? Intelligenter? Verdient sie mehr? Verdammt, ich hätte letzte Woche den Job in Kumogakure doch annehmen sollen. Wahrscheinlich dachte er, dass ich nicht genommen wurde und sie sich für eine andere entschieden haben. Mit so einer Versagerin will doch niemand zusammen sein.“

 

Sanft legte Sakura ihr eine Hand auf den Unterarm. Das ging nun schon eine ganze Weile lang so, dass ihre Stimmung ständig vom einen ins andere Extrem schwankte. Zuerst war sie wütend und wollte Darui am liebsten in seine Einzelteile zerlegen für das, was er ihr angetan hatte, und im nächsten Moment versank sie plötzlich in Selbstzweifeln und gab sich die Schuld an dem Ganzen.

 

Für viele war es kaum zu glauben, dass so jemand wie Ino tatsächlich an sich selbst zweifeln konnte. Sie war schön, schlau, erfolgreich und wirkte nach außen hin immer stark und so als könnte nichts an ihrem Selbstbild rütteln. In Wirklichkeit aber war auch sie nur ein Mensch. Ein Mensch mit Ecken und Kanten, Schwächen und Fehlern. Ein Mensch mit Unsicherheiten, auch wenn sie sich die normalerweise nicht anmerken ließ. Nur vor Sakura zeigte sie sich angreifbar und Sakura würde wie immer da sein, um ihre beste Freundin wieder aufzurichten und ihr zu der Stärke zu verhelfen, die sie nach außen hin präsentierte.

 

„Ino, sag doch sowas nicht“, widersprach sie ihr deshalb vorwurfsvoll. „Du bist eine tolle und starke Frau und es gibt wahrscheinlich keine, die hübscher ist als du. Jeder Mann würde dir zu Füßen liegen und wenn Darui das nicht sieht, dann hat er dich auch nicht verdient.“

 

Sakura wusste, dass es Floskeln waren, nur ein schwacher Trost. Dass es nicht ausreichen würde, um ein gebrochenes Herz zu flicken. Doch in dem Moment in dem sie es sagte, meinte sie jedes einzelne Wort auch genauso. Ino war für sie in vielerlei Hinsicht schon immer ein Vorbild gewesen und sie bewunderte sie auch jetzt noch, wie sie hier vor ihr saß, den Blaubeermuffin auf ihrem Teller zerpflückte als wäre es Darui höchstpersönlich und die Angelegenheit trotz allem noch mit Fassung trug. Sakura hätte sich längst in ihr tristes Wohnheimzimmer zurückgezogen, die Tür abgeschlossen und sich heulend auf ihr Bett geworfen, das sie dann die nächsten drei Wochen nicht mehr verlassen hätte. Doch Ino war hier, in einem öffentlichen Café, nicht mal eine Stunde nachdem sie von dem Betrug erfahren hatte. Das war der Unterschied zwischen ihnen beiden.

 

„Du hast Recht“, bestätigte Ino grimmig. Mittlerweile hatte ihre Stimmung schon so oft gewechselt, dass Sakura langsam nicht mehr hinterher kam. „Dieser miese Drecksack weiß überhaupt nicht, was ihm eigentlich entgeht. Er denkt, er könnte so mit mir umgehen? Pah, dem werde ich’s zeigen. Ich werde mir den heißesten Kerl an der ganzen Uni schnappen und dann werden wir ja sehen, wer hier nicht gut genug ist.“

 

Ihre Hand ballte sich zur Faust und ein paar Muffin-Krümel fielen zurück auf den Teller. Es war mittlerweile ihr dritter Muffin. Zuerst Vanille, dann Schoko und jetzt Blaubeere. Aus Erfahrung wusste Sakura, dass es ab dem vierten Muffin kritisch wurde, denn dann hatte Ino sich wirklich nicht mehr im Griff. Zum Glück waren die Kirsch-Muffins heute schon aus gewesen.

 

„Sakura, wir gehen morgen Abend feiern“, verkündete sie. „Ich muss mir einen heißen Typen schnappen und du wirst mitkommen, als seelische Unterstützung.“

 

Sakura konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, das Gesicht zu verziehen. Es war nicht so, dass sie ihre beste Freundin nicht unterstützen wollte, aber sie wusste bereits, wo das Ganze enden würde. Jeder Kerl, der noch ein Paar funktionierende Augen im Kopf hatte, würde versuchen sich an Ino ranzumachen, während sie einen nach dem anderen abblitzen lassen würde, bis sie am Ende zufrieden war. Es war ihre Art, ihr Selbstwertgefühl wieder aufzubessern und fast schon zu einem Ritual geworden. Nach jeder Beziehung, die sie beendet hatte, war sie mit Sakura zusammen feiern gegangen, aber bisher hatte es noch nie damit geendet, dass es ihr danach langfristig besser ging. Es war lediglich eine Illusion, der sie sich einen Abend lang hingeben konnte. Die Illusion, dass es ihr völlig egal war, dass ihr gerade jemand das Herz gebrochen hatte.

 

„Bin dabei“, verkündete Sakura dennoch.

 

In Inos Augen flackerte es kurz. Sie wusste selbst, dass das keine Lösung war.

 

„Danke“, sagte sie dennoch leise.

 

Eine Weile lang schwiegen die beiden und Sakura ließ ihren Blick durch das Café gleiten. Unwillkürlich blieb ihr Blick dabei wieder an der Uhr über der Tür haften. Mittlerweile war sie schon fast eine Stunde zu spät und sie betete, dass Naruto sie nicht verpfeifen würde.

 

„Wo wolltest du vorhin eigentlich hin, als ich dich angerufen habe?“

 

Ino war natürlich nicht entgangen, dass sie immer wieder nervöse Blicke in Richtung Uhr warf. Sakura winkte schnell ab.

 

„Das ist nicht so wichtig, ich kann da auch noch später hin.“

 

„Zu Naruto?“, hakte Ino nach.

 

Sakura wollte ihre beste Freundin nicht belügen und noch weniger wollte sie ihr gerade jetzt eine heile, funktionierende Beziehung vorspielen. Also schüttelte sie den Kopf.

 

„Nein, er hat zu tun.“

 

Da sie Ino nicht direkt in die Augen sehen konnte, ließ sie ihren Blick wieder durch das Café streifen und hätte daraufhin fast einen Herzinfarkt bekommen. Da war er. Und er steuerte direkt auf ihren Tisch zu. Seine Miene ließ wie immer nicht das Geringste erahnen und trotzdem war Sakura sich sicher, dass sein Besuch nichts Gutes bedeuten konnte. Sie hatten sich mit Absicht weit an den Rand gesetzt, wo sonst niemand saß, damit sie sich ungestört unterhalten konnten. Das hier war ihr Stammplatz, die Tische um sie herum waren allesamt leer und überhaupt war die Cafeteria um diese Zeit nicht wirklich gut besucht. Es war Freitagnachmittag, die meisten fuhren lieber nach Hause und genossen die ersten Stunden ihres Wochenendes, statt die Zeit in der Bibliothek zu verbringen. Aber er war hier. Und das konnte kein Zufall sein. Also hatte Naruto sie tatsächlich verpfiffen.

 

„Das ist schade, vielleicht kannst du ihn ja morgen mitbringen?“, Ino schien noch nichts bemerkt zu haben. „Ich würde ihn wirklich gerne mal kennenlernen.“

 

Sasuke kam näher. Bisher hatte er sie noch nicht direkt angesehen und doch war Sakura sich sicher, dass er sie registriert hatte. In einer Hand hielt er eine Kaffeetasse, aus der heißer Dampf trat, woraus sie schloss, dass er noch nicht lange hier war. In der anderen Hand hielt er einen Collegeblock, den sie schon öfter bei ihm gesehen hatte. Mit geschmeidigen Bewegungen stellte er die Tasse auf dem Tisch ab, der sich direkt hinter Ino befand, und zog dann den Stuhl zurück. Was hatte er vor?

 

„Weißt du Ino, ich glaube das ist keine so gute Idee“, stammelte sie und versuchte dabei nicht zu auffällig zu ihm hinüber zu starren. „Wir sollten lieber mal wieder einen richtigen Mädelsabend zusammen machen. Ich finde da haben Männer nichts verloren.“

 

Sasuke hatte sich tatsächlich hingesetzt und begann jetzt, sich seelenruhig auf seinem Block Notizen zu machen. Er hatte ihr das Gesicht zugewandt, sodass sie jede seiner Regungen genau verfolgen konnte, tat jedoch noch immer so, als hätte er sie nicht bemerkt. Es machte sie nervös, dass er hier war und offensichtlich wusste, dass sie ihr Training geschwänzt hatte.

 

„Ach komm schon“, meinte Ino empört. „Ihr seid doch frisch verliebt, da will man am liebsten jede freie Minute miteinander verbringen. Außerdem will ich Naruto unbedingt mal kennenlernen! Du erzählst so wenig über ihn und dabei seid ihr jetzt schon seit ein paar Wochen zusammen.“

 

Sasukes Kopf ruckte nach oben. Ihre Blicke trafen sich und Sakura sah darin ehrliches Erstaunen, gefolgt von offenem Zorn. Sakura wandte schnell den Kopf zur Seite, um seinen bohrenden Blicken zu entgehen und sah stattdessen in Inos flehendes Gesicht. Sie hatte keine Ahnung, warum es ihr plötzlich so wichtig war, Naruto kennenzulernen. Allerdings verfluchte sie sich jetzt schon dafür, dass sie seinen Namen genannt hatte, als ihre beste Freundin nicht locker gelassen hatte. Sie und Naruto. Das war absurd. Und das würde Ino auch merken, sobald sie ihm das erste Mal begegnete.

 

„Ihr könntet mir den Glauben an die Liebe wieder zurückgeben“, ließ sie dennoch nicht locker. „Nach dem, was du bisher erzählt hast, scheint er im Gegensatz zu Darui wirklich in Ordnung zu sein.“

 

Sakura schämte sich für das, was sie jetzt tat, aber sie musste die Chance ergreifen und so schnell wie möglich das Thema wechseln. Sasuke konnte jedes einzelne Wort mithören und das was er da zu hören bekam, war definitiv nicht nach seinem Geschmack. Seine sonst so beherrschte Miene wirkte nun ganz und gar nicht mehr gelassen und in dem kurzen Moment, in dem sich ihre Blicke getroffen hatten, hatte sie sehr genau gespürt, dass er alles andere als begeistert war. 

 

„Darui ist aber auch wirklich ein Arschloch“, griff Sakura das Gesagte auf. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass er dir das angetan hat.“

 

Es war schmutzig. Es war armselig. Es war einer besten Freundin nicht würdig. Aber die Taktik funktionierte und Ino stürzte sich sofort wieder auf das Thema, genauso wie auf die Reste ihres Blaubeer-Muffins. Die Schimpftiraden begannen von vorne, genauso wie die Stimmungsschwankungen und schon nach kurzer Zeit war Naruto wieder vergessen. Sie ließ sich noch eine Weile über ihren Exfreund aus, wobei Sakura ihr jedes Mal inbrünstig zustimmte, bis Ino schließlich erschöpft schnaufte und die Hände sinken ließ, mit denen sie die ganze Zeit über wild gestikuliert hatte.

 

„Ich glaub, ich brauch noch einen Muffin“, stellte sie fest.

 

Der kritische Punkt war also erreicht und Sakura selbst hatte sie dorthin gebracht.

 

„Soll ich dir einen holen?“, bot sie deswegen an.

 

Ino nickte und so stand sie auf und machte sich auf den Weg in Richtung Theke. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken daran, ihre beste Freundin jetzt alleine zu lassen. Insbesondere im Anbetracht der Tatsache, dass Sasuke direkt hinter ihr saß und die beiden die ganze Zeit über beobachtet hatte. Trotzdem durfte sie sich auf keinen Fall irgendetwas anmerken lassen und musste darauf vertrauen, dass er in ihrer Abwesenheit nichts anstellen würde. Im Grunde genommen waren sie hier an einem öffentlichen Ort, was sollte er da schon tun?

 

Wie immer, wenn man es eilig hatte, kam es Sakura so vor, als würde sich die Dame an der Kasse extra viel Zeit lassen. Sie hatte lediglich einen Muffin, sowie eine Tasse Tee für sich selbst zur Beruhigung gekauft und trotzdem tippte die Verkäuferin ewig lange auf der Tastatur herum. Grummelnd nannte sie ihr den Preis und Sakura knallte ihr den bereits abgezählten Betrag auf die Theke. Natürlich musste die Frau noch einmal nachzählen, bevor sie ihr schließlich zunickte und sich bedankte. So schnell sie konnte, hastete Sakura um die Ecke und blieb wie vom Donner gerührt stehen.

 

Sasuke saß nicht mehr auf seinem Platz. Der Block lag immer noch da und auch die Kaffeetasse hatte er stehen lassen. Mittlerweile war sie entweder leer oder nicht mehr ganz so heiß, auf jeden Fall hatte sie aufgehört zu dampfen. Ein Blick auf ihren Stammplatz genügte und sie wusste auch, wo er war, nämlich dort, wo sie selbst noch vor wenigen Minuten gesessen hatte. Er war in ein Gespräch mit Ino vertieft. Sakuras Herz schlug schneller und sie zwang sich sich wieder in Bewegung zu setzen. Sie durfte ihn auf keinen Fall länger mit ihr alleine lassen. Außerdem würde sie verhindern, dass Ino auch nur einen weiteren Schluck von ihrem Latte Macchiato nahm.

 

Im Endeffekt kam es anders. Sasuke hatte sie bemerkt, woraufhin er ihr ein spöttisches Lächeln schenkte und sich von seinem Platz erhob, noch bevor sie überhaupt am Tisch angekommen war. Er sagte irgendetwas zu Ino, was sie nicht verstehen konnte und schnappte sich dann seinen Block vom Nebentisch. Kurzerhand riss er die Seite heraus, die er vorhin noch so eifrig beschrieben hatte und drückte sie ihr in die Hand. Dann kam er auf Sakura zu.

 

Er ging so dicht an ihr vorbei, dass sie spüren konnte, wie sich ihre Arme für den Bruchteil einer Sekunde streiften. Wie immer, wenn er sie berührte, wurde sie von einem leichten Schauer erfasst, bei dem sich ihr Herz kurzzeitig zusammenzog. Unsicherheit. Angst. Nervosität. Das war das, was sie spürte, wenn er ihr zu nahe kam. Und Sasuke Uchiha wusste das. Es umgab ihn wie eine dunkle Aura, die sich schwerfällig auf jeden legte, der sich in seiner Umgebung aufhielt und verlieh ihm diese Überlegenheit, die er mit jeder einzelnen seiner Poren ausstrahlte. Er ließ sie keine Sekunde lang aus den Augen, bis er an ihr vorbeigegangen war und den Ausgang der Cafeteria ansteuerte. Die Botschaft war klar – sie hatte einen Fehler gemacht und dafür würde sie büßen.

 

Mit wackeligen Beinen kehrte Sakura zu ihrem Platz zurück. Wenn sie nicht alles täuschte, lag noch immer ein Hauch seines Geruchs in der Luft, wie ein aufziehender Sturm. Ein Sturm, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sich direkt über ihrem Kopf zu entladen und jeder, der in ihrer Nähe war würde darunter leiden. Sakura reichte ihrer besten Freundin den Muffin.

 

„Was wollte er?“, fragte sie dann.

 

Ino hielt noch immer das Blatt in der Hand, das er ihr überreicht hatte und Sakura versuchte unauffällig einen Blick darauf zu werfen. Es sah aus wie eine Skizze. Eine sehr aufwändige Skizze, die er nie im Leben nebenbei hätte machen können, während er ihr Gespräch belauscht hatte. Es war kein Graffiti, sondern erinnerte sie eher an etwas abstraktes, das aus verschiedenen Formen und Schattierungen bestand, die trotz ihrer Diversität wunderbar miteinander harmonierten.

 

„Es geht um einen Kurs, den wir zusammen haben“, erklärte Ino. „Wir müssen in kleinen Gruppen zusammenarbeiten und er war letzte Woche nicht da. Deswegen fehlt ihm ein Partner.“

 

Sakura entging nicht die winzige Spur von Stolz, die in ihrer Stimme mitschwang. Sie war stolz darauf, dass er ausgerechnet sie gefragt hatte.

 

„Ino“, rief sie entrüstet. „Du hast selber gesagt, dass man sich lieber von ihm fernhalten sollte. Der Typ ist mir nicht geheuer. Er soll sich jemand anderen suchen.“

 

Es gelang ihr nicht den leisen Hauch von Verzweiflung zu verbergen, doch Ino schien insgeheim bereits einen Schritt weiter zu sein. Im Gegensatz zu Sasuke war es nicht schwer, ihr jeden einzelnen Gedanken vom Gesicht abzulesen. Sie war drauf und dran, ihre Vernunft einfach über Bord zu werfen.

 

„So schlimm ist er nicht“, widersprach sie Sakura. „Er hat eigentlich einen ganz netten Eindruck gemacht.“

 

Ganz nett war in den Fall wohl etwas untertrieben. Ino schien völlig hin und weg von Sasuke zu sein. Wenn sie von ihm sprach, nahmen ihre Augen einen leicht verklärten Ausdruck an, den sie krampfhaft durch einen gespielt desinteressierten Blick vor Sakura zu verbergen versuchte. Außerdem konnte man nur allzu deutlich ihre innere Zerrissenheit sehen – sie wusste ganz genau, dass mit Sasuke irgendetwas nicht stimmte, aber offenbar wollte sie es in dem Moment einfach verdrängen. Was hatte er getan, dass sie nun einfach ihre Bedenken über Bord warf? Auch wenn sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, war es unverkennbar, dass er sie bereits erfolgreich eingewickelt hatte.

 

„Da stimmt doch irgendetwas nicht“, beharrte Sakura weiterhin auf ihrem Punkt.

 

Es musste ihr unter allen Umständen gelingen, Sasuke von Ino fernzuhalten. Nicht auszudenken, was es bedeuten würde, wenn die beiden wirklich in einer Projektgruppe zusammenarbeiteten.

 

„Was soll das denn jetzt heißen?“, fragte Ino eingeschnappt. „Vorhin hast du noch gesagt, dass mir jeder Mann zu Füßen liegen würde und jetzt glaubst du plötzlich, dass etwas nicht stimmt, wenn mich einer anspricht? Bist du eifersüchtig, Sakura?“

 

Sie befanden sich nun auf ganz gefährlichem Terrain. Durch die Sache mit Darui war Ino gerade mehr als nur empfindlich, was das Thema Männer betraf. Wahrscheinlich hatte Sasuke das schamlos ausgenutzt und ihr mit ein paar Schmeicheleien Honig ums Maul geschmiert, wofür sie momentan bedauerlicherweise sehr empfänglich war. Es ließ sich nicht bestreiten, dass er ein durchaus attraktiver Mann war, sogar verdammt attraktiv, was die Sache nicht gerade besser machte, aber er war eben auch ein gefährlicher Mann. Und das wusste Ino. Eigentlich.

 

„Ich verstehe nur nicht, warum du mich erst vor ihm warnst und jetzt plötzlich mit ihm zusammenarbeiten willst“, beteuerte sie.

 

Ino seufzte und schob ihr das Blatt Papier rüber, dass er zurückgelassen hatte, sodass sie ungehindert einen Blick darauf werfen konnte.

 

„Ich wäre dumm, wenn ich nicht mit ihm zusammenarbeiten würde. Er hat mir seine Skizzen gezeigt und die sind verdammt nochmal genial. Es geht nur um diesen einen Kurs. Warum soll ich also sein Angebot nicht annehmen?“

 

Weil er manipulativ ist. Weil er gefährlich ist. Weil er versucht, mich auf diese Weise weiter unter Druck zu setzen. All diese Gründe schossen Sakura sofort in den Kopf, doch sie schwieg. Sie konnte Ino ja schlecht die Wahrheit sagen und sie konnte auch nicht zugeben, dass sie Sasuke näher kannte, als ihrer besten Freundin bewusst war.

 

„Du hast wohl recht“, räumte sie deswegen ein. „Aber bitte überleg es dir trotzdem nochmal. Ich habe bei ihm kein gutes Gefühl.“

 

Mehr als diese Warnung auszusprechen blieb ihr im Moment nicht übrig. Egal, was sie sagen würde, sie stieß bei ihrer dickköpfigen Freundin auf Granit. Es war grundsätzlich schwierig, ihr Dinge auszureden, die sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte – da waren die beiden sich ausnahmsweise mal ähnlich. Doch wenn sie Ino nicht dazu kriegen würde, sich von Sasuke fernzuhalten, musste sie eben versuchen, Sasuke irgendwie von ihr fernzuhalten. Es würde auf jeden Fall nicht leicht werden, doch es war die einzige Möglichkeit, die ihr noch einfiel.

 

„Sakura, mach dir keine Sorgen“, Ino schien ihren beunruhigten Gesichtsausdruck bemerkt zu haben und lächelte sie aufmunternd an. „Aus Fehlern lernt man und ich bin nicht naiv. Nochmal lasse ich mich nicht von so einem Arschloch manipulieren.“

 

Doch sie konnte sagen, was sie wollte. Sakura wusste, dass sie gegen Sasuke keine Chance haben würde. Wenn Darui die Kreisliga der manipulativen Arschlöcher widerspiegelte, dann war Sasuke die Champions League. Er hatte ein ganz anderes Kaliber, spann unbemerkt seine Fäden, wickelte seine Opfer ein, nur um anschließend mit ihnen zu spielen wie mit Marionetten, die seinem Willen zu gehorchen hatten. Und wenn die es merkten, war es bereits zu spät. Ino war mehr als nur naiv, wenn sie glaubte ihm tatsächlich gewachsen zu sein.

 

In Sakura wuchs zunehmend der Entschluss heran, dass sie etwas gegen Sasuke unternehmen musste. Jetzt auf der Stelle. Solange er nur ihr das Leben zur Hölle machte, hatte sie damit umgehen können, aber nachdem er jetzt auch noch ihre beste Freundin mithineinzog, musste sie sich schleunigst etwas einfallen lassen. Auch wenn alles in ihr sich bei dem Gedanken daran zusammenzog, sie musste mit ihm reden und sie musste ihn davon überzeugen, dass er von Ino ablassen sollte. Egal wie.  


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Vielen, vielen Dank für die Rückmeldungen zum letzten Kapitel. Ich hab mich sehr gefreut und es ist immer spannend, eure Gedanken zu lesen. Was haltet ihr von den Entwicklungen rund um Ino? Macht Sasuke diesmal Ernst?

Ich hoffe ihr habt einen schön gruseligen Halloween-Abend
und wünsche euch allen noch ein tolles Wochenende.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling- Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Xiaolie
2015-11-03T00:17:08+00:00 03.11.2015 01:17
Sasuke ist ein Arschloch!
Da gibt es jetzt nichts mehr zu rütteln.
Wenn er vorher ein Arsch war so ist er jetzt ein Arschloch!
Und warum er unbedingt Sakura haben will versteh ich immer noch nicht. Macht es ihm Spaß so massiv mit Menschen zu spielen?
Wenn am Schluss raus kommt das er das alles ja nur gemacht hat weil er sie liebt dann:
1. Lach ich
2. Glaub ich dir das nicht, es sei denn
3. Du lieferst mir einen VERDAMMT guten Grund.
Und ich meine wirklich einen VERDAMMT guten!
Aber da bin ich mit dir (hoffentlich! ) auf der sicheren Seite und speist uns Leser nicht so einfach ab.

LG Luna



PS : Ich werde mich daran erinnern. Verlass dich drauf!😈
Antwort von:  -Zerschmetterling-
07.11.2015 11:59
Du musst dir absolut keine Sorgen machen, was das betrifft.
Ich denke ich kann dir ohne zu viel zu verraten schon mal sagen,
dass er nicht so handelt, weil er sie liebt.
Das tut er nämlich nicht.
Warum er ausgerechnet sie ausgewählt hat,
wird aber im Laufe der Geschichte noch erklärt. ;)
Vielen, vielen Dank für die Rückmeldung
und dir noch ein schönes Wochenende. :)
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  Kleines-Engelschen
2015-11-01T21:39:08+00:00 01.11.2015 22:39
ein tolles kapitel, ich bin gespannt wie die zusammenarbeit von sasuke und ino laufen wird und was er vor hat.

greetz
Antwort von:  -Zerschmetterling-
07.11.2015 11:56
Dankeschön :)
Vermutlich würde das eher nicht so gut ausgehen,
denn Sasuke hat immer etwas vor
und Ino ist ja grade sehr anfällig für ihn.
Ich wünsche dir noch ein schönes Wochenende!
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  RinHaruno
2015-11-01T10:38:44+00:00 01.11.2015 11:38
Das war echt ein klasse Kapi. :) Bin ja schon gespannt, wie es weiter geht. Und Vorallem ob es Saku schafft Sasuke zu überreden von Ino abzulassen.
Mach weiter so.
LG
Antwort von:  -Zerschmetterling-
07.11.2015 11:55
Vielen Dank :)
Einfach wird es auf jeden Fall nicht,
aber vielleicht gibt es ja trotzdem eine Möglichkeit.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  -Principessa-
2015-10-31T12:56:21+00:00 31.10.2015 13:56
Hey :)

Du verstehst es wirklich, das Gedankenkarussel deiner Leser in Gang zu bringen. Ich bin mal wieder völlig begeistert. Obwohl das Kapitel an einem recht unspektakulären Ort spielt, hast du die Stimmung wieder super transportiert.

Als Sakura den Muffin holen ging, bin ich davon ausgegangen, dass Sasuke Sakura folgt, um ihr eine Ansage zumachen. Aber Ino einzulullen... genial. Sasuke ist ein Mistkerl und ein Meister darin, subtil zu Drohen. Ich bin sehr gespannt, wie Sakura Ino da wieder rausboxen will. Und wenn Sasuke sich darauf einlässt, zu welchen Bedingungen?

Oh jeeee jetzt heißt es wieder eine Woche warten... Du bist grausam :D aber Ich werde es überleben.
Dir auch ein schönes Halloween :)

LG
Princi
Antwort von:  -Zerschmetterling-
01.11.2015 10:24
Vielen lieben Dank für dein Feedback :)
Es freut mich, dass ein bisschen Stimmung rüberkam,
auch wenn die beiden sich nur im langweiligen Unicafé aufhalten
und das dir das Kapitel gefallen hat.
Die zweite Frage ist übrigens genau die Richtige,
zu welchen Bedingungen? :D
Ich versuche so schnell wie möglich zu schreiben
und wünsche dir noch einen schönen Sonntag.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  franny
2015-10-31T12:13:11+00:00 31.10.2015 13:13
Hey,
das Kapitel war erste Sahne!!! Und es ist wirklich toll geschrieben.
Ich mag die Story sehr und bin sehr gespannt wie es weiter geht. Ich freu mich schon auf das Gespräch welches Sakura mit Sasuke führen möchte, mal schauen was noch so auf sie zukommt!!!
schreib schnell weiter =)
glg franny
Antwort von:  -Zerschmetterling-
01.11.2015 10:21
Vielen, vielen Dank für deine lieben Worte :)
Es freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat
und ich kann dir sagen, es wird einiges auf Sakura zukommen ;D
Dir noch einen schönen Sonntag und
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


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