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Wie man auf dem Rücken des Windes reitet -James & Lily the Prequel

James&Lily
von

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Mistelzweige

15. Akt: Mistelzweige
 


 

„Die Wahrheit hat weder Waffen nötig, um sich zu verteidigen,

noch Gewalttätigkeit, um die Menschen zu zwingen, an sie zu glauben.

Sie hat nur zu erscheinen,

und sobald ihr Licht die Wolken, die sie verbergen, verscheucht hat,

ist ihr Sieg gesichert.“

- Friedrich der Große
 


 

Es war die Woche vor dem heiligen Abend. In 7 Tagen würden wohl die meisten Schüler über die Weihnachtsferien nach Hause fahren.

Zu dieser Jahreszeit war die Stimmung in Hogwarts außergewöhnlich gut. Sogar die verschiedenen Häuser vertrugen sich in dieser Zeit besser als im gesamten restlichen Schuljahr. Vermutlich war es der Geruch von Tannennadeln und frischen Zimtplätzchen, welche die Hauselfen in jedem Gemeinschaftsraum stellten, der ihnen die Sinne vernebelte.

Die meisten Schüler ließen ihre Hausaufgaben schweifen, als hätten die Ferien schon begonnen. Doch für einige ausgewählte Schüler stand in diesem Jahr noch ein letztes Ereignis an, welches die wenigsten von ihnen freudig herbei sehnten.
 

»Slug-Weihnachtsparty?«, stöhnte Sirius genervt und ließ sich aufs Bett fallen.

»Ich versuche Slughorn schon seit ner Woche aus dem Weg zu gehen und du nimmst einfach diese Einladung an! James, ich bin zutiefst enttäuscht von dir.«

»Er hat mich direkt nach dem Quidditch Training abgefangen. Es ist nicht so, als ob ich wirklich eine Chance gehabt hätte«, verteidigte sich James.
 

»Was ist dieses Jahr unsere Ausrede?«, fragte Sirius nervös.

»Drachenpocken?«, schlug Peter vor.

»Hatten wir beim letzten Mal.«

»Gelbsucht?«, warf Remus desinteressiert ein und markierte etwas in seinem Verwandlungsbuch.

»War erst gestern Peters Ausrede bei Slughorn, um nicht nachsitzen zu müssen.«

»Eine beidseitig doppelt geprellte Rippe als wir mit unseren Besen einen Salto machen wollten und dabei versehentlich ineinander stießen?«, war James' glorreiche Idee.
 

Remus verdrehte die Augen und blickte nun endlich von seinem Verwandlungsbuch auf.
 

»Ich fürchte euch gehen langsam die Ausreden aus. Vielleicht solltet ihr euch dieses Mal einfach eurem Schicksal fügen und hingehen.«
 

Sirius und James griffen sich zeitgleich theatralisch ans Herz und warfen Remus einen entsetzten Blick zu.
 

»Zu dieser Anhäufung von Strebern und Schleimern, die so tun als wären sie in der Lage einen Abend mit gepflegt manierlicher Konversation zu verbringen?«

»Ein paar Stunden bringen euch schon nicht um.«

»Uns wird schon etwas einfallen«, sagte James und klopfte Sirius aufmunternd auf die Schulter.
 


 

* * *
 


 

Seit einigen Jahren war es in Hogwarts Gang und Gebe, dass überall im Schloss Mistelzweige an den kuriosesten Stellen wie aus dem Nichts erschienen. Die zwei Personen, die dann darunter standen mussten sich unwiderruflich küssen, sonst kamen sie keine zwei Meter weit. Dies war eine der glorreicheren Ideen von Albus Dumbledore gewesen, der dies als nette weihnachtliche Tradition eingeführt hatte.
 

Dieser Umstand führte dazu, dass einige Schüler von Hogwarts die kuriosesten Wege einschlugen, um in ihre Klassenräume zu gelangen.
 

Betty Miller verfolgte Sirius Black schon durch drei Gänge und hoffte, dass er am Bild der dreiäugigen Hexe vorbeigehen würde, denn dort hatte sie vor wenigen Minuten einen Mistelzweig ausfindig machen können.
 

Sie konnte gerade noch sehen wie er mit seinem Freund James Potter um die Ecke bog und sprintete sofort den Gang entlang, doch plötzlich waren die beiden verschwunden. Betty blinzelte ein paar Mal und wandte sich noch einmal um, doch die beiden waren nicht mehr zu sehen. Schnellen Schrittes eilte sie den Gang entlang, schließlich mussten die beiden ja irgendwo abgeblieben sein?
 

Sirius Black hingegen atmete erleichtert aus und lehnte sich an die steinerne Wand des Geheimganges in den James ihn gezerrt hatte.
 

»Ich glaube sie ist weg«, meinte James, während er an der Wandluke lauschte.

»Die verfolgt mich schon seit Tagen sag ich dir, seit Tagen!«, empörte sich Sirius.

»Hattest du nicht letztes Schuljahr was mit ihr gehabt?«

»Ja schon. Wir haben ein wenig rumgemacht. Aber ich sage dir eines sie nervt! Redet ununterbrochen den halben Tag und die andere Hälfte verbringt sie damit mich verträumt anzustarren und mir Herzchen zuzuwerfen.«
 

James musste schmunzeln.
 

»Hattest du Anfang diesen Schuljahres nicht nochmal kurz was mit ihr gehabt?«

»Kann sein.«

»Sirius!«

»Ok.Ok. Ja hatte ich. Aber sie ist schon verdammt heiß. Hasst du diesen Hintern gesehen?«, fragte Sirius lachend.

»Ja habe mich«, erwiderte James und stimmte in das freudige Lachen seines Freundes mit ein.
 

»Heute Abend ist die Slugparty«, erwähnte James seufzend.

»Und Sluggy hat keine unserer Ausreden in irgendeiner Form akzeptiert. Wir sind wirklich schlecht geworden. Wir sind immerhin die Rumtreiber, Unruhestifter, die stets mal für gute Laune sorgen. Da können wir uns doch nicht bei so etwas sehen lassen.«
 

James blinzelte ein paar mal und lächelte dann verträumt.
 

»Zu der Party geht wirklich niemand gern hin, nicht wahr?«

»Nein.«

»Die sind stinklangweilig diese Partys, nicht?«

»Natürlich sind sie das.«
 

Sirius runzelte die Stirn und warf seinem Freund einen fragenden Blick zu. Doch dieser grinste ihn nur diabolisch an und ohne ein Wort zu sagen, verstand Sirius plötzlich seinen Freund.
 


 

* * *
 


 

Lily Evans saß in der Bibliothek und blätterte in ihrem Verwandlungsbuch. 10 ½ Zoll war die Mindestlänge, die die Fünftklässler zum Thema: Verwandlung eines Igels in ein Nadelkissen, schreiben mussten. Doch ihr fehlte immer noch ½ Zoll.

Seufzend lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und begann mit ihrer Schreibfeder zu spielen.
 

»Hey Lily!«, vernahm sie plötzlich eine Stimme, von der sie nicht einmal bemerkt hatte, dass sie sich ihr näherte.
 

Ein wenig schreckhaft blickte sie in die braunen Augen von Remus Lupin. Er sah sie fragend an.

Lily blinzelte ein paar Mal. Hatte er ihr eine Frage gestellt und sie hatte es mal wieder nicht mitbekommen, weil sie vor sich hin träumte?

Remus, der ihren verwirrten Blick bemerkte, musste schmunzeln.
 

»Ich hatte gefragt, ob ich mich zu dir setzen darf?«, wiederholte Remus leise flüsternd seine Frage.

Lily bot ihm mit einer Handbewegung, den Stuhl neben sich an.
 

Remus Blick schweifte über den Bücherstapel, welcher vor ihr ausgebreitet war und schließlich über das kleine schwarze Tintenfass hinweg zu ihrer Pergamentrolle.
 

»Wie ich sehe hängst du auch beim Verwandlungsaufsatz fest«, stelle er nüchtern fest und begann seine Schreibunterlagen aus seiner Tasche zu kramen.

»Mir fällt einfach nichts mehr ein. Dabei habe ich den Vorgang bereits bis ins kleinste Detail beschrieben.«

»Das Problem hatte ich gestern auch. Daher habe ich beschlossen hier in der Bibliothek ein paar Hintergrundinformationen zu recherchieren.«
 

Remus legte ihr ein Buch vor die Nase, welches er wenige Minuten zuvor aus einem der Regale geholt hatte.
 

»Dito«, flüsterte Lily lächelnd und hielt ihm das dickste Buch, welches vor ihr auf dem Tisch lag entgegen.

»Genau das, habe ich auch gesucht. Kein Wunder dass ich es nicht finden konnte.«

»Wir könnten unsere Aufsätze vergleichen und gemeinsam die historischen Informationen ergänzen?«, fragte Lily.
 

Es war ein wirklich nettes Angebot von ihr gewesen. Immerhin hatte sie schon drei Zoll mehr als Remus geschrieben.
 

So verbrachten die beiden die nächsten zwei Stunden damit in den verschiedensten Büchern zu wälzen. Am Ende hatten beide sogar einen halben Zoll mehr geschrieben, als McGonagall erwartete.
 

»Hey Lils«, begrüßte Nicky McDougal ihre Freundin und setze sich auf den freien Platz zu ihrer linken.
 

Nicky schien sich kurz darüber zu wundern, dass Remus Lupin hier neben ihr saß und sich beide sogar angeregt unterhielten. Es schien nicht mal um Hausaufgaben oder ihre Arbeit als Vertrauensschüler zu gehen.
 

»Hallo Remus«, begrüßte Nicky schließlich auch ihn.

Dieser nickte ihr freundlich zu.
 

»Kommt ihr mit zum essen?«, fragte sie schließlich.

»Klar«, sagten beide synchron und mussten lachen.
 

Nicky blickte argwöhnisch von einem zum anderen. Wann genau hatte sie verpasst, dass Lily und Remus Freunde wurden? Oder zumindest eine Freundesähnliche Beziehung führten.
 

»Heute Abend ist Slug-Party«, seufzte Nicky genervt, als sich die drei auf dem Weg in die große Halle machten.

»Wirst du auch da sein Remus?«

»Nein, ich fürchte nicht«, antwortete er im neutralen Tonfall.

»Du Glücklicher!«, seufzte Nicky
 

»Lily!«, ertönte plötzlich die Stimme von Severus Snape und Lily blieb sofort stehen und lächelte ihrem Freund zu. Dieser blickte verwirrt von Remus zu Lily und wieder zurück.
 

»Severus! Ich hab dich in der Bibliothek vermisst.«
 

Severus kratzte sich verlegen am Kopf.
 

»Tut mir wirklich Leid! Ich habe es irgendwie nicht geschafft und vergessen Bescheid zu geben«, entschuldigte er sich kleinlaut, doch Lily winkte nur ab.

»Kein Problem! Remus hat mir Gesellschaft geleistet.«
 

»Okay, du ähm... weißt du ich wollte fragen, ob... naja heute ist ja die Slugparty und dann geht’s auch schon nach Hause über die Ferien und ich dachte da wir da eingeladen, sind, dass wir da irgendwie zusammen hingehen könnten?«, stammelte Severus und starte dabei etwas abwesend in der Gegend herum.
 

»Klar, ich habe vorhin schon mit Nicky gesprochen, wir drei gehen da zusammen hin«, antwortete sie lächelnd bevor sie weiter zur großen Halle gingen.
 

Remus Lupin beobachtete das Mienenspiel von Severus Snape äußerst genau. Er war zwar kein Experte auf diesem Gebiet, doch schien es ihm bei Snape beinahe offensichtlich zu sein. Doch Lily schien nichts davon zu bemerkten. Selbst Nicky tat dies nicht, wobei es womöglich daran lag, dass es sie nicht interessierte. Doch Severus Snape hat das was er sagte ganz anders gemeint und Remus konnte die Enttäuschung in seinen Augenwinkeln blitzen sehen.
 


 

* * *
 


 

Gegen Abend machten sich Lily, Nicky & Severus auf zur Party.
 

»Ich bin gespannt, wen er dieses Mal eingeladen hat«, nuschelte Nicky gelangweilt, während Lily an die Bürotür klopfte, welche sich auch sogleich schwungvoll öffnete.
 

»Ahh willkommen, Miss Evans, Miss McDougal und Mr. Snape!«, begrüßte Slughorn theatralisch seine neuen Gäste und gebot ihnen mit einer Handbewegung einzutreten.
 

Slughorns Büro musste magisch vergrößert worden sein, denn der Raum den die drei betraten war ziemlich groß und vor allem äußerst aufwendig dekoriert. Auf jedem einzelnen Tisch waren große Blumengestecke und Glühwürmchenähnliche Lampen zu sehen. Der Buffettisch war gigantisch. Es musste sich um einen räumlichen Ausdehnungszauber handeln.
 

Slughorn scheuchte die drei weiter in den Raum hinein und wandte sich schließlich direkt an Nicky.
 

»Miss McDougal ich möchte sie mit Mr Dorkins bekannt machen. Ein ausgezeichneter Quidditch Spieler der im letzten Jahr den Chudley Cannons beigetreten ist«, begann Slughorn zu erzählten und führte Nicky zu einem blonden jungen Mann, der ein orangefarbendes Trikot trug.
 

Es musste sein Mannschaftstrikot sein, den oben prangte in großen Lettern „Chudley Cannons“ und der Slogan „Wir werden siegen!“ auf seiner Brust. Nicky warf Lily einen entschuldigenden Blick zu, den Lily mit einem Augenrollen quittierte. Jedoch schenkte sie ihrer Freundin auch lächelnd einen Daumen nach oben.
 

Auch wenn Lily nicht viel von Quidditch verstand, so wusste sie doch, dass Nicky eine ausgezeichnete Jägerin in ihrer Hausmannschaft Gryffindor ist und bisher den Wunsch hegte später international spielen zu können. So konnte es doch nicht schaden jetzt schon ein paar Kontakte zu bekannten Spielern knüpfen zu können, denn das war der einzige Vorteil von Slughorns Weihnachtspartys. Es war die einzige Veranstaltung im Jahr, welche zugleich eine Art Ehemaligentreffen darstellte. Professor Slughorn hatte es schon immer verstanden die Art und Weise von Selektion in seinem Bekanntenkreis zu betreiben, welche ihm einige Vorteile und anderweitige Annehmlichkeiten bescherten.
 

Lily und Severus gingen zum Buffet herüber und füllten ihre Teller mit einigen Leckereien. Severus fiel über das Himbeersourbet her während Lily der Punsch ins Auge fiel. Sie fragte sich, ob er so gut schmeckte wie er roch. Es war eine Mischung aus süßen Beeren, Honig und Met, der in ihre Nase strömte. Doch Slughorn würde niemals Alkohol in einen Punsch geben, auf den Minderjährige Zugriff hatten? Behutsam nahm Lily die Kelle in die Hand und schöpfte sich etwas in eine Tasse.
 

Vorsichtig nippte sie ein paar Mal daran und stellte fest, dass es wirklich Met sein musste. Ansonsten schmeckte der Punsch jedoch vorzüglich, viel besser als er ohnehin schon roch. Severus, welcher Lilys skeptischen Blick bemerkte, schöpfte sich nun auch etwas von dem Punsch ein. Zunächst roch auch er daran, zog skeptisch eine Braue nach oben und trank ebenfalls einen Schluck.
 

»Met?«, fragte Lily.

»Auch. Es soll aber nur den Geschmack von etwas anderem verdecken«, meinte Severus und trank einen weiteren Schluck.

Auch Lily wollte ihre Tasse zu einem weiteren Schluck ansetzten doch Severus riss ihr den Becher aus der Hand.
 

»Veritaserum!«, war seine schlichte Prognose.
 

Lilys Augenbrauen schossen in die Höhe, ihre Augen waren weit aufgerissen vor Verwunderung.
 

»Verritaserum? Wer sollte so etwas in die Getränke mischen und warum?«
 

Severus, welcher Lily einen Moment in die leuchtend grünen Augen sah wandte sich von ihr ab und blickte mit zusammen gekniffenen Augen durch den Raum.

Irritiert ließ sie ihren Blick durch den Raum und suchte nach der Ursache, als ihr plötzlich jemand die Sicht versperrte.
 

»Na wen haben wir denn da Schlammblut«, grinste Avery ihr entgegen.
 

Lily fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen.

Averys Blick wanderte zu Severus und musterte ihn abschätzig, als würde ihm der Umstand nicht passen, dass er hier bei ihr stand. Schließlich seufzte Avery.
 

»Severus, ich habe dir schon so oft gesagt, dass ich deinen Umgang mit der kleinen Schlammblüterin höchst unangemessen finde«, sagte Avery im ruhigen Plauderton, während er mit einer beiläufigen Geste auf Lily deutete.
 

Für eine Sekunde huschte ihr Blick zu dem Punschglas in seiner Hand. Er musste von dem Serum getrunken haben und war somit gezwungen die Wahrheit zu sagen.
 

»Und dabei hast du letzte Woche noch mit der Sache mit McDonald gezeigt wie willig du bist einer von uns zu werden.«
 

Beinahe ehrfürchtig verstummte Avery und warf Lily einen Blick zu, als würde er versuchen, in ihrem Gesicht nach einem Grund zu suchen warum er eben diese Worte ausgesprochen hatte.
 

Lily fixierte Severus von der Seite, welcher zunächst Avery einen wütenden und zugleich warnenden Blick zuwarf, bis dieser sich von ihrem Blickfeld abwandte.

Dann warf er Lily ein entschuldigendes Lächeln zu.
 

»Ich schwöre ich habe mit der Sache nichts willentlich zu tun gehabt! Es war mehr ein Zufall bzw. Unfall. Ich kann es dir erklären.«

»Es ist nicht, dass erste Mal, dass du mir in dieser Sache etwas verschweigst«, sagte Lily ruhig.

»Ich versichere dir, dass es nicht so ist Lily!«, flehte er schon beinahe. »Schau doch, du weißt, dass ich eben etwas von dem Serum getrunken habe, ich kann im Moment gar nicht lügen.«
 

Lilys Miene schien einen Moment lang noch ungläubig zu sein, doch dann hellte sich ihr Gesicht zu einem skeptisch und zugleich prüfenden Lächeln auf.
 

»Wir sollten uns lieber um die weiteren Auswirkungen des Serums kümmern«, versuchte Severus das Thema zu wechseln.

»Du hast Recht.«
 

Wieder schweifte ihr Blick durch die Menge.
 

»Wer könnte etwas damit zu tun haben und vor allem warum?«, wiederholte sie ihre Ausgangsfrage.

»Ja wer nur frage ich mich«, erwiderte Severus höchst sarkastisch.
 

Lily folgte seinem Blick.

Nahe des Balkons stand James Potter mit lässig verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt. Er hatte ein höchst selbstzufriedenes Grinsen aufgelegt, während Sirius Black sich vor lachen nicht mehr halten konnte und sich mit einem Arm an der Wand abstützen musste.
 

Sie schritt vor, trat in die Menge und bahnte sich ihren Weg durch die Schülerschar.
 

Aus dem Augenwinkel konnte sie ihre Freundin Nicky sehen, welche in einiger Entfernung mit ihrem Armen ausgiebig einen Spielzug beim Quidditch schilderte. Vielleicht mit ein wenig zu viel Enthusiasmus, bemerkte Lily, als Nicky gerade ihr halbes Punschglas über Dorkins, den Spieler der Chudley Cannons kippte. Hatte den jeder in diesem Raum, den verdammten Punsch getrunken ohne etwas zu merken fragte sie sich gerade, als sie sich durch eine Traube aus Schülern durchkämpfte.
 

»Ich – ich liebe dich Anthony! Ich könnte dich den ganzen Tag küssen. Und ich will dich heiraten«, hörte sie Meghan Greengras noch stottern, bevor diese erschrocken ihre Hand vor ihren Mund hielt.
 

Für eine winzige Sekunde war es still und sämtliche Blicke waren auf Meghan Greengras gerichtet, ein pummeliges Mädchen aus Slytherin, mit vielen Sommersprossen und einer großen Brille, welche an ihrem Gestell schon mehrmals geklebt wurde. Sie war in den Augen der Jungen zwar nicht besonders hübsch, aber sie war wirklich immer sehr nett zu Lily gewesen, vor allem im Vergleich zu den anderen in ihrem Haus.

Von einer Sekunde auf die Nächste lief Meghans Gesicht puterrot an und die umstehenden Jugendlichen begannen zu lachen. Lily sah noch wie ein braunhaariger Junge, Anthony lachend auf die Schulter klopfte, als würde er ihm gratulieren wollen. Anthony war der Quidditch Kapitän der Ravenclaws und ein ausgezeichneter Jäger laut Nicky. Er war ein hochgewachsener braunhaariger Junge mit großen blauen Augen und einem markanten Kinn. Er war die Art von Junge, welche sehr gut aussahen und das auch wussten. Vor allem war er bekannt dafür ziemlich oberflächlich zu sein, ähnlich wie Black und Potter.
 

»Sorry, aber wer bist du noch gleich?«, fragte er herablassend, konnte sich aber ein anschließendes Lachen nicht verkneifen.

»Meghan Greengras«, antwortete Meghan sofort, schlug sich jedoch direkt wieder die Hand vor den Mund.

»Das war keine ernst gemeinte Frage du Närrin.«
 

Lily sah wie Meghans wässerige Augen schließlich sehr leer wurden und die ersten Tränen begannen über ihre Wangen zu laufen.
 

»Jungs mit einem Aussehen wie meinen stehen nicht auf Mädchen mit einem Gesicht wie deinem.«
 

Die Menge lachte wieder, Finger zeigten auf Meghan, mädchenstimmen äfften ein gestottertes „Ich liebe dich Anthony“ nach.

Lily bahnte sich ihren weg zu Meghan durch, um sie von diesem Präsentierteller der Schmach zu erlösen, doch Meghan wandte sich bereits ab und verließ auf schnellsten Wege den Raum. Einen Moment starrte sie noch auf die zufallende Tür, bevor sie sich Anthony zuwandte und ihm ihren Finger in die Brust rammte.
 

»Unsensibler Idiot! Das hättest du ihr auch schonender beibringen können«, fuhr sie ihn an bevor sie sich an ihm vorbei schob und direkt auf Sirius Black und James Potter zuging.
 

»Ihr!«, fuhr sie die beiden an.

»Ihr findet euch wahnsinnig komisch nicht wahr?«

»So ziemlich«, gestand Sirius Black und schenkte ihr eines seiner überheblichen Grinsen.
 

»Abgesehen davon das der Einsatz von Veritaserum ohne Erlaubnis des Zaubereiminesteriums verboten ist und ihr um die 50 Schulregeln gebrochen habt, habt ihr die Gefühle dieses Mädchens durch den Dreck gezogen und die fällt nichts besseres ein, als dass ihr eure Aktion “so ziemlich“ lustig fandet?«

»Die Mehrheit im Raum fand es auch witzig.« Fügte er eilig hinzu, als er ihre unverständige Miene beobachtete.
 

Doch Lilys Mundwinkel zuckten nicht im geringsten auch nur zum Ansatz eines Lächelns.
 

»Das ist mit egal!«, fuhr sie ihn plötzlich an und bohrte ihren Zeigefinger fester in seine Brust, sodass Sirius einige Schritte zurück stolperte.

»Abgesehen davon, dass du keinerlei Beweise hast, dass wir dafür verantwortlich sind, Evans, können wir nichts dafür, dass Anthony ein Arsch ist.«

»Nun McGonagall wird meinen Worten sicher mehr glauben schenken, wenn ich ihr erzähle, dass ich gesehen habe, dass ihr es wart.«

»Das würdest du nicht!? Das wäre ja eine glatte Lüge Evans«, erwiderte Sirius und fasste sich theatralisch ans Herz.
 

Lily wandte sich mit wehendem rotem Haar von den beiden ab und stolzierte in aus der Tür hinaus in den dunkleren Korridor. Als sie gerade um die Ecke biegen wollte, spürte sie plötzlich eine Hand an ihrem Arm, welcher sie brutal in einem Ruck zurückzerrte und sie direkt an die Brust von James Potter fallen ließ.
 

»Verritaserum zwingt die Menschen dazu die Wahrheit zu sagen und nichts weiter. Daran ist nichts bösartiges, sondern etwas gutes. In diesem Moment gibt es diese leichte Möglichkeit nicht mehr einfach zu lügen oder die Wahrheit zu um tanzen. Sei froh Evans, denn nur heute hattest du die Gelegenheit, die Menschen mal so zu sehen wie sie wirklich sind.«

»Menschen wollen aber nicht die direkte Wahrheit hören, sondern eine Aussage und Formulierung womit sie sich wohlfühlen. Denn sonst verletzt man andere sehr schnell und jetzt lass mich los«, zischte sie ihm zu.

»Das Serum zwingt einem nur die Wahrheit zu sagen, der Mensch entscheidet in welcher äußerlichen Gestalt er dies zu tun gedenkt. Ich kann nichts dafür, dass Anthony ein Arsch ist.«

»Wenn du so viel davon hältst, warum hast du es dann nicht selbst getrunken?«
 

Endlich ließ er sie los und Lily rieb sich über die Stelle an ihrem Arm, an der er sie gepackt hatte. Sie schenkte ihm ein düsteres Lächeln in dem spärlich beleuchteten Gang.
 

»Na wer bist du wirklich James Potter? Hast du Angst davor zu zeigen wer du wirklich bist oder warum nimmst du das Serum nicht selbst ein, wenn du doch soviel Wert legst auf die direkte und unwiderrufliche Wahrheit?«
 

Lilys Augen fixierten ihn in der Dunkelheit.
 

»Vielleicht habe ich es genommen Evans. Woher willst du wissen, dass es nicht so ist?«

»Weil ich dich nur für einen großen Redner halte James Potter, mit dem Moralgefühl einer Amöbe.«

»Du verschmähst die Wahrheit, aber hältst die Lüge für kulturell akzeptabel?«

»Nein. «

» - und so neigen wir dazu, sie zu meiden«, fiel James ihr ins Wort. »Erkennst du den Teufelskreis Evans? Menschen sind daran gewöhnt, andere Menschen lügen zu hören, sodass sie es selbst nicht aufregt, sich selbst lügen zu hören. Aber weißt du wer wirklich sehen will, wo er steht, sollte die Wahrheit suchen. Nur ist die eben manchmal schmerzhaft und das müssen wir akzeptieren.«
 

»Ich diskutiere nicht weiter mit dir!«, feixte Lily schließlich.

»Gehen dir die Argumente aus Evans?«, fragte James Potter mit einem Grinsen im Gesicht.

»Du solltest dir mal selbst beim reden zu hören! Oh warte das musst du ja schon den ganzen Tag ertragen.«
 

James Potter musste lachen, was Lily nur noch wütender machte.
 

»Wahrheit hin oder her. Du hast das Veritaserum in die Getränke geschmuggelt. Du hast Menschen in diesem Raum denunziert, ohne auch nur einmal an die Gefühle anderer zu denken«, schrie sie ihn wütend an und schubste ihn weg.
 

Doch James taumelte nicht nach hinten im Gegenteil. Nachdem er einen halben Schritt nach hinten fiel wurde er plötzlich wie von einem elektrischen Schlag nach vorne geschleudert und warf Lily mit sich zu Boden.
 

»Geh von mir runter!«, fuhr sie ihn an und drückte ihn von sich weg, was bei seinem Gewicht nicht gerade einfach war.
 

James rollte von ihr herunter und fasste sich an den Kopf.

Lily hingegen richtete sich auf und wollte so schnell wie möglich verschwinden, doch bereits nach zwei Schritten traf auch sie gegen die unsichtbare Barriere und stolperte zurück direkt in James Potters Schoß.

Dieser war überrascht, fasste sich jedoch schnell wieder und legte die Arme um ihre Hüfte.
 

»Das willst du also Evans, sag das doch gleich.«
 

Seine Stimme klang verrucht und als er auch noch an ihrem Haar roch konnte sie nicht anders als die Augen zu verdrehen.
 

»Idiot!«
 

Lily drückte ihn von sich weg und befreite sich aus seinem Griff. Vorsichtig krabbelte sie von ihm runter und streckte beinahe zaghaft den Arm aus, als würde sie versuchen nach etwas zu greifen. Und da, ganz plötzlich, kaum einen halben Meter von ihnen entfernt, spürte sie die unsichtbare Barriere.

James Potter beobachtete sie stirnrunzelnd und fragte sich was sie da tat.

Sie hob ihre zweite Hand und konnte ihre Handflächen beinahe glatt auf die Barriere legen.
 

»Oh nein.«

Es war kaum mehr als ein Flüstern.
 

James Blick wanderte von ihrem Kopf zu ihren Händen. Auch er erhob schließlich seine Hand und stieß gleich neben ihr auch direkt gegen die unsichtbar Barriere. James wandte sich zur Seite, doch die Barriere schien überall um sie herum zu sein. Er blinzelte ein paar Mal und in seinen Kopf ratterte es. Normalerweise gab es im Schloss keine versteckten Barrieren, schon gar nicht in einem tagsüber gut besuchtem Flur. Dann schoss sein Kopf plötzlich nach oben und er erkannte die Wurzel allen Übels. Sie war grün und bestand aus vielen kleine Blättern und hellen runden Früchten und einer kleinen roten Schleife. Sanft stieß er Lily mit den Ellenbogen an, diese sah ihn zunächst genervt an, folgte jedoch seinem Blick an die Decke. Und plötzlich wurde sie ganz bleich im Gesicht.
 

James Potter schmunzelte, als er sie beobachtete, wie sie sich selbst davon überzeugen wollte, dass dies hier alles gar nicht wirklich passierte und irgendwie fand er es auf eine sehr verquere Weise sogar ganz charmant. Sie kniff die Augen fest zusammen und betete inständig dass dies ein Traum sei, doch auch nachdem sie sich in den Arm gekniffen hatte verschwand der verzauberte Mistelzweig über ihren Köpfen nicht.
 

»Wir werden hier nie weg kommen«, jammerte Lily leise vor sich hin und biss sich dabei auf die Unterlippe. Schnell wandte sie ihren Kopf um und blickte in alle Richtungen, doch der Gang schien Menschenleer zu sein. Auch nach mehrmaligem Rufen war weit und breit niemand zu sehen.
 

»Evans du weißt, dass es eine Möglichkeit gibt hier ganz einfach wegzukommen«, sagte James Potter in ruhigem Ton, während er an ihrem Arm zog und sie zu sich drehte.
 

Er sah ihr fest in die Augen. Er konnte in dem spärlich beleuchteten Flur ihre Augenfarbe nicht richtig erkennen, doch er vermutete, dass sie grün sein mussten.
 

»Ich werde dich nicht küssen!«, sagte sie kalt, doch James ignorierte ihren Unterton.

»Sei nicht kindisch. Du musst mich ja nicht gleich heiraten.«

»Ich will es trotzdem nicht!«

»Wenn du hier demnächst wegkommen möchtest, solltest du darüber noch einmal nachdenken.«
 

Lily grummelte etwas unverständliches vor sich hin.

James ging einen Schritt auf sie zu und legte sanft seine linke Hand an ihre Hüfte und fasste mit der rechten unter ihr Kinn, um sie zu zwingen ihn wieder anzusehen.
 

»Es ist nur ein Kuss Evans, was bedeutet das schon?«

»Ein Kuss hat immer eine Bedeutung.«
 

Es war beinahe ein Flüstern, als seine Lippen sich den ihren näherten. Beide hatten ihre Augen geöffnet. James musste dunkle braune Augen haben. Lily spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut und blickte ihm immer noch direkt in seine.
 

»Lily!«, schallte plötzlich eine vertraute Stimme in ihrem Kopf. Sofort drückte sie James von sich weg.

Severus Snape hatte den Gang betreten, dicht gefolgt von Sirius Black, welcher misstrauisch von James zu Lily blickte.
 

»Ich hab dich gesucht, nachdem du eben einfach aus dem Zimmer gestürmt bist«, erklärte Severus und betrat die Barriere.

Lily fiel ihm erfreut um den Hals.
 

»Bleib zurück Sirius!«, ertönte plötzlich James' laute Stimme im Flur und sein Freund blieb auf dem Absatz stehen. Vorsichtig tastete James in der Luft herum.
 

»Die Barriere ist noch da, trotz dessen, dass wir nun drei sind«, seufzte James.
 

Severus blickte verwirrt von James zu Lily.

Doch Lily packte plötzlich seinen Kragen und gab ihrem besten Freund einen kurzen Kuss auf die Lippen. Es dauerte nicht mal eine Sekunde. Lily zog an Severus' Arm und zerrte ihn aus der Barriere. Nun konnte sie endlich erleichtert ausatmen.
 

Severus Wangen waren gerötet. Lily Evans, seine beste Freundin und das Mädchen, was er wohl am meisten auf der Welt mochte hatte ihn soeben geküsst. Es war ein kurzer Kuss, eigentlich hatten sich nur ganz kurz jedoch sehr sanft ihre Lippen berührt, doch für Severus bedeutete es die Welt. Sollte das heißen, dass auch Lily Gefühle für ihn hatte? Er schenkte Lily ein verträumtes Lächeln und ganz plötzlich trafen sich ihre Blicke und sie schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln.
 

»Ein Mistelzweig«, erklärte Lily und deutete nach oben.
 

Severus Lächeln wich aus seinem Gesicht, als er ihrem Blick zu dem herrlich grün blühenden Mistelzweig wandte.
 

»Tut mir Leid Sev', ich musste einen von euch küssen«, erklärte sie beinahe schüchtern. Severus nickte abwesend
 

»Lass uns bloß verschwinden«, meinte sie dann und zog ihn an seinem Arm hinter sich her.

»Was ist mit mir?«, empörte sich James Potter.

»Küss doch Sirius!«, rief Lily ihm zu. »Es ist doch nur ein Kuss. So was hat keine Bedeutung«, zitierte sie seine Worte von vorhin.
 

Es klang ein wenig Traurigkeit in ihrer Stimme, die James jedoch nicht heraushören konnte.
 

Severus blinzelte ein paar Mal.

Der Kuss hatte also keine Bedeutung für Lily gehabt.

Und damit standen beide wieder genau da, wo sie noch vor wenigen Minuten gestanden haben.

Bloß beste Freunde.



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