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Urwaldromanze

von

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Kapitel 7

Die Zeit fließt förmlich. Je länger ich auf der Insel bleibe, desto weniger will ich noch fort. Nicht zurück zum Tierhandel auf den Schiffen und noch weniger wegziehen.

Aber ich muss irgendwie Geld verdienen!

Klar, im Moment halten uns Mirabelle und Wada über Wasser. Aber das werden sie nicht ewig tun. Außerdem ist das Haus immer noch ziemlich leer und trostlos. Es kann – und soll - so nicht bleiben. Ich will Shea mehr bieten können als das. Allerdings ist in der letzten Zeit immer mehr ein Plan in mir herangereift. Ich habe früher studiert, musste aber abbrechen. Es hat einfach das Geld gefehlt. Damals wollte ich Tierarzt werden. Die Lehrbücher und Unterlagen habe ich nie weggeschmissen. Ich konnte es nicht, auch wenn ich mir dämlich vorkam. Aber naja… Träume darf jeder haben, nicht?

Auf der Farm gibt es viele Tiere und Geburten. Bisher ruft Hizumi immer einen Tierarzt von der Nachbarinsel wenn es wirklich schlimm wird. Aber das ist zu weit – haben wir ja letztens gemerkt. Auch Mirabelle hat sich jetzt ein Haustier angeschafft und sie muss sich auch um die Tiere in ihrem Laden kümmern. Vielleicht kommen ja noch mehr Haustiere. Vor allem wenn die Besitzer sich sicher sein können dass sie gut versorgt werden können.

Ein Tierarzt wird auf jeden Fall gebraucht. Und ich könnte in einem Fernstudium hier lernen. Nur, wie soll ich das finanzieren? Immer die gleiche unleidige Frage. Ich hab doch keine Rücklagen mehr… Vielleicht wenn ich eine kurze Zeit normal arbeiten würde und alles sparen? Aber das geht nicht. Ich muss Shea doch versorgen können… Wobei – im Moment versorgt eher er mich.

Grübelnd stehe ich in der Küche, in dem Versuch ein brauchbares Abendessen zu kreieren. Shea ist jagen, wofür ich ihm ziemlich dankbar bin. Ich bin froh über jedes einzelne Mal, wo uns nicht geholfen werden muss. Über jedes bisschen, was wir nicht geschenkt bekommen, was nicht meinen armen, gequälten Stolz weiter in den Boden tritt. Ich hab mir auch schon überlegt, ob wir die übrigen Felle nicht verkaufen sollten, aber einen Absatzmarkt fänden wir dafür nur in der Stadt. Vielleicht sollte ich mal mit Taro reden? Er regelt das ganze ja auch für Hizumi….

Nachdenklich rühre ich im Soßentopf, die Gedanken weit, weit entfernt. Ich höre die Tür aufschlagen. Ist Shea schon wieder zurück? Ich bin noch nicht fertig. Weder mit dem Essen noch damit, meine wirren Gedanken zu ordnen – wobei ich ehrlich bezweifle dass ich letzteres jemals hinbekomme. Muss er halt noch etwas warten. Er kennt es, dass ich nicht ansprechbar bin, wenn ich koche. Dazu bin ich dann einfach zu sehr in Gedanken versunken. War schwierig genug Kochen zu lernen. Ich bin schließlich keine Hausfrau. Hmm – da fehlt noch etwas Salz.

Plötzlich knalle ich seitlich gegen den Schrank. Schmerz fährt durch meine Schläfe, die unerfreulich engen Kontakt mit dem Türgriff schließt, bevor ich dann doch den Boden näher begrüßen darf. Wie schön… Völlig überfordert schaue ich in das Gesicht des Kois.

Ich hab nachgelesen. Es gibt rote Fische – Kois. Lachse sind auch rot, aber nicht immer.

Naja, Sinn hin oder her. Offensichtlich hat mein Ex-Schwiegervater mich förmlich gegen den Schrank geworfen. Woher meine Intelligente Beweisführung kommt? Naja – er hält mich gerade am Kragen fest, schüttelt mich durch und schreit mich in voller Lautstärke an. Von den Worten verstehe ich allerdings kein einziges. Dazu dröhnt mein Schädel einfach zu sehr. Wo kommt der Kerl überhaupt her? Was will er von mir?

Jetzt reicht es.

Abrupt hole ich aus und ramme Regis die Faust ins Gesicht. Ich habe mich NICHT von Mirabelle hier einsperren lasse, um von ihm verprügelt zu werden und dann wie ein geschlagener Hund erneut von ihr zusammengeflickt zu werden. Ich lag wirklich lange genug im Bett. Mit einer hämischen Genugtuung höre ich das hässliche Knacken, als seine Nase bricht. Regis stolpert nach hinten, die Hand entsetzt auf die Nase gepresst. Der Arsch hat wohl nicht damit gerechnet dass ich zurückschlage. HAH! Das war sowas von Überfällig.

Mit der Hand über meine blutige Schläfe reibend versuche ich meine Sinne wieder zum Funktionieren zu bekommen. Nur langsam klärt sich die Umgebung und ich kann kurz die entsetzten Blicke von Mirabelle und Sabrina erkennen, bevor Regis in seiner unvergleichlichen Art meine volle Aufmerksamkeit für sich beansprucht.

Irgendwie… sieht Sabrina seltsam aus… Aber sicher bin ich mir nicht. Regis Faust im Magen ist recht ablenkend. Uhh… Ich war wirklich schon mal besser in Form. Aber er tut mir den Gefallen mich erneut am Kragen zu packen. Hat er nicht vom letzten Mal gelernt? Erneut balle ich die Faust und ramme sie meinem Gegenüber in den Solarplexus. Ich mag vielleicht noch etwas angeschlagen sein, aber ich bin ganz sicher nicht hilflos… Und ich kenne die empfindlichen Punkte des menschlichen Körpers besser. Sein Pech.

Er verliert das Gleichgewicht und leider reißt er mich damit mit zu Boden. Uh… mein Bauch. Und mein Kopf. Und mein – alles! Mir ist schwindelig. Ist ja nicht so als sollte ich mich eigentlich noch von den Verletzungen, Krankheiten und dem Stress erholen, der sich in der letzten Zeit so aufgestaut hatte. Stress, an dem Regis und Sabrina natürlich völlig unschuldig sind…

Gott, mir kommt die Galle hoch.

Die Faust die jetzt meinen Wangenknochen streift ist auch alles andere als angenehm. Ich versuche auf die Füße zu kommen, weg von diesem um sich schlagenden Irren. Was ist bei dem eigentlich los? Früher ist er nie einfach auf jemanden losgegangen. Hirntechnischer Totalausfall? Erneut versucht er nach mir zu greifen und zu schlagen. Ich weiche aus, überlege wie ich den Idioten dazu bringen kann, aufzuhören. Das bringt doch nichts. Ich weiß nicht mal, was ihn so derart wütend gemacht hat. Auch wenn ich wahrscheinlich damit zu tun habe. Und damit auch Sabrina. Was zur Hölle wollen die beiden noch von mir?

Erneut weiche ich der Faust aus, als auf einmal ein wutgetränkter Schrei in Richtung der Tür erklingt. Shea? … Scheiße!

Wie eine Raubkatze stürzt er ins Zimmer, taucht unter Mirabelles Arm hindurch und packt sich Regis. Mit voller Wucht kracht er mit dem alten an die Küchenzeile. Geschirr zerschellt, einer der Töpfe fällt auf den Boden und kochendes Wasser ergießt sich mitsamt inzwischen wohl zerkochten Nudeln über den Boden. Shea könnte es nicht weniger interessieren. Er kniet mit vor Wut glühenden Augen über Regis, hält ihn am Kragen gepackt und schlägt immer wieder auf ihn ein. Langsam vermischt sich das Wasser mit Blut und der durchdringende Geruch nach Eisen liegt in der Luft.

Scheiße. Ich muss was tun! Regis wehrt sich kaum noch und Shea ist viel zu blind vor Wut, um noch irgendwas mitzubekommen. Ich höre Sabrinas hohes, panisches Kreischen. Es schrillt mir äußerst unangenehm in den Ohren. Das entspannt die Lage natürlich phänomenal gut.

Hölle!

Inzwischen hat der Auflauf und Lärm noch weitere Leute angezogen. Noch nie war ich so glücklich darüber, dass Gannon die Kraft eines Bären hat. Er hilft mir dabei, Shea von dem selbst jetzt noch arrogant dreinblickenden, blutüberströmten Vollidioten weg zu ziehen. Regis sieht schlimm aus…

Ich bin Mirabelle dankbar dass sie ihm aufhilft und schnell etwas Kaltes zu trinken gibt. Ich selbst hätte mich nicht dazu überwinden können, aber er kann alleine kaum noch stehen. Es dauert ein bisschen bis er es schafft den Blick wieder klar bekommt. Von seiner Arroganz hat es ihm allerdings nicht viel genommen.

Regis wischt sich mit einem indignierten Blick das Blut aus dem Gesicht und mustert Shea, als wäre er nur eine wertlose Made, mehr als nur barbarisch und zusätzlich noch völlig unter seiner Würde. Dabei war der alte Idiot es, der angefangen hat. Er regt mich tierisch auf. Wenn ich nicht gerade Shea fest im Arm hätte um ihn vor Dummheiten abzuhalten, wäre ich selbst mehr als versucht ihm nochmal eine zu verpassen. Denn offensichtlich reichen die Schmerzen die Regis jetzt hat noch nicht aus.

„Was wollt ihr überhaupt hier?“, fauche ich ihn an. „Ruf erstmal deinen tollwütigen Wachhund zur Ordnung“, kommt es mir kalt entgegen. Ich spüre wie Shea in meinen Armen ruckt, ihm erneut an die Gurgel will. Ich kann ihn so gut verstehen… Aber ich darf jetzt nicht nachgeben. Regis legt es doch darauf an, will es gegen ihn ausspielen. Regis ist so – hinterrücks. Ganz anders als Shea. Der versteht das doch nicht. Dazu ist er viel zu ehrlich.

Mein Shea…

„Shea, bitte. Lass dich nicht von dem Idioten provozieren! Das ist der Kerl doch nicht wert.“, versuche ich auf ihn einzureden. Regis bedenkt uns mit einem verächtlichen Blick. Mir kommt schon wieder die Galle hoch. Immer noch windet sich Shea in meinen Armen, aber es wird zum Glück weniger, bis er schließlich keuchend an mich gelehnt liegen bleibt. Hölle ist der Tiger stark! Ohne Gannon hätte ich ihn niemals zurückhalten können.

Immer noch will ich den arroganten Sack uns gegenüber schlagen. Regis guckt inzwischen offen angewidert. Er hat sich eines meiner Küchentücher geschnappt und auf seine blutende Nase gedrückt. Was für ein Arsch. So langsam will ich echt wissen was hier gespielt wird. Regis mustert mich wie ein niederes Insekt. „Was hast du mit dem Hause meiner Tochter angestellt, du unfähiger Idiot?“ Ah – was? SEINER TOCHTER? „Du hast sie doch nicht mehr alle, Regis. Das Haus gehört MIR. Und wenn du nicht endlich auf die glorreiche Idee kommst mir zu erklären was Sache ist, solltet ihr besser zügig verschwinden!“

Ich kann Sheas Irritation förmlich spüren. Er hat sich aufgesetzt. Ruhiger jetzt. „Vaughn? Wer sind diese Leute?“

„Das sind…“

„ICH bin Regis, Inhaber der Minengesellschaft und eines außerdem der Besitzer eines Vermögens! Und dies hier ist meine Tochter Sabrina, das schönste Mädchen, das es gibt und die Ehefrau dieses, dieses mittellosen, geldgierigen Cowboys.“ Er spuckt das letzte Wort förmlich aus Shea verspannt sich in meinen Armen und windet sich hinaus. Er sieht verletzt aus. Regis spinnt doch! „Ex-Frau wolltest du wohl sagen“, antworte ich eisig und leise. Ich rapple mich hoch. Bitte, lauf nicht vor mir weg, Shea. Ich – ich brauch dich doch. Er ist vor mir zurückgewichen. Es tut weh. Gerade will ich meine Hand nach ihm ausstrecken, als mich erneut eine Ohrfeige trifft. Regis! Ich taumle. „Steh gefälligst zu den Dummheiten die du machst!“

Okay, langsam wird es mir echt zu bunt. „REGIS! Ich hab die verdammten Scheidungspapiere unterschrieben! Ich hab mich mit einem minimalen Teil unseres gemeinsamen Vermögens zufrieden gegeben! Und jetzt komm mir nicht damit, dass das eh alles Sabrinas Geld war. Ich habe lange genug gearbeitet und für mich allein gesorgt um zu WISSEN, was ich an Geld nach Hause bringe. Ich habe Sabrina ohne ein einziges, böses Wort gehen lassen, trotz der haltlosen Anschuldigungen in ihrem Brief. WAS ZUR HÖLLE WOLLT IHR NOCH VON MIR? Seid ihr erst zufrieden, wenn ich sicher sein könnt, dass die Trümmer die ihr aus meinem Leben gemacht habt wirklich zu nichts neuem mehr aufzubauen sind? Wollt ihr weiter machen bis ich endgültig unter der Erde liege?“

Ich atme heftig, zittere förmlich vor Wut. Um mich herum ist es still. Solche Ausbrüche ist niemand hier von mir gewohnt. Meine Wut verpufft nur leider viel zu schnell und lässt Schmerzen und grenzenlose Erschöpfung zurück. „Ich dachte ich müsste euch nie wieder sehen. Und jetzt seid ihr hier. Was wollt ihr – naja, außer offensichtlich meine neue Beziehung zu ruinieren?“, frage ich erneut. Deutlich ruhiger jetzt und wohl auch ein bisschen resigniert. Warum können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Wenn ich Shea wirklich wegen ihnen verlieren sollte, weiß ich nicht mehr was ich noch tun soll.

Sabrinas entsetztes Keuchen würde ich am liebsten Ignorieren. Geht aber dank dem schrillen Gezeter, das folgt, nicht.

„D-du hast… mich wirklich ersetzt? W-wirklich?“ Mit Tränen der Unverständnis in den Augen sieht sie mich und den Tiger an. Er versteht wahrscheinlich nichts von dem Mist hier. Wie gern hätte ich ihn davor bewahrt mit meiner Ex samt ihrem Anhang zusammen zu treffen… Vor allen Dingen mit dem Anhang. Was hat sie eigentlich geglaubt? Das ich ewig einsam und allein bleibe, ihr nachtrauere und ohne sie eingehe? Die Frau hat wirklich wenig Bezug zur Realität. Aber mit einem Vater wie Regis ist das kein großes Wunder.

Irgendwann mal hat sie mir dafür leidgetan…

„Ich… du… Ich habe dich geliebt. Ich… habe dir alles gegeben. Und du… Ersetzt mich einfach. Und dann noch mit… mit einem Mann. Das ist… unnatürlich. Falsch! Das musst du doch wissen.“ Sie schluchzt auf. Ich – bin wie erstarrt. Klar, sie redet Mist, aber… Ich hab völlig verdrängt dass Shea wirklich ein Mann ist. Verdrängt, dass die anderen Dorfbewohner erfahren werden, dass ich wohl doch nicht so Hetero bin, wie ich immer dachte. Dass ich – auf einen Kerl stehe…

„Oh Papa… Was soll ich nur tun? Und von sowas bin ich… Papa! Papa, ich will es nicht! Ich will kein Kind von diesem – diesem… Von so einem! Ich will, dass es weggemacht wird!“

… Ist es wirklich so schlimm? Ist Shea das nicht Wert? Auch wenn, wenn…

Moment mal. WAS hat Sabrina gerade gesagt? Ein… ein Kind? Sie ist – SCHWANGER??? Zum ersten Mal diesen Abend schaue ich sie mir richtig an. Und wirklich. Das heulende Bündel in den Armen ihres Vaters zeigt deutlich rundere Formen als sonst. Ich fange an zu zittern. Schwanger. Sie ist wirklich schwanger. Warum… Warum gerade jetzt? Welcher verfluchte Gott hasst mich hier eigentlich so sehr?

Sachte berühren mich ein paar warme Finger im Gesicht, holen mich zurück in die Realität. Shea schaut mich vollkommen überfordert an. Schmerz und Unverständnis in den Augen. Und dennoch, trotz allem, versucht er für mich da zu sein. Obwohl ich seine Angst fast riechen kann. Wie in Trance strecke ich die Arme nach ihm aus und ziehe ihn sanft zu mir, ihn festhaltend. „Hör nicht auf den Scheiß.“, flüstere ich leise, nur für ihn. „Ich hab dir versprochen dich nicht allein zu lassen.“ Ich kann förmlich sehen wie die Hoffnung in den gelb-braunen Iriden aufflammt. „Vaughn… geht nicht mit ihnen?“ Er ist genauso leise wie ich. Ich lächle „Niemals. Ich bleibe bei dir.“ Auch wenn es schwer ist. Bei seinem Lächeln weiß ich einfach dass es das richtige ist. Inzwischen habe ich meine Umgebung völlig ausgeblendet. Sachte hauche ich Shea einen Kuss auf die Lippen.

„Is‘ ja eklig!“

Danke Julia. Du verstehst es mich im richtigen Moment zu unterstützen. Immerhin hat die Realität mich wieder – ein weiteres Mal. Schade eigentlich. Sowohl auf Regis abfälliges und entrüstetes Schnauben wie auch Sabrinas verzweifeltes Weinen und die leise Schimpftirade, die Mirabelle auf ihre Tochter loslässt hätte ich gerne verzichten können. Ich lächle bitter. Es wird wohl unschön werden. Aber ich bin wirklich nicht bereit von Shea abzulassen. Für ihn tue ich alles.

Nicht die intelligenteste Einstellung aber – er hat mir bewiesen dass er es wert ist. Und dass er mich nicht verbiegt. Dass er… mich liebt. Und das ist alles Wert, oder?

„Anscheinend bin ich euch trotz der Scheidung und Unterschrift nicht so gründlich los, wie ich es gehofft habe. Aber hier können wir das nicht besprechen. Es gibt ja nicht mal Stühle oder einen Tisch. Mirabelle? Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir das alles zu dir verlagern? Und ja ich will das besprechen, nicht mich sinnlos weiter prügeln, Regis!“ Mirabelles Kopfschütteln ist erleichternd. Ich bin momentan nicht halb so selbstsicher, wie ich rüberkomme. Die Situation macht mich echt fertig und ich bezweifle dass mein kleiner Kommentar Regis wirklich in seine Schranken weist. Ich bin Shea mehr als dankbar für die Hand, die meine so aufmunternd drückt.

Ohne weitere Umschweife schiebe ich den Wust an Menschen aus dem Haus. Gannon schenkt mir einen seltsamen Blick, bevor seine Hand auf meiner Schulter landet und mich sang und klanglos einknicken lässt.

Aua!

„Bessere Wahl diesma' – wenn auch… komisch… irgendwie.“ Unser Riese vom Dienst kratzt sich am Hinterkopf und zuckt dann mit den Schultern. „Nja, ich geh ma besser Heim. Nicht, dass meine kleine Prinzessin aufwacht und Angst kriegt.“ Ich nicke ihm dankbar zu, auch wenn es mir schwer fällt nach seinem freundschaftlichem Schulterklopfen noch grade stehen zu bleiben. Er hat echt mehr Kraft als gut ist. Julia ist schon vorausgegangen und Mirabelle führt Regis und Sabrina zu sich.

Ich drehe mich zu Shea um und ziehe ihn nochmal fest in den Arm, auch wenn mein Körper protestiert. „Shea… ich… Hab keine Angst, okay?“ Shea streicht mir über den Wangenknochen. „Vaughn hat versprochen bei Shea zu bleiben. Vaughn hat versprochen, nicht einfach zu gehen, wie die anderen. Shea vertraut Vaughn.“

Kann man vor Süße eigentlich sterben?

Ich kann nicht anders als ihn so fest wie möglich an mich zu drücken. Ich gebe den Kerl nie mehr her. Wie schafft er es nur so – so naiv und vertrauensvoll zu sein? Wie schafft er es, mir alle Zweifel innerhalb von Sekunden zu nehmen? Nochmal suche ich seine Lippen, spüre wie der Kuss drängend erwidert wird. Wie gern hätte ich Zeit für mehr…

Da fällt mir ein – ich muss ihn später auf jeden Fall auf das ‚Wie die anderen‘ ansprechen. Wer hat ihn nur so verletzt? Ich bin ihm mehr als dankbar für sein Vertrauen. Und ich bete, dass ich es irgendwann wert bin.

Jetzt aber wartet erstmal ein Problem in Form von Regis und der schwangeren Sabrina bei Mirabelle. Sanft umfasse ich Sheas Hand und gehe mit ihm gemeinsam zu ihr. Hier, soweit vom Dschungel entfernt wird er immer etwas unsicher. Ich bin froh, dass mein Haus so nahe an der Brücke zu seiner Welt steht. Hier aber werden wir vom Fluss und vielen hohen Felsen von dem dunklen Grün getrennt. Es stehen mehr Häuser und es gibt weniger freie Fläche. Shea ist nicht gern hier. Ein Grund warum ich alle Einkäufe erledige. Ich will ihn dem nicht unnötig aussetzen. Jetzt – muss es aber sein. Ich werde ihn nicht allein zuhause lasse um mit Regis die Zukunft des Kindes zu besprechen. Und damit auch eindeutig unsere.

Ich öffne die Tür zum Tierladen, hinter dem ich schon die leisen, scharfen Stimmen höre. Sanft führe ich Shea zum Hinterzimmer.

„Bei dem Geruch hier muss einem ja schlecht werden. Das ist ja nicht zum Aushalten!“ Offenbar musste Sabrina sich übergeben. Und – oh Wunder – die äußeren Umstände sind schuld. „Jetzt halt mal die Luft an Regis. Bei Schwangerschaften übergibt man sich halt hin und wieder. Vor allem in Stresssituationen.“ So langsam ist wohl selbst die geduldige Mirabelle angefressen. Julia steht an der Küchenzeile und kocht Tee, während Regis am Tisch sitzt, sich das Gesicht kühlt und dennoch so auf alles herabguckt, als wäre er der König der Welt. Faszinierend dass er das in dem Zustand noch hinbekommt. Mirabelle ihm gegenüber. „Und wer ist schuld an dem Stress – an ihrem ganzen Zustand?“ Gerade kommt auch die mehr als bleich wirkende Sabrina zurück an den Tisch. Sie streicht sich abwesend über den runden Bauch. Sie wirkt erschöpft, als würde sie kaum noch etwas mitbekommen. Warum nur schleppt Regis sie in dem Zustand hier her? Das ist doch fast schon Folter.

Apropos – selbiger hat uns bemerkt. „Warum bringst du diesen – diesen Wilden mit her? Selbst du solltest genug Manieren haben um ein bisschen Rücksicht auf Sabrinas Zustand und ihre dank dir angeschlagene Psyche zu nehmen!“ W-was? Der Kerl schafft es immer wieder mich sprachlos zu machen. So ein Aasgeier. „Ich werde Shea sicher nicht von einer Diskussion ausschließen, die ihn auch betrifft.“ Regis abfälliger Blick spricht Bände. „Ich wüsste nicht was er mit Sabrinas Schwangerschaft zu tun hat. Oder hast du etwa Hilfe gebraucht? Wie widerlich… Sowas meiner armen, kleinen, unschuldigen Tochter anzutun…“ Ich muss mich echt zusammenreißen, um ihm dafür keine zu verpassen. „Da kannte ich Shea noch gar nicht!“, zische ich heftig. Warum rechtfertige ich mich überhaupt? Regis ist das nicht wert. Außerdem hört er mir eh nicht zu. Seine unwirsche Bewegung mit dem Eisbeutel, mit der er mir das Wort abschneidet, macht das mehr als klar.

Sanft drücke ich Shea auf einen Stuhl und setze mich daneben. Fast bin ich gespannt was Regis dieses Mal von mir fordern wird. Denn fordern wird er. Seine Haltung allein sagt schon alles und lässt in mir erneut den Widerwillen hochkochen. „Sabrina wird keinen Bastard großziehen. Das lasse ich nicht zu. Die Scheidung wird als ungültig erklärt und du, Vaughn, kommst mit uns. Außerhalb dieser Insel werde ich dir schon beibringen was vernünftige Manieren sind und du wirst Sabrina auf Händen tragen, wie sie es von Anfang an verdient hätte. Das ist das mindeste, nach dem was du ihr alles angetan hast. Und dafür, dass du ihr das Balg angehängt hast.“ Mir fehlen die Worte. Vollkommen überfahren und sprachlos schaue ich ihn an. Was – was hat der Kerl genommen? Wie Größenwahnsinnig kann man eigentlich sein? Der kann sich doch nicht anmaßen, einfach über mein gesamtes Leben zu entscheiden! Meine Hände zittern vor Empörung.

„Regis, in welchem Jahrhundert lebst du eigentlich?“ Danke Mirabelle. Ich krieg grad echt keine Antwort herausgewürgt. Shea hat unter dem Tisch meine Hand ergriffen und starrt Regis böse, aber auch verängstigt an. Er hat Angst dass der Alte mich ihm wegnimmt. „Shea – Shea gibt Vaughn nicht an Regis. Regis mag Vaughn nicht. Regis verdient Vaughn nicht!“ Noch einer, der Partei für mich ergreift. Danke, Kleiner, auch wenn Regis anderer Leute Meinung eigentlich nie interessiert. Sanft drücke ich seine Hand.

Regis hingegen ist mehr als empört. „Was wagt ihr es eigentlich…“

„GENUG!“ Es reicht. Es reicht wirklich. Ich bin aufgesprungen und habe die Fäuste auf den Tisch geknallt. „Es reicht, Regis. Du gehst von falschen Tatsachen aus. Ich werde weder Shea noch die Insel verlassen. Ich will Sabrina nicht zurück. Die Scheidung bleibt bestehen! Auch dein Geld lockt mich da nicht – hat es noch nie. Ich schulde dir und Sabrina gar nichts!“ Sabrina schluchzt auf und wirft sich erneut in die Arme ihres entsetzten Vaters. Was hat sie erwartet? Dass ich demütig zu ihr zurückgekrochen komme?

Vor Wut bebend setze ich mich wieder. Dieses Mal ist es Shea der dankbar meine Hand drückt, so dass ich ein weiches Lächeln verstecken muss. „Das mit dem Baby ist dumm gelaufen. Dennoch würde ich mich über ein Kind freuen und so leid es mir tut, es ist nicht mehr zu ändern. Das Kind soll nicht unnötig darunter leiden müssen.“ Meine Stimme klingt etwas ruhiger, aber immer noch ziemlich deutlich und kühl. Ich will garantiert keine falschen Schlüsse mehr zulassen.

Mein Kind… wie seltsam.

Regis hingegen braust auf. „Du hast dieses – dieses Balg gezeugt. Du kannst dich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen!“ Als hätte ich das vor. Das der Kerl mich aber auch immer unterbrechen muss. Die Augen verdrehend sehe ich ihn genervt an. „Es wäre echt eine angenehme Überraschung, wenn du es einmal aushalten würdest mich bis zum Ende aussprechen zu lassen, weißt du das eigentlich, Regis? Und du meckerst über meine Manieren…“ Meine freie Hand umklammert die Tasse, die Julia in einem unbeobachteten Moment vor mich gestellt hat. Der beruhigende Geruch von Lindenblüte tut gut. Sacht streicht mein Daumen über Sheas Handrücken.

„Ich bin natürlich bereit im Rahmen meiner Finanziellen Möglichkeiten Alimente zu zahlen. Allerdings ist das momentan, dank euch, nicht viel. Ich würde das Kind auch aufnehmen, allerdings nur, wenn Shea damit einverstanden ist. Auf jeden Fall will ich das Kind sehen dürfen!“ Es muss doch nicht immer wie im Mittelalter zugehen. Shea strahlt mich allerdings auf einmal wie eine Leuchtboje an, was mich irritiert. Verwirrt sehe ich zu ihm. „Shea liebt Kinder! Shea will Kind gern da haben. Kind ist Familie!“ Jetzt lächle ich doch. Er ist so süß. Er denkt nicht eine Sekunde daran, dass es nicht sein Kind ist, oder wie viel Arbeit es machen wird. Es gehört zur Familie. Wie kann man nur derart – unverdorben sein?

Sabrinas konstantes Wimmern ist noch lauter geworden. Gebrochen sieht sie mich an, dann verbirgt sie erneut den Kopf an Regis Schulter. Sieht so aus, als wäre gerade ihr letztes bisschen Hoffnung auf minimale Freiheit gestorben. Ihr Vater wird sie für immer unter seiner Fuchtel behalten. Tja… Ich bin schon lang nicht mehr ihr Ritter in strahlender Rüstung. Das muss jetzt jemand anders für sie erledigen. Ich habe darin versagt. Und inzwischen tut es mir nicht einmal mehr leid. „Ich will es nicht… Ich will es nicht… Ich will es nicht…“, kann man das sich immer wiederholende Mantra von ihr hören. Ich glaube sie steht unter Schock.

Erneut verdrehe ich die Augen. „Wenn du es nicht willst, dann gib es zu mir, sobald es geboren ist. Ich kümmere mich darum. Du musst nichts tun.“ Sie hebt den Blick, nickt dann aber unter Tränen. „Okay... Ihr… kümmert euch drum. Ich… muss es nicht haben.“ Ich kann nicht verstehen wie man sein eigenes Kind ablehnen kann, egal von wem es ist. Aber, das muss sie für sich selbst wissen. „Glaub bloß nicht, dass du von mir auch nur einen Cent für das Balg siehst!“ Wütend funkle ich Regis an. „Glaubst du echt, dass sich alles nur um Geld dreht?“ Bah… Ich bin froh, wenn der Kerl wieder von hier fort ist. Er ist so… so… versessen auf Geld und Prestige, dass einem einfach nur schlecht wird. „Ich nehme das Kind auf, sobald es geboren ist und der Arzt es für Reisefähig erklärt hat. Dafür muss ich euch zwei niemals wieder sehen. Ihr mischt euch nicht in die Erziehung ein. Lasst uns einfach in Ruhe. Mehr will ich nicht.“

Sabrina nickt schnell, erleichtert über das Angebot. Das sie Regis so um einen potentiellen Erben bringt, scheint sie nicht zu bedenken und auch wenn er unzufrieden aussieht, lässt er ihr ihren Willen. Auf skurrile Art und Weise liebt er seine Tochter. Sie ist wohl das einzige was er je in sein kaltes Herz gelassen hat.

Auf meine Bitte hin holt Mirabelle Papier und einen Kuli. Schnell schreibe ich die Bedingungen für den ‚Handel‘ auf, auch wenn es mir widerstrebt so darüber zu denken. Bei Regis ist Vorsicht angebracht. Sonst bin ich das Kind los, sobald er einen Vorteil darin sieht. Schnell setze ich meine Unterschrift und schiebe Sabrina den ‚Vertrag‘ zu. Das Ganze nochmal schreiben… Mit Tränennassen Augen liest sie beide Blätter durch, bevor auch sie unterschreibt. Dann Mirabelle und Regis als Zeugen.

Erleichterung…

Grenzenlose Erleichterung und – Vorfreude.

Ein – ein Kind…

Nie hätte ich geglaubt je eines zu haben. Ich hab mir nicht mal Gedanken darüber gemacht. Und jetzt… Werde ich eines großziehen. Mit Shea. Ein schöner Gedanke… Er wird sicher ein wunderbarer Vater. Er ist so liebevoll.

Ich will nicht wissen wie es dem Kind bei Regis und Sabrina ergangen wäre. Das mag fies sein, aber… Die beiden haben mich einfach zu sehr enttäuscht und Regis ist ein veralteter Patriarch, zu verbohrt um ein Kind richtig aufzuziehen. Sabrina ist der beste Beweis. Soll er sie mit irgendeinem wohlhabenden Trottel verheiraten, der aufs Wort auf ihn hört… Mir kann es jetzt egal sein.

Mit einem unfreundlichen Gruß verabschieden sich die beiden. Ich bin froh, als sie endlich aus der Tür raus sind. Erleichterung und Erschöpfung entspannen meine Muskeln und ich lehne den Kopf an Sheas Schulter. Langsam macht sich das unangenehme Pochen wieder in meinen Schläfen bemerkbar. Ich hab echt genug von Verletzungen… Und dabei war es in der letzten Zeit wirklich mal angenehm ruhig.

Ich reagiere gar nicht, als mir Mirabelle ein feuchtes Tuch auf die Wunde drückt. Als sie sich uns aber gegenübersetzt und mich scharf anguckt, komm ich nicht umhin ihren Blick zu erwidern. Sie sieht ernst aus.

Können wir weitere Kriseninterventionen nicht auf morgen verschieben?

Bitte?

Anscheinend nicht. „Vaughn… Ein Kind! Weißt du, was du dir da aufgeladen hast?“ Ehrlich? Nein, ich weiß es nicht. Woher auch? Aber – ist das wirklich wichtig? „Darum geht es doch gar nicht. Es ist mein Kind und ich werde es nicht von mir stoßen, nur weil es von einer Frau ist, für die ich nichts mehr empfinde. Das hat es wirklich nicht verdient. Es kann doch nichts dafür.“ Sie nickt resigniert und seufzt leise. „Du hast ja Recht. Aber – so wie es jetzt ist könnt ihr dem Kind nichts bieten. Ihr habt ja nicht mal einen Tisch und Stühle. Ihr braucht eine sichere, finanzielle Grundlage.“

Ich lasse den Kopf hängen. Sie hat Recht. Wie soll ich das nur schaffen? Vor allem wo ich Shea versprochen habe, nicht mehr in der Weltgeschichte herumzureisen. „Vaughn…“ Ihr ernster Blick durchbohrt mich förmlich. „Du musst endlich Hilfe annehmen.“

Ich… ich soll was? Ich fange an zu lachen. Hysterisch und abgehackt. „D-das ist ein Scherz, Mirabelle. Ein schlechter dazu… Was… was mache ich denn überhaupt noch anderes? Seit Monaten arbeite ich nicht mehr. Meine kompletten Geldreserven sind aufgebraucht. Alles – alles was überhaupt an Essen DA ist, verdanke ich dir oder Shea! Ich bin so kaputt…“ Sofort sind da wieder Sheas Arme, die mich in eine tröstende Umarmung ziehen, mich festhalten. Ich kann nicht mehr. „Shea sorgt gerne für Vaughn.“ Ich muss lächeln. Bitter und traurig, aber immerhin. „Ich weiß, Shea. Aber es reicht nicht. Ich MUSS wieder arbeiten, Versprechen hin oder her. Es tut mir so leid…“ Sheas Blick wird so – traurig und verzweifelt. Es tut weh…

„Shea… Shea versteht.“, bringt er mühsam heraus. Ich verstecke meinen Kopf an seiner Schulter und klammer mich an ihm fest. Er versteht es – und erstickt förmlich daran… Ich will ihn doch auch nicht allein lassen! Aber wo ist die Wahl? Wir brauchen Geld und Shea mag stark und entschlossen sein, aber er kennt die Welt da draußen einfach nicht. Wie soll er ohne eine Ausbildung Geld verdienen, weit weg von dem Dschungel wo er sich sicher fühlt? Und wo? Als was? Das will ich ihm einfach nicht antun. Er gehört in die Freiheit des Urwalds. Um nichts in der Welt werde ich ihm das nehmen.

Nein… ich muss – ich muss gehen… Auch wenn ich damit mein Versprechen breche.

Es ist doch für Shea – und für das Kind.

Scharfer Schmerz blitzt mir durch den Kopf, als dieses Mal Mirabelles Hand näheren Kontakt zu meiner Wange schließt. Das wird langsam zur Gewohnheit. Ich klammere mich an Shea fest um nicht umzukippen und schaue zu ihr hoch. „Wofür… war das jetzt?“ Sie schaut mich wütend an. „Du kannst hier nicht einfach weg, Vaughn! Shea braucht dich. Das Kind wird dich brauchen. Außerdem – wird dir der Arzt den Hals umdrehen. Du hältst das ständige Rumreisen doch selber nicht mehr aus. Und du bist schon wieder verletzt.“ Langsam werde ich echt wütend. „Was soll ich denn bitte machen, Mirabelle. Ich kann nicht einfach hier sitzen und – nichts tun! Wir brauchen Geld. Ich will Shea ein verdammtes Leben bieten können, mehr als jetzt!“ Ich weiß genau dass die Wut nur aus Verzweiflung geboren ist. Aber ich hab keine Ahnung was ich noch tun soll. Ich bin ausgebrannt, aber… Aber ich muss mich doch um meine Familie kümmern!

Jetzt wo ich endlich eine richtige habe.

Feste Arme schlingen sich um mich, ziehen mich zurück und auf Sheas Schoß. Ich merke wie ich vor Erschöpfung zittere und lehne mich an ihn. „Shea wird helfen, Vaughn.“, flüstert er mir sanft ins Ohr. Ich seufze. „Was willst du denn tun? Du kannst nicht einfach da raus, Shea… Du gehörst in den Urwald.“ Ich sehe ihn traurig an. Und auch seine Miene wird jetzt traurig. „Aber… aber Shea will Vaughn helfen… Shea will – Vaughn nicht alleine lassen“ Ouh… Was mach ich denn jetzt?

„Vaughn, hör auf dich anzustellen wie ein idiotischer Ochse!“ Hey – ich bin nicht kastriert. Dass ich ein Idiot bin hab ich ja jetzt schon etwas länger verstanden aber das? Ich meine – die jetzige Katastrophe ist doch der eindeutige Beweis! Ich glaub ich bin schon wieder hysterisch. Oder aber es ist einfach nur die einzige Möglichkeit für mich mit dem ganzen Scheiß umzugehen. „Nimm Hilfe an. Ihr habt viele überflüssige Felle die ihr Verkaufen könnt. Du hast vor ein oder zwei Monaten Hizumis Kuh gerettet und nichts dafür bekommen als ein lauwarmes Dankeschön. Ich – und ich wette auch eine Menge andere hier aus dem Dorf – würden dir doch helfen… Wenn du es nur zulässt.“

Das lauwarme Dankeschön war noch nett formuliert. Seit dem Desaster habe ich nicht mehr ein Wort mit Hizumi gewechselt… Auch etwas, dass ich irgendwann noch klären sollte. „Ich… ich muss aber Geld verdienen, Mirabelle… Ich kann nicht immer nur auf den Taschen anderer Liegen.“ Sie nickt. „Natürlich. Aber nimm mindestens solange Hilfe an, bis du etwas anderes als diese Schiffsreisen gefunden hast. Du – du machst dich doch kaputt!“ Leise seufzend sehe ich sie nachdenklich an. Und da ist sie wieder, diese Idee. Der Tierarzt… Langsam, ganz langsam nicke ich. „Nur, wenn ich euch das Geld zurückzahlen darf.“ Sie pustet sich eine Strähne aus der Stirn. „Darüber reden wir, wenn es soweit ist.“ Ich spüre wie die Arme sich um mich verengen. „Heißt das – heißt das Vaughn bleibt?“ Wunderschöne Augen voller Hoffnung sehen mich an. Und – ich nicke. „Ich bleibe bei dir. Wir – finden eine Möglichkeit. Alle zusammen“

Müde lächle ich die beiden an. Mir ist schwindlig und ich will nur noch ins Bett. „Aber – nicht mehr heute… Mirabelle, komm doch morgen Nachmittag vorbei. Ich hab ein… paar Ideen. Aber jetzt… Ich will – nur noch schlafen.“ Ich spüre wie Shea mir hochhilft und bin ihm einfach nur dankbar dafür. So müde…
 

Es dauert zum Glück nicht lange, bis wir Zuhause sind und wir zwischen die Felle sinken können. Fest klammert sich mein schöner Wilder an mich. Das alles hat wohl enorme Verlustängste in ihm wachgerufen. Mal wieder. Er hat immer solche Angst mich zu verlieren. Dass ich gehe und nicht wiederkomme. Ich muss doch irgendwas gegen diese Angst tun können… Aber für heute wird mir sicher nichts Sinnvolles mehr einfallen. Nur zu schnell werde ich von der Müdigkeit weggetragen, begleitet von dem immer gleichen, beständigen Herzschlag meines Partners. Mein Shea… Wie gern schlaf ich in seinen Armen ein. Wie gerne spüre ich das Gewicht und die Wärme, dass auch noch da ist wenn ich am nächsten Morgen aufwache. Ich – genieße einfach den Augenblick, mehr als ich es früher je gekonnt habe. Zu wissen, dass ich einfach nur die Finger auszustrecken brauche um ihn zu berühren, nur die Augen öffnen um ihn zu betrachten, zu wissen was ich habe.

Zu wissen, dass er da ist. Mein Shea…

Ich hoffe nur es wird ewig so bleiben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war das letzte Kapitel von der "Urwaldromanze".
Ich hoffe euch hat das Lesen spaß gemacht.
Bitte schreibt mir Kommentare, wie es euch gefallen hat, und auch was ich verbessern könnte.

Ganz besonders aber ob ihr euch eine Fortsetzung von dieser Geschichte wünscht.
Alles Liebe, BloodyMoon Komplett anzeigen

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