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Urwaldromanze

von

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Kapitel 5

Der nächste Morgen kündigt sich etwas schmerzhaft an. Der Boden ist halt – Fell hin oder her, kein passender Schlafplatz. Aber immerhin bleibt die zu erwartende Eiseskälte aus. Wärme, zwei starke Arme und der stetige Herzschlag meines Kopfkissens halten mich in einem beruhigenden, angenehmen Dämmerzustand.

Shea…

Seltsamerweise schockt es mich nicht wirklich, so mit ihm aufzuwachen. Im Gegenteil. Ein wunderbar warmes Gefühl hat sich in meine Brust geschlichen und animiert meine Mundwinkel zu ungewohntem Frühsport.

Ich lächle doch sonst nicht so viel…

Egal.

Ich bin sonst auch nicht so wirr, rede über meine Gefühle und was ich sonst noch alles für seltsame, neue Gewohnheiten an den Tag lege.

Aber was ich sicher weiß, ist dass ich dieses Gefühl für immer festhalten will. Ich will Shea nie wieder loslassen. Mein wildes Stück Dschungel in dieser zermürbenden Realität.

… Ich bin ganz schön irre.

Vorsichtig versuche ich meine Haltung zu verändern, nicht willens jetzt schon aufzustehen. Ein mehr als unwilliges Knurren antwortet uns zwei Arme schlingen sich schraubstockartig fester. Autsch… So ganz kann ich das schmerzerfüllte Keuchen nicht unterdrücken, was Shea dazu bringt sich langsam der Realität zu stellen. „Vaughn schmerzen?“ Müde blinzeln mich die gelb-braunen Augen an. So schön…

Ich gerate ja schon wieder ins Schwärmen. „Etwas. Ich bin den Boden nicht gewohnt.“ Etwas schwerfällig setze ich mich auf und streiche ihm zärtlich durch das Gesicht. „Wie geht’s dir?“ Kurz wird sein Gesicht etwas abwesend – ich glaube er macht Bestandsaufnahme. „Sheas Hintern tut weh. Sehr. Aber…“ Ein weiches Lächeln huscht über sein Gesicht. „Shea fühlt sich – glücklich.“ Ich kann nicht anders als ihm einen Kuss aufzuhauchen. Er ist einfach… unbeschreiblich.

„Willst du Duschen? Ich versuch derweil etwas Essbares zusammen zu suchen.“ Ein bisschen schräg mein Lächeln. Er legt etwas verwirrt den Kopf schief. „Du…schen…? – war Wasser zum Waschen von oben… Wie bei Regen – oder?“ Oh… ahm…. Okay… Ich werde ihm wohl einiges erklären müssen. Ich nicke. „Richtig. Komm, ich zeig sie dir.“ Schnell zeige ich ihm die Dusche, die Regler und erkläre ihm wie er warmes Wasser bekommt – und die Seife. Ich glaube nicht dass es im Dschungel Shampoo gibt. Seinen Bewegungen merkt man an, was für Schmerzen er hat. Es muss dafür doch eine Lösung geben. Ich will nicht, dass er wegen mir solche Schmerzen hat. Auch wenn er keinen Laut von sich gibt.

Schnell werfe ich mich in meine Shorts und beginne die erbärmlichen Inhalte meiner Küche zu durchsuchen. Allerdings – mir fällt Mirabelles Korb ins Auge. Den hab ich vollkommen vergessen. Kurz nachdem ich den Inhalt auf der Arbeitsfläche ausgebreitet habe, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Oh Mirabelle… Ein komplettes Abendessen, inklusive Getränke – und für einen mehr als zu viel. Selbst für zwei. Na – so ist immerhin fürs Frühstück gesorgt.

Immer noch etwas müde suche ich meine Kleidung zusammen und warte, bis ein tropfender Shea aus meiner Dusche kommt. Oups…. Mit sichtlich schuldbewusstem Blick gebe ich ihm ein Handtuch, bevor ich selbst unter das erfrischende Nass springe – ein bisschen rot im Gesicht. Das gibt’s doch nicht, dass dieser Anblick mich schon wieder heiß gemacht hat. Bin ich ein hormongesteuerter Teenager? Über meine eigene, offensichtlich nur sporadisch vorhandene Selbstbeherrschung und den ebenfalls abwesenden Verstand philosophierend kühle ich mich gründlich ab. Das Badezimmer kann ich eh nicht mehr unter Wasser setzen – das hat Shea schon für mich erledigt. Halbwegs trocken und mit Kleidung am Körper gehe ich zurück zu Shea, hoffend dass die Kühlung ausreicht, nicht über ihn herzufallen.

Immerhin weiß ich inzwischen sicher, dass er keine Halluzination ist – was mich gleichzeitig beunruhigt und erleichtert. Der Kerl löst wirklich massiv ambivalente Gefühle in mir aus…

Shea lächelt mir kurz zu, als ich mich neben ihn fallen lasse. Er hat das Essen zusammen mit Tellern auf das Fell geräumt. Lächelnd sehe ich zu ihm, wie er versucht seine immer noch tropfnassen Haare nach hinten zu schieben um den Teller vor dem Wasser zu bewahren.

Ich will nicht weg…

Still essen wir – haben wir doch das Abendessen völlig vergessen.

Ich will nicht von ihm weg.

Shea gähnt. Er ist sichtlich noch müde. Irgendwie tut es mir leid ihn geweckt zu haben. Das Kuscheln war so schön.

Ich möchte schreien. Einfach nur schreien. Aber ich bleibe vollkommen stumm.

Als wir fertig sind, räume ich die Sachen zusammen. „Shea… Es tut mir leid, aber – ich muss los.“ Ich seufze leise. Muss ich wirklich. Ich hab schon zu viel Zeit vertrödelt.

Aber ich will nicht.

Er kommt zu mir und nimmt mich einfach in den Arm. „Vaughn… Vergiss Shea nicht.“ Ich schüttle den Kopf. Wie könnte ich? „Nie, Shea. Morgen Abend bin ich wieder hier. Versprochen.“ Sanft streichle ich ihm nochmal durch die Haare, erwidere seinen sehnsüchtigen Kuss. Seine Augen sehen traurig aus…

„Morgen Abend, Shea.“

Damit verlasse ich das Haus und ihn, mache mich auf den Weg zu Mirabelle.

Verdammt, es ist mir noch nie so schwer gefallen.
 

Die Nacht war Grausam. Nicht nur, dass es keine gute Idee war, die Arbeit von zwei Tagen auf einen zu verlegen, nein. Ich vermisse ihn. Ich konnte nicht schlafen. Es ist so lächerlich – er hat erst einmal bei mir übernachtet. Und dennoch frisst die Sehnsucht mich fast auf. Es ist schon fast Elf, der Himmel dunkel. Müde taumle ich den Landungssteg herunter. Hoffentlich ist er noch da, wartet auf mich. Obwohl es schon so spät ist. Die Tiere sind zum Glück schon fertig versorgt. Nur noch nach Hause… Ich kann spüren wie ich lächle bei dem Gedanken. Das erste Mal, seit ich gestern Morgen los bin. Schwere Schritte tragen mich durch das Dorf. Ich freue mich so auf seine Wärme. Seine starken Arme. Die… Ruhe die ich bei ihm finde. Nur bei ihm.

Mann, bin ich kitschig.

„Vaughn!“

Aber irgendwie ist mir selbst das im Moment egal. Hauptsache…

„VAUGHN! WARTE!“

Äh – was? Verwirrt bleibe ich stehen. Julia? „Vaughn! Oh Gott, Vaughn… Gut, dass ich dich so schnell gefunden hab. Du musst helfen!“ Ziemlich perplex aus der Wäsche guckend werde ich von ihr mitgezerrt. Helfen? Wobei? Was? „Was ist denn überhaupt los?“ Sehnsüchtig wandert mein Blick zurück zu meinem Heimweg. Shea…

„Die Kuh… Hizumi… Wehen aber… aber sie stirbt!“ Julia heult. Sie ist offensichtlich nicht mehr in der Lage einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Ich bin mir auch sehr sicher dass Hizumi NICHT schwanger ist. Dennoch beschleunige ich meinen Schritt. Wenn sie so drauf ist, ist mit Sicherheit irgendwas passiert.

Schon als wir Hizumis Farm betreten kann ich das schmerzerfüllte, panische Schreien der Kuh hören. Ihre Laute jagen mir einen bösartigen Schauder über den Rücken. Mir wird schlecht. Jetzt renne ich zum Kuhstall. Julia lasse ich einfach stehen. Was auch immer genau los ist, sie sollte es besser nicht sehen. Sie ist jetzt schon völlig am Ende. Mich selbst zur Ruhe zwingend betrete ich das warme, von Zwielicht erfüllte Gebäude. Nur nicht aufregen. Erneut schrillt der erbärmliche Laut in meinen Ohren und erschüttert mich ins Mark. Kein Wesen sollte so schreien müssen. Auf einer weichen Strohmatte liegt eine der Kühe – hochschwanger und in den Wehen. Hizumi daneben. Sowohl den lauten des Tieres zur Folge, wie auch Hizumis Verzweiflung nach dauert das alles schon viel zu lange.

Die Hexenprinzessin, die neben ihrem Mann steht schenkt mir einen fast tödlichen Blick, und stolziert dann an mir vorbei. Nicht ohne mich heftig anzurempeln und mir ein oder zwei Beleidigungen zuzuzischen. Na klasse…

Die freut sich wirklich endlos, mich zu sehen… Naja, ich sollte ihr zugestehen, dass sie mich nicht in einen Frosch verwandelt. Wobei das wohl auch eher der Tatsache zu verdanken ist, dass ich mich um die Kuh kümmern soll.

Immerhin ist alles da, was ich brauchen werde.

Die Geburt zieht sich. Die Kuh ist am Ende ihrer Kräfte. Ich auch, wenn ich ehrlich bin. Hizumi liegt auf einem der Strohballen. Sein Kreislauf hat vor einer halben Stunde schlapp gemacht. Ich stecke mit dem Arm bis zur Schulter in der Kuh und versuche verzweifelt das linke Vorderbein des Kalbes endgültig gerade zu ziehen. Nur noch ein kleines bisschen…. Dann…. ENDLICH! Der Huf schnappt in die richtige Haltung und ich kann der völlig erschöpften Kuh helfen, das Kalb Stückchen für Stückchen ans Licht zu bringen.

Hufe…

Nase….

Und… Mit einem unspektakulären „Flopp“ landet es vor mir im Stroh. Schnell entferne ich den Schleim von den Nüstern damit es Atmen kann. Nabelschnur trennen…

„Komm altes Mädchen, du hast es gleich geschafft.“ Nur noch die Nachgeburt. Ich hoffe ernsthaft dass Hizumi sie nie wieder decken lässt. Sie ist zu schmal. Naja, das Kalb auch sehr groß, aber das Ergebnis haben wir ja gesehen. Mir ist schwindelig vor Erschöpfung. Ich will gar nicht wissen wie die Mutterkuh hier sich fühlt. Aufmunternd tätschle ich ihre Kuppe. Mit einer letzten, großen Anstrengung presst sie den Mutterkuchen hervor, bevor sie sich endlich ihrem Kälbchen zuwenden kann. Mit leisem, sehr erschöpftem Muhen leckt sie ihm über das Fell.

„Du… hast es wirklich geschafft.“ Schwach dringt Hizumis Stimme zu mir. Ich lächle. „Ich hatte… die beiden schon aufgegeben. Danke, Vaughn.“ Er ist näher gekommen, lehnt jetzt an meiner Schulter. „Gern… Ich konnte – sie nicht so leiden lassen.“ Versuche ich abzuwiegeln. Die Nähe bereitet mir Unbehagen. Aber wahrscheinlich ist Hizumi einfach so todmüde, dass er sonst Umfallen würde. Geht mir ja nicht viel anders. Erschöpft reibe ich mir durchs Gesicht, ohne zu realisieren, dass ich Blut und Fruchtwasser dort hinterlasse. Viel Unterschied macht es eh nicht mehr. Ich sehe aus, als hätte ich im Schlachthaus gebadet. Oder hätte intensive Freundschaft mit einem Metzgerbeil geschlossen. Ich brauch eine Dusche und ein Bett. Dringend!

Hizumi drückt sich enger an mich. „Wirklich, ich hab keine Ahnung wie ich dir danken soll…“ Seine Hand legt sich um meine Hüfte. „Äh… Hizumi?“ Was zur Hölle wird das? Ich fühl mich immer unwohler und meine Nackenhaare sträuben sich. „Vaughn… ich… „ Was auch immer es ist, grade will ich es NICHT hören. „Hizumi!“ „Danke – für alles. Du bist einfach unglaublich.“

Er drückt seine Lippen auf meine. Weich, sanft, etwas spröde. Alles schmeckt nach Blut. Und ich? Ich erstarre förmlich. Ich müsste ihn wegstoßen, anschreien. Aber ich kann mich nicht regen. Erst als Hizumis Zunge über meine Lippen streicht kommt Bewegung in mich.

Schock. Unglaube.

Vor allem aber Wut. Die Ohrfeige die ich ihm verpasse sitzt. Er taumelt und ich kann trotz des Blutes sehen, wie die Wange sich rot färbt. „Tu das nie wieder! Du bist Verheiratet!“ Große, entsetzte Augen sehen mich an. „Vaughn… Ich… Ich…“ „Ich will es nicht hören. Lass es! Ich will dich nicht!“ Das mag hart sein, aber ich bin völlig fertig und außerdem nicht für meine Eloquenz bekannt. Halb blind vor Zorn verlasse ich die Ställe, ignoriere das leise Schluchzen hinter mir. Genauso wie der klägliche Ruf meines Namens. Ich habe jetzt echt keine Kraft für so einen Scheiß.

Am Horizont steigt die Sonne, taucht die Straßen mit ihren ersten Strahlen in ein fahles, unwirkliches Licht.

Mir wird eiskalt

Shea!

Ich habe ihn vergessen….
 

Ich hab ihn vergessen! Wie eine gesprungene Schallplatte wiederholt mein Hirn die immer gleichen Worte. Das hätte nicht passieren dürfen. Egal wegen was! Ich hab es versprochen. Ich hab ihn wirklich vergessen.

So schnell ich kann, renne ich zu meinem Haus. Vielleicht ist er noch da? Oh, bitte. Bitte lass ihn noch da sein. Oh Shea… Es tut mir so leid! Heftig stoße ich die Tür zu meinem Haus auf. „SHEA!“ Blitzschnell renne ich durch die einzelnen Räume. Aber alles was mir entgegenspringt ist Grabesstille.

Er ist weg.

Gegangen

Und ich bin Schuld.

Shea…

Es fällt mir unheimlich schwer zu denken. Nicht einfach völlig apathisch zu werden. Aber ich muss zu Shea. Muss mich entschuldigen, ihm erklären.

Vielleicht… Glaubt er mir.

Vielleicht…

Oh bitte. Ich will ihn nicht verlieren. Nicht wo ich ihn gerade erst gefunden habe. Ich reagier übertrieben, das ist sogar mir klar. Aber Angst ist nicht rational.

Und ich war schon zu lange allein.

Ja, Sabrina zählt nicht!

Ich rapple mich hoch und verlasse die Hütte, in der ich das Gefühl habe zu ersticken, ohne ihn. Es ist dort auf einmal so unendlich kalt. Gott, ich benehme mich als wäre ich besessen. Von einem Namen. Einem Menschen.

Shea…

Ich muss ihn finden. In meiner Erschöpfung kann ich nicht mehr klar denken und alles was mein Überlastetes Hirn noch ausspuckt ist das:

Ich muss Shea finden!

Ich taumle wohl mehr, als dass ich laufe. Und die Kälte frisst sich durch meine nassen Kleider. Es ist mir egal. Verbissen schleppe ich mich den Weg zur Brücke.

Nur – wohin jetzt?

Ich hab keine Ahnung wo Sheas – oder wohl eher Wadas Haus steht, geschweige denn wie ich es im dichten Dschungel finden soll. Den Weg hab ich mir damals sicher nicht gemerkt.

Egal.

Aufgeben steht nicht zur Debatte. Stur mache ich mich auf in das Innere des langsam erwachenden, grünen Ungetüms. Schnell habe ich keine Ahnung mehr, wohin. Nur den Weg zum Wasserfall meide ich. Erstens ist es nicht der richtige und zweitens…

Es würde wehtun.

Sehr…

Was ich überhaupt nicht bedacht habe ist allerdings eine andere Sache. Der Blutgeruch lockt Raubtiere an. Es raschelt im Unterholz. Gelbglühende Augen und graue Felle bestätigen mir, dass ich es mit meinen alten Freunden zu tun habe. Wölfe. Ob es die gleichen Biester sind wie damals schon?

Oh Shea…

Schon wieder Shea.

Grad könnte man echt meinen, dass ich anderes im Kopf habe, oder? Langsam weiche ich nach hinten zurück, bemüht den Blickkontakt nicht reißen zu lassen. Ich will zu Shea, nicht bei dem Versuch sterben. Das ist mir zu pathetisch. Mit leisem Knurren folgen sie mir. Mein Blick scheint sie ein bisschen zu verunsichern. Wie schön… Mal etwas, was halbwegs funktioniert. Noch schöner wäre es natürlich wenn sie ganz unspektakulär Reißaus nehmen würden.

Unrealistisch – ich weiß. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen…. Mein Traum ist allerdings abrupt vorbei als mein Rücken auf einer rauen Holzwand auftrifft und die hungrig knurrende Meute mich immer noch fest im Visier hat.

Scheiße!

Moment mal…

Wand?

Im Dschungel?

Das muss…

Mit einem leisen Aufschrei wirble ich herum.

JA! Es ist die Hütte. Da ist die Tür! Ja – ähnlich unrealistisch, aber das ist mir grade echt egal. Allerdings hab ich in meiner Freude meine liebsten Freunde vergessen.

Die Wölfe…

Sie mich nicht.

Leider…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Diesesmal mit einem mehr oder weniger schönen Cliffhanger. Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen

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