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Liebe führt, wie zu erwarten, zu Dummheiten

von

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Neugieriges Interesse

Scheinbar hatte Kai das als Argument ausgereicht um sich auf das Spiel einzulassen. Um es nicht zu ungemütlich und wie ein Verhör wirken zu lassen, hatten sie es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Rei hatte die Musikanlage wieder an gemacht, hatte Kai auf die Bücherregale losgelassen und sich selbst mit seinem angefangenen Buch quer über den Sessel gelegt und schmökerte nun erst einmal weiter.

Kai überließ er gerne die Couch, denn die etwas unbequeme Position die er nun einnahm hielt Rei wach. Langsam merkte er die Auswirkungen der durchgemachten Nacht, versuchte aber weiterhin wach zu wirken, nicht gewillt Kai eine Fluchtmöglichkeit zu geben oder ihm den Eindruck zu vermitteln, er würde ihn nur aus Höflichkeit nicht bitten zu gehen.

Sein Gast ließ sich schließlich auf dem größeren Möbelstück nieder und Rei erkannte aus dem Augenwinkel, dass er eines der Astronomiebücher seines Vaters gewählt hatte. Hmm... Astronomie und Physik. Das war eine interessante Kombination.

"Willst du später mal in die Raumfahrt oder so was?"

Das war doch eine wirklich schöne Frage zum Einstieg. Persönlich aber nichts kritisches, begleitet von den sanften chinesischen Klängen und der entspannten Atmosphäre sicherlich keine schlechte Strategie.

"Nein."

Hmm, ob er ihn irgendwann dazu bringen könnte nicht ganz so einsilbig zu antworten? Vielleicht, aber das würde sich noch zeigen. Jetzt herrschte erst einmal Schweigen und er erwartete mit Spannung die Gegenfrage. Das machte jetzt schon unglaublichen Spaß und war aufregend.
 

"Warst du schon mal richtig verliebt?" Kam es dann nach einer halben Ewigkeit von Kai und Rei wunderte sich etwas darüber, dass es ausgerechnet eine Frage in diese Richtung war. Aber er verstand schon irgendwie warum. Liebe war bei vielen ein wunder Punkt.

"Kommt ganz drauf an, was du als 'richtig' empfindest..."

Wieder herrschte kurz Schweigen. Kai schien wirklich jemand zu sein, der jedes seiner Worte genau abwägte. Das musste ziemlich anstrengend sein.

"Nun ich denke, wenn du davon ausgegangen bist, dass du mit deiner Partnerin alt wirst und ihr schon lange genug zusammen wart, dass das nicht nur die erste Verliebtheit war."

War er schon einmal so sehr verliebt gewesen? Hatte er schon mal richtig geliebt? Er war sich nicht sicher.

"Da gab's mal ein Mädchen in meinem Heimatdorf. Wir haben heute noch losen Kontakt, aber ich denke, ich war zu jung um da wirklich schon richtig 'lieben' zu können. Und danach hatte ich nie die Möglichkeit herauszufinden ob sich die Verliebtheit in was Richtiges entwickelt."

Mao, ja. Sie waren wie Geschwister füreinander gewesen, aber Rei war sich sehr sicher, wäre er in dem Dorf geblieben, hätte er sie eines Tages geheiratet. Ob es nun gut oder schlecht war, dass es nicht so gekommen war, konnte er nicht wirklich sagen. Das würde wohl einzig die Zeit zeigen.
 

Jetzt war er also wieder dran und es war gut um zu vergessen, wen er schon alles zurückgelassen hatte. Daran wollte er wirklich nicht denken.

"Was willst du später mal machen?" Er stellte absichtlich eine Frage, die man nicht nur mit 'Ja' oder 'Nein' beantworten konnte, in der Hoffnung, den anderen damit etwas zum Reden bekommen zu können.

"Ich übernehme die Firma meines Großvaters."

Huh, das war wirklich interessant und er wusste jetzt schon, was er als nächstes für eine Frage stellen würde.

"Du warst mal in ein Mädchen verliebt, also bist du Hetero?"

Beinahe hätte Rei die Augen verdreht. Warum waren alle immer nur so besessen von Sexualität? Aber das war hier in Japan wohl noch ein Punkt, mit dem er ihn angreifen konnte. Er hatte ja an der Schule mitbekommen, dass Japaner nicht so tolerant waren, wie sie gerne mal taten. Ehrlich gesagt war er in noch keinem Land gewesen, in dem Homosexualität kein Problem war. Nur war es manchmal eben weniger ein Problem.

Hier in Japan war das irgendwie seltsam Zwiegespalten.

"Nein.", antwortete er nur wahrheitsgemäß und damit sollte wohl mehr oder weniger klar sein, wie er gepolt war. Es fiel ihm auch heute noch schwer das wirklich auszusprechen, deshalb hoffte er, dass Kai sich denken konnte, was er meinte.

"Was macht die Firma deines Großvaters?"

"Ausbildung von Profisportlern und deren Vermarktung."

Das klang aber gar nicht nach dem, was Kai interessierte. Das klang selbst für ihn ziemlich langweilig und öde. Aber vielleicht hatte Kai ja wirklich Spaß daran.

"Hattest du schon mal was mit einem Kerl?"

War irgendwie klar gewesen, dass das jetzt kam, aber gut, er hatte dieses Spiel schließlich vorgeschlagen.

"Ja, schon mehr als einmal. Freust du dich darauf, die Firma zu übernehmen?"

Kai schwieg wieder sehr lange. Außergewöhnlich lange.

"Das ist nicht relevant. Ich werde sie übernehmen, das steht fest."

Oh ha, das klang nicht sehr positiv. Aber er hörte keinerlei Bitterkeit oder Unbehagen aus der Stimme heraus. Vielleicht war Kai ja ganz zufrieden damit ein festes Ziel vor Augen zu haben. Aber irgendwie hatte sich Rei immer vorgestellt, dass er ein Freigeist sei. Lag er wirklich so daneben?

"Wann war dein erstes Mal?"

Uff, das wurde echt immer persönlicher, aber so war es ja im Prinzip auch gedacht gewesen. Das war dennoch anstrengend. Er war offen, ja, aber er hatte noch nie wirklich darüber geredet und es fiel ihm doch etwas schwer.

"Vor etwa eineinhalb Jahren. Da war ich zum ersten Mal in Amerika und hab mich da etwas von der Kultur mitreißen lassen. Da ist man mit 16 schon 'spät' dran und da war dieses unglaublich hübsche Mädchen. Wir waren danach auch noch kurz zusammen, aber es war schon vorbei lange bevor ich wieder weg gegangen bin."

Jetzt war er wieder dran, aber er war sich nicht sicher, was er fragen sollte. Letztendlich entschied er sich erst einmal wieder für eine harmlose Frage und erwartete eigentlich sogar, dass sie mit 'Nein' beantwortet werden würde:

"Spielst du ein Instrument?"

"Ja."

Verwirrt sah er zu Kai. Das hatte er jetzt wirklich nicht erwartet.

"Was für eins?"

Doch er bekam keine Antwort darauf. Logisch, der Andere war jetzt mit fragen an der Reihe.

"Wann hast du raus gefunden, dass du auch auf Kerle stehst?"

Hach, auf was hatte er sich da nur eingelassen? Und schon wieder war er gezwungen an Menschen zu denken, die er zurück gelassen hatte. Wehmütig hob er den Blick nicht eine Sekunde lang von dem Buch. Es war gut, sich dahinter verstecken zu können.

"Da waren wir in England. Er war etwas älter und wesentlich erfahrener als ich. Ich war da gerade zwölf oder dreizehn, weiß nicht mehr genau. Bis dato wusste ich gar nicht, dass ein Junge auch einen Jungen lieben kann. Aber nachdem wir viel Zeit miteinander verbracht haben und er mir gesagt hat, dass er mich mag, hab ich oft von ihm geträumt. Und... als wir dann wieder umgezogen sind und ich mich von ihm verabschiedet habe, hat er mich geküsst und...."

Er musste abbrechen und kurz zu Atem kommen. Es war schwer darüber zu reden. Nicht nur, weil es ihm irgendwie peinlich war, sondern auch, weil es einfach weh tat sich wieder daran zu erinnern. Er wäre so gerne da geblieben, so gerne bei ihm. Er hätte ihn gerne so viel gefragt, weil er so wenig verstanden hatte von dem was er fühlte. Er war so verwirrt gewesen nach diesem Kuss.

Nach diesem Ereignis hatte er eine furchtbare Selbstfindungsphase durchgemacht. Er hatte niemanden zum Reden. Seinen Eltern konnte er das unmöglich sagen und es hatte Monate gedauert, bis er Freunde gefunden hatte, denen er so sehr vertraute, dass er sich ihnen offenbarte. Aber daran wollte er auch auf keinen Fall denken.

"... danach konnte ich es dann nicht mehr verleugnen. Der Kuss war so schön gewesen und mein Herz hat so stark geklopft. Ich wollte es nicht wahr haben, aber in dem Moment ist es mir eigentlich klar geworden."

Er schwieg danach, weil er das selbst erst einmal wieder verdauen musste. Eine der Dinge, die gut am ständigen umziehen war, war definitiv, dass man sehr gut vor seiner Vergangenheit davon laufen konnte. Es war einfach die guten und damit wehmütigen Dinge im Kopf zu behalten und die Ereignisse, die nicht so toll waren, einfach zu vergessen.

"Ich spiele Klavier."

Rei schreckte aus seinen Gedanken und sah Kai erstaunt an. Für einen Moment glaubte er wirklich, sein Gast hätte ganz freiwillig mit ihm gesprochen, doch dann wurde ihm klar, dass er auf die Frage von vorhin geantwortet hatte. Klavier also.

"Passt irgendwie zu dir."

Ja, das einsame Instrument, das wunderbar auch alleine Klang, niemand anderen brauchte, aber dennoch auch wunderbar mit anderen Instrumenten zusammen wirken konnte. Das passt wirklich gut, wie er zugeben musste.
 

"Willst du es dir einmal anhören?"

Reis Augen weiteten sich vor Erstaunen. Er konnte nicht anders als Kai anzustarren als wäre er ein Außerirdischer. Hatte er ihn das wirklich gerade gefragt?

Kai selbst starrte einfach nur in sein Buch und tat so, als würde er lesen. Die fehlende Pupillenbewegung bewies aber, dass dem nicht so war.

"Ja.. ja, gerne!"

Rei rechnete jetzt mit einer CD oder einem Hinweis auf ein kleines Konzert, aber es kam viel überraschender:

"Ich hab immer Sonntags Unterricht. Du kannst ja vorbei kommen."

Und damit war Rei offiziell zu Kai Hiwatari nach Hause eingeladen!



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