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Johanna Thal Klinik [IAF - Die jungen Ärzte]

von

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Chepter 1

Seit etwa drei Tagen quälte ich mich nun schon zur Arbeit. Eigentlich hätte ich im Bett liegen bleiben und mich erholen sollen, doch im Krankenhaus der Johanna Tal Klinik war wie immer die Hölle los.

So schleppte ich mich an diesem Donnerstagmorgen mehr schlecht als recht ins Klinikum und bekam schon bei dem beißenden Geruch von Desinfektionsmittel das Würgen.

„Guten Morgen, Jana. Wir sehen uns gleich alle im Schwesternzimmer.“, begrüßte mich überschwänglich Dr. Niklas Ahrend. Er war Chefarzt für Allgemeinmedizin und zudem ein sehr guter Freund von mir. Fast alle an der Klinik liebten ihn, lagen ihm zu Füßen. Auch ich war ihm in den ersten Tagen verfallen gewesen, doch schnell hatte ich nach einen One Night Stand gemerkt, dass Niklas zwar süß, lieb und vor allem sehr sexy war, aber leider für mich unerreichbar zu sein schien. Dennoch merkten wir schnell, dass wir auf einer Wellenline schwammen, zumindest, was unseren Beruf betraf.

Ich war Schwesternschülerin im ersten Semester, bewohnte das Schwesternheim hinter der Klinik und führte genau das Leben, welches ich mir nach meinem Abitur gewünscht hatte.

Ich nickte ihm also flüchtig zu und begab mich in die Eingangshalle der Klinik. Dort blieb ich einen Moment stehen. Um mich herum wuselten die Leute, doch ich schien alles nur so halb um mich herum mitzubekommen.

Langsam machte ich mich auf den Weg zu den Umkleideräumen. Jeder Schritt, den ich tat, fiel mir mehr als schwer.

Im Umkleideraum angekommen, begegnete ich schon den anderen Schwestern. Darunter Lulu und Carina. Sie waren meine besten Freundinnen, seitdem ich hier als Schülerin angefangen hatte.

„Wo warst du heute Morgen? Ich habe auf dich beim Bus gewartete.“, begrüßte mich Lulu und gab mir ein Küsschen links und rechts auf die Wange.

Das Gleiche tat Carina.

„Sorry, ich hab verschlafen.“, entschuldigte ich mich und begann mich ebenfalls umzuziehen.

„Jaja, mal wieder zu doll auf Achse gewesen, was?“, feixte Lulu und knuffte mir in die Seite.

Ich kicherte. „Quatsch, ich war die ganze Zeit bis um kurz nach elf in der Bibliothek und …“, doch weiter kam ich nicht, denn sie begannen zu lachen, was mich einen Schmollmund verziehen ließ.

„Ich sag ja: Streberin Hermine aus Harry Potter steht dir in nichts nach!“, kicherte Lulu und erntete von mir ein Herausstrecken der Zunge.

„Wir gehen dann schon mal vor. Soll ich Niklas was sagen?“, fragte Carina und fing sich von mir den Mittelfinger ein, den sie lachend zur Kenntnis nahm.

„Blöden Hühner!“, grummelte ich, nachdem die beiden verschwunden waren und es im Umkleideraum ruhig war.

Ich zog mich weiter um und band mir zum Schluss noch meine braunen, langen Haare zusammen.

Dann ging es auch für mich an meine erste Tagesschicht.

In den ersten zwei Stunden passierte nicht wirklich viel. Es wurde die Übergabe zusammen mit den anderen Nachtschwerstern, so wie mit den zuständigen Ärzten gemacht.

Das Niklas und ich die Tagschicht übernehmen würde, brachte bei Lulu und Carina ein wissendes Grinsen hervor.

Ich war gerade dabei den Medikamentenschrank im Arzneizimmer neu zu sortieren, als Niklas herein kam.

„Solltest du nicht schon längst beim Mittagessen sein?“, fragte er mich mit hochgezogenen Augenbraun, während ich einige Fläschchen neu in das vorgesehene Bord stellte.

„Ja, sollte ich. Ich hab allerdings nicht ganz so viel Hunger.“, wank ich ab und nahm ein neues Etikett, welches ich beschriften wollte.

„Okay, wenn du meinst. Ach ja, ich wollte dich fragen, ob du evl. nachher noch Lust hast, mich bei der Visite zu begleiten?“

Ich nickte nur. Sprechen wollte ich im Moment nicht, da ich das Gefühl hatte, mein Magen würde jeden Moment seinen Inhalt nach oben befördern.

Ich atmete ein paar Mal leise ein und aus, ehe ich das Etikett auf das kleine Fläschchen klebte und zum nächsten griff.

Niklas trat an mich heran und legte seine Hand auf meine Schulter.

„Jana, ist dir nicht gut? Du bist so abweisend und still.“ Seine besorgte Stimme ließ mich kurz aufseufzen, ehe ich den Kopf schüttelte.

„Nein, es ist alles bestens, danke.“

Scheiße, du belügst ihn, dachte ich im Stillen und hoffte, das Niklas dies nicht merkte.

„Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Und du weißt, dass ich Arzt bin. Ich merke, wenn es einem nicht gut geht und dir geht´s beschissen. Nenn es Eingebung oder berufliches Wissen, aber ich spüre, dass etwas mit dir nicht stimmt.“

Ich schluckte einmal, ehe ich mich zu ihm herumdrehte und in seine Augen sah, welche grün-grau schimmerten. Sein Gesichtsausdruck war besorgt.

„Es ist alles in Ordnung. Wirklich, Niklas. Du machst dir immer viel zu viele Gedanken.“

Lässig sprach ich die Worte aus, doch innerlich verkrampfte ich mich und mein Magen schien nun wirklich rebellieren zu wollen. Doch ich zwang ihn dazu, sich ruhig zu verhalten.

„Okay. Es ist deine Entscheidung. Aber solltest du dich dennoch anders entscheiden und mit mir reden wollen… du weiß, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe.“ Er streichelte einmal kurz über meine Wange mit seinem Finger, ehe er sich umdrehte und das Zimmer verließ.

Einen Moment blieb ich wie angewurzelt stehen, ehe ich mich kopfschüttelnd an die Arbeit machte.
 

„Jana?! Jana, hörst du mir überhaupt zu?“ Eine Hand wedelte vor meinem Gesicht auf und ab, die ich erst jetzt registrierte.

„Hm?“, machte ich und blickte dann in Carinas Gesicht. Diese schüttelte lachend den Kopf.

„Wo bist du nur mit deinen Gedanken? Doch nicht etwa bei… Niklas?“, stichelte sie und ich rollte die Augen.

„Ja, klar. Sonst noch etwas?“

„Haha, also ja.“, grinste sie frech.

Ich zog es vor darauf nicht einzugehen, sondern stand auf, um mir einen Salatteller von der Bar zu holen. Wir saßen zum Kaffee in der Cafeteria und genossen unsere Pause.

Gerade wollte ich nach dem Schälchen greifen, als mir schon wieder schlecht wurde und ich das Gefühl bekam, keine Luft mehr zu bekommen.

Leicht keuchend hielt ich mich am Rand der Bar fest und versuchte ruhig zu atmen, doch je mehr ich dies versuchte, desto heftiger wurde das Gefühl, überhaupt keine Luft zu bekommen.

In mir verkrampfte sich alles, bis ich zwei Hände auf meinem Bauch spürte, die leichten Druck ausübten.

„Ruhig ein und ausatmen. Lass die Luft langsam entweichen und atme durch den Mund.“

Wer hinter mir stand, war kein geringerer als Niklas Ahrend selbst. Er hatte kurz nachdem ich zur Bar gegangen war, ebenfalls Appetit verspürt und war mir gefolgt. Leider schien er mitbekommen zu haben, dass ich Schwierigkeiten hatte und war natürlich als fürsorglicher Arzt gleich bei mir gewesen, um mich zu beruhigen – was, auch wenn es mir nicht passte – zu wirken schien.

Ich folgte seinen Anweisungen und langsam beruhigte ich mich wieder. Da nun einige der anderen Ärzte, Schwestern und Pfleger an der Bar standen, bekam niemand in dem Gedränge wirklich mit, was passiert war.

„Danke!“, brachte ich leise hervor und schämte mich in Grund und Boden.

Niklas ließ mich los und stellte sich nun neben mich.

„Jana, ich möchte, dass du nachher mal zu mir ins Behandlungszimmer kommst.“, wies er mich an und ich schnappte nach Luft.

„Das wird nicht…“, begann ich, doch Niklas ließ keine Ausrede gelten.

„Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich merke, wenn etwas nicht stimmt und das eben hat mir nur noch einmal mehr bestätigt, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege. Also hör auf, dir etwas vorzulügen. Wir sehen uns nach dem Essen im Behandlungsraum drei.“

Damit drehte sich Niklas um und ließ mich alleine.

Missmutig starrte ich ihm hinterher.
 

Nervös stand ich vor dem Behandlungsraum. Sollte ich wirklich…?

Seufzend drückte ich die Klinke nach unten und betrat den Raum. Niklas schien nicht da zu sein.

Ich ließ mich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch nieder und wartete. Langsam wurde ich ein wenig nervös.

Hinter mir hörte ich die Tür aufgehen und drehte mich um. Niklas war so eben herein getreten und schloss die Tür hinter sich.

Ohne ein Wort durchquerte er den Raum und setzte sich mir gegenüber an den Schreibtisch.

Dort lehnte er sich in seinem Sitz zurück, letzte die Fingerspitzen aneinander und musterte mich.

Sein Blick war intensiv und ging mir durch und durch.

Ich wurde nervös und blickte auf meine Hände, die ich zu kneten begann.

„Was ist los, Jana?“, durchbrach seine Frage die Stille und ließ mich aufblicken. Ich schluckte.

„Was soll sein? Der übliche Stress eben. Du weißt doch…“, doch er unterbrach mich.

„Das meine ich nicht und das weißt du auch. Ich rede von dem, was heute gewesen ist. Jana, wir sind Freunde, haben eine lockere Sache am Laufen und alles. Aber wenn es meiner besten Freundin nicht gut geht, dann interessiert mich das schon. Und ich sehe dir an, dass du etwas hast. Schon seit mehreren Wochen ist das so. Also, was ist los?“

Er hatte mich weder angeschrien, noch war sein Ton schneidend oder drängend gewesen.

Dennoch hatte er eine Bestimmtheit an sich, die mich kurz zusammenzucken ließ. Ich blickte auf und in sein Gesicht, doch brachte ich nichts hervor.

Niklas seufzte kurz.

„Es ist deine Entscheidung, ob du mit mir darüber reden möchtest, oder nicht. Ich kann und will dich nicht dazu zwingen, nur… ich mach mir Sorgen um dich.“ Damit stand er auf und deutete auf die Untersuchungsliege.

In mir sträubte sich zwar alles, doch ich folgte seine unausgesprochene Geste und setzte mich an den Rand der grünen Liege.

Niklas zog sich einen Rollhocker heran und griff nach meinem linken Handgelenk. Aufmerksam begann er meinen Puls zu messen und zog kurz die Augenbraun zusammen.

Ohne etwas zu sagen, notierte er sich die Werte und griff dann zur Blutdruckmanschette und Stethoskop.

„Ähm, Niklas…“ Verunsichert sah ich ihn an.

„Ähm, Jana…“, machte er mich nach und drehte sich wieder zu mir. Ich deutete auf beide Sachen in seinen Händen und er grinste jetzt.

„Was? Dachtest du, ich lass dich jetzt einfach so wieder hier raus spazieren?“

Etwas lahm nickte ich.

„Tzzz, dir müsste klar sein, dass ich dies nicht tun werde. Vor allem nicht, da es dir heute offensichtlich deutlich schlechter geht, als die Tage davor. Also mach dir nichts vor, dass ich dich jetzt untersuchen werde, um den Grund für dein Unwohlsein zu erkunden. Im Übrigen ist dein Puls sowieso, wenn ich´s mal so ausdrücken darf, voll im Arsch. Unregelmäßiger geht´s schon gar nicht. Ein Wunder, dass sich das bei dir noch nicht so bemerkbar gemacht hat.“

Ich setzte an, um etwas zu sagen, doch mein bester Freund schüttelte den Kopf.

„Jana, weglaufen bringt nichts.“

Trotzig und missmutig wie ein kleines Kind blickte ich zu ihm auf, was Niklas zum Schmunzeln brachte.

Er setzte sich wieder auf den Hocker und nahm meinen Arm, über welchen er die Manschette zog. Da mein Schwesternkittel kurze Ärmel hatte, ging dies ganz gut. Dann begann er die Manschette aufzupumpen und maß gleichzeitig am Handgelenk den Puls.

Seine Finger waren angenehm und doch verursachte seine Berührung eine feine Gänsehaut bei mir.

Sobald er einen gewissen Druck erreicht hatte, bei dem man den Puls nicht mehr ertasten konnte, ließ er mein Handgelenk los und nahm das Stethoskop. Die Ohroliven steckte er sich in die Ohren. Die Membran, das Bruststück des Stehtoskops, legte er unter die Manschette auf meine Vene. Dann begann er an dem kleinen Rädchen langsam wieder den Druck raus zulassen.

Dadurch bekam er einen Wert, den sogenannten Blutdruck.

„100/55. Das ist verdammt grenzwertig.“ Niklas befreite mich von der Manschette und begann noch einmal meinen Puls zu messen.

„Normalerweise müsste dein Ruhepuls bei etwa 75 liegen. Deiner hier hat einen Wert von fast 120. Das wider rum stimmt mit deinen Blutdruckwerten nicht überein.“ Ich wurde nervös. Was wollte er mir damit sagen?

Fragend blickte ich ihn an.

„Als ich vorhin bei dir an der Theke stand, habe ich gemerkt, dass du Probleme beim Atmen hast. Du selbst merkst davon nichts, aber ich hab´s gemerkt. Frag mich nicht wie, ich weiß es einfach. Daher möchte ich dich jetzt einmal abhören, um deine Atemwege zu kontrollieren und gleichzeitig mir ein Bild von deinem Herz zu machen.“

Mir stockte der Atmen für einen Moment.

Doch als ich in sein Gesicht sah, merkte ich, dass er es völlig ernst meinte. Ich seufzte leise, während ich mich vor seinen Augen zu entkleiden begann.

Zum Glück trug ich noch eine weiße Hose, so dass ich nicht ganz in Unterwäsche vor ihm stand.

Mit blauem BH stand ich zwei Minuten später vor Niklas, der mich kurz musterte. Dies hier war kein heißes Sexspielchen, sondern die Realität, dessen war ich mir nun bewusst.

Niklas sah mich als seine Patientin und ich musste ihn als Arzt sehen.

„Ich werde jetzt erst einmal deine Lunge hinten am Rücken abhören.“ Damit trat er hinter mich und ich hörte, wie er die Chrombügel des Stethoskops auseinander klappte. Allein dieses Geräusch ließ mein Herz schneller schlagen. Ich hatte keine Angst, aber ich war aufgeregt – vor was auch immer.

So intim von ihm berührt zu werden, war einfach etwas, das man nicht einfach so überspielen konnte.

Es war etwas ganz anderes, als wenn Niklas und ich leidenschaftlichen Sex miteinander gehabt hätten. Dies hier war eine Untersuchung, die dennoch erotisch wirkte. Obwohl rein gar nichts daran erotisch war.

Die Membran berührte meine Haut und ich zuckte kurz zusammen, doch seine Hand auf meiner Schulter ließ es nicht zu, dass ich mich wegdrehte.

Automatisch begann ich langsam ein und auszuatmen und spürte, wie die Membran über meinen Rücken wanderte.

Niklas schien sich Zeit beim Abhören meiner Lunge zu lassen.

Ob er es genoss und was er wohl hörte?

Ich wagte nicht diese Fragen auszusprechen.

Nach gut fünf Minuten drehte er mich leicht um, so dass ich nun vor ihm stand und ihm ins Gesicht blicken konnte.

Seine Mimik war ernst, sein Blick wirkte distanziert, wie bei einem ganz normalen Arzt.

Er setzte die Membran im Seitenvergleich Richtung Lunge.

Noch immer atmete ich ruhig und gleichmäßig, bis Niklas die Membran oberhalb meiner linken Brust setzte und dort nun meinem Herzschlag lauschte.

Ich wusste nicht wieso, aber ich begann meine Atmung zu verändern, ohne dass ich dies merkte.

Langsam setzte er die Membran etwas unterhalb meiner linken Brust.

Ich wusste, dass dort der Herzspitzenstoß saß und dass man dort alle vier Herzklappen am besten hören und beurteilen konnte.

Nach etwa drei Minuten legte er das Stethoskop bei Seite.

„Die Herzspitze macht mir Sorgen. Außerdem ist die Frequenz langsam. Der Rhythmus unregelmäßig. Der zweite Herzton ist weniger kräftig, als der erste. Und… die Herzgeräusche sind unregelmäßig. Und zwar treten diese immer dann auf, wenn du einatmest.“

Ich schluckte und blickte ihn unsicher an.

„Leg dich auf die Liege. Ich werde dein Herz und die Lunge noch einmal im Liegen abhören.“

Ich tat es und lag nun lang ausgestreckt vor ihm.

Niklas setzte sich zu mir und legte das Stethoskop erneut an.

Ich fühlte mich unbehaglich und ballte die Hände zu Fäusten, während ich die Membran an allen Stellen des Herzens spürte.

„Langsam und gleichmäßig atmen. Nein, du verkrampfst dich schon wieder. Warum, verdammt? Bleib mal locker.“, herrschte er mich an und ich schluckte. Mir war nicht bewusst, dass ich mich so sehr verkrampfte.

„Ruhig atmen.“ Während Niklas meine Lunge und mein Herz abhörte, hatte ich das Gefühl, gegen etwas ankämpfen zu müssen. Etwas, das mir die Luft zum Atmen nahm. Etwas, das mein Herz zwischen langsam und schnell rutschen ließ.

Hatte ich vorher noch angenommen, dass es etwas Harmloses sei, so wurde ich nun eines besseren belehrt.

„Jana, ich werde dich stationär aufnehmen und zwar auf der ITS. Ich möchte nicht riskieren, dass du mir irgendwo bewusstlos in die Arme kippst.“

Ich starrte ihn an, nachdem er das Stethoskop bei Seite gelegt hatte und versuchte seinen Worten zu folgen.

„Auf der… der ITS? W-warum?“, brachte ich krächzend hervor.

Niklas blickte mich einen Moment wortlos an, ehe er sich erhob und zu mir hinab blickte.

„Weil du dir etwas eingefangen hast, mit dem nicht zu Spaßen ist. Oder warum glaubst du, habe ich dich in der Mensa vorhin aufgefordert, an mich gepresst normal zu atmen? Bestimmt nicht, weil´s mir Spaß macht, dir beim Atmen zu zusehen und zu spüren, wie dieser immer unregelmäßiger und flacher wird. Ich hab dir gesagt, dass du es selbst nicht merkst, aber jeder andere um dich herum, der dich etwa fünf Minuten still beobachtet, sieht, dass du ein Problem hast. Wenn man genau hinsieht, dann merkt man, dass dein Puls an der Halsschlagader rast. Und wenn man noch deutlicher hinsieht, dann merkt man, dass du eine verdammt unregelmäßige Atmung hast. Entweder ist das normal bei dir, oder aber du hast es durch den gesamten Stress hier in der Klinik nie wahr genommen.“

Seine deutlichen Worte machten mir klar, dass dies kein Scherz war.
 

Fünfzehn Minuten später wurde ich von zwei unbekannten Schwestern in einem Krankenhausbett Richtung ITS gerollt.

Ich kam mir hilflos vor. Total verunsichert und ängstlich. Warum musste es unbedingt die ITS sein? Warum nicht eine ganz normale Station?

Ergeben und kraftlos ließ ich es zu, dass sie mich mit Sauerstoff, Infusion, Blutdruckmanschette, so wie dem EKG, versorgten.

Dann ließen sie mich alleine. Nichts war zu hören, bis auf das durchdringende gleichmäßige Piepen des EKGs, welches meine Herzströme maß.

Die Blutdruckmanschette gab in regelmäßigen Abständen einen Ton von sich, wenn sie sich aufpumpte und wieder erschlaffte.

Die Nadel der Infusion steckte in meiner linken Armbeuge. Gerade das Setzten dieser Nadeln hasste ich, da es wirklich unangenehm und schmerzhaft war.

So dämmerte ich vor mich hin, denn viel bekam ich nicht um mich herum mit. Zu müde und geschafft war ich.

Alle Stunde ging die Tür auf und jemand betrat das Zimmer, um nach mir zu sehen.

„Jana?“ Ich seufzte leise, als ich meinen Namen hörte und schlug vorsichtig die Augen auf.

Vor mir stand Niklas, der mich ernst ansah.

Er setzte sich zu mir ans Bett und seine Miene wirkte besorgt.

„Deine Blutwerte sind aus dem Labor zurück. Es sieht nicht gut aus, denn die sind mehr als schlecht. Auch deine Werte vom EKG sehen ziemlich mies aus. Ich will dich nicht unnötig beunruhigen, aber wenn das nicht bald aufhört, dann kann´s echt brenzlig werden.“

Ich sah ihn verwirrt an.

„Was willst du…“

Niklas nahm mein Handgelenk, legte vorsichtig seine Finger auf meine Ader und maß lange den Puls.

Währenddessen sagte er mit Bedacht: „Du hast dir einen Lungenriss zugezogen, Wir können diesen Riss aber nicht stoppen, weil die Arterie der linken Herzkammer zu langsam arbeitet. Das heißt, dass dein Blut nicht regelmäßig fließt, was zur Folge hat, dass du einen ständig unregelmäßigen Herzschlag hast. Hinzu kommt, dass die Lungenaterie angegriffen ist. Durch den unausgeglichenen Druck wirst du immer wieder ein Atemproblem haben.“

Ich sah ihn geschockt an, denn ich wusste, dass dies äußerst gefährlich war. Um genau zu sein, schwebte ich beinah in Lebensgefahr.

„Wir können nur hoffe und warten. Vor allem müssen wir darauf achten, dass deine Lunge nicht noch weiter angegriffen wird. Jede Anstrengung würde den Riss nur noch weitern.“

„Was ist mit einer OP?“, fragte ich vorsichtig.

Niklas seufzte. „Das wäre zu riskant. Ich kann keine OP veranlassen, solange die Arterie der Herzkammer zu langsam arbeitet. Selbst ein Bypass könnte tödlich enden. Wir können nichts anderes machen, als zu versuchen, dies mit Medikamenten zu stoppen, oder für eine gewisse Zeit ruhig zustellen. Du darfst dich auf keinen Fall zu sehr bewegen. Eine deiner Rippen ist angeknackst und wenn der Knochen auf Wanderschaft geht, oder gar einige Splitter davon in die Lunge geraten… Jana, das wäre zu gefährlich. Das Einzige, was ich machen könnte, wäre eine Thoraxdrainage zu legen. Dafür müsste ich dich allerdings für eine bestimmte Zeit in Narkose versetzten und beatmen lassen. Ich weiß nicht…“

Er brach ab und ich sah, dass ihn mein Zustand Kummer bereitete.

„Niklas… kannst du mich nicht örtlich betäuben und die Drainage dann setzten? Oder… gibt es nicht…“

Ich hatte mich während des Sprechens aufgesetzt, doch der Schmerz war zu groß, zu heftig.

Ich zuckte zusammen und fiel rücklings in die Kissen zurück.

„Jana!“ Niklas war sofort bei mir. Das EKG gab einen unregelmäßigen Rhythmus von sich.

Der junge Arzt handelte sofort, indem er nach seinem Stethoskop griff, die Bettdecke zurückschlug und meinen Brustkorb abzuhören begann.

Carina, die ebenfalls Schicht hatte, kam an meinem Zimmer vorbei. Als sie erkannte, wer da drin lag, stolperte sie entsetzt hinein.

„Niklas, was ist…“

„Der linke Lungenflügel ist dicht, Herzschläge unregelmäßig, Atmung kam hörbar. Carina, sehe zu, dass du sie beatmest. Ich muss den Zugang legen, sonst kollabiert die Lunge!“

Jetzt wurde es hektisch im Zimmer. Um mich begannen drei Menschen herum zu wuseln. Carina, Lulu und Niklas waren bei mir. Sie alle versorgten mich. Ich hatte das Bewusstsein nicht wiedererlangt, bekam demnach nicht mit, was um mich herum passierte.



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