Short 1: ....aber Großartig!
Ein seltsames Gefühl war das. Sich in jemanden vergucken, verknallt sein, wie ging das eigentlich genau? Nie hatte er gedacht, wirklich an einem Mädchen interessiert zu sein, dafür gingen seine Interessen viel zu verschlungene Wege. Und wenn, betraf es kein Mädchen. Morgensternchen war ein Beispiel, aber nicht vergleichbar mit diesem Mädchen. Auch wenn man meinen könnte, dass in ihrem braunen, langen und zerwuschelt wirkenden Haar Stacheln sein könnten. Sicher hatte sie keine Stacheln, dass wäre verrückt, schließlich war sie kein Igel, oder so etwas. Dennoch hätte er sich zu gerne davon selber überzeugt, aber eine wirkliche Gelegenheit gab es dafür nie. Vielleicht hätte er sich viel eher für sie interessieren sollen, aber mit 14 hatte man als Junge viel zu viel anderen Unsinn im Kopf. Nicht, dass sich dies geändert hätte, aber in letzter Zeit fiel sein Auge einfach auf sie, wenn sie sich im Dorf befand. Dafür brauchte man eigentlich Glück, denn sie war viel zu selten im Dorf und er selber oft genug unterwegs, aber es passierte. Wie sie ihm das erste Mal richtig aufgefallen war, würde er wohl nicht so einfach vergessen. Sein Kopf schmerzte immer wieder neu, wenn er daran dachte. Dabei wollten seine Schwester und er nur Grobian einen kleinen Streich spielen. Es wäre sicher lustig geworden, wenn sie den Schornstein verstopft und Grobian völlig am Rad gedreht hätte, weil seine Schmiede einnebelte. Sie standen auf dem ersten Dach, Raffnuss machte sich auf, weiter hinauf zu kommen. Eigentlich wollte er ihr folgen, doch dann fiel ihm die junge Frau auf, die über den Marktplatz lief und seinen Blick magisch anzog. Raffs Rache, weil ihre Zurufe deswegen kurz ungehört blieben, war ein dicker Stein gegen seinen Kopf, der ihn nicht nur zurück in die Gegenwart beförderte, sondern auch vom Dach, hinter die Schmiede.
Ja, dass war ein seltsames Gefühl, als er ihr nachsah. Dabei kannte er sie doch, schließlich war sie nur ein wenig älter, als er. Nur was ihm auffiel war, je älter sie wurden, desto weniger sah man sie. Warum eigentlich? Sicher war es cool im Wald, aber was machte sie da nur immer alleine? Mochte sie keine anderen Leute? Machte sie ein Geheim-Training? Oder stand sie gar auf Bäume? Das wäre gut, er konnte gut einen Baum spielen. Solche Gedanken hatte er zuvor nie gehabt.
Dieses Gefühl war seltsam. Es war nicht schlecht, aber wie ging das, wenn man sich für ein Mädchen interessierte? Wenn er den Unsinn ansah, denn Rotzbakke und Fischbein um seine Schwester veranstalteten, wurde ihm ganz anders. So ging das doch sicherlich nicht. Aufdringlich sein und das Mädchen des Interesses zum Wahnsinn treiben. Wenn das so funktionierte, dann wollte er lieber zu seinem Hühnchen zurück. Oder einfach etwas anderes probieren. Nur was? Vor allem da sie immer wieder so schnell verschwand, kaum das er sie gesehen hatte. Vielleicht einfach aufmerksam machen, egal wie weit sie weg war. Wenn sie nicht so schnell abhauen würde, könnte man ein paar Worte wechseln. Wenn sie...vielleicht wüsste, dass es jemand will.
Warum musste das auch so seltsam sein?
Verärgert grollend über diese viel zu vielen Gedanken griff er sich an die Dreads, die nach vorne über seine Schultern fielen und erntete dafür einen seltsamen Blick von seiner Schwester.
"Wasn los? Drehst du durch? Dann lass mich dich lieber wegsperren!", murrte Raff die Arme verschränkend.
Sie waren vom Hafen auf dem Weg zur Großen Halle. Hicks hatte wieder eine seiner großartigen Ideen und sie sollten sich versammeln.
"Nein, duh! Urgh!", gab er von sich, was Raff den Kopf schütteln ließ.
"Dir sind wohl die Yak-Eier vom Frühstück nicht bekommen!"
"Du solltest Mamas Küche nicht anzweifeln!"
Kaum, dass sie den Marktplatz erreichten, fiel sein Blick auf die junge Frau. Oder eher auf ihr langes, braunes, zerwuschelt wirkendes Haar, was sie unverkennbar auszeichnete. Allerdings war sie auf der anderen Seite des Platzes und im Begriff die Brücke zu nutzen. Er stockte. Er wollte doch was tun. Was war das noch?
Ja, sie aufmerksam machen!
Mit Daumen und Zeigefinger zwischen die Lippen geklemmt, pfiff er nach ihr, ehe einen Arm zum winken hob.
"Hey!! HEY! Lippendich~!"
Seiner Zwillingsschwester sah man ihre Irritation an. Was war nur in ihren Bruder geschehen? Aber Lippendicht stoppte kurz, wandte sich um und blickte auf den jungen Mann, der ihr wie ein Irrer zuwinkte. Aber genau so schnell drehte sie den beiden wieder den Rücken zu, um zu verschwinden. Das war nicht die erhoffte Reaktion. Seufzend ließ er den Arm sinken und wandte sich mit missmutigem Gesicht seine Schwester zu.
"Naw...ist das nicht die Reaktion, die sich mein bekloppter Bruder Taffnuss erhofft hat?", zog Raffnuss ihn auf.
Aber seine Mundwinkel zogen sich schnell zu einem breiten, hellen Grinsen hoch.
"Wenigstens hat sie mich angeschaut! Das ist viel mehr, als in den letzten Wochen~!"
Er machte einen kleinen euphorischen Hopser in die Luft, während sie Raff die Hand an die Stirn klatschte.
Dieses Gefühl war seltsam, aber Großartig!
