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Prelude of Shadows

Die Team Shadow Chroniken
von

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Ronya – Akt 3, Szene 4

7 Jahre vor Team Shadows Gründung

 

Es war ihr dritter Tag in Erzelingen, als Ronya Veit zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Der junge Arenaleiter unterschied sich von den zwei anderen Bergarbeitern, die mit ihm die Treppen hinaufkamen, nur durch seinen Helm, der rot statt gelb war. Sein Gesicht und seine graue Uniform waren dreckig, aber seine Augen blitzten hinter der Brille und er wirkte aufgeregt.

Ronya hatte gerade eine Pause vom Training eingelegt und saß etwas abseits auf einem Stein, wo sie hungrig ihr Sandwich verschlang. Max döste einige Meter entfernt. Bei Veits Anblick rutschte ihr sofort das Herz in die Hose; ausgerechnet heute war sie nicht alleine. Nur wenige Minuten zuvor waren Jacob und der Trainer aus dem Pokécenter die Treppen hochgekommen und hatten sich unauffällig in ihrer Nähe niedergelassen.

Die beiden beachteten sie nicht weiter, aber Ronya konnte sich denken, was hier vor sich ging. Sie wurde überwacht. Trotzdem: Hier war endlich ihre Chance, Veit von Kaiser zu berichten, und sie würde sich nicht einschüchtern lassen, nicht schon wieder.

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, sprang sie auf und lief auf die drei Männer zu. „Veit! Warte, Veit!“

Der Arenaleiter drehte sich beim Klang seines Namens überrascht um. Ronya spürte die bohrenden Blicke der beiden Kaiser-Jungs in ihrem Rücken, aber sie ignorierte das ungute Gefühl in ihrem Bauch geflissentlich. „Was gibt es?“, fragte Veit sie freundlich.

„Ich muss mit dir über etwas wichtiges reden“, erklärte Ronya, hielt jedoch inne, als Veit nervös auf seine Uhr guckte.

„Es tut mir leid, aber ich bin etwas in Eile“, sagte er und lächelte sie entschuldigend an. „Warum kommst du nicht heute Abend bei meinem Haus vorbei und wir sprechen in Ruhe.“

Ronya zögerte, aber letztlich hatte sie keine Wahl. „In Ordnung“, gab sie sich geschlagen. „Dann bis heute Abend.“

Veit nickte ihr dankbar zu und begann sofort, sich eingehend mit seinen Kollegen zu unterhalten. Ronya blieb stehen, wo sie war. Sie traute sich noch nicht, Kaiser entgegenzutreten, die natürlich wissen mussten, um was es bei ihrem Gespräch gehen würde.

Plötzlich hörte sie hinter sich das Scharren von Schuhen auf Stein und drehte sich um. Jacob sah sie traurig an, sein Bruder mit etwas anderem Gesichtsausdruck. Zufriedenheit? Vorfreude?

Ronya macht instinktiv einen Schritt zurück und pfiff, um Max zu sich zu rufen. Ihr Evoli öffnete schläfrig ein Auge, rappelte sich aber sofort auf und trottete auf sie zu.

„Sie hat es noch nicht verstanden, oder Marcus?“, fragte da plötzlich Jacob. Sein Bruder, Marcus, nickte.

„Scheinbar nicht.“ Und mit diesen Worten stellte er sich Max in den Weg und zückte seinen Pokéball.

Im Nachhinein war Ronya klar, wie sie in diesem Moment hätte reagieren sollen. Max war ihr Pokémon. Sie hätte ihn in seinen Pokéball zurückrufen und anschließend die Beine in die Hand nehmen und aus der Höhle fliehen sollen, um Schutz bei Veit zu suchen.

Was sie aber stattdessen tat, war in Schockstarre zu verfallen und dabei zuzugucken, wie Marcus‘ sein Pokémon rief, das in einem gleißenden roten Lichtstrahl in der Höhle erschien. Das Stahlos, welches vor einigen Tagen den Zugang zu Erzelingen blockiert hatte, lag eingerollt auf dem steinigen Untergrund und schwang bedrohlich den Kopf umher, bis es Max entdeckte und sich zu ihm hinunter beugte.

„MAX!“, schrie Ronya. Der Ernst der Lage war ihr mit einem Schlag klar. Kaiser wollte sie nicht warnen. Kaiser würde ein Exempel an ihr statuieren. Sie griff nach ihrem Pokéball, aber da stand schon Jacob neben ihr und packte ihre Hände, die er ihr grob auf den Rücken drehte. Ronya spürte einen Moment der eisigen Panik, die sich in ihre Magengrube legte, dann schrie sie, schrie und trat und ruckte gegen Jacob, aber er war größer als Tommy, stärker, und schien mehr Erfahrung darin zu haben, jemanden festzuhalten. Seine Hände waren wie Eisen um ihre Gelenke und pressten in ihr Fleisch, bis ihre Knochen knirschten.

Marcus drehte sich zu ihr um, ein grimmiges Lächeln im Gesicht. „Ich habe dich gewarnt“, sagte er. Dann, „Stahlos, Klammergriff.“

„Ich gebe auf!“, schrie Ronya. Tränen schossen ihr in die Augen, als Stahlos sich leicht aufbäumte und fast liebevoll um Max schlang, der vor Angst völlig gelähmt war. Er sprang noch gerade rechtzeitig zur Seite, landete aber auf einer der stählernen Windungen seines Gegners und fand sich plötzlich von allen Seiten umringt.

„Zu spät“, sagte Marcus und drehte sich mit verschränkten Armen zu ihr um, während Ronya schluchzend gegen Jacobs Griff ankämpfte.

„Bitte!“, flehte sie, aber er schüttelte nur traurig den Kopf.

„Lass dir das eine Lehre sein“, sagte er, während Stahlos sich aufbäumte, Max schonungslos in seinem eisernen Griff. Max quietschte und schrie, aber nur sein Kopf und eine Vorderpfote schauten aus den Schlingen der Stahlschlange hervor. „Leg dich nicht mit uns an.“

Sybills Pokéball wurde heiß. Ronya kniff die Augen zusammen. Sie musste den Mechanismus erreichen, egal wie, aber sie kam nicht gegen Jacobs Griff an.

„Wartet!“

Ronya riss den Kopf herum, genau wie Jacob. Meghan kam die Treppen hochgerannt, nackte Panik in ihrem Blick. „Marcus, das ist doch nicht nötig! Lass sie gehen, sie hat ihre Lektion gelernt.“ Sie blieb nur wenige Meter von ihnen stehen.

„Meghan, hilf Max!“, schrie Ronya und verdoppelte ihre Anstrengungen.

„Tu es nicht“, fauchte Jacob. „Du weißt, wer hier der stärkere ist.“

Meghan presste die Lippen zusammen, aber sie griff nach ihrem Pokéball. „Beweis es.“

Ein Impoleon schoss aus dem Ball und baute sich bedrohlich vor ihnen auf. „Tsk“, machte Jacob hinter ihr. Er konnte sein Pokémon nicht rufen, aber er dachte darüber nach, und das nutzte Ronya. Sie konnte den Ball an ihrer Hüfte nicht erreichen, aber sie konnte sich schwungvoll gegen Jacob pressen. Beim zweiten Versuch gelang es ihr, Sybills Ball gegen seinen eigenen Gürtel zu drücken. Der Mechanismus betätigte sich, Sybill schoss aus dem Ball heraus, und rannte blitzschnell aus der Höhle.

„Verdammt!”, fluchte Jacob und zerrte ihren Arm empor. Ein stechender Schmerz schoss durch Ronyas Schulter und sie schrie auf. Ungerührt packte Jacob ihren Gürtel, riss ihn ihr von der Hüfte und schleuderte ihn davon. Dann schlug er etwas gegen ihren Kopf. Ronyas Beine wurden weich wie Pudding und Jacob ließ sie zu Boden fallen, wo sie in einer Staubwolke landete und wimmernd ihren gebrochenen Arm hielt.

„Impoleon, Lake!“, befahl Meghan. Ihr Pokémon holte tief Luft und spie einen gewaltigen Schwall Wasser auf Stahlos, doch plötzlich materialisierte sich vor diesem ein Chelterrar, welches sich aufbäumte und das Wasser mit seinem Körper abfing.

Jabocs Magmar materialisierte sich nur wenige Sekunden später vor ihnen und rannte mit flammenden Fäusten auf Impoleon zu. Chelterrar rappelte sich nach der Wasserattacke auf und ließ Ranken aus dem Baum auf seinem Rücken schießen, die Impoleon packten und ihm seine Energie mit Megasauger entzogen.

Ronya versuchte, sich aufzurappeln, aber ihr Kopf dröhnte und sie konnte nicht klarsehen. Durch ihren Schleier aus Tränen sah sie Meghan, die sich nun höchstpersönlich auf Jacob stürzte, und Marcus, der das Kampfgeschehen mit Washakwilaugen begutachtete. Sein Blick fand ihren. Für einige Sekunden starrten sie einander an.

„Schau genau hin“, sagte er. „Stahlos, drück zu.“

Meghan, die Jacob im Schwitzkasten hielt, riss den Kopf herum. „Lass den Scheiß!“, rief sie. „Ihr Evoli ist maximal Level 10!“

Selbst Stahlos, das Max noch umklammerte, legte verunsichert den Kopf schief. Ronya hatte nur noch Augen für Max. Sie sah, wie er zitterte, wie schwer sein Atem ging, wie er hilflos zu ihr blickte. Sie versuchte, seinen Pokéball zu erreichen, aber ihr Gürtel lag außer Reichweite, irgendwo hinter ihr. Sie hörte alles um sie herum nur noch gedämpft. Ihr Arm pochte, aber sie ignorierte den Schmerz. Sie fing Max‘ Blick auf. „Es wird alles gut werden“, sagte sie, im selben Moment, da Marcus sagte, „Jetzt“.

Die Zeit stand still. Meghan und Jacob kämpften nicht mehr, sie sahen nur mit Grauen zu, wie Stahlos sich leicht schüttelte und dann seine Schlinge enger zog. Es knirschte.

Knackte.

Max gab ein atemloses Quietschen von sich und sackte in sich zusammen.

Ronya bäumte sich auf. Ihr Körper gehorchte ihr nicht, sie konnte nur durch den Staub krabbeln, mit pochendem Schädel, brennendem Arm und verschmierter Sicht. Ihre Hände waren von dem Stein aufgerissen, sie sah alles doppelt, aber das war nicht wichtig.

Max. Sie musste zu Max.

Marcus‘ Blick entgleiste plötzlich, er rief Stahlos und Chelterrar zurück und hob unschuldig die Hände. Ronya konnte durch das Dröhnen und Piepsen in ihren Ohren Stimmen hören, aber sie achtete nicht auf den Wortlaut.

Max. Er lag dort im Dreck, seine Vorderpfoten zuckten, seine Augen waren schmerzvoll zusammengekniffen. Seine Beine lagen schlaff da. Ein wenig Blut mixte sich mit der Erde.

Ronya krabbelte weiter vor, bis sie an seiner Seite im Staub lag und ihn vorsichtig berührte. Max öffnete ein Auge. Er lebte, das war das wichtigste. Ronya zwang sich, an nichts anderes zu denken.

Er lebt. Er lebt.

Sie wollte ihn hochheben, von hier wegbringen, aber sie traute sich nicht, ihn zu bewegen. Stattdessen legte sie behutsam eine Hand auf seinen Kopf.

Plötzlich tauchte Sybill in ihrem Sichtfeld auf. Ihr kleines Sheinux lief auf sie zu legte sich direkt neben Max, um ihn von hinten zu stützen. Sie leckte seinen Kopf. Max schloss die Augen und atmete etwas ruhiger.

Um sie herum wurden die Stimmen lauter. Veit war zurück, umringt von seinem Kernteam, bestehend aus Rameidon, Voluminas und Geowaz. Er blickte fassungslos Marcus und Jacob an, welche von mehreren Männern festgehalten wurden. Meghan diskutierte bereits mit einem der Bergarbeiter und gestikulierte in ihre Richtung. Ronya konnte nicht alles verstehen, aber sie hörte, als das Wort Joy fiel. Der Arbeiter rannte sofort davon.

„Hilfe ist unterwegs“, flüsterte Ronya und strich Max durch den staubigen Pelz. Er erwiderte kraftlos ihren Blick. „Hab keine Angst. Es wird alles gut.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Lady_Ocean
2022-08-17T19:10:51+00:00 17.08.2022 21:10
Das war so unglaublich traurig. So wahnsinnig, wahnsinnig traurig. Mir hat sich ein richtiger Stein im Bauch gebildet und ich könnte einfach nur mitheulen. Dass das so ein enormes Maß an Grausamkeit war, mit dem Max Köper zur Hälfte gelähmt wurde, damit hätte ich dann doch nicht gerechnet. Eher dass es mehr aus dem Affekt passierte. Aber Marcus' Anweisungen, sein ganzes Verhalten war extrem berechnend gewesen. Megan hat ihn gewarnt. Selbst sein Stahlos hat verunsichert dreingeblickt. Er wollte Max wahrhaftig umbringen. Ein Pokémon. Und so was will sich "Trainer" nennen und eine Schule abgeschlossen haben. Eingesperrt gehört der, auf ewig die Trainerlizenz entzogen und danach für mindestens die nächsten fünf Jahre noch Sozialstunden oben drauf. Bis er versteht, wie niederträchtig und schlimm all das ist, was er hier verzapft. Beginnend mit seinem überheblichen Göttergetue, entscheiden zu dürfen, welcher Anfänger zur ersten Arena durch darf und welcher nicht, bis hin dazu, sich das Recht rauszunehmen, andere Trainer und Pokémon vorsetzlich zu verletzen und töten zu wollen. Auch wenn ich weiß, dass Max das überlebt - für mich ist er ein kaltblütiger Mörder. Jemand, der keinen Platz in der Gesellschaft hat.
Armer Max. Arme Ronya. T___________T

(Mir ist auch noch ein kleiner Fehler aufgefallen: "bis ihre Knochen knirschte" (müsste "knirschten" sein).)
Von:  Kerstin-san
2022-08-14T20:01:32+00:00 14.08.2022 22:01
Hallo,
 
oh Gott, oh Gott, ich hab irgendwie nicht damit gerechnet, dass es auf einmal so abrupt passiert, obwohl ich ja eigentlich schon seit mehreren Kapiteln damit rechne, aber... TT
 
Veit macht so einen netten Eindruck, aber weil das Timing echt mies ist und Ronya sofort Nägel mit Köpfen machen will, geht dann alles so schrecklich schief. Ich kann total verstehen, dass Ronya in dem Moment in eine Schockstarre verfällt und Max nicht rechtzeitig zurückruft, aber ich wette, sie wird sich deswegen noch schrecklich lange Vorwürfe machen. Es war so schlimm das zu lesen. Ronyas nackte Panik und Verzweiflung, Max' Hilflosigkeit, Stahlos, das selbst so verwirrt ist, aber verständlicherweise seinem Trainer folgt. Goooottt, ich war so dankbar, dass wenigstens Meghan ohne zu zögern für Ronya eingetreten ist und versucht hat zu helfen, auch wenn sie von vornherein wusste, dass sie Marcus' und Jacobs Pokémon unterlegen ist. Und dann der Moment als Marcus Ronya auch noch förmlich dazu zwingt genau hinzuschauen, als er Stahlos Max attackieren lässt... Das ist so grausam und dann tut er nachher noch so, als hätte er gar nichts gemacht. Ich hoffe, dass er dafür eine Strafe bekommt, die ihn richtig trifft!
 
Das Ende trifft mich aber am härtesten, weil Ronya nicht genau weiß, wie sie Max eigentlich helfen soll und Angst hat, seine Verletzungen nur noch zu verschlimmern und nur versuchen kann, ihn mit Worten und ganz leichten Berührungen zu beruhigen, während sie darauf warten, dass Hilfe kommt. Prinzipiell finde ich es auch so wahnsinnig schlimm, wie apathisch Max am Ende ist. Er wimmert ja nicht mal vor Schmerzen, sondern wirkt einfach völlig weggetreten und am Ende. Oh man, das Kapitel hier hat mich echt total fertig gemacht. *packt ihr Taschentuch weg*
 
Ach ja, noch ein kleiner Fehler: Bei „Lass dir das eine Leere sein" müsste es Lehre heißen.
 
Liebe Grüße
Kerstin


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