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Blue Birds

von

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Der Vogel

Der Käfig ruhte auf der Veranda. Für eine ganze Weile stand Murphy auf der Stufe, die zur Veranda dieses heruntergekommenen Hauses hinaufführte und blickte nur auf den Käfig. Es gab nichts Außergewöhnliches daran, nur dünne Metallstäbe, die zu einem runden Gitterhaus geformt waren, wie man sie zu Tausenden in entsprechenden Läden kaufen konnte.

Das, was Murphy daran so faszinierte, war auch eher, was sich im Inneren befand.

Mit schwarzen Augen blickte der Vogel, den Kopf zur Seite geneigt, ihn neugierig an. Das blaue Gefieder wirkte gepflegt, was dafür sprach, dass er noch nicht lange den Elementen ausgesetzt war. Aber in seinem viel zu kleinen Käfig gab es weder Wasser noch Futter.

Murphy blinzelte. Der Vogel ahmte ihm nach.

Das Zwitschern hatte ihn zu diesem Käfig geführt, ein vollkommen normaler Ton, der in dieser Stadt fehlplatziert wirkte. Deswegen hatte er instinktiv erst sicherstellen wollen, dass es wirklich nur ein normaler Vogel war. Inzwischen schwieg dieser, als könne er selbst nicht glauben, einen Menschen in dieser Stadt zu sehen. So verlassen und heruntergekommen wie alles aussah, konnte Murphy die Verwunderung des Vogels verstehen.

Kaum hatte er sichergestellt, dass es sich hierbei nicht um ein Monster handelte, das versuchen würde, ihm die Augen auszukratzen oder ihm den Schädel einzuschlagen, ging er näher. Das brachte den Vogel dazu, aufgeregt auf seiner einzigen Stange zu hüpfen. Dabei ließ er Murphy kein einziges Mal aus den Augen, scheinbar jederzeit bereit, erneut loszuzwitschern, sollte dieser sich wieder entfernen.

„Armer kleiner Kerl ...“, murmelte Murphy.

Mit geschickten Fingern machte er sich daran, den Käfig zu öffnen. Früher hatte er kein Problem darin gesehen, Vögel in Käfige zu sperren. Im Inneren waren sie immerhin sicher, vor allem, was sie zu bedrohen versuchte. Ihr Besitzer kümmerte sich um sie, gab ihnen Wasser und Nahrung, und im Austausch erhielt dieser nur ein Lied. Der Vogel gab aus Dank das einzige, was er besaß, das hatte Murphy früher geglaubt.

Inzwischen wusste er es besser.

Vögel sangen nicht aus Dankbarkeit, sie beklagten ihre fehlende Freiheit, weil ein Mensch es sich herausnahm, ihnen den Himmel zu stehlen. Ein Mensch, der sich, zu allem Übel, auch noch an ihrem Wehklagen ergötzte. Vielleicht war das Gefieder dieses Vogels deswegen blau, vielleicht hatte er versucht, seiner Trauer auf diesem Weg Ausdruck zu verleihen. Oder er hatte keine andere Möglichkeit gesehen, um seinem Besitzer zu zeigen, dass er den Himmel vermisste.

Als die Käfigtür offen war, blickte der Vogel erst einmal misstrauisch auf das von den Gitterstäben befreite Quadrat. Fast sah es aus, als erwarte er jeden Moment, dass Murphy den Käfig wieder verschloss, doch er trat sogar noch einen Schritt zurück.

Zaghaft hüpfte der Vogel dann auf die dünnen Stäbe des Konstrukts und verließ erstmals seit, wer weiß wie lange, die einzige Stange im Inneren. Es schien Murphy, dass der Vogel tief einatmete, die ungesiebte Luft regelrecht genoss.

Dann erinnerte er sich wohl, dass er fliegen konnte. Er flatterte mit den Flügeln, wagte einen Sprung ins Nichts – und im nächsten Moment flog er auch schon zwitschernd davon.

Murphy sah ihm hinterher, ein blauer Klecks vor einem grauen Himmel, der immer mehr verschwamm, bis er nicht mehr zu sehen war. Er wollte glauben, dass der Vogel sich bei ihm bedankt, dass er einen Jubelschrei ausgestoßen hatte, da er nun endlich zu seinem lang vermissten Himmel zurückkehren konnte, dass er die Gitterstäbe nie wieder sehen musste.

Murphy sah wieder auf den leeren, nun nutzlos gewordenen Käfig. Durch diesen Umstand wirkte er nicht mehr so unpassend in dieser Stadt, in der alles einer inneren Logik zu folgen schien, die sich Murphy noch nicht erschloss, und die er eigentlich auch gar nicht durchschauen wollte.

Viel wichtiger war ihm, dass er es dem Vogel gleichtat und zu entkommen versuchte. Aber dabei beschäftigte ihn eine Frage in seinem Inneren, die ihn gepackt hatte und nicht mehr loslassen wollte, trotz seines Fluchtwunsches: Gibt es hier noch andere Vögel?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Platan
2015-05-25T15:56:13+00:00 25.05.2015 17:56
Murphy! ♥♥♥
*sich an ihn klammer*

Aaah, das Coverbild kenne ich doch. :3
Das mag ich immer noch sehr. Finde es schön, dass ich da nicht alleine mit bin. X3

Ich versuche einfach mal, direkt zu kommentieren, weil ich eh schon mit vielem hinterher hänge. Ist ja nicht so lang, da geht das schon. :)
Der Link bei "Born Free" führt übrigens nur zurück zur FF. Ich denke nicht, dass das beabsichtigt war? :O
Ich finde es auf jeden Fall sehr nice, dass du Murphy einen OS gegönnt hast. Die blauen Vögel haben es dir echt angetan~.

> Es gab nichts Außergewöhnliches daran, nur dünne Metallstäbe,die zu einem runden Gitterhaus geformt waren,
Hier fehlt ein Druck auf die Leertaste hinter dem Komma bei "Metallstäbe". ;)
Ich mag übrigens diese Form von Käfigen sehr gern, hab ich das schon mal erwähnt? Gibt keinen bestimmten Grund dafür, aber so runde Käfige gefallen mir optisch einfach besser. (wie das mal wieder nur voll der Small-Talk ist XD)

> Das, was Murphy daran so faszinierte, war auch eher, was sich im Inneren befand.
Awwwwww~! ♥
Die Vorstellung, wie Murphy den Vogel erst mal eine Weile lang betrachtet, weil er so fasziniert ist, finde ich echt süß. X3

> Aber in seinem viel zu kleinen Käfig gab es weder Wasser noch Futter.
Armes Vögelchen. Q___Q

> Murphy blinzelte. Der Vogel ahmte ihm nach.
*quietscht begeistert vor sich hin*

> Das Zwitschern hatte ihn zu diesem Käfig geführt, ein vollkommen normaler Ton, der in dieser Stadt fehlplatziert wirkte.
Das stimmt aber echt. Dieses Zwitschern wirkt in der Stadt immer so außergewöhnlich, obwohl es ja eigentlich eher etwas gewöhnliches sein sollte. Deswegen mag ich die Stimmung auch total, die diese Vögel verbreiten. Sie sind wirklich etwas besonderes.

> Deswegen hatte er instinktiv erst sicherstellen wollen, dass es wirklich nur ein normaler Vogel war.
Es hätte ja auch ein Monster sein können, das Lockrufe beherrscht. ಠ_ಠ
So ein Screamer, der heiser ist. :,D
... Okay, das ist nicht witzig.

> Inzwischen schwieg dieser, als könne er selbst nicht glauben, einen Menschen in dieser Stadt zu sehen. So verlassen wie und heruntergekommen alles aussah, konnte Murphy die Verwunderung des Vogels verstehen.
Warum ist diese Szene gerade nur so verdammt süß? Q//////Q

> das versuchen würde, ihm die Augen auszukratzen oder ihm den Schädel einzuschlagen,
Oder-
Vane: Damit fangen wir gar nicht erst an.
Ciela: Manno. :<

> Das brachte den Vogel dazu, aufgeregt auf seiner einzigen Stange zu hüpfen. Dabei ließ er Murphy kein einziges Mal aus den Augen, scheinbar jederzeit bereit, erneut loszuzwitschern, sollte dieser sich wieder entfernen.
*quietscht noch viel mehr*
Das. Ist. So. Süß. ♥
Sogar Vögel schreibst du so, dass man hin und weg ist. >//////<
Ferris: Ich shipp das! XD
Vane: =_=
Okay, nein, im Ernst. Ich finde das gerade wirklich total niedlich. Diese Harmonie zwischen ihnen ist förmlich greifbar. ♥

> „Armer kleiner Kerl ...“, murmelte Murphy.
Wie ich es liebe, wenn Murphy das sagt. Q___Q
Er hat so ein sanftes Wesen ... kein Wunder, dass der Vogel da so reagiert. ♥

> Früher hatte er kein Problem darin gesehen, Vögel in Käfige zu sperren. Im Inneren waren sie immerhin sicher, vor allem, was sie zu bedrohen versuchte.
Unbekannt: Das sehe ich auch so. ^^

> Vögel sangen nicht aus Dankbarkeit, sie beklagten ihre fehlende Freiheit, weil ein Mensch es sich herausnahm, ihnen den Himmel zu stehlen.
*blickt zu ihren Wellensittichen*
... TT______TT
Aber Nolan und Landis wollen ja auch nie raus, selbst wenn die Türen offen sind. :,D
Davon aber mal abgesehen, mag ich es sehr, was du hier damit ansprichst. Freiheit ist etwas sehr wichtiges.

> Ein Mensch, der sich, zu allem Übel, auch noch an ihrem Wehklagen ergötzte.
Unbekannt: Mit den richtigen Worten könnte man auch Freiheit schlechtreden.
Ciela: *Unbekannt hau* Du machst die Stimmung kaputt. ò_ó
Wieder mal ernsthaft: Das ist echt hart. :(

> Vielleicht war das Gefieder dieses Vogels deswegen blau, vielleicht hatte er versucht, seiner Trauer auf diesem Weg Ausdruck zu verleihen. Oder er hatte keine andere Möglichkeit gesehen, um seinem Besitzer zu zeigen, dass er den Himmel vermisste.
Finde ich sehr schön, dass du auf die Farbe eingehst (heißt ja nicht umsonst "Blue Birds"). Für mich ist Blau auch sowohl eine Farbe der Trauer als auch der Freiheit, weil sie an den Himmel erinnert. Deswegen mag ich sie inzwischen auch sehr, früher war das nicht so.

> Als die Käfigtür offen war, blickte der Vogel erst einmal misstrauisch auf das von den Gitterstäben befreite Quadrat.
Genau wie meine Wellensittiche. :,D

> Fast sah es aus, als erwarte er jeden Moment, dass Murphy den Käfig wieder verschloss, doch er trat sogar noch einen Schritt zurück.
Wieso tut Murphy nur dauernd Dinge, wegen denen man ihn noch mehr mögen muss? Er ist so lieb. >_<

> Es schien Murphy, dass der Vogel tief einatmete, die ungesiebte Luft regelrecht genoss.
Eigentlich könnte mein gesamter Kommentar nur aus "Das ist süß" bestehen. X3

> Er wollte glauben, dass der Vogel sich bei ihm bedankt, dass er einen Jubelschrei ausgestoßen hatte, da er nun endlich zu seinem lang vermissten Himmel zurückkehren konnte, dass er die Gitterstäbe nie wieder sehen musste.
Das ist ein so schöner Gedanke. ♥

> Gibt es hier noch andere Vögel?
Ja, die gibt es. >.<

Ich muss mir jetzt gerade vorstellen, wie die Vögel Murphy als Geschenk dafür, dass er sie befreit hat, nach und nach eine schöne Erinnerung an Carol und Charlie geben. Die setzt sich im Spiel ja jedes Mal Stück für Stück zusammen und deshalb fand ich diese Nebenmissionen mit den Vögeln auch immer schon besonders emotional, obwohl da nicht viel passiert. Man kann da aber so viel bei empfinden.
Ich mochte diesen OS wirklich sehr. ♥ Du solltest öfter Tiere schreiben, sogar die haben bei dir Charakter. X3
Du hast diese Szene mit dem Vogel wirklich schön festgehalten. Am liebsten hätte ich echt noch gelesen, wie die Vögel ihn am Ende mit einer schönen Erinnerung "belohnen". Ich mochte vor allem sehr, dass Murphy so sanft und lieb rüberkam. Dafür mag ich ihn doch so sehr.
Danke für den schönen OS, auch wenn ich wieder nichts konstruktives beisteuern konnte, aber meine Liebe dafür ist dir wieder mal sicher. ♥


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