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Tagebuch eines Windläufers

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Flüchtlinge

Kyira, 5E105, Feldwinter (Februar)

Um die unangenehme Kälte und Nässe abzuschütteln, wechselten die beiden Reisenden ihrer Kleidung, sobald sie in der Taverne angekommen waren. „Rokar“, begann einer von ihnen, „Zieht euch das Priestergewand an. Denkt daran, dass wir heute Kaiserliche Gelehrte sind. Wenn ihr euch als Mönch ausgebt, fällt es weniger auf, wenn ihr weniger redet und mehr zuhört.“ Kurzes Nicken des Anderen symbolisierte seine Zustimmung. „Ich werde mich als Buchhalter ausgeben und versuchen uns Zutritt zu den Badehäusern zu verschaffen.“ Wieder ein kurzes Nicken.

Der als Rokar angesprochene verließ nun - sich als Mönch ausgeben – das Zimmer, und ließ sich im Schankraum nieder. Seine Zielgruppe befand sich einen Tisch weiter: Eine Delegation der Wachmannschaft, welche zurzeit die Gefangenen in den Badehäusern, sowie den Kohleminen überwachte. „Wie ich schon sagte“, begann einer der Wachleute. „Aus den Kohlesklaven bekommen wir nicht mehr viel herausgequetscht. Die meisten werden keine zwei Wochen mehr durchhalten. Wir könnten einige der hässlichen Frauen aus dem Badehaus in die Minen schicken, die bringen ohnehin keinen Profit.“ Rokar verzog die Miene. Mit etwas Ähnlichem hatten die beiden schon gerechnet, doch die Gewissheit versetzte ihm dennoch einen Schlag. „Außerdem müssen wir das Kastell ohnehin bald umsiedeln. Die Front verlagert sich nach Westen. Der Widerstand bricht ein. Langsam geht es voran.“ Zustimmendes Gemurmel in der Delegation, allerdings war das nichts, was die beiden nicht schon wussten. Die Front verlagert sich nach Westen, da der Widerstand seine Truppen auf den Schutz des Hafens fokussierte. „Ich denke der Kaiser wird den Befehl geben Ferai anzugreifen.“, warf einer der Soldaten ein. Die anderen nickten Zustimmend, Rokar in seinem Kopf ebenfalls. Es war in etwa die Richtung, die auch sie erwarteten.
 

Während die Diskussion im Schankraum vor sich hinplätscherte führte der Andere eine angeregte Unterhaltung mit dem Besitzer des Badehauses. Es ging hauptsächlich darum, welche der Damen am meisten Profit abwarf und so sehr das Thema den scheinbaren Buchhalter auch anwiderte, so wichtig war es doch für seine Rolle, den Profitgeilen zu spielen. „Meint ihr, ihr könnt mir die Damen einmal zeigen? Ich meine... Nur für den Fall, dass ich euch zu einem guten Preis eine abkaufen möchte.“ Ein schlüpfriges Zwinkern konnte er sich gerade eben noch abringen, ohne vor seinem Gesprächspartner erbrechen zu müssen. Auf dessen angeschwollenem Gesicht zeichnete sich ein fettes, hämisches Grinsen ab. „Aber sicher doch!“, ließ er verlauten und klopfte dem Buchhalter auf die Schulter. Kriegsgefangene Zwangsprostituierte zu verkaufen war immer eine gute Sache. Lange waren die ohnehin nicht brauchbar. „Folgt mir einfach!“

Während der Fettwanst ihn durch die Gänge führte, überlegte der falsche Buchhalter bereits, wie man die Gefangenen am besten aus dieser Anstalt hinaus schleusen konnte. Einzudringen war nicht schwierig, die Wände waren aus dünnem Holz und die Türen aus Papier. Aus diesen Gründen dürfte das Verschwinden ebenfalls keine Probleme machen. Das größte Problem war es, die Gefangenen von den anderen zu trennen. Nicht dass die beiden die anderen Prostituierten nicht auch gern befreien würden, unter ihnen würde sich nur vermutlich ein Spitzel befinden, da die Wachmannschaft sicher mit so etwas rechnete. Schwierige Entscheidungen standen bevor.

„Das sind sie!“, pries der Besitzer des Badehauses gute fünfzig – zum Teil noch sehr kindliche und stark unterernährte – Frauen an. „Ihr könnt sie auch vorher testen.“, flüsterte er dem Buchhalter darauf zu. Nicht nur der unvorstellbarer Mundgeruch des Fettwanstes sorgte für den Brechreiz, auch der Inhalt dieses Satzes, doch der Meister der Täuschung konnte sich beherrschen. Langsam und gründlich ließ er den Blick wandern. Etwa ein Dutzend der Frauen kannte er, mehr als sie erhofft hatten. „Ich nehme all die, die ich nun berühre.“, sagte der Befreier und schritt die fünfzig konzentriert ab, wobei er jede berührte, die er kannte und dabei inständig hoffte, selbst nicht erkannt zu werden. Auf dem Gesicht des Besitzers bildete sich ein zwar erstauntes, aber unglaublich geldgieriges Grinsen ab. „So viele?“

„Ja, sie alle. Haben sie Kinder?“

Die Miene des Besitzers verstimmte sich und er spuckte aus. „Ja ein paar. Vier oder fünf. Als Mädchen. Die Jungen sind im Bergwerk – oder besser: waren.“ Der Käufer nickte stumm. „Ich will sie schon morgen mitnehmen. Mitsamt den Mädchen.“ Nun war selbst der Besitzer ein wenig angeekelt, vermutlich, weil er dachte, dass der neue Käufer auch die Mädchen in sein Angebot aufnehmen wollte. „Aber die Mädchen sind erst vier oder fünf Jahre alt...“

„Völlig egal. Aus denen werden schneller Frauen als man denkt.“

Kalt und berechnend machten die beiden das Geschäft. Der Besitzer versprach die Frauen, sowie die Mädchen über Nacht in die Scheue zu bringen, sodass der Buchhalter sie schon morgen früh mitnehmen konnte, wenn er denn wollte. Man bedankte sich und ging getrennte Wege.
 

Wieder im Gasthaus angekommen ging der neue Besitzer eines Dutzend Frauen, sowie derer Kinder in den Waschraum und erbrach sich einmal ausgiebig. Rokar, sein Gefährte im Priestergewand klopfte ihm tröstend auf die Schulter. „Wie viele können wir retten, Valvarian?“

Der Angesprochene brauchte eine Weile, ehe er sich aufrichten konnte. „Sechzehn. Vier davon Kinder.“ Rokar nickte. „Das sind mehr als wir dachten.“ Valvarian stimmte ihm zu. „Hoffentlich nicht mehr als wir schleusen können.“



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