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On my Way

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Dauntless..really?!

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass die Zeit mehr als knapp bemessen war. Meine Finger trommelten nervös auf der Armlehne. Wenn ich den Anschlusszug verpasste, müsste ich wieder hundert Jahre auf den nächsten Zug warten und darauf hatte ich wirklich keine Lust. Warum musste das auch immer mir passieren?

»Nächster Halt: Bischofshofen. Anschlusszug nach Salzburg Hauptbahnhof am Bahnsteig 3.«

Gut, dass ich nur mit dem Rucksack unterwegs war. So wie ich mich kannte, würde ich mir bei dem Marathonlauf von Bahnsteig 9 zu 3, sonst nur das Genick brechen. Ich stand auf, schulterte meinen Rucksack und seufzte tief. Ich hasste umsteigen.

Die Tür ging auf und ich stolperte sehr elegant die Treppe hinunter auf den Bahnsteig. Ein kurzer Orientierungsblick und schon ging der Wettlauf gegen die Zeit los. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend lief ich zum Bahnsteig hinauf. »Halt! Wartet auf mich!«, keuchte ich und beschleunigte meine Schritte. Ich sprang in den Zug hinein und lehnte mich schwer atmend gegen die Wand.

Geschafft.

Wie auch immer das möglich war.

Der Zug fuhr los und gerade als ich mir einen Platz suchen wollte, bremste er ab. Ich stolperte über meine eigenen Füße und landete unsanft auf meinem Hinterteil. Genervt stöhnte ich auf und rieb mir den Kopf, den ich mir an einem der Sitze angeschlagen hatte.

»Alles okay, Lea?«

Ich sah auf und vor mir stand ein Mädchen mit pinkem Irokesenschnitt. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich das Mädel noch nie zuvor gesehen hatte - sie wäre mit eindeutig aufgefallen.

»Hallo? Erde an Lea? Beeil dich, wir müssen gleich raus.«

Etwas verwirrt ließ ich mir von ihr aufhelfen. Ich war doch gerade erst eingestiegen? Schnell blickte ich mich um.

Das war eindeutig nicht der Zug nach Salzburg.
 

»Kommst du, oder was?«

Das Mädchen stand bereits an der offenen Zugtür und auch wenn ich meine Zweifel hatte folgte ich ihr. Es blieb mir ja nichts anderes übrig, schließlich hatte ich keine Ahnung wo dieser Zug hinfuhr - und in Dschibuti landen? Nein danke. Ich blickte mich noch einmal kurz um - es sah so aus als wäre das eine Art Güterzug oder so. Ich trat neben das Mädchen und der Fahrtwind tat gut auf der Haut, mir war einfach nur heiß. Das Mädchen hatte gesagt, dass wir gleich aussteigen müssten, doch der Zug wurde nicht wirklich langsamer. Eine ungute Befürchtung bahnte sich an und ich war auf das Schlimmste gefasst.

»Ich wette ich springe weiter als du«, grinste das pinkhaarige Mädchen und klopfte mir auf die Schulter als sie von der Tür wegging um Anlauf zu nehmen. Ich schluckte schwer. Wo war ich da nur hineingeraten? Sie nahm Anlauf und sprang wirklich aus dem Zug. »Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Das ist mein sicheres Ende…« Ich fuhr mir durch die Haare und ging ein Stück von der Tür weg.

Ohne allzu genau darüber nachzudenken lief ich auf die offene Zugtür zu und stieß mich mit den Füßen fest ab. »Das ist doch total bescheuert!«, quietschte ich. Wundersamerweise schaffte ich es irgendwie auf den Füßen zu landen. Ich stolperte ein paar Schritte nach vorne und fiel ins Gras. Im letzten Moment hielt ich mir die Hände vor´s Gesicht - bei meinem Glück würde ich mir die Nase auch noch brechen.

Ich hätte heute Morgen wirklich nicht aufstehen sollen…
 

»Komm schon, zum Schlafen hast du in der Nacht genug Zeit.«

Ohne aufzusehen wusste ich, dass das Mädchen wieder neben mir stand. Erneut fragte ich mich wo ich da nur hineingeraten war. Mit einem leisen Seufzen stand ich schließlich auf. Ich räusperte mich kurz und sah sie an. Sie warf mir einen abwartenden Blick zu. Sie schien mich zu kennen, aber ich hatte echt keine Ahnung, wer sie war.

»Wo gehen wir hin?«, fragte ich schließlich, um irgendetwas zu sagen.

Ihre Augen wurden groß und sie brach in schallendes Gelächter aus. »Na in die Schule, du Dummerchen. Mal ehrlich, du hast dir den Kopf ziemlich angestoßen, was?« Sie warf mir einen komischen Blick zu, den ich nicht richtig einschätzen konnte und wollte. »Ja… sieht ganz so aus«, sagte ich nur mit gerunzelter Stirn und folgte ihr.

Schule? Was sollte der Spaß denn nun schon wieder? Ich hatte seit zwei Jahren meine Matura und mein Praktikum hätte ich erst in ein paar Jahren, was wollte ich also in der Schule? Ich sah an mir hinunter und merkte erst jetzt, dass ich ganz in schwarz gekleidet war. Das war nun wirklich komisch. Obwohl ich zugeben musste, dass die Lederjacke, die ich trug, ziemlich cool war.

Das Mädchen war in einen leichten Laufschritt gefallen und auch wenn ich für heute schon genug gelaufen war, tat ich es ihr gleich. Ich wollte sie nicht noch misstrauischer machen, als sie wahrscheinlich ohnehin schon war. Ich lief ein paar Schritte hinter ihr und hatte nun die Gelegenheit sie zu mustern. Auf dem schwarzen Rucksack, den sie sich locker über die linke Schulter geworfen hatte, war groß das Wort ›Kelly‹ hinaufgestickt. Auch wenn ich zuerst an Chips denken musste, nahm ich an, dass das ihr Name war.

Oder der ihres Hundes.

Oder ihrer Katze.

Oder ihres Rucksackes.

Oder was auch immer.

Irgendetwas bedeutete er auf jeden Fall.

Ich beschleunigte meine Schritte und lief nun - schwer schnaufend - neben ihr her. Vor uns ragten hohe Gebäude in die Luft. Einige waren zerstört und ziemlich heruntergekommen. Andere waren sogar ziemlich schön. Ich nahm an, dass das Gebäude vor uns die Schule war, denn sonst war nichts Zumutbares in nächster Nähe. Andererseits würde es mich inzwischen auch nicht mehr wundern, wenn ich in irgendeinen heruntergekommenen Keller verschleppt wurde.

Als wir das Gebäude fast erreicht hatten, verlangsamte das seltsame Mädchen ihre Schritte und ich tat es ihr gleich. »Wir sehen uns dann beim Sport, bis später Lea.« Sie umarmte mich kurz und ging nach rechts weg. Ich blieb stehen und sah ihr hinterher. Sport? War das ihr Ernst? Das alles bisher würde wohl für die nächsten zwei Jahre reichen, oder etwa nicht?

Schulterzuckend wandte ich mich dem Gebäude zu. Komische Gestalten in den Farben blau, schwarz, grau, schwarz-weiß und gelb und rot liefen aus und ein. Ich stand wie der größte Depp in der Mitte und wusste nicht was ich tun sollte. Ich hatte keine Ahnung was für einen Unterricht ich - anscheinend - hatte, geschweige denn wo ich hin musste.

»Tut mir leid, wo ist denn hier das Sekretariat?«, sprach ich einen Jungen an, der gerade an mir vorbei lief. Er war in blau gekleidet und hatte eine dicke Nerdbrille auf der Nase sitzen. Wie ich diese Brillen hasste - am liebsten würde ich sie ihm herunterschlagen. Er verdrehte nur die Augen und meinte abfällig: »Ihr Ferox glaubt wirklich immer, dass ihr die Besten seid. Kämpfen könnt ihr, aber das war´s dann auch schon.« Und mit diesen Worten ließ er mich stehen und eilte davon. Der Mund war mir aufgeklappt und verwirrt starrte ich ihm hinterher.

Ferox?

Kämpfen?

Langsam dämmerte es mir und ich schluckte schwer. Das würde auch die merkwürdige Kleidung und das Springen aus Zügen erklären.

In jeder Fraktion hätte ich landen können, aber nein, es musste Ferox sein!

Aber darüber würde ich mir später Gedanken machen. Erst mal hieß es wohl die Schulbank zu drücken. Ich betrat das Gebäude und wenigstens war es kühl darin. Ich blickte mich kurz um und seufzte tief. Veronica Roth hätte wenigstens dafür sorgen können, dass hier ein paar Schilder angebracht wurden. Sollte ich hier je wieder lebend rauskommen, würde ich ihr dies mitteilen, so viel stand fest…

Da ich vom Laufen vorerst genug hatte, ging ich zum Aufzug und drückte auf den Knopf nach oben. Während ich wartete, dass der Aufzug in das Erdgeschoß kam, nahm ich meinen Rucksack von den Schultern und begann ihn zu durchwühlen. Vielleicht fand ich da ja etwas Hilfreiches. Einen Lageplan oder so…

Ich entdeckte einen zerknitterten Zettel, zog ihn hervor und faltete ihn auseinander. Es standen nur wenige Wörter darauf, doch ich erkannte sofort meine eigene Handschrift, was mich unheimlich erleichterte. Die Aufzugtüren gingen auf und ich trat ein.

»Englisch, Sport, Naturwissenschaften, Mathematik und Geschichte. Na toll…«, murmelte ich und drückte auf alle Stockwerksknöpfe. Jetzt musste ich nur noch irgendwie herausfinden, wie ich wohin kam.

Im ersten Stock blieb der Aufzug stehen und ein offensichtlicher Feroxjunge stieg ein. Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht und als er mich sah, wurde es noch ein bisschen breiter.

»Lea, altes Haus. Ich hab dich dieses Wochenende bei Capture the Flag vermisst. Wo warst du?«

»Ähm… lernen…«, gab ich zurück, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte.

»Wofür?«

»Na für den Test…«

Der Junge lachte und die Situation wurde immer unheimlicher.

»Aber für den brauchst du doch nicht lernen, du Dummerchen.«

Ich grinste unsicher und strich mir nervös die Haare zurück. Hatten wir wirklich einen Test? Na bravo… vielleicht auch noch in Naturwissenschaften, das war ja schließlich mein ›Spezialgebiet‹…

Der Aufzug blieb im zweiten Stock erneut stehen. Der Junge streckte den Kopf hinaus. »Da waren wieder ganz Lustige unterwegs«, meinte er kopfschüttelnd und schloss die Tür wieder.

Ich räusperte mich kurz. »Und… wie geht´s deiner Familie?«, fragte ich und hoffte einfach mal, dass seine Familie noch nicht tot war.

»Ach, ganz gut. Uriah hat glaub ich etwas Panik, dass ich die Fraktion wechseln könnte, aber das würde ich nie. Ich kann ihn schließlich nicht im Stich lassen.«

»Zeke!?«, platzte es da aus mir heraus.

Er warf mir einen verwirrten Blick zu. Sofort wurde ich rot und senkte den Kopf. »Ach, nichts…« Er zuckte die Schultern und wandte sich wieder ab. Im vierten Stock stieg er schließlich aus.

»Kommst du, oder was? Wir haben Englisch«, fragte er und sah mich abwartend an. »Wa… ja, natürlich.« Was für ein Glück, dass er anscheinend den selben Stundenplan hatte. Ich folgte ihm und versuchte nicht allzu beeindruckt auszusehen, als wir durch die Gänge liefen. Als wir vor der Klassentür ankamen, ließ er mir den Vortritt. Auch wenn es wahrscheinlich nur Einbildung war, kam mir vor, dass alle Augen auf mich gerichtet waren. Ich setzte mich auf einen freien Platz in der letzten Reihe und Zeke nahm neben mir Platz. Ich kramte in meinem Rucksack, zog einen Block, ein paar Stifte und den zerknüllten Zettel von vorhin heraus.

»Wow, du bist aber ganz schön organisiert«, meinte Zeke belustigt, als er meinen provisorischen Stundenplan betrachtete. »Ähm… ja«, gab ich zurück und runzelte die Stirn. Er selbst zog seinen eigenen Stundenplan heraus und legte ihn vor sich auf den Tisch. »Schade, wir haben heute nur Englisch gemeinsam«, sagte er, nachdem er seinen Tag mit meinem verglichen hatte. Ich lugte auf seinen Stundenplan und erkannte, dass bei jedem Fach der Raum dabeistand. »Darf ich mal?«, fragte ich und zog das Blatt Papier heran. Schnell schrieb ich die Raumnummern ab und hoffte, dass ich sie irgendwie finden würde. Aber das würde wohl nicht allzu schwer sein.

»Der Sportplatz… sag mal, wo ist der…?« Ich biss mir auf die Zunge und versuchte nicht allzu schuldig zu wirken. Zeke hob eine Augenbraue, schmunzelte aber. »Na hinter dem Gebäude. Du hast dir den Kopf wohl wirklich ziemlich angeschlagen, was?«

»Woher…?«

»Kelly hat es mir erzählt. Sie sagte, dass du ziemlich durch den Wind seist.«

Ich konnte nicht mehr antworten, da bereits der Lehrer den Raum betrat und um Ruhe bat. Ich war ziemlich froh darüber, denn ich hätte wirklich nicht gewusst, was ich sagen sollte. Es gab einiges zu verarbeiten. Meine größte Angst war momentan, dass ich mich im Sport zu sehr blamierte. Das war nicht gerade mein Fach, und als Ferox sollte man doch halbwegs… naja, sportlich sein. Über das Aufspringen auf den Zug später, machte ich mir vorerst mal keine Gedanken…

»Du siehst wirklich etwas fertig aus. Macht dich der Test so nervös?«, flüsterte Zeke und warf mir einen besorgten Blick zu.

»Ähm… ja… genau. Der Test. Ich hab kaum geschlafen. Und mein Kopf brummt noch immer von meinem Sturz im Zug«, flunkerte ich und hoffte, dass er es mir abkaufte. Aber ich war immer schon Meisterin im Lügen gewesen, weshalb ich zum ersten Mal heute keine Zweifel hatte.

»Kann ich irgendwas tun für dich?« Er sah mich fragend an und ich witterte meine Chance. »Weißt du, Zeke. Das kannst du wirklich. Was hältst du davon, wenn du mich vom Sport abholst und später in den Unterrichtsraum für Naturwissenschaften bringst?« Ich setzte ein - meiner Meinung nach - charmantes Lächeln auf und wartete ab. Er grinste und meinte: »Ja, klar. Für Geschichte kann ich dich auch abholen, wenn du magst, ich hab da sowieso eine Freistunde.«

»Gut, danke… und Mathe…«

»…ist sowieso gegenüber von Naturwissenschaften«, beendete er meinen Satz und grinste breit.

»Genau…« Ich nickte und grinste unsicher, bevor ich mich abwandte.

Der Lehrer ging durch die Reihen und teilte irgendeinen Zettel aus. Der einzige Vorteil war wohl, dass ich den Dank meines Studiums wohl irgendwie meistern könnte.

Hoffentlich.

»Als Gegenzug, darf ich abschreiben«, murmelte Zeke in mein Ohr und grinste mich breit an. Belustigt verdrehte ich die Augen und meinte: »Ist gut.«

Ein Blick auf den Zettel verriet mir, dass es einfach werden würde ihn auszufüllen. Ein Lückentext, ein paar Sätze umschreiben und Wortdefinitionen. Auch wenn ich von Letzterem nur wenige wusste, ging es mir bei dem Rest ganz gut. Zeke und ich arbeiteten - heimlich - zusammen. Während wir in der zweiten Stunde einen Text lesen mussten, wertete der Lehrer die ›Tests‹ aus und wir beiden hatten eigentlich ganz gut abgeschnitten.
 

Als die Stunden vorbei waren, stieg meine Nervosität wieder.

Sport.

Etwas Schlimmeres konnte ich mir neben dem Nachhauseweg momentan nicht vorstellen.

Ich verabschiedete mich von Zeke und benutzte wieder den Aufzug um nach unten zu gelangen. In der Eingangshalle traf ich auf Kelly, die ich beinahe übersehen hätte. Nicht etwa wegen ihrer Haare - die waren ja nicht zu übersehen - sondern viel mehr, weil ich mir ihr Gesicht nicht gemerkt hatte.

»Na, alles wieder okay im Oberstübchen?« Sie sah mich fragend an und ich zuckte nur die Schultern.

»Halbwegs. Aber musstest du Zeke unbedingt davon erzählen?« Ich warf ihr einen beleidigten Blick zu und ging neben ihr her in die Umkleiden.

»Tut mir leid. Aber das war schon ziemlich komisch, was du vorhin so von dir gegeben hast, das musst du zugeben.« Sie hob die Augenbrauen und sah mich durchdringend an. Ich zuckte nur die Schultern und verschwand in einer Kabine um mich umzuziehen. Gott sei Dank war mein Ferox-Ich heute Morgen nicht so verplant gewesen und hatte die Sportsachen eingepackt. Ich zog mich schnell um und tat es anschließend Kelly gleich und warf meinen Rucksack in ein Eck.

»Sag mal, Naya hat doch bald Geburtstag, oder?«

Kelly und ich liefen nebeneinander her und ich versuchte angestrengt nicht wie ein Teekessel zu schnauben. Wer in Gottes Namen war denn Naya nun schon wieder!?

»Ob sie wieder feiert? Ihre letzte Geburtstagsfeier war legendär«, grinste Kelly und schien in Erinnerungen zu schwelgen. Ich runzelte die Stirn und fragte mich noch immer wer denn nun diese Naya war. Aber ich hatte Angst zu fragen. Vielleicht würde es sich ja noch erübrigen.

»Schenkst du ihr etwas?« Kelly sah mich wieder an und ihr Blick duldete keine falsche Antwort. Ich schluckte schwer und entschied mich für das Naheliegendste: »Ich weiß nicht.«

Das schien nicht die richtige Antwort gewesen zu sein, denn Kellys Blick verfinsterte sich kurz. »Du wirst doch wohl deiner älteren Schwester etwas zum Geburtstag schenken! Schließlich wird man nur einmal 19…« Kelly schüttelte den Kopf und wandte sich wieder ab.

Aha.

Da hatte ich also eine Schwester. Aber halt mal… hatte Kelly nicht gesagt, dass diese Naya älter war? Und wenn sie momentan 18 war hieß das…

»Shit…«

»Was ist passiert?«

»Ach nichts. Ich hab nur immer noch Kopfschmerzen…«

Konnte Kelly nicht einfach mal nicht reden? Ich hatte hier immerhin einiges zu verarbeiten. Aber das band ich ihr lieber nicht auf die Nase, sie traute mir ohnehin schon kaum. Der ganze Stress und die Verwirrtheit hatten mich wirklich vergessen lassen, dass alle Ferox, die älter als 16 waren, bereits arbeiteten. Denn mit 16 musste man sich der Zeremonie der Bestimmung unterziehen und eine Fraktion wählen.

Oh Gott, hieß das, dass mir das noch bevorstand?

Hoffentlich nicht… hoffentlich fand ich davor noch einen Weg nach Hause…
 

Zeke hielt sein Versprechen und wartete vor den Mädchenumkleiden auf mich - grinsend wie immer. Ohne es eigentlich zu wollen, musste ich auch lächeln. So seltsam und verwirrend meine Situation momentan auch war, heiterte er mich doch irgendwie auf. Er brachte mich in den zweiten Stock in den Unterrichtsraum für Naturwissenschaften. Wir hatten eine Lehrerin, die offensichtlich nicht sehr viel Wert auf interaktiven Unterricht legte. Einige der Ken schrieben eifrig mit - die meisten Ferox starrten nur Löcher in die Luft. Neben mir saß ein Feroxmädchen, das mir bereits im Sportunterricht aufgefallen war. Sheila… oder Shauna oder wie sie hieß…

Mathe war auch okay. Ich hätte mich beinahe verschluckt, als ich wirklich Eric erkannte. Er saß vor mir und am Liebsten hätte ich ihm meinen Rucksack über den Kopf gezogen. Ich hasste den Typen, konnte aber momentan leider nichts dagegen tun…

Zeke wartete bereits auf mich als ich aus dem Klassenzimmer kam. »Es ist schön so ein freundliches Gesicht zu sehen«, meinte ich und grinste als er auf mich zu kam. »Das freut mich aber. Ich wart die Stunde noch ab, ich kann es schließlich nicht verantworten, dass du aus dem Zug purzelst«, neckte er mich und durchwuschelte meine Haare. Ich verdrehte die Augen und grinste, obwohl ich genau wusste, dass er eigentlich Recht hatte. Ich würde so was von ›aus dem Zug purzeln‹. Daher war ich ziemlich froh, dass er auf mich warten würde.

Als ich den Klassenraum im ersten Stock betrat, fiel mein Blick sofort auf einen hübschen Jungen in grau. Sofort erkannte ich ihn als Four. Oder Tobias Eaton um genau zu sein. Four würde er wohl erst nach seiner Initiation heißen… Ich riss mich zusammen um ihn nicht wie ein verrückt gewordener Groupie zu grüßen - auch wenn es mir schwer fiel - und ließ mich wieder in die letzte Reihe fallen. Der Unterricht verging schnell, was vielleicht auch daran lag, dass ich die ganze Zeit damit beschäftigt war kleine Kreise auf meinen Block zu zeichnen und über meine Situation nachzudenken. Sollte ich jemandem davon erzählen? Vielleicht gab es ja irgendeine Art Portal, wie ich wieder zurück kam? Ich beschloss mit mir selbst vielleicht mit Zeke darüber zu sprechen. Aber noch nicht jetzt, zuerst musste ich diesen Tag überstehen. Vielleicht war es ja auch nur ein schlechter Traum?
 

Ich war wirklich mehr als froh, dass der junge Ferox wieder auf mich wartete. Schließlich konnte ich schlecht über Nacht in der Schule bleiben, nur weil ich nicht auf einen fahrenden Zug aufspringen konnte… Zeke bestellte mir von Kelly schöne Grüße - sie hatte anscheinend noch eine Stunde Unterricht und würde später nach Hause kommen. Ich hoffte nur, dass das Mädel nicht auf die super Idee kam, am späten Nachmittag noch bei mir zuhause vorbeizuschauen. Erstens wusste ich nicht mal wo ich wohnte, und zweitens war sie mir unheimlich… Sie bohrte zu viel nach und war sehr misstrauisch. Anscheinend machte ich mich nicht so gut als mein Ferox-ich.

Aus der Ferne konnte man bereits das Rattern des Zuges auf den Schienen hören. Zeke grinste mir zu. »Na komm, beeilen wir uns lieber.« Ich nickte und schluckte schwer, bevor ich ihm - wieder einmal… - im Laufschritt folgte. Der Zug kam in Sicht und wurde etwas langsamer. Aber stehen bleiben? Na davon träumte ich wohl in der Nacht…

»Na dann mal los«, murmelte ich zu mir selber und blieb dicht hinter Zeke. Mein Herz schlug immer schneller und es lag bestimmt nicht am Laufen.

»Um auf die Toilette zu gehen ist es jetzt wahrscheinlich zu spät, oder?«, rief ich über das Gedonner des Zuges hinweg. Ich konnte das Lachen auf Zekes Gesicht sehen, aber nicht hören. Ich tat es ihm gleich und lief neben dem Zug her. Mit der Leichtigkeit einer Gazelle, sprang der Ferox in eine offene Tür und drehte sich dann nach mir um. Er streckte mir die Hand entgegen, ich beschleunigte meine Schritte und griff danach. Bevor ich auch nur irgendwie sowas Ähnliches wie abspringen konnte, hatte Zeke mich schon hochgerissen und in den Zug gezogen. Der Junge hatte Kraft, ach du meine Güte. Man merkte, dass er ein Ferox war…

Ich lag auf dem Bauch und glaubte es selbst kaum. Ich war - mehr oder weniger zumindest - auf einen fahrenden Zug aufgesprungen und hatte mich nicht angepinkelt.
 

Als ich mich gute zwanzig Minuten später in der Grube wiederfand, staunte ich nicht schlecht. Zeke hatte sich bereits von mir verabschiedet um sich seelisch auf den morgigen Test vorzubereiten. Ich wusste immer noch nicht in welchem Fach wir einen Test schrieben, aber ich würde das einfach auf gut Glück machen. Das war wirklich meine geringste Sorge…

Momentan musste ich irgendwie herausfinden, wo ich wohnte. Ich fühlte mich beobachtet und die Tatsache, dass hunderte Ferox an mir vorbeiliefen, machte das Gefühl nicht gerade besser. Ich setzte mich in Bewegung, schließlich konnte ich nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag hier stehen bleiben.

»Lea! Wo willst du denn hin?«

Ich seufzte innerlich auf. Wieso in Gottes Namen musste sich heute jeder einmischen? Ich würde schon nicht die Klippe runterfallen… (obwohl das bei meinem Glück nicht mal so ausgeschlossen war…)

Mit einer halbwegs freundlichen Miene drehte ich mich also nach dem Ruf um. Eine junge, hübsche Frau kam auf mich zu und grinste bis über beide Ohren. Schon wieder eine Freundin? Wie viele Freunde hatte ich bitte?

Sie hatte, genau wie ich, schwarze Haare, die ihr über die Brust hingen. Ein paar grüne und pinke Strähnen stachen hervor, doch es sah eigentlich wirklich gut aus. Ihr linker Unterarm war tättowiert und durch ihr bauchfreies Top erkannte man auch ein großes Tattoo des Feroxzeichens auf ihrer rechten Seite. Ihr linkes Ohr war komplett gepierct und auch an ihrem Bauchnabel glitzerte es. Sie blieb vor mir stehen und schloss mich sogleich in eine feste Umarmung.

»Wie geht es dir? Bist du schon aufgeregt? Ich hab gehört, dass Lily endlich ihr Tattoo bekommen hat?«

Wer bitteschön war nun Lily? Es wurde wirklich immer abstruser - wie sollte ich mir die vielen Namen bloß merken?

»Ähm… mir geht es gut… denke ich«, sagte ich schließlich langsam und sah meine Gegenüber verwirrt an.

Sie lächelte und meinte: »Ach, mach dir keine Sorgen. Der Test morgen ist nicht so schlimm. Und bei der Zeremonie der Bestimmung wirst du schon wissen was zu tun ist. Aber lass uns erstmal nach Hause gehen.«

Zeremonie der Bestimmung? In Gottes Namen… dann war natürlich klar, was es mit diesem mysteriösen Test auf sich hatte… ich würde morgen meinen Eignungstest ablegen müssen. Ich wusste nicht wovor ich mich mehr fürchten sollte: Dass ich in irgendeine komische Simulation geschickt werden würde, oder dass mir auch noch jemand dabei zusehen würde?

Als sich die Schwarzhaarige zum Gehen umwandte, entdeckte ich auf ihrer Schulter noch ein Tattoo. Es waren zwei Schriftzüge und ich konnte die Worte »Lea« und »Lily« entziffern. Ein selbstgefälliges Grinsen schlich sich in mein Gesicht. Das musste also Naya sein. Meine ältere Schwester. Und Lily? Na ich würde sehen… vielleicht war das ihre beste Freundin?

Ich folgte Naya und sah mich unauffällig um, sehr darauf bedacht nicht über meine eigenen Füße zu stolpern. Wir gingen in die Richtung aus der Naya gekommen war und ehrlich gesagt freute ich mich schon auf ein Bett.

Und eine Toilette…

Zuhause angekommen wurden wir von einem kleinen, hyperaktiven Mädchen begrüßt, das sich wenige Sekunden später als Lily herausstellte. Naya ging mir voraus in die kleine Wohnung und musste einen Wortschwall der Jüngeren über sich ergehen lassen. Anscheinend hatte sie - wie Naya gesagt hatte - vor kurzem ihr erstes Tattoo bekommen. Eine Schwalbe auf ihrem Fuß. Während Lily Naya vollquasselte, blickte ich mich in der Wohnung um. Ich fand etwas, das wohl ein Familienfoto sein sollte. Darauf waren Naya, Lily und ich abgebildet. Und zwei Erwachsene, die wohl unsere Eltern sein sollten. Der Mann hatte kurz geschorenes Haar, sah aber irgendwie freundlich aus. Die Frau trug ihre blonden Haare kurz und mit einigen bunten Strähnen versehen. Ihre Augen leuchteten in einem hellen blau.

Das also war meine Familie. Und ich wusste nicht mal wie sie alle hießen…
 

Ich gesellte mich zu den beiden Mädchen und war froh mal nicht in Lebensgefahr zu schweben. Mein Pensum an lebensgefährlichen Aktionen war schon nach dem Sprung aus dem Zug aufgebraucht.

Oder eher nach dem Marathonlauf von Bahnsteig 9 zu 3.

»Wo sind Mum und Dad?«, fragte ich schließlich um mich nicht allzu auffällig zu verhalten.

»Dad sitzt auf dem Klo und Mum ist logischerweise am Zaun, Mrs. Schlau.«

Lily verdrehte die Augen und stand auf. »Ich treff mich noch mit Freunden.« Und mit diesen Worten war sie auch schon verschwunden.

»Wie alt ist sie?«

»12. Wieso?«

Naya sah mich verwirrt an. »War ich mit 12 auch so?«, lenkte ich schnell ein und Naya lachte nur als Antwort.

Dann wurde sie wieder ernst und bat mich mit ihr in mein Zimmer zu kommen. Gott sei Dank, sonst hätte ich wahrscheinlich auch da nicht hingefunden. Und nach dem Eindruck, den Lily hinterlassen hatte, würde die mich umbringen, wenn ich in ihrem Zimmer landen würde…

»Sag mal… ich weiß, der Eignungstest ist erst morgen. Aber hast du dir schon überlegt wo du hin willst?« Naya kam nicht wirklich zum Punkt und ich hatte keine Ahnung was sie meinte. Das schien sie auch zu merken, denn sie fuhr fort. »Naja, ich meine du hast bereits 16 Jahre hier gelebt. Das wirst du doch nicht aufgeben, oder? Dein Freunde…deine Familie. Ich weiß, es heißt ›Fraktion vor Blut‹, aber überleg dir wirklich gut, ob du uns einfach so aufgeben kannst.« Und mit diesen Worten ließ sie mich alleine sitzen. Ihre Worte hatten einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Sie schien sich wirklich Sorgen zu machen, dass ich wechseln könnte. Dabei wäre ich froh gewesen sobald wie möglich von den Ferox wegzukommen, auch wenn das hieß die Fraktion zu wechseln… naja, ich würde ja sehen.
 

Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen und schloss für einen Moment die Augen. Es war… ziemlich viel passiert heute. Ich war von einem fahrenden Zug gesprungen. Und auch irgendwie in einen fahrenden Zug…

Morgen war also der Eignungstest. Nervosität breitete sich in mir aus und ich rollte mich zur Seite. Es klopfte leise an der Tür und der Mann von dem Foto - mein Vater - steckte den Kopf herein.

»Alles okay, Lea?«

Ich setzte mich auf und zuckte die Schultern. Was sollte ich groß sagen? Dass ich das hier alles nicht verstand? Dass ich überfordert war? Na wohl kaum, oder?

»Es ist Zeit für das Abendessen.«

»Ich hab keinen Hunger.«

Ein Seufzen entwich ihm. »Okay. Mach dich nicht verrückt. Das wird schon schief gehen, morgen.«

Ich schnaubte nur, doch das hörte er nicht mehr, da er schon verschwunden war. Wenn der wüsste. Ich wusste ja nicht einmal wie er hieß, was sollte da ›schon schief gehen‹?

Nach ein paar Minuten des in die Leere Starrens, stand ich auf und schälte mich aus meinen Klamotten. Ohne mich zu duschen und auch nur daran zu denken das Zimmer noch einmal zu verlassen, ließ ich mich auf mein Bett fallen und schlief schnell ein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier also die Aufgaben für deinen Start in die Welt von Divergent:

✗ überstehe deinen Schultag
✗ Bonus: bringe deinen Stundenplan in Erfahrung
✗ Bonus: lande kein einziges Mal im falschen Unterrichtsraum
✗ finde heraus, dass die Fraktionstests am Folgetag bevorstehen
✗ zurück in äh… “the pit” finde heraus wo du wohnst
✗ Bonus: unterhalte dich mit Kelly und/oder Zeke
✗ sorge dafür, dass deine Familie nicht misstrauisch wird! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
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Von: abgemeldet
2015-07-12T18:14:46+00:00 12.07.2015 20:14
Wie du weißt, dauert kommentieren bei mir ja traditionell ein wenig länger... aber hier bin ich ^^
Ich mag es, wie du die Aufgaben umgesetzt hast =D Sehr schön. Vor allem die Darstellung von Kelly finde ich wirklich gut gelungen, sie kommt genauso rüber, wie ich sie mir vorgestellt habe xD
Im Nachhinein tut es mir ja fast leid, dass ich dich gleich mal aus Zügen springen lasse... oder allgemein, dass ich dich in diese Fraktion gesteckt habe ^^ Aber sieh es so: Das Gute an der Choosing-Ceremony ist, dass du dir eine andere Fraktion aussuchen kannst, wenn dir danach ist xD
Ich find den Stil witzig, in dem du die Geschichte schreibst, vor allem bei dem Satz
»Und… wie geht´s deiner Familie?«, fragte ich und hoffte einfach mal, dass seine Familie noch nicht tot war.
kann ich mich jedes Mal wieder vor Lachen wegwerfen. Deine Verpeiltheit kommt jedenfalls sehr gut rüber und auch, dass du manchmal eine ein bisschen längere Leitung hast (hast lange gebraucht dich daran zu erinnern, dass man in der Welt nur bis 16 in der Schule ist ^^).
Was Veronica Roth wohl sagen würde, wenn du ihr eine Mail schreibst, dass sie gefälligst Hinweisschilder aufhängen soll? xD
Hach, wir beide werden noch viel Spaß zusammen haben *diabolisches Lachen*
Von:  LexiBlack
2015-05-29T11:43:32+00:00 29.05.2015 13:43
So, jetzt habe ich es auch endlich mal geschafft, deinen Weltenwechsel zu lesen...und ich liebe es! ♥
Ich würde mich genauso überfordert fühlen, würde ich bei den Ferox landen, daher konnte ich die Verwirrtheit und Sorgen deines fiktiven Ichs seeeeehr gut nachvollziehen. Du hast das auch sehr schön beschrieben und es gefällt mir auch sehr gut, dass du in eine Art Parallelwelt gelandet bist, also mit festen Strukturen, in der dein Ich bekannt ist und nicht als Fremde dazustößt. Das macht das Ganze natürlich noch komplizierer. Gerade die Beschreibungen in der Schule, wie du einzelne CHaraktere wieder erkennst, fand ich sehr gut :) auf diese Weise hast du schnell und ohne große Umschweifungen ein soziales Umfeld aufgebaut. Gut nachvollziehbar, witzig und auch irgendwie tragisch, wenn man mal bedenkt, dass du bzw. dein Divergent-Ich nichtmal seine eigene Familie erkennt und jetzt ausgerechnet am nächsten Tag noch die Bestimmung stattfinden soll O.o Perfektes Timing. XD Ich bin total gespannt wie es weitergeht *.*
Von:  Erenya
2015-05-23T16:06:09+00:00 23.05.2015 18:06
Interessant. Leider kenne ich "The Divergent" nicht. X'D es ist daher etwas schwierig für mich dem ganzen zu folgen. Warum man für die Schule aus nem Zug springt usw. und was Ferox sind.
Aber an sich klingt es interessant, dass du bereits in so einem gefestigten Leben drin bist. Das ist definitiv eine Herausforderung.


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