„Ich fass es einfach nicht“, quiekte Ino und zog erneut die Zeitschrift näher an sich. Temari schmunzelte und nippte an ihrem Milchkaffee. „Ino, du bist zu laut. Die anderen Gäste starren uns schon an“, ermahnte sie. „Du bist keine fünfzehn mehr, also beherrsch dich.“ Ino schwang ihre Hände in die Luft und funkelte aufgeregt erst mich, dann Temari an. „Wisst ihr denn nicht, dass er in der High Society mitspielt? Ich würde alles tun, um mit dir zu tauschen.“ Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum und blätterte erneut von Seite zu Seite und schmachtete Neji Hyuuga an. „Schade, dass er jetzt vergeben ist.“
„Psst! Es ist noch nicht offiziell! Ich kann dir nichts erzählen“, brummte ich erzürnt und schlug meine Hand auf die Fotografie des Hyuuga-Sprössling. Meine Mitbewohnerin hielt sich kichernd die Hand vor den Mund. „Tut mir Leid.“
„Wann genau musst du nun los?“ Temari lehnte sich im weichen Sofa zurück und wärmte ihre Finger an der Tasse. Als ich ihre Frage beantworten wollte, wurde ich von einem lauten Schnauben von Ino unterbrochen. „Seid ihr blind?“ Bestimmend zog sie die Zeitschrift unter meiner Hand hervor und tippte fast schon ehrfürchtig auf die Fotografie. Ich rollte mit den Augen.
„Du triffst diesen attraktiven Kerl! In Fleisch und Blut wird er vor dir stehen!“ Das Blau ihrer Augen glitzerte mit jedem Swarovski-Stein um die Wette. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe und ich kam nicht umhin, kurz aufzulachen. „Ihr wisst, dass er zu den begehrtesten Jungunternehmern gehört. Naja, gehörte.“ Inos Ausdruck war fast schon enttäuscht. Armer Sai. Manchmal war sie furchtbar.
Temari beugte sich über den Tisch. „Sag mal, Ino. Wieso hast du überhaupt ein Wirtschaftsmagazin? Interessiert dich doch sonst nicht.“
„Ach, papperlapapp. Da sind hin und wieder ganz hübsche Kerle dabei. Hier, schau doch.“ Ino sprang auf und setzte sich neben Temari auf das Sofa und blätterte kichernd die Seite herum. „Yahiko zum Beispiel. Er hat sich echt hochgearbeitet. Wusstet ihr, dass er eine Vollwaise ist? Armer Kerl“, erklärte Ino.
Ich hob eine Augenbraue. „Ich weiß nicht mal, wer dieser Yahiko ist.“
Ein Schnauben überkam meine Mitbewohnerin und Temari schenkte mir einen belustigten Blick. „Du arbeitest bei einem populären Magazin und hast keine Ahnung, wer Yahiko ist?“, kicherte Temari und stellte die Tasse ab. „Selbst ich hätte keine Probleme auf dem ein oder anderen Event an seiner Seite zu stehen“, bemerkte Temari und grinste breit. „Kennst du wenigstens Lee? Rock Lee?“ Sofort dachte ich an den grünen Sportanzug und die glänzenden schwarzen Haare. Ich verzog mein Gesicht. „Du machst Scherze, oder?“
Ino lachte. „Er ist, wie er ist. Vielen Frauen gefällt das. Außerdem ist er im Sportbereich echt ein hohes Tier.“
Ich seufzte und brach ein Stück meines Blaubeermuffins ab. „Ich versteh gar nicht, warum ihr euch jetzt so in dieses Heftchen vertieft.“
„Hotties, Sakura“, lachte Ino und ihre blauen Augen fuhren aufgeregt von Bild zu Bild. „Oh. Das ist er. Was würde ich nur dafür geben, ihm einmal die Hand zu schütteln!“ Ino seufzte und lehnte sich im Sofa nach hinten. Dabei drückte sie das Magazin an ihre Brust. Ein verliebter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Temari lachte amüsiert und strich sich ihren Rock glatt.
„Es ist eine Schande, dass man nie ein gutes Foto von ihm entdeckt, aber wenn man ein Foto sieht, dann prickelt die Haut“, murmelte Ino.
„Wen meinst du?“, fragte ich. Nicht, dass es mich wirklich interessierte. Diese Männer lebten alle in einer ganz anderen Welt und wie hoch stand schon die Chance, ihnen wirklich einmal zu begegnen? Die tummelten sich doch lieber in den angesagtesten Städten der Welt herum und sorgten dafür, dass sich ihr Konto von Stunde zu Stunde weiter füllte.
„Die ganze Uchiha-Familie ist hübsch“, schwärmte Ino weiter und ein Fiepen drang über ihre Lippen. „Und der Jüngste ist unglaublich attraktiv. Eine Schande, dass es keine besseren Fotos gibt.“
Neugierig zog ich ihr das Heft aus den Händen, was sie mit einem empörten Ausruf quittierte. Ich ließ meinen Blick über das kleine Bild in der Ecke schweifen und schmunzelte. „Ino, behalt das Höschen an. Deine Hormone spielen gerade verrückt“, lachte ich. „Man sieht kaum etwas. Das Bild ist sogar ein wenig verschwommen.“
Sie fächerte sich Luft zu und schielte abwechselnd von Temari zu mir. „Ich sagte doch, es ist eine Schande.“
„Du kannst es nicht mal richtig beurteilen wie er aussieht. Welcher Fotograf lichtet überhaupt jemanden, der eine Sonnenbrille trägt, nur im Profil ab? Wie soll man sich da ein Urteil bilden“, bemerkte Temari glucksend.
„Aber wenn er schon so heiß aussieht, verschwommen und so, wie sieht er dann erst bei einem gut geschossenen Foto aus? Er scheint vor Selbstbewusstsein zu strotzen und das kommt sicher nicht von ungefähr.“ Ino sah schon fast trotzig aus, wie sie ihren Uchiha verteidigte. „Er fährt bestimmt einen schicken Wagen, der im Sonnenlicht glitzert. In Silber. Oder Tiefschwarz. Vielleicht auch blau.“
Ich fuchtelte mit der Hand vor ihrem Gesicht und kicherte amüsiert. „Erde an Ino. Was ist das nur mit dir und glänzenden Objekten? Man könnte ja fast schon denken, du seist mit einer Elster verwandt.“
Temari stieß ein glockenhelles Lachen aus und klopfte meiner Mitbewohnerin auf die Schulter. Ihre Augen lagen dabei auf mir. „Sakura, du weißt doch, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“
Ich grinste. Inos Mum liebte funkelnde Kleider, glitzernden Schmuck und alles, was teuer war. Ino schob die Unterlippe vor und verschränkte schmunzelnd die Arme vor der Brust. „Was ist so verkehrt daran, die schönen Dinge im Leben zu schätzen?“
Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und versöhnlich bot ich ihr die Hälfte meines Muffins an, den sie ein wenig schmollend entgegen nahm. „Ihr seid manchmal bescheuert“, brummte Ino.
Temari und ich lachten beide auf. „Also, zurück zu dir, Sakura. Wann gehst du denn nun nach Tokio?“ Inos Aufmerksamkeit lag nun ebenfalls auf mir.
„Ich sollte ungefähr gegen sieben los. Ich werde mit dem Zug fahren.“
Ino verzog angewidert ihren Mund, während Temari mir einen mitleidigen Blick zuwarf. Ich lächelte schwach. „Zugfahrten sind halb so schlimm. Ich kann mich da optimal aufs Interview vorbereiten.“
Ino stopfte sich einen Krümel in den Mund. „Du weißt, dass die Fahrt drei Stunden dauert?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Komm doch mit“, witzelte ich. „Du kannst mir mehr von den Typen erzählen, auf die ich eventuell stoßen könnte.“
„Ts. Nie im Leben. Ich genieße es, wenn du weg bist und spring wie ein Teenager auf deinem Bett herum.“
„Und Cindy Lauper singt nur für dich Girls just wanna have fun“, prustete Temari.
Mein Grinsen wurde breiter. „Mein Zimmer wird verschlossen sein.“
Als wir am späten Nachmittag zuhause ankamen, wartete bereits Sai ungeduldig wirkend vor der Tür. Ich grüßte ihn im Vorbeigehen und sprang die Treppenstufen hinauf, um den beiden ein wenig Privatsphäre bei der Begrüßung zu geben. Immerhin war ich es, die Ino so für sich beansprucht hatte und nach ihrem Schulmädchenauftritt, was das Schwärmen für wildfremde Männer anging, konnte ich eine kleine Pause von ihr gut gebrauchen. Ich schnappte mir aus der Küche eine Flasche Rotwein und ein Glas, dann kämpfte ich gegen den Drang an, mir noch die Mint Chocolate Chip Ice Cream von Ino zu nehmen. Immerhin war das unser Notfalleis, wenn Männer bescheuert waren oder der Chef zu sehr herum stänkerte.
Ich summte, während ich im Badezimmer das Wasser in die Wanne und das Lavendelöl hinein tröpfeln ließ. Nachdem ich das Radio in der Ecke eingeschaltet hatte, flogen Jeans und Shirt in den Wäschekorb und schneller denn je band ich meine Haare im lockeren Dutt zusammen. Jetzt kam das Beste: Ich konnte meine müden Knochen ins heiße Wasser gleiten lassen und stieß einen wohligen Seufzer aus. Ich lehnte mich zurück und genoss die prickelnde Wärme, die durch meine Haut kroch und die Verspannung in meinen Schultern zu lösen schien. Ich sollte unbedingt öfter baden und weniger duschen. Im Radio trällerte Carrie Underwood und ich ließ mich weiter von Lavendel und Wärme einlullen. Als das dumpfe Surren meines Handys zu hören war, öffnete ich meine Augen. Das Wasser schwappte, als ich mich aufsetzte und zur Ablage blickte, auf der mein Telefon fröhlich vor sich hin vibrierte. Ich schnaubte und wollte das Klingeln bereits ignorieren, als sich mein Körper bereits selbständig aus der warmen Umarmung des Badewassers wandte. Eine Gänsehaut krabbelte über meinen Körper, als die kühle Luft mich einhüllte. Schnell zog ich ein Handtuch aus dem Schrank und wickelte mich damit ein, bevor ich mit nassen Füßen über die kalten Fliesen huschte, um das Telefon entgegen zu nehmen. Meine Wangen färbten sich augenblicklich rot, während mein Herz in meiner Brust zu zerfließen schien. Wo war dieses Gefühl nur hergekommen? Ich befeuchtete meine Lippen. Die kühle Luft war mit einem Schlag irrelevant und lächelnd klickte ich auf den grünen Button. „Hi“, brachte ich fast atemlos über meine Lippen. „Hi“, entgegnete er. Seine tiefe Stimme sorgte dafür, dass sich die feinen Härchen am Nacken aufstellten und ein winziges, ungewolltes Aufkeuchen kam über meine Lippen. „Schön, dass du anrufst“, hauchte ich und ging zurück zur Wanne. Ich ließ mich auf den Rand nieder und schlug die Beine übereinander. Dabei fiel mir auf, dass ich sie unbedingt wieder rasieren musste. „Gut in Fukuoka angekommen?“ Ich spürte Freude in mir. Er rief mich an. Von sich aus. Ich lächelte breit. „Hab mich schon gefragt, ob du dich überhaupt meldest. Also, ehm, nicht dass ich gewartet habe.“ Und ehrlicherweise hatte ich wirklich nicht direkt darauf gewartet. Immerhin war ich den ganzen Tag über mit Ino unterwegs gewesen und erstaunlicherweise gab es kaum eine Minute, an der ich an ihn dachte. Ich biss mir auf die Unterlippe. Er lachte, ein müheloser Atemstoß gegen den Telefonhörer und meine Wangen glühten. Wusste dieser Kerl, was er allein mit seiner Stimme bei einer Frau verursachen konnte? Als ein Kribbeln meinen Hals entlang lief, fuhr ich mit meiner freien Hand darüber. Ich hüstelte. „Wie war die Anreise?“, fragte ich.
„Ganz ok.“ Ich seufzte innerlich auf. Wieso rief er mich an, wenn man ihm alles aus der Nase ziehen musste?
„Hoffentlich hast du ein anständiges Hotelzimmer.“
„Ja, hab ich“, antwortete er monoton. „Meine Mutter lässt dich grüßen.“ Überrascht stieß ich ein „Oh?“ aus. „Sie hat eben angerufen und sich nach dir und deinem Date erkundigt.“
„Das ist aber nett von ihr.“ Ich schloss seine Mutter schon jetzt ins Herz. Ein dicker kalter Tropfen fiel von meinem Haar auf meinen nackten Oberschenkel. „Warte mal kurz“, stieß ich hervor. Vorsichtig legte ich das Handy ab und glitt wieder an das warme Wasser. Einen wohligen Laut konnte ich nicht vermeiden. Ich beugte mich zum Telefon und hob es erneut an mein Ohr. „Badest du?“, fragte er amüsiert klingend. Ich lächelte und nickte, auch wenn er das nicht sehen konnte. „Ich hab das unbedingt gebraucht.“ Es entstand eine kurze, aber angenehme Stille und das ruhige Atmen, das durch den Telefonhörer kam, entspannte mich umso mehr. Ich hörte das Rascheln einer Decke und das Zischen einer Wasserflasche. „Liegst du schon im Bett?“, bemerkte ich.
„Hn. Muss morgen ziemlich früh raus.“
„Wann musst du denn aufstehen?“
Er schien sich auf die Seite zu legen. „Gegen sechs.“
Ich fuhr mit meiner Hand an der Wanne entlang und genoss die Kühle, die von ihr ausging. „Soll ich dich wecken?“, bat ich scherzhaft an.
„Du bietest dich also als persönlichen Weckdienst an?“
Ein Lachen entrann mir. „Ich bin effizienter darin, als du denkst. Ino muss auch ständig geweckt werden.“ Erneut hüllte uns Stille ein und ich erinnerte mich an eines unserer ersten Gespräche. Ich kicherte.
„Was ist so lustig?“
„Nun, mir fiel nur ein, warum du Single bist.“
„Ach?“ Ich stellte mir vor, wie er dabei eine Augenbraue hob und mich betrachtete. Bei dem Umstand, dass ich mir überhaupt nicht bewusst war, wie er aussah, war es ein lustiger Gedanke. „Deine wortkarge Art. Ich sollte dich daran erinnern, dass du beim Fortfahren deiner Strategie irgendwann unverheiratet, fett und vereinsamt sterben wirst.“ Er lachte auf und meine Zehen kribbelten verzückt. Es klang wunderschön. Das schönste Lachen, das ich kannte.
„Vielleicht ist das keine Strategie.“
„Ach, nicht?“ Meine Lippen kräuselten sich amüsiert. Ino würde tanzend durchs Zimmer hüpfen und alle attraktiven Junggesellen der High Society ignorieren, wenn sie in den Genuss gekommen wäre, der Stimme von Sasuke zu lauschen.
„Das nennt sich Charakter.“
„Ein ziemlich ausgeprägter Charakter.“
„Liegt in den Genen, schätze ich“, erwiderte er ruhig. Wieder hörte ich das Rascheln der Decke. Das Hotelbett schien wohl nicht ganz so bequem zu sein.
„Deine Mutter machte auf mich allerdings einen viel gesprächigeren Eindruck.“
„Willst du eventuell ihre Nummer? Sie wäre sicherlich entzückt mit dir zu plaudern.“
„Nur, wenn ich es überhaupt nicht mehr mit dir aushalte.“
Sasuke schnaubt amüsiert. „Sakura, es klopft auf der anderen Leitung und es ist recht spät.“
Enttäuscht holte ich Luft. „Dann, schlaf gut.“
„Zieh dir Morgen was Wetterbeständiges an. Es gibt eine Unwetterwarnung. Bis dann.“ Noch bevor ich ein „Bye“ verlauten konnte, hörte ich bereits das Tuten.
Die Vorfreude auf Tokio stieg.
Es fühlte sich an, als käme ich ihm mit meinem Besuch noch ein Stück näher.