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You gotta make me move

(Royai)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach über einem Monat Pause kommt nun endlich Kapitel 8. Während ich es weiter schrieb hörte ich den OST zu Everybodys's Gone to the Rapture. https://www.youtube.com/watch?v=6t-5oC6ageo
Ein wundervoller Soundtrack, der es mir möglich gemacht hat, dieses Kapitel endlich weiterzuschreiben. Hört während des Lesens doch einfach mal hinein, wenn ihr mögt.
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Tonight, this war is easily lost

Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen. Roy klammerte sich an seine Tasse, hatte dabei den Blick gesenkt und kaute angestrengt auf seiner Unterlippe herum, welche schon leicht wund war. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand trommelte er nervös auf der Tischplatte herum, was den Blonden noch wahnsinnig machen würde. „Chef. Jetzt lass das doch bitte. Dadurch wirst du auch nicht schneller erfahren wie es ihr geht“, versuchte Havoc auf ihn einzureden, wofür er nur ein leises Seufzen und eine kleine Pause der nervösen Leiden bekam.

Jene Leiden begannen nach wenigen Minuten ein weiteres Mal. „Ich geh eine rauchen“, gab Havoc genervt von sich, während er aufstand und die Kantine verließ. Der Flame Alchemist sah das ganze nicht so eng und tippte einfach weiter auf dem Tisch herum. Er wollte endlich wissen wie es ihr ging. Er wollte wissen wie schlimm ihre Verletzungen waren und ob sie lebte. Ihr Gesicht war ganz heiß, als er sie berührt hatte. Sie musste unheimlich starkes Fieber haben. Wieder der stechende Schmerz in seiner Lippe, als er fester darauf biss und das erdrückende Gefühl in seiner Brust, während er die Minuten dort unten in dem kleinen dreckigen Raum Revue passieren ließ. Er hätte es ihr sagen sollen. „Verdammt...“, vielleicht hatte er nicht mehr die Chance dazu. Roy legte den Kopf in den Nacken und schluckte schwer, ehe er den Blick schweifen ließ. Es war kaum noch jemand hier, kein Wunder, immerhin war es schon fast Mitternacht.

Ein greller Blitz erhellte die Kantine für den Bruchteil einer Sekunde, was den Flame Alchemist zusammenzucken ließ. Entkräftet fuhr er sich über sein Gesicht und schluckte schwer. Er fühlte sich unwohl. Er konnte den Anblick seiner Untergebenen nicht verdrängen. Wie schwach sie war, wie fiebrig, all die Verletzungen, ihr vergeblicher Versuch ihm etwas zu sagen. Leicht runzelte Roy die Stirn. „Stimmt.., sie wollte mir etwas mitteilen, bevor sie bewusstlos wurde... Aber was...?“, unschlüssig blickte er zum Fenster, gegen welches der starke Regen prasselte, den der heftige Wind dagegen preschte. Hoffentlich konnte er sie noch danach fragen und es war nicht zu spät dafür.
 

Den Kopf an die kalte Hauswand gelehnt, den Blick starr gen Himmel gerichtet, zog der Blonde an seiner Zigarette, ehe er den Qualm zwischen den Lippen hervor blies. Seine freie Hand hatte er in seiner Hosentasche vergraben, das linke Bein angewinkelt an die Wand gedrückt. „Wehe du überlebst nicht, Hawkeye. Damit würdest du ihn vollends in den Abgrund stoßen...“, Jean senkte den Blick, sodass seine Haare sein Gesicht verdeckten. Fest biss auch er sich nun auf die Unterlippe und schluckte schwer. Er hatte nie vermutet, dass es ihm so nahe gehen würde. Aber sie war nicht nur eine Kollegin für ihn. Sie war seine Freundin. Die beiden hatten schon eine Menge mitmachen müssen, wenn es um den Oberst ging. Sie verstanden sich, auch wenn hin und wieder Unstimmigkeiten herrschten und sie ihn genauso oft wie den Schwarzhaarigen ermahnen musste seine Arbeit zu machen. Es wäre nicht verkraftbar, würde sie sterben.

„Havoc!!“ „Huh?“, mit in falten gezogener Stirn sah er auf. „Catalina? Was machst du hier? Wieso bist du nicht im East Hauptquartier?“ „Ich hab das von Riza gehört... Wie geht es ihr?“, die Dunkelhaarige war völlig durchgefroren und bis auf die Knochen durchnässt von dem Regen. Sie zitterte leicht, doch nicht nur weil ihr kalt war. Sie machte sich unglaubliche Sorgen um die Blonde. „Komm erstmal mit rein. Ich geb dir einen Kaffee aus“, Havoc legte sachte seinen Arm um ihre Schulter, damit er sie in das Gebäude bringen konnte. Rebecca dankte ihm mit einem kurzen Nicken. „Wir wissen leider noch gar nichts. Weder wie es ihr geht, noch was sie im Augenblick mit ihr machen. Nur, dass sie vielleicht operiert wird. Aber selbst das wissen wir nicht genau...“, erklärte der Blonde leise und sah zu der Kleineren. „Verstehe... Wie konnte das eigentlich passieren? Ich meine.... Sie ist doch so stark. Wie kann sie da... Ich verstehe es nicht...“, Jean konnte ihr ansehen, wie sehr sie sich um ihre Freundin sorgte. „Setz dich erstmal“, meinte er schließlich, als sie wieder in der Kantine waren. Für einen Moment legte sich sein Blick auf den Oberst, welcher wie in Trance aus dem Fenster blickte. Er schien sie nicht einmal zu bemerken. „Warte hier, ja?“, Havoc ging zu dem kleinen Automaten und holte für Rebecca und den Oberst einen Kaffee. Den ersten brachte er zu ihr und den anderen zu ihm. „Hier“, er stellte den Becher auf den Tisch und besah sich den Älteren. Wortlos griff er an seine Schulter, drückte sie aufmunternd und ging wieder zu der Dunkelhaarigen. „Hat Grumman dich einfach gehen lassen?“, Rebecca schüttelte leicht lachend den Kopf, als Havoc sie das fragte, nachdem er sich gesetzt hatte. „Nein... Ich war ihm wohl keine große Hilfe im Moment. Er hat erfahren, was hier vor sich geht und hat uns davon berichtet. Er meinte, falls ihr es alleine nicht schafft, dann sollen wir uns bereit machen, um euch zu helfen. Na ja... Als ich schließlich gehört hab, dass Riza schon seit ein paar Tagen vermisst wurde und es unklar ist ob sie noch lebt, da... Ich weiß auch nicht... Ich hab nicht mehr funktioniert und hab mir ständig Sorgen gemacht. Das hat den alten Herrn wohl etwas genervt“, wieder lachte sie, jedoch nur um ihre Trauer zu vertuschen. „Er hat mich dann hier her geschickt, damit ich endlich etwas zur Ruhe komme und gleich bei ihr sein kann“, erklärte sie leise und trank einen Schluck von dem Kaffee. „Aber... wie geht es ihm?“, ihr Blick huschte hinüber zu dem Oberst, welcher mittlerweile nach dem Becher gegriffen hatte und noch immer dem Unwetter zuschaute. „Ich würde lügen, würde ich sagen er ist am Boden...“, er war mehr als das. „Es geht ihm nicht gut. Er macht sich Vorwürfe...“, Jean senkte den Blick und sah auf seine Hände. „Aber wir konnten nichts machen. Jedenfalls nicht früher. Wir hatten keinen Anhaltspunkt, an dem wir hätten suchen können...“, erklärte der Blonde und senkte den Blick, vorsichtig legte er Daumen und Zeigefinger an seine Augen und strich sich darüber, um die aufkommenden Tränen zu verbergen und zu verscheuchen. „Ich hätte nie gedacht, dass mir das ganze so nahe geht...“, meinte er mit einem leisen Schnaufen. „Jean... Sie ist unsere Freundin. Natürlich geht uns das nahe“, versuchte Rebecca ihn zu beruhigen. „Hu...scheiße...“, er schniefte und wischte sich nun mit dem Handrücken über die Augen. „Sorry. Ich sollte dich eher aufmuntern, anstatt selber zu heulen“, die Dunkelhaarige schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Schon okay. Du kannst nichts dafür“, zärtlich streichelte sie über seine Hand. „Was... Was ist wenn sie es wirklich nicht überlebt? Ich weiß nicht wie schwer ihre Verletzungen sind, aber... Wenn ich sehe wie sehr Mustang leidet... Es muss schlimm sein...“, Havoc wollte nicht daran denken, was wäre wenn Riza wirklich sterben würde, aber er konnte nicht anders. Er wüsste nicht, wie er Roy je wieder aufbauen konnte, wenn dieser Fall wirklich eintreten sollte. „Jean Havoc! Sie wird nicht sterben! Verstanden? Wage es dir ja nicht noch einmal daran zu denken, du Idiot!“, Rebecca schluckte schwer, brach aber dennoch in Tränen aus. Schwere Schluchzer verließen ihre Kehle. Um ihr Gesicht zu verstecken legte sie ihre Hände darüber und weinte stumm weiter. Jean stand schweigend auf und setzte sich neben sie, ehe er seine Arme um sie legte und sie bestimmend und tröstend an sich zog. „Scchh...“, sanft wiegte er sie hin und her, versuchte so sie wieder zu beruhigen. „Es wird alles wieder gut... Alles wird gut... Sie schafft das. Hörst du? Sie wird überleben. Sie ist stark... Stärker als wir alle zusammen...“, Havoc drückte ihren Kopf fest an seine Brust und sah zu Roy. Er schien gar nichts mitzubekommen, dabei war Rebeccas weinen laut und herzzerreißend, weil sie es nicht schaffte weiterhin leise zu sein. Es nahm sie schrecklich mit zu wissen, dass sie nichts weiter tun konnte als warten und beten. Riza war ihre beste Freundin... Sie durfte einfach nicht sterben.
 

„Mustang!“, drang nach einer Weile die Stimme von Knox durch die Kantine. Sie klang nicht sonderlich vielversprechend und als Roy aufsah lag pure Verzweiflung auf seinen Gesichtszügen, weil die Stimme des Arztes in seinen Ohren vernichtend klang. „Knox...“, schwach erhob sich der Schwarzhaarige und trat zu dem Arzt. „Wissen Sie etwas?“ „Nicht viel. Die Ärzte wollen mir nichts sagen. Aber ich konnte eine der Schwestern fragen“, der Ältere schien nicht mit der Sprache herauszurücken, was Roy fast wahnsinnig machte. „Nun sagen Sie schon etwas!“, herrschte er den Arzt verzweifelt an, welcher den Kopf kurz senkte. Er war nicht der Typ, der etwas schwer nahm und selber ein wenig traurig wurde, wenn es einer Patientin nicht gut ging und sie schwer verwundet war, aber in diesem Fall nahm es auch ihn ein klein wenig mit. „Sie... liegt noch im OP. Die Schwester wirkte sehr hektisch und hat angedeutet, dass Hawkeye es wohl... nicht schafft...“, beendete er nach einer kurzen Pause seinen Satz.

Roy wurde blass. „Nein.... nein... das... das geht nicht.... sie... sie kann nicht...“, wie in Trance lief er an Knox vorbei und aus der Kantine. Er musste zum OP. Riza... Riza.... du musst überleben.... tu mir das nicht an... Oh Gott, bitte nicht.... das darf nicht sein! Roy rannte. Seine Füße trugen ihn einfach nur. So lange bis er vor der großen Flügeltür stehen blieb, welche zum Operationssaal führte. „Riza!“, schrie er, in der Hoffnung sie könnte ihn hören. „Bitte stirb nicht! Ich muss.... Ich muss dir doch noch etwas sagen..! Tu mir das nicht an, verstanden?! Das ist ein Befehl, verdammt!!!“, Roy sank auf die Knie. Er fühlte sich so schrecklich hilflos. Wäre Hughes doch nur hier... Er brauchte ihn so sehr an seiner Seite. Ein tiefer Schluchzer drang über seine Lippen und der Schwarzhaarige weinte bitterliche Tränen. „Beeil dich!“, hört er aus dem OP und eine der Schwestern rannte an ihm vorbei. „Was ist los?!“, verzweifelt sah er ihr nach. Wenig später kam sie mit mehreren Blutkonserven wieder. Roys Sorge wurde schlimmer. Er ahnte schreckliches. „Bitte nicht...“, sprach er erstickt, ehe er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Schweigend setzte sich Havoc vor ihn auf den Boden und zog ihn wortlos an sich und in seine Arme. Eine Hand ruhte auf Roys Rücken, die andere lag auf seinem Hinterkopf und drückte ihn an seine Schulter. Der Schwarzhaarige ließ es einfach geschehen, vergrub dabei sein Gesicht an seiner Halsbeuge und ließ seinen Tränen freien Lauf, während er sich eng an ihm festhielt, seine Finger dabei so sehr in sein Oberteil krallte, bis seine Knöchel weiß hervor traten. Wortlos wiegte er ihn ein kleines bisschen hin und her und versuchte ihn irgendwie zu beruhigen. Blaue Augen sahen auf, als sich ein Schatten über die beiden Männer legte. Rebecca versuchte irgendwie aufmunternd zu lächeln, schaffte es aber selber kaum. Nach einigen Minuten rutschte Jean mit Roy im Arm an die Wand, um sich anzulehnen. Er wollte ihn nicht loslassen, er wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine war, weswegen er ihn noch ein wenig enger an sich drückte. Roys Tränen versiegten nicht, aber sein schluchzen wurde leiser, bis er irgendwann tatsächlich vor Erschöpfung in Jeans Armen eingeschlafen war. Die Schwarzhaarige setzte sich schließlich neben den Blonden und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Das warten machte sie ganz nervös und sie wusste nicht, wie lange sie es noch aushalten würde. „Warum dauert das denn nur so lange?“, unsicher sah sie auf ihre Hände, eine davon hatte sich krampfhaft in Jeans Hose festgekrallt.

„Versuch ruhig zu bleiben... sie sagen uns sicher bald Bescheid. Wir können im Augenblick eh nichts machen..“, versuchte Havoc sie zu beruhigen. „Ich weiß... aber sie ist nun schon mehrere Stunden dort drinnen und wir wissen immer noch nichts. Ich will mich nicht auf die Worte von Dr. Knox verlassen... Ich will nicht... Sie kann nicht einfach so sterben..“, Rebacca schluckte schwer und stand wieder auf. Einen Arm legte sie über ihren Bauch, weil ihr unangenehm schlecht wurde, den anderen Arm stützte sie mit dem Ellenbogen auf ihm ab und legte ihre Hand vor ihren Mund, während sie nervös auf und ab lief. Havoc versuchte das ganze zu ignorieren. Wenigstens er wollte einen gewissen Ruhepol für die beiden bilden. Roy schlief noch immer und wurde auch die ganze Zeit nicht munter. Sein Kopf lag mittlerweile auf Jeans Schoß und dessen Arm lag schützend auf seiner Taille. Jeans Blick war auf einen unbestimmten Punkt auf der Wand vor ihm gerichtet. Er versuchte sich selber zu beruhigen, dass alles gut gehen würde und dass Riza alles überstand und bald wieder fit war. Nach ein paar Wochen würde sie wieder im Dienst sein und ihnen drohen, wenn sie ihre Arbeit nicht machten oder wenn wieder ein paar Stapel Papiere liegen blieben, weil sie zu faul waren und lieber schnell ins Wochenende entschwinden wollten. Bald hätten sie wieder die wachsamen Augen des Falken über sich und brauchten sich keine Sorgen mehr machen. Alles würde gut werden und auch Roy würde es wieder besser gehen. Er wäre wieder ihr Oberst und würde vor allem ihn, Havoc, wieder eifersüchtig machen, weil er wieder wie jedes Wochenende eine hübsche junge Dame bei sich hatte und er nicht. „Scheiße...“, murmelte er leise und wischte sich über die Augen. Das alles war zu viel für ihn. Zu viel für sie alle.
 

Weitere Stunden vergingen und noch immer saßen sie mitten im Gang und warteten auf die erlösende Nachricht. Doch die kam nicht. Roy war mittlerweile wieder munter, sprach aber kein einziges Wort. Er hatte sich neben Havoc an die Wand gelehnt, ein Bein stand angewinkelt, das andere lag ausgestreckt daneben. Den Kopf hatte er in den Nacken gelegt und so starrte er schweigend an die Decke. Er wusste ohnehin nicht, was er sagen sollte. Rebecca hatte ihnen in den vergangenen Stunden mehrere Male einen Becher Kaffee gebracht, damit sie einigermaßen munter blieben und nicht verpassten, wenn sie Riza aus dem OP brachten. Doch dieser Augenblick schien Äonen entfernt zu sein, so fühlte es sich jedenfalls für die drei Sorgenden an.

„Ich halte das nicht mehr aus...“, murmelte Rebecca nervös und lief auf und ab. Havoc seufzte nur leise und Roy ging gar nicht erst darauf ein. Er war in seiner eigenen Welt und ging noch einmal alles durch, was in der letzten Zeit passiert war. Erst griff man sie an und verletzte sie schwer, weil er so von sich überzeugt war, dass sie das schaffen würde und dass es ein Kinderspiel für die junge Frau war, sich diesen Monstern zu stellen. Dann bedrohte man sie und er konnte nichts weiter machen außer darauf zu hoffen, dass nichts passierte, während Havoc und die anderen auf sie aufpassten und dennoch konnten sie es nicht schaffen sie zu schützen. Rizas Entführung und ihr derzeitiger Zustand, ihr schrecklicher Zustand, machten Roy fertig. Seine Nerven waren am Ende, genauso wie er selber. Er konnte nicht mehr. Er wusste einfach nicht mehr weiter.

Wieder einmal machte er sich Vorwürfe, dass er sie nicht beschützen konnte, auch wenn er wusste, dass es nicht seine Schuld war. Vielleicht aber hätte er sie beschützen können, wenn er an ihrer Seite geblieben wäre.

Ein schweres Seufzen verließ seine Lippen und er dachte über die Worte nach, die sie ihm sagen wollte. 'Ich Lie-'? Was wollte sie damit sagen? Der Alchemist dachte nicht im entferntesten daran, dass sie ihm diese drei magischen Worte sagen würde. Auch wenn er sich eingestehen musste, dass es ihn freuen würde sie aus ihrem Mund zu hören. Nicht nur das. Roy stand auf und lief zum anderen Ende des Ganges, stellte sich ans Fenster und lehnte seine Stirn gegen die kühle Scheibe, an welche noch immer der unaufhörliche Regen prasselte. Ihm war schon lange klar, was er für diese eine Frau empfand. Natürlich hatte er sich mit anderen Frauen getroffen, doch daraus war nie etwas ernstes geworden und zudem versuchte er damit seinen eigenen Schmerz zu überdecken. Wenigstens für die Nacht wollte er nicht immerzu an Riza denken müssen. An ihr goldenes Haar, welches in der Sonne schimmerte wie süßer Honig. An ihre kirschholzfarbenen Augen, die ihn mit einem einzigen Blick aus der Fassung bringen konnten. An ihre zarten Hände, die schon so vielen Menschen das Leben genommen hatten. An ihre Stimme, die in seinen Ohren klang, wie das sanfte Vogelgezwitscher an einem schönen Sommermorgen.

Doch war es ihm nicht erlaubt einen Kameraden zu lieben. Die Gesetzte verboten es ihnen, machten es ihnen unmöglich eine Beziehung zu führen. Ergeben schloss er seine Augen und schluckte die aufkommenden Tränen hinab.

Er wollte sie nicht verlieren... Er konnte sie nicht verlieren. Roy würde alles tun, damit sie überleben würde. Er würde sich selber opfern, nur damit sie weiterleben durfte. Schon wieder kramte er in seinen Erinnerungen nach der Formel einer menschlichen Transmutation, wie zu Hughes Beerdigung. Nein. „Tu mir das nicht an...“, schluchzte er leise, ehe er die Luft scharf einzog und sie geräuschvoll wieder aus seinen Lungen und zwischen seinen Lippen hervor presste. Mit der Faust schlug er verzweifelt gegen die kalte Fensterscheibe und senkte den Blick, sodass sein Pony seine Augen verdeckte. Havoc stand sofort auf, als er es hörte und sah wie die Verzweiflung erneut in dem Schwarzhaarigen aufstieg. Mit festen Schritten eilte er zu ihm und zog ihn in eine feste Umarmung, um ihm zu zeigen, dass er da war. Wie ein Ertrinkender krallte sich Roy an ihm fest und weinte erneut herzzerreißend. „Sie darf nicht sterben...“, jammerte er. Havoc strich ihm beruhigend über den Rücken. „Das wird sie nicht. Sie wird nicht sterben“, versuchte er ihm klarzumachen, auch wenn er selber die Befürchtung hatte, dass sie sterben könnte. Sie war schon viel zu lange in dem Operationssaal und schon viel zu oft kam eine der Schwestern hinaus gestürmt, um eine weitere Blutkonserve zu holen.

Rebecca stand etwas entfernt hilflos im Gang und wusste nicht, was sie tun sollte. Roys Verzweiflung nagte an ihr und ihre Sorge um Riza wurde immer größer. In seinem Verhalten sah sie eindeutig, was er für sie empfand und die Blonde konnte froh sein, einen solchen Mann an ihrer Seite zu haben, auch wenn sie nicht durch eine Beziehung verbunden waren. Ihre Herzen gehörten schon längst einander und Rebecca wusste, dass ihre Freundin mit Sicherheit keinen anderen Mann in ihr Herz lassen würde, als Roy. Niemand anderes würde es je schaffen ihr Herz zu erobern. Sie wusste um das Versprechen ihrer Kameradin und sie wusste auch, dass Riza schon längst hätte im Rang aufsteigen können. Doch Roy zu Liebe und wegen dem Versprechen, ihn zu schützen, blieb sie in ihrer derzeitigen Position, nur damit sie bei ihm bleiben konnte. Für Becca war dies eindeutig Liebe. Tiefe, innige Liebe. Und auch Havoc war sich dem nun bewusst. Jeder der Roy im Augenblick erlebte, wusste oder ahnte zumindest, wie es um seine Gefühle stand. „Na komm. Setz dich...“, er legte seinen Arm um seine Schultern und führte ihn zu den Stühlen vor dem OP. Nur langsam folgte Roy ihm und setzte sich schließlich. Wie ein nasser Sack ließ er sich auf die Sitzfläche fallen und blickte wie in Trance irgendeinen Punkt auf dem Boden an, während ihm unaufhörlich Tränen über die Wangen liefen.
 

Zwei weitere Stunden waren vergangen, in denen der Oberst sich zwar beruhigt hatte, aber dennoch immer wieder in Tränen ausbrach und verzweifelte. Hundertzwanzig Minuten in denen der Blonde immer wieder auf's Neue versuchte ihn zu beruhigen. Hundertzwanzig Minuten in denen Rebecca immer klarer wurde, was Roy empfand.

Und dann – endlich – wurde sie aus dem Saal gebracht. Hektisch stand Roy auf und wollte zu ihr, doch der Arzt hielt ihn mit einem leichten Kopfschütteln auf. Augenblicklich blieb er stehen und mehr Verzweiflung als jemals zuvor schimmerte in seinen Augen. „Was... Wie... wie geht es... ihr?“, fragte er vorsichtig nach. Er wollte nicht hören, dass sie es nicht geschafft hatte. Er wollte das nicht. Weder Roy, noch Havoc oder Rebecca hatten einen Blick auf die Blonde werfen können, weil der Arzt ihnen den Weg versperrt hatte, während man ihr Bett wegfuhr. „Setzen Sie sich bitte“, sprach der ältere Herr mit ruhiger, tiefer Stimme. Nur ungern kam Roy der Aufforderung nach, doch Havoc zog ihn mit sich nach unten. Der Arzt setzte sich ihnen gegenüber. „Es sieht schlecht aus. Wir haben getan was wir konnten, aber ihre Verletzungen sind sehr schwer. Eine Milzruptur, mehrere innere Blutungen, ein paar gebrochene Rippen, die Schusswunde an der Schulter hat sich infiziert, weswegen sie sehr hohes Fieber hat, welches ihren Körper zusätzlich schwächt. Wir wissen nicht, ob sie die nächsten 24 Stunden überlebt“, erklärte der Ältere ruhig. Roy schüttelte leicht den Kopf. „Kann.... kann ich zu ihr? Ich.... ich will... will bei ihr... sein... Bitte..“, ein Seufzen drang über die Lippen des Arztes, ehe er nickte. „Schön. Aber nur Sie. Es wäre nicht förderlich, wenn zu viele Personen bei ihr wären“, Roy sah zu Havoc und Rebecca, welche beide nickten. „Geh nur“, sie brauchte ihn jetzt bei sich. Mit einem dankenden Blick stand Roy auf und ließ sich zu ihrem Zimmer bringen. Leise, andachtsvoll und vorsichtig betrat er es. Sie sah schrecklich aus. Ein großes Pflaster zierte ihre Schläfe, sowie ein kleineres ihre Unterlippe. Blutergüsse wohin das Auge reichte. Der Verband um ihre Schulter war noch sichtbar. Den Rest konnte und wollte Roy nicht sehen. Er schluckte schwer und setzte sich an ihr Bett. Ganz vorsichtig, als würde sie jeden Augenblick einfach verschwinden, nahm er ihre Hand in seine und streichelte leicht über ihren Handrücken. „Riza?“, sprach er mit erstickter Stimme. „Kannst du mich hören?“, fragte er leise und schüttelte den Kopf. „Sicher nicht... Aber... Bitte stirb nicht. Ich.. würde es nicht ertragen... wenn du nicht mehr bei mir wärst. Ich weiß, dass ich vielleicht gerade ziemlich verweichlicht klinge, aber... ich will dich nicht verlieren... Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen soll. Ich... Riza... Bitte... Es gibt noch etwas so wichtiges, was ich dir sagen will... Bitte bleib bei mir, damit ich es dir sagen kann... Ich würde mich hassen, wenn ich keine Chance mehr dazu habe... Ich bitte dich inständig“, zärtlich hauchte er ihr einen Kuss auf die Hand und sah zu ihr hinauf. Sie sah aus, als würde sie einfach nur schlafen und nicht als würde sie am Abgrund zum Tod stehen.

Erneut stiegen die Tränen in ihm hoch und er weinte stumm. Es war fürchterlich sie so zu sehen. Sie war so stark und nun... ihre Haut war so weiß wie zerbrechliches Porzellan und fast auch so kühl. Roy versuchte wenigstens ihre Hand zu wärmen, versuchte ihr etwas von seiner eigenen Wärme abzugeben, nur damit sie überlebte. Nur damit sie nicht starb.

Bald war er eingeschlafen, noch immer hielt er ihre Hand in seiner. Er wollte sie nicht loslassen, aus Angst sie würde wirklich einfach weg sein, wenn er wieder aufwachte. Noch immer wütete das Unwetter, als wollte es Roys momentane Stimmung einfangen. Getrübt, schwach, verzweifelt.
 

„Meinst du sie schafft es?“, Rebecca hatte sich vorsichtig an Jeans Schulter gelehnt und sah stumpf aus dem Fenster. „Mit Sicherheit. Du weißt doch wie stark sie ist. Sie wird nicht einfach sterben“, versuchte er sie zu beruhigen, auch wenn er selber Zweifel hatte. Wenn sie die nächsten 24 Stunden überlebte... dann würde sie wieder gesund werden. Einen ganzen Tag mussten sie noch warten und bangen und vor allem hoffen. Darauf hoffen, dass sie es schafft und darauf, dass sie nicht auch noch den Oberst verlieren würden. Denn da war sich Havoc sicher: Würde Riza sterben, dann würden sie auch Roy verlieren. Seine Liebe würde über den Tod hinaus gehen. Jean schluckte schwer. „Ich hab Angst,...“, flüsterte er leise und spürte ein sanftes Nicken an seiner Schulter. „Ich auch... Ich habe auch schreckliche Angst, dass sie es nicht schafft. Wie gern würde ich bei ihr sein, damit sie weiß, dass sie nicht alleine ist“, doch überließ sie viel lieber Roy diesen Platz. Nur er sollte jetzt bei ihr sein. „Er liebt sie, nicht wahr?“, flüsterte sie leise. „Über alles...“, das hatten sie beide sehen können. Seine Verzweiflung, sein Flehen, dass sie überleben sollte, seine unendliche Trauer, als der Arzt kam und ihnen sagte, dass sie nur noch hoffen und beten konnten. All das zeigte ihnen deutlich, wie sehr er sie liebte.
 

Stunde um Stunde verging. Rizas Zustand besserte sich nicht, verschlechterte sich aber auch nicht. Niemand wusste so recht, was sie machen sollten. Hin und wieder kam eine Schwester in ihr Zimmer, kontrollierte ihre Werte und ging wieder. Roy hielt die ganze Zeit ihre Hand, streichelte sie, redete mit ihr und versuchte sich irgendwie aufzumuntern. Er erzählte ihr Geschichten, die er damals mit Hughes erlebt hatte, wenn er seinen Geburtstag mit ihm gefeiert hatte. Er erzählte ihr davon, wie er Havoc immer wieder ausgelacht hatte, wenn eine der Frauen ihn einfach hat sitzen lassen und wie der Blonde ihn dafür verantwortlich gemacht hatte, obwohl er gar nichts dafür konnte. Oder wie es drunter und drüber ging, wenn sie einmal nicht im Büro war und ihren freien Tag hatte. „Der Papierkram bleibt nun einmal einfach immer liegen, wenn du nicht da bist~“, lachte er amüsiert, doch sein Blick wurde gleich wieder traurig. „Wahrscheinlich bleibt er auch eine ganze Weile liegen, wenn du...“, er wollte es nicht aussprechen. „Wenn du hier bist und dich wieder erholst. Das Team und ich sind dann jeden Tag bei dir und gehen dir auf die Nerven~“, schmunzelte er, wobei sich wieder Tränen in seinen Augen bildeten und schließlich schwer geworden, seine Wangen hinunter liefen. „Du bist stark. Du schaffst das, nicht war? Du hast bisher alles geschafft, was du wolltest“, versuchte er sich wieder zu beruhigen.

Sie war die stärkste Frau, die er je kennengelernt hatte. Schon seit er sie damals das erste Mal gesehen hatte, hatte er etwas für sie empfunden, es jedoch aus Angst vor ihrem Vater nie zugegeben und auch danach nicht. Bis zu diesem Augenblick hatte er seine Gefühle irgendwie unter Kontrolle bringen können. Doch nun, da er vielleicht keine Chance mehr hatte, ihr zu sagen, was er empfand... Da fühlte er sich noch schlechter als zuvor und machte sich Vorwürfe. Er hätte ihr schon viel eher sagen sollen, wie er fühlte. Aber erst in Momenten, in denen man Angst hatte, dass man eine geliebte und wichtige Person verlieren konnte, wurde einem klar, wie viel einem an eben dieser Person lag. Und ihm lag so unendlich viel an Riza. Wenn sie wach war, wenn sie das hier überlebte, wusste er genau, was er zu machen hatte und er würde keinen Moment zögern. Keinen einzigen Moment mehr würde er seine Gefühle zurückhalten. Er würde einen Schritt gehen, zu dem er noch nie bereit gewesen war. Ein Schritt, der sein gesamtes Leben und das ihre verändern würde. Noch einmal küsste er ihre Hand. „Ich weiß, dass du es schaffst. Ich bin mir sicher, dass du überleben wirst“, flüsterte er ihr leise entgegen. Nur noch wenige Stunden und es würde sich entscheiden, ob sie es schaffte oder nicht, doch Roy war sich sicher: Sie überlebte.
 

21.08.2015



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: ShioChan
2015-08-30T09:24:48+00:00 30.08.2015 11:24
Ein tolles Kapitel mit viel Drama. Ich steh auf so was. Freu mich schon aufs nächste Kapitel. <3


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