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Lysergsäurediethylamid

Das Auto glitt still durch den Verkehr. Es war ein Wochentag, aber die Straßen Wiens waren nie ruhig. Simon sprach nicht viel, wir hörten Musik, die aus seinen Boxen schallten, unähnlich Jakobs, welcher ein Faible für Radiohead und alternative Musik hatte, auch wenn sich immer wieder Elemente davon in Simons Musik fanden. Die Brüder waren sich ähnlicher, als sie zugeben würden. So wie ich mich meinem alten Selbst mehr und mehr annäherte. Unklug. Aber Julia war nie durch Klugheit aufgefallen.

„Woher kennst du Julia?“ fragte Simon, und ich brauchte einige Zeit, um zu verstehen, dass ich gemeint war. Ich musste wohl bei meiner Lüge bleiben.

„Aus der Schule.“ erwiderte ich.

„Natürlich.“ Seine Lippen kräuselten sich spöttisch. Ich hob fragend eine Augenbraue.

„Als du dein Handy aus der Tasche geholt hast, habe ich deine Bücher gesehen. Julia hatte weder Physik noch Chemie, ihr Schwerpunkt lag auf Kunst... und vor allem wurde sie auf Deutsch unterrichtet. Du gehst auf die International, oder?“

Mein Schweigen reichte ihm wohl als Antwort. Simon wurde oft unterschätzt, einen Fehler, den ich ebenfalls begangen hatte. Aber er stellte keine weiteren Fragen, und steuerte anstelle dieser sein Auto in eine Parklücke. Sein Blick traf mich.

„Also, Hannah, falls das überhaupt dein richtiger Name ist... lass uns Spaß haben.“ Ich starrte zurück, wollte meinen Rucksack schultern, doch er bedeutete mir, diesen im Auto zu lassen. Spaß nach Simons Vorstellungen. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Aber sowohl Hannah als auch mir würde etwas Abwechslung nicht schaden.

Ich stieg aus, und erkannte die Gegend. Hier gab es viele Bars, aber sie waren teuer. Ich war erst einmal in einer gewesen, und hatte mir kaum ein Getränk leisten können. Später waren wir ohnehin auf private Feiern umgestiegen. Doch das war Simons Welt.

Wir steuerten auf eine Tür zu, neben dem Eingang stand deutlich „Einlass nur nach der Vollendung des 17. Lebensjahres“, aber ein Nicken von Simon reichte, um den Türsteher dazu zu bringen, uns die Tür zu öffnen.

Wir gingen durch einen Ruhebereich, an einer Tanzfläche vorbei, und durch eine Tür, auf der „Privat“ stand. Dahinter trafen wir auf Simons Freunde, etwa zehn waren anwesend. Sie begrüßten ihn, nickten mir zu. Ich war das einzige Mädchen, gab mir aber Mühe, unbeeindruckt auszusehen. Hannah hätte wohl auf dem Absatz kehrt gemacht, aber ihr Verstand geisterte wohl irgendwo in der Atmosphäre herum, also nahm ich darauf keine Rücksicht mehr.

Je weiter der Abend fortschritt, umso mehr bröckelte mein Bild von Simon. Eine junge Kellnerin brachte zwölf kleine Tabletts, genau abgezählt. Auf ihnen befanden sich ein kleines Glas mit einer klaren Flüssigkeit, wohl Vodka, ein größeres, mit einer ebenfalls klaren, aber geruchsneutralen Flüssigkeit, Wasser, wie ich feststellte, und ein winziges, mit einer dritten, klaren Flüssigkeit. Flüssiges LSD, wie ich es vor etwa zwei Jahren das erste Mal probiert hatte.

Hannah hatte noch nie Drogen genommen, und ich hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde. Als Simon und seine Freunde nach dem Glas mit Vodka griffen, tat ich es ihnen gleich. Ein Schluck Vodka. Ein Schluck Wasser. Einige Tropfen LSD. Noch mehr Wasser.
 

Alles verschwamm. Die Bilder an der Wand begannen sich zu bewegen. Die Farben verliefen in einander, in meinem Bauch breitete sich ein Glücksgefühl aus. Alle Farben wurden sanft, der Raum begann sich zu drehen. Ich wusste nicht, wie lange es schon so anhielt, nur irgendwann spürte ich Simons Hand in meiner, aus der Berührung sprossen abstrakte Blumen. Er zog mich hoch, und wir gingen drei Stunden lang nach draußen. Es war noch immer dunkel, als wir dort ankamen, aber mein Zeitgefühl hatte sich zu Hannah gesellt. Simon zog mich auf die Ladefläche eines Autos, und wir verschwanden in die Nacht.
 

Es war hell und warm als ich erwachte. Wir befanden uns auf einer Lichtung, ich lag auf einer Decke, ein bemooster Stein diente als Kopfpolster, Simon Rücken als Decke. Wir lagen von einander abgewandt in der Sonne, seine Freunde, die nun wohl auch irgendwie meine waren, auf der Lichtung verstreut, meine Hand mit der des Nächstliegenden verflochten.

Ich bewegte mich leicht, wodurch Simon aufwachte. Nach und nach setzten sich alle Begleiter Simons auf, einer holte Wasser hervor, und wir tranken.

„Wie geht es dir?“ fragte mich einer, Jesaia, falls ich mich richtig erinnerte. Ich nickte, es ging mir gut. Sehr gut. Der Vorteil an reichen Begleitern war, dass sie sich reine Drogen leisteten.

Ein Mädchen kletterte aus dem Auto, sie war wohl gestern gefahren, und unterhielt sich leise mit Simon. Irgendetwas an ihr irritierte mich. Sobald ich sie ansah, fühlte ich ein Ziehen in der Magengegend, welches wohl kaum vom Hunger kam. Aber sie schenkte mir keine Beachtung.

Die Decken wurden zusammen gefaltet und auf die Ladefläche geworfen, ich erinnerte mich,dass wir mit dem Auto hergekommen waren. Wir kletterten ebenfalls auf das Fahrzeug, welches sich daraufhin langsam in Bewegung setzte. Der Wald ruckelte an uns vorbei, aus einer Tasche wurden Brot, Buttermilch und Beeren geholt. Ein einfaches Frühstück begann.
 

Etwa eine Stunde später erreichten wir im Schneckentempo Wien, dann Simons Auto. Ich überließ Jesaia den Beifahrersitz, und setzte mich auf die Rückbank. Mein Handy läutete, als Simon vorsichtig ausparkte und sich auf den Weg zu Jesaias Haus machte, welcher mir meinen Rucksack nach hinten reichte. Meine Mutter versuchte offenbar schon länger, mich zu erreichen, es war bereits nach Mittag. Ich wurde bleich, bat Simon, mich zuerst nach Hause zu bringen. Jesaia gab mir seine Telefonnummer, ich schickte ihm eine Nachricht, dass er auch meine hatte. Simon starrte auf die Straße, konzentriert. Die Nacht saß ihm wohl noch in den Knochen. Er ließ mich an meiner Bushaltestelle aussteigen, ich bedankte mich. Ein kurzer Abschied folgte. Ich trottete in Richtung meines Hauses, an der Ausrede arbeitend, welche ich meiner Mutter erzählen würde, sollte Marie angerufen haben, und meine Lüge, dass ich bei ihr schlafen würde, widerlegt haben. Als ich heim kam, war niemand daheim. Ich versuchte, meine Eltern zu erreichen, aber bei beiden wurde ich direkt an den Anrufbeantworter weitergeleitet. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel, dass sie dringend ins Ausland mussten, und Jarov noch einige Zeit bei unserer Großmutter bleiben würde. Beruhigt sank ich auf die Couch, und rief Marie an, um sie zu fragen, was ich in der Schule verpasst hatte. Sie versprach, in einer Stunde vorbei zu kommen.
 

Selbst wenn Hannahs Eltern nichts ahnten, wurde es vermutlich sehr viel schwerer, Hannahs beste Freundin zu belügen. Und während ich die Möglichkeiten durchging, entschied ich mich für die leichteste Variante: Ich würde Marie schlicht die Wahrheit erzählen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-06-16T11:35:14+00:00 16.06.2015 13:35
Also erstmal: Beim Kapiteltitel musste ich echt kurz inne halten, weil ich dachte: "Höh? Hat sie da nur mit dem Kopf auf die Tastatur gehauen?!" XD Bis ich geschnallt hab, dass die Endung verrät, worum es geht. xD

Nun aber zum Inhalt: Du überraschst mich immer wieder. Ich hatte ja damit gerechnet, dass es ein Schäferstündchen zwischen Julia und Simon geben würde, weil ich seinen Ruf so gedeutet hatte, dass er ein Frauenheld ist. Aber nachdem sie am nächsten Morgen nichts gefühlt hat, ist da wohl nichts passiert. (Ich hätte eher erwartet, dass sie dann nackt aufwacht.)
Dass die einfach so zu den Drogen greift, wundert mich nicht, da es ja immer noch Julia ist. Dass aber keiner was gesagt hat, schon. Und ich frag mich jetzt natürlich, was es mit dem Mädchen auf sich hat. Wer weiß, vielleicht ist das ja Hannah... Simon scheint ja eh zu ahnen, dass da was nicht stimmt. (Deswegen war er wohl auch nicht erstaunt, dass sie die Drogen einfach mal nimmt.)

Und du machst es natürlich wieder mal sehr spannend. :< Das Ende ist ja wirklich sehr gemein. Ich bin schon gespannt, was diese Marie zu allem sagt... ich schätze mal, sie wird schockiert sein. Aber sie scheint ja echt eine ganz, ganz liebe Freundin von Hannah zu sein... Das wird noch amüsant. |D"

Ansonsten: Wie du den "Trip" von Hannah/Julia beschrieben hast, fand ich wieder sehr schön, man ist selbst plötzlich in ner sehr bunten Welt gewesen. ;D Da ich absolut keine Ahnung mit Drogen hab (ich hatte noch nichtmal nen Rausch von Alkohol xD) glaub ich dir einfach mal, dass das realistisch sein könnte. So von dem, was man so hört, scheint es jedenfalls zu passen. :>

Und jetzt hibbel ich weiter, was Marie so sagt...
(KomMissions-Vermerk :D)


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