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Warum erwachsen werden

von

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Kapitel 23

Es war Nacht. Ein Feuer knisterte leise auf einer winzigen Lichtung und die Bäume waren still. Ihr Blätterwerk, das am Tag noch so aggressiv geklungen hatte, war verstummt. Peter saß gegenüber von Hook am Lagerfeuer und blickte auf den Mann, der gerade dabei war, seine Landkarte zu studieren. Es war unnötig, dies wusste Peter, dann Hook hatte keinerlei Ahnung, wo sich befanden und wohin sie noch gehen mussten. Aber Peter vermute zurecht, dass es ein verzweifelter Versuch des Piratenkapitäns war, die Kontrolle über die Situation zu behalten. Zwecklos, wenn man bedachte, dass Peter die Kontrolle bereits vor Stunden mit der Führung ihres Weges übernommen hatte. Mochte der optisch gereifte Pan noch immer wie ein Gefangener wirken, so war dies ein weiter Trug. Das Ende seiner Gefangenschaft war greifbar. Der Ort, an dem sie ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, war von Peter nicht umsonst gewählt worden.
 

„Ich schlafe jetzt“, sagte Peter über das Feuer hinweg und Hook sah auf. Seine Augen leuchteten durch das Feuer rot und geheimnisvoll. Doch anstatt dass Peter sich davor fürchtete, zog es ihn nur noch mehr an.

„Wie du meinst“, antworte Hook, aber der Blick des Piraten ruhte weiterhin auf ihm. Gemächlich stand Peter auf, jede noch so kleine Geste wurde von Hook beobachtet. Hunger blickte ihm entgegen. Innerlich befriedigte ihn der Ausdruck in Hooks Augen, denn es gab ihm die Genugtuung, dass Hook ihn ebenso sehr wollte wie er ihn. Für einen Wimpernschlag überlegte Peter, ob er zu dem Mann hinübergehen und ihm den Kuss rauben sollte, den er ihm seit den Mittagsstunden schuldete, doch er entschied sich dagegen. Es war seinem Plan nicht zuträglich. Stattdessen legte Peter sich zwei Meter weiter wieder auf den Boden, den Rücken Hook zugewandt, und tat so, als würde er schlafen. In diesem Moment begann das Warten.
 

Fast wäre Peter tatsächlich eingeschlafen, ehe Hook sich ebenfalls niederlegte. Das Feuer loderte noch immer heiß und wärmte seinen Rücken, doch vielleicht bildete er es sich auch nur ein und es waren Hooks glühende Blicke, die ihn innerlich erwärmten. Irgendwann hörte er jedoch über das Knistern des Lagerfeuers hinweg ein leises Schnarchen. Hook schlief. Peter wurde augenblicklich hellwach. Das Abenteuer rief ihn. Geräuschlos wie ein Schatten stand er auf und schlich sich durch den dunklen Wald. Er musste nicht viel laufen, um an sein Ziel zu gelangen, denn die blauen Blumen wuchsen ganz in der Nähe. Peter hatte großes Glück, denn die Blumen blühten zwar ewiglich, doch zeigten sie sich nur in Vollmondnächten. Er war vielleicht 10 Minuten unterwegs, als er den ersten bläulichen Schimmer durch die Bäume registrierte. Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter. Ein paar Meter später stand er vor dem faszinierenden Gewächs.
 

Hätte Peter sich mit Blumen ausgekannt, dann hätte er gewusst, dass diese Blume in ihrer Optik einer Orchidee am stärksten ähnelte. Ihr kraftvolles Blau, in dem sie leuchtete, hatte sie schon vor so langer Zeit erhalten, dass das älteste Geschöpf in Nimmerland, ja das Nimmerland selbst sich kaum noch daran erinnerte, wie es dazu gekommen war. Doch tief in dem Wurzelwerk der Bäume, da schlummerte das Wissen, dass die Blume durch die Tränen einer Fee blau gefärbt worden waren. Wann immer ein magisches Wesen, das rein und edel war, weinte, dann legte sich ein Teil seiner Magie in die Tränen. Und einst war eine junge, schöne Fee hier gewesen, deren Herz vor Liebe schmerzte. Sie war so unglücklich und traurig, dass der Feenmann, den sie liebte, einer anderen das Herz geschenkt hatte, dass sie sich im düsteren Wald verirrte. Müde und erschöpft, mit Flügeln, die ihr wie das Herz in der Brust zur Last geworden waren, hatte sie sich auf einer Blume niedergelassen. Zuerst hatte sie nur geschnieft, doch schon kurz darauf war sie in Tränen ausgebrochen. Sie weinte stundenlang und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie den Mann, der ihr das Herzchen gebrochen hatte, doch vergessen könnte. So kam es, dass ihr inniger Wunsch sich mit ihren Tränen verband und die Blume blau färbte und mit einer ganz besonderen Magie versah.
 

Natürlich wusste Peter hier von nichts. Hätte es, da es sich um Magie der Liebe drehte, wahrscheinlich auch kein Stück begriffen, denn Peter hatte noch nie geliebt. Zu sagen, dass sein Herz niemals auch nur den zarten Hauch der Liebe zu spüren kam, wäre jedoch falsch gewesen, denn Liebe gab es in so vielen verschiedenen Arten. Da war die Liebe einer Mutter, welche um ihr verlorenes Kind trauerte und den Schmerz erst mit der Geburt ihres Zweitgeborenen linderte, obgleich sie ihren Sohn Peter niemals vergessen sollte, auch wenn das Fenster für ihn geschlossen war. Dann gab es die Liebe von Brüdern. Vielen Brüdern, die mit dem Wind kamen und gingen. Und nun, fast unbemerkt, schlich sich eine neue Liebe an Peter heran. Noch begriff sein Herz nicht, worum es sich handelte, denn Peter war gut darin, alles, was ihm unbekannt war, zu verdrängen. Sein Körper jedoch hatte längst begriffen…
 

Peter stand direkt vor dem Blumenmeer. Seine rechte Hand wanderte etliche Zentimeter über den Blumen hin und her. Die Augen geschlossen versuchte er, jene zu erfühlen, die für sein Vorhaben am ehesten geeignet war, denn auch wenn die Blumen „Die Blumen des Vergessens“ genannt wurden, hatte nicht jede von ihnen die gleiche Eigenschaft. Jede dieser wunderschönen Blumen stand für ein gebrochenes Feenherz, für einen Wunsch aus tiefster Verzweiflung. Ihre Unterschiedlichkeit war ein Grund, weshalb kaum ein Mensch jemals eine der Blumen gepflückt hatte. So manches Mal hatte der verborgende Zauber sich ins Gegenteil verkehrt, wenn die Blume nicht mit dem Herzen gewählt worden war. Bei Peter jedoch war es anders. Er suchte nach der Blume, die ihm im Bezug auf Hook helfen würde. Er dachte nicht daran, dass die Blume schwächen oder stärken sollte, nicht daran, dass sie Vergebung oder Vergessen bringen sollte, Peter suchte lediglich nach Hilfe. Einen Meter am Blumenfeld entlang gelaufen, blieb Peter plötzlich stehen. In seiner Handfläche fühlte er Wärme aufkommen. Langsam öffnete er die Lider und sah eine kleine, zarte Blume unter seiner Hand leuchten. Obwohl sie so jung und zerbrechlich wirkte, leuchte ihr Blau am intensivsten. In ihr lag eine besonders starke Magie verborgen. Lächelnd beute sich Peter herab und bedankte sich bei der Blume für ihre Unterstützung, ehe er sie abpflückte. Die Zauberkraft der schönen Pflanze kribbelte durch seine Finger und nun erst wurde Peter bewusst, dass er keinerlei Ahnung hatte, wie diese Kraft entfalten konnte. Doch darüber, so beschloss er, könne er sich noch Gedanken machen, sobald er zum Lager zurückgekehrt war.
 

Verträumt, da die leuchtende Blume seine Aufmerksamkeit fesselte, lief Peter den Pfad, welchen er gekommen war, zurück. Weit kam er jedoch nicht. Hook trat hinter einem der Bäume hervor.

„Wo warst du?“ Hooks Stimme klang wie ein Donnergrollen.

„Spazieren“, antworte Peter keck, der sich von dem Kapitän nicht einschüchtern ließ und wollte sich an dem Piraten vorbeischieben, als dieser ihm den Weg blockierte.

„Spazieren? Mit deinem verstauchten Knöchel? Wo du den ganzen Tag unterwegs warst und zum Schluss kaum noch einen Fuß vor den anderen gebracht hast?“

„Mir war danach“, antwortete Peter stur und versuchte abermals, seinen Weg fortzusetzen. Doch wie zuvor stellte Hook sich ihm in den Weg.

„Was heckst du aus? Sind deine verlorenen Jungs hier? Wolltest du abhauen?“

„Würde ich dann zurücklaufen?“, stellte Peter die Gegenfrage. Hooks Blick blieb unversöhnlich. Laut seufzte Peter auf. „Sieh doch, ich habe nur eine Blume gepflückt.“ Mit einer Miene, so unschuldig, wie Peter nur konnte, hielt er dem Piraten die blaue Blume vor die Nase.

„Was soll das?“

„Nichts, ich zeige dir nur, was ich gerade getan habe.“

„Denkst du, mich interessiert das Grünzeug?“, knurrte Hook und schlug Peters Hand weg, woraufhin dieser die Blume fallen ließ. Im Begriff sich danach zu bücken, fasste Hook nach seinem Kinn und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. Gier und Zorn standen gleichermaßen darin.
 

„Du verführst mich mit jeder deiner Gesten. Lockst mich, deinem Ruf zu folgen und wenn ich glaube, deiner habhaft zu werden, entwindest du dich mir“, warf Hook ihm vor. „Heute Mittag erst hast du mir dies unschuldige Geschenk gemacht und nur wenige Minuten später hast du mich gebissen wie ein tollwütiger Köter!“

„Was willst du von mir?“, wollte Peter genervt wissen. Diese verschlungenen Sätze über Dinge, die ihm unbekannt waren, raubten ihm seine letzte Geduld.

„Deinen Körper!“

„Meinen Körper?“

„Lass mich zu Ende bringen, was wir begonnen haben!“
 

Peters Körper bebte. Wieder waren es Hooks Worte, die ihm sinnliche Freunden versprachen, dass ihm ganz heiß wurde. Sein Herzschlag beschleunigte sich, sein Atem ging schneller.

„Du hast mich verraten“, sagte Peter und dachte daran, dass es doch Hook war, der ihn verführte und dann mit dem Gift bedrohte. „Weshalb sollte ich dir geben, was du willst?“

„Weil es das ist, was du auch möchtest“, stieß Hook rau aus, nur um sich dann auf Peters willige Lippen zu stürzen. Hitzig küssten sie sich, während Hook fahrig an Peters Kleidung zerrte, um die zarte Haut darunter freizulegen. Er drängte Peter nieder, bis dieser auf dem Waldboden zu liegen kam, Hook auf ihm. Peter wehrte sich nicht gegen die Behandlung, im Gegenteil, er küsste Hook ebenso leidenschaftlich und ausgehungert zurück. So entging beiden, dass die längst vergessene Blume strahlendhell aufleuchtete, fast so, als wäre sie ein Stern am Abendhimmel. Der Zauber, welcher in ihr geruht hatte, breitete sich aus und als die Magie die Blume verließ, färbten sich ihre Blütenblätter rot, ehe die Blume zu silbrigem Staub zerfiel. Die Magie war verschwunden.
 

Etwas an dem Kuss änderte sich. Irritiert löste sich Peter von Hook. Verwundert sah er den Kapitän an. Wohin war die Leidenschaft verschwunden? Und weshalb?

„Was ist passiert?“, fragte Hook ihn.

„Du hast mich geküsst“, antworte Peter verdutzt. Was war mit dem Mann los, der vor wenigen Sekunden noch so heißblütig war?

„Ihr seid ein Knabe!“, die entrüstete Entgegnung.

„Und? Bisher hat dich das auch nicht gestört.“
 

Ohne ein weiteres Wort, aber mit Ablehnung in den Augen stand Hook auf. Er überließ es Peter selbst aufzustehen. Im Kreis drehend sah sich Hook um. Die Augen groß vor Verwunderung.

„Wo bin ich hier?“

„In Nimmerland“, sagte Peter, dem nun dämmerte, dass die magische Blume ihre Kräfte entfaltet hatte.

„Und wer sind Sie?“

„Ich? Ich bin Peter. Peter Pan.“

„Und wer bin ich?“
 

Jetzt war es an Peter zu schlucken. Offenbar hatte die Blume nicht ganz genau das getan, was er sich von ihr erhofft hatte.
 

Fortsetzung folgt…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sky-
2015-05-08T16:15:48+00:00 08.05.2015 18:15
Na super… Keine Ahnung, was Peter im Sinn gehabt hatte, aber das kommt eben davon, wenn man mit Magie herumspielt. Jetzt haben wir den Salat. Hook hat jetzt einen kompletten Gedächtnisverlust. Ich bin echt gespannt, wie sie das wieder in Ordnung bringen wollen.


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