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nectere

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03 denying


 

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03 denying

 

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Konzentriert wanderten Severus’ Augen über die Liste der neuen Schüler, die schon bald ihre Ausbildung in Hogwarts beginnen würden. Soweit waren dort keine Auffälligkeiten zu verzeichnen, keine Namen die irgendwie bekannt waren. Etwas anderes hatte er aber auch nicht wirklich erwartet. Bis die ersten Kinder aus der Kriegsgeneration alt genug waren um Hogwarts zu besuchen, würden noch ein paar Jahre vergehen. Zum Glück, denn Severus hatte im Augenblick eher wenig Interesse daran, sich mit den Weasley Kindern, Potters Nachwuchs oder gar Malfoys Spross auseinandersetzen zu müssen. Auch wenn er in seiner jetzigen Position nur wenig Kontakte dazu haben würde. Dennoch, in den vergangenen Jahren hatten sich in Hogwarts so einige Dinge verändert, der Kontakt zu den Eltern war da nur eine Sache, die mittlerweile neu war.

 

Ruhig legte er das Pergament zurück auf den Schreibtisch, nur um sich den anderen Schriftstücken zu widmen, die sich auf der blanken Platte türmten. Jedes Schuljahr erwarteten ihn die gleichen Briefe. Fragen, Sorgen die Eltern von Erstklässlern ihm zukommen ließen und natürlich Fragen bezüglich des Personals.

 

Positiv war auf jeden Fall, dass der Fluch, der auf dem Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste gelegen hatte, gebrochen war. Hogwarts konnte nun mit Stolz behaupten, schon im dritten Jahr den gleichen Lehrer vorweisen zu können. Ein dezenter Lehrer. Natürlich ginge es besser, aber Severus war schon froh, dass die jährliche Suche der Vergangenheit angehörte. Es gab nicht mehr viele Möglichkeiten, diese Stelle anständig zu besetzen.

 

Neu war in diesem Jahr auf jeden Fall Longbottom. Severus dachte durchaus amüsiert auf dieses Vorstellungsgespräch zurück. Er musste bei dem Jungen einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen haben, was Severus zum Teil durchaus Recht war. Longbottom war eine absolute Niete in Tränke, eine Tatsache, an der Severus nach wie vor einiges bemaß. Aber er war sich auch sicher, dass das nervöse Gestammel ihm gegenüber irgendwann der Vergangenheit angehören würde. Ein kleiner Fortschritt war ja zum Glück auch schon spürbar. Bei der Versammlung des Kollegiums am Abend zuvor hatte Neville es vorgezogen seinem Blick auszuweichen, was ihn in die glückliche Lage gebracht hatte ganze Sätze raus zu bringen.

 

Severus wusste durchaus, dass es ihm nicht so eine Freude machen sollte, die Früchte seines jahrelangen Unterrichts zu sehen. Auf der anderen Seite konnte er aber nach wie vor nicht behaupten, dass sein Leben mit Freude gefüllt war. Der Job des Schulleiters verlangte ihm einiges ab, Freizeit hatte er nahezu keine und auch sonst gab es nahezu nichts, was ihm wirklich Freude bereiten konnte.

 

Andererseits musste er gerade in diesem Kontext an die eine Nacht denken, die er im nectere verbracht hatte. Severus dachte oft an diese Stunden zurück, ein Umstand, der ihn immer wieder zu dem Punkt brachte, wo er sich fragte, ob er einen zweiten Besuch vielleicht doch in Betracht ziehen sollte. Das Problem dabei war aber hauptsächlich, dass es weniger das nectere für sich war, an das er denken musste, sondern an den jungen Mann, den er dort hatte haben können.

 

Es war frustrierend, nahezu jede Nacht, wenn Severus in seinem Bett lag und zur Ruhe kam, konnte er die weiche Haut sehen und riechen. Seine Fingerspitzen kribbelten vor Verlangen, eben jene Haut erneut spüren zu können. Und das war einfach ein Problem. Das Letzte was Severus wollte war, sich noch einmal abhängig zu machen. Er hatte eindeutig aus den vergangenen Jahren gelernt, in denen er unter Dumbledore versucht hatte sein Versprechen zu erfüllen, den Potterjungen zu schützen. Heute jedoch war das Gefühl von Verpflichtung ein eher negatives.

 

Hogwarts war dort vermutlich eine der wenigen Ausnahmen. Severus wusste, dass wenn er nach wie vor als Lehrer hier arbeiten müsste, dass er schon vor langer Zeit seine Koffer gepackt hätte. Aber sein Versprechen, die Schüler Hogwarts’ zu schützen, war das einzige, welches er nach wie vor erfüllen wollte. Freiwillig!

 

Und genau das war sicherlich ein Teil des Problems. Severus fühlte sich zu dem jungen Mann hingezogen, ganz gleich wie wenig er über diesen wusste. Die Tatsache, dass er sich an jede Sekunde in dessen Gesellschaft erinnern konnte, dass die Bilder in seinen Kopf ihn erhitzten und ihn nicht nur einmal in den letzten Tagen dazu getrieben hatten Abhilfe verschaffen zu müssen, sprach deutlich für sich. Aber als Schulleiter war man auch nicht ganz so frei, wie man es manchmal vielleicht wollte. Selbst wenn er bereit wäre diesen jungen Mann zu finden, herauszufinden wer hinter der Maske steckte und mit Glück vielleicht so etwas wie eine Beziehung aufzubauen, so war seine Arbeit ein weiterer Faktor, der es ihm unmöglich machte, ein solches Ziel zu verfolgen. Severus konnte sich auch kaum jemanden vorstellen, der bereit wäre auf so vieles zu verzichten. An erster Stelle stand aber da ganz klar er selbst. Severus war nicht bereit, seine Freiheit erneut aufzugeben!

 

Die mittlerweile vertrauten Gedanken vertreibend, legte Severus das Pergament – auf  welches er gestarrt hatte – zurück auf den Tisch und erhob sich dann. Es war Zeit diesen Tag zu beenden und sich zurückzuziehen. Es würde immerhin nicht mehr lange so ruhig in Hogwarts sein und ehe er sich versah, würde er erneut mit Rumtreibern zu tun haben, Scherzkeksen und allerlei anderen Schülern, die in Regelmäßigkeit zu ihm geschickt wurden, um sie unter Kontrolle zu bekommen. Er wollte die letzte Ruhe vor dem Sturm lieber genießen, so wie es ihm am liebsten war.

 
 

 

***

 
 

Die Geräuschkulisse in der großen Halle war kaum auszublenden. Nach den Ferien war dieses immer ein Problem, wenn die älteren Schüler zurückkehrten und einander von den Erlebnissen  der vergangenen Wochen erzählten. Zu Severus’ Leidwesen konnten diese Berichte nicht warten bis alle sich in ihre Gemeinschaftsräume zurückgezogen hatten. Und mitten drinnen stand ein Haufen ängstlicher Erstklässler, die sich mit riesigen Augen umschauten.

 

Zum Glück war es McGonagall, die die Erstklässler zusammen hielt und mit der Zeremonie begann. Wie auch schon in den ganzen letzten Jahren, hörte Severus nur mit halbem Ohr hin, während der sprechende Hut sein neustes Lied anstimmte. Die Zeiten waren ruhig und es war wohl eher ausgeschlossen, dass in diesem Jahr vor einer Gefahr gewarnt wurde. Alles was Severus in diesem Augenblick interessierte war, dass sie schnell das Fest hinter sich brachten und er in die Stille seines Quartiers zurückkehren konnte.

 

Erst als ein Kind nach dem nächsten vortrat, lenkte er seine Aufmerksamkeit erneut auf die Zeremonie vor sich. Obwohl er nicht mehr der Hauslehrer von Slytherin war, konnte er die alte Angewohnt noch immer nicht ablegen, zu schauen, wer genau in sein Haus sortiert wurde. Slytherin war nun mehr denn je ein Haus welches Probleme machte, allerdings ganz anders wie man ihnen noch vor einem Jahrzehnt angedichtet hatte.

 

Natürlich war es vollkommener Humbug, dass alle die in Slytherin sortiert wurden, das Potential hatten böse zu werden. Im Grunde musste man sich wohl kaum wundern, dass in der Tat ein großer Teil der dunklen Magier Britanniens aus diesem Haus kam. Schon die Jüngsten wurden mit Vorurteilen konfrontiert und mussten stets um Anerkennung kämpfen. Und selbst wenn sie entsprechende Leistungen im Leben brachten, wurden sie mit Argwohn überschüttet. Generell war aber nicht zu leugnen, dass dieses Potential – den dunklen Künsten zu verfallen – in jedem Magier schlummerte. Ganz gleich aus welchem Hause dieser kam.

 

Die Probleme in dieser Zeit allerdings waren wohl eher dem Argwohn verschuldet, der nach wie vor durch den Krieg über dem Hause Slytherin schwebte. Nicht selten waren gerade Erstklässler alles andere als glücklich, in dieses Haus einsortiert worden zu sein. Natürlich gab es Ausnahmen, Kinder aus Familien mit langen Traditionen, die über Generationen hinweg alle in das gleiche Haus gekommen waren. Jene Kinder waren aber auch ganz anders mit den Häusern aufgewachsen, von ihnen wurde regelrecht erwartet in das Haus zu kommen, in dem die Eltern und viele Generationen vor diesen alle gewesen waren.

 

Als endlich das letzte Kind in sein Haus sortiert worden war, hob Severus die Hände und klatschte mit den restlichen Magiern um ihn herum. Erst dann richtete er sich auf, um an das Rednerpult zu treten und dort eine kleine Ansprache zu halten, so wie es in jedem Jahr Brauch war. Und als er den Blick über die ihm zugewandten Gesichter schweifen ließ, kam er nicht darum herum zu erkennen, dass das Misstrauen aus den Blicken der Schüler verschwunden war.

 

Endlich! All die Generationen die vor dem Krieg an dieser Schule gewesen waren, jene die ihn in der Rolle des treuen Todessers gesehen hatten, waren mittlerweile fertig mit ihrer Ausbildung. Severus entspannte sich deutlich.

 

„Willkommen zum neuen Schuljahr…“

 

 
 

 

 
 

***

 

 

Seit dem Einschulungsfest war über eine Woche vergangen und Severus hatte sich mit Leichtigkeit in die Routine zurückgezogen, die der Posten als Schulleiter ihm bot. Lediglich an drei Zeiten des Tages verließ er den Schutz seines Büros, um mit den restlichen Bewohnern von Hogwarts zum Essen zu gehen. Die restliche Zeit über kümmerte er sich um den Papierkram, beantwortete Fragen von Ministerium oder besorgten Eltern und zu seinem Bedauern hatte er auch schon einige spezielle Schüler, die vermutlich dieses Büro einige Male sehen würden bis sie ihren Abschluss in der Tasche hatten.

 

Die Abende verbrachte er dann gerne in seiner eigenen Unterkunft, mit einem Wein und einem guten Buch. Manchmal braute er auch Tränke, gerade was die Krankenstation anging, so ließ er es sich nicht nehmen, diese bestens auszustatten. Trotz allem liebte er das Brauen und es war eine deutliche Erleichterung in diesen Tagen, dass er es keinen inkompetenten Schülern beibringen musste. Es war wieder etwas, was alleine ihm gehörte und was ihm so manches Mal dabei half zur Ruhe zu kommen.

 

Was aber auch sein größtes Problem im Augenblick war.

 

Zu seinem Unwillen kam es nicht selten vor, dass seine Gedanken zu jenen Abend zurück schweiften, wo er im nectere gewesen war und dort einen – zugegebenermaßen – angenehmen Abend verbracht hatte. Und dabei meinte er gewiss nicht nur den Ausgang dieses Abends. Er erwischte sich immer häufiger dabei, dass er an die Gespräche zurück dachte und zu seinem Leidwesen blieb es nicht dabei. Nahezu immer wanderten die Gedanken einfach weiter, bis zu dem Moment, wo sie sich in diesem angenehmen Zimmer hatten fallenlassen. So sehr Severus es auch wollte, er konnte nicht leugnen, dass er mehr wollte.

 

Und genau da lag sein größtes Problem.

 

Dieses… Verlangen hatte fast die gleichen Ausschweifungen wie sein früheres Leben. Severus fühlte sich zu etwas gedrängt, was er im Grunde nicht wollte. Aber auch das war im Grunde nur dir halbe Wahrheit. Er wollte zurückgehen und er wollte diesen jungen Mann erneut sehen und am Besten auch erneut ins Bett bekommen. Nur leider drifteten seine Gedanken weiter ab und zu simplen, lockeren Sex gesellte sich ein Wunsch nach mehr.

 

Er wollte wissen wer dieser Mann war, was nicht nur daran lag, dass jedes Mal wenn er an diesen Abend zurückdachte, ihn das Gefühl von etwas Vertrautem überkam. Es war zum Verzweifeln, er wusste tief in sich verdammt genau wen er vor sich hatte, aber egal wie energisch er versuchte dieses Gefühl, diese Gedanken und damit die Antworten seiner Fragen, an die Oberfläche zu holen, sie entglitten ihn jedes Mal aufs neue.

 

Severus war sich mittlerweile sicher, dass die Zauber die auf der Maske lagen daran nicht unschuldig waren. Das war auch der Grund gewesen, dass er eben diese Maske aus seinem Schlafzimmer verbannt hatte. Erfolglos! In seinem Drang nach Antworten war er sogar so weit gegangen, die Maske aus Hogwarts zu verbannen, das Einzige was es ihn aber gebracht hatte war, dass er den Gedanken kaum ertragen hatte, damit die Möglichkeit weggegeben zu haben, diesen jungen Mann – oder einen anderen, er wollte sich schließlich nicht an jemanden binden – ohne diese Maske nicht erneut sehen zu können.

 

Und damit schloss sich der Kreislauf. Severus versuchte wirklich sich jeden Gedanken und jedes aufkommende Gefühl dieses Mannes gegenüber zu unterdrücken. Aber egal wie sehr er es versuchte, der Erfolg war non existent. Irgendetwas schien ihn wie magisch anzuziehen und Severus war sich nicht sicher, wie weit er diese Tatsache tolerieren konnte. Und nicht einmal die Momente, in denen er sich nicht mehr wehren konnte und den Gefühlen nachkam, indem er sich die Erleichterung verschaffte, die er nach den Bildern brauchte, die ihm durch den Kopf schossen, milderten das Gefühl an etwas gefesselt zu werden, woran er nicht gefesselt werden wollte.

 

Und dennoch stand er wieder einmal mitten in der Nacht in seinem Schlafzimmer und starrte die dunkle Maske an, die wieder auf seinem Nachtschrank lag. Es wäre so unglaublich leicht sie zu nehmen und an diesem Wochenende erneut los zu gehen, in der Hoffnung ihn – oder besser noch, jemand anderen – zu treffen und den anstrengenden Träumen und dem Verlangen welches tief in ihm rumorte endlich Futter zu geben und es damit im Keim zu ersticken. Severus konnte und wollte so nicht weiter machen. Er hatte die Nase voll davon aufzuwachen, hart und verlangend, nur mit der eigenen Hand als Gesellschaft, die wohltuend aber einfach nicht ausreichend war.

 

Aber obwohl er mehr als bereit war endlich nachzugeben, schnappte er sich die Maske und schob sie – wie einige Male in der letzten Woche – in die Schublade des kleinen Schränkchens. Er wusste, dass sie nicht lange dort bleiben würde, aber das Gefühl es selbst in der Hand zu haben war doch erleichternd. Und damit war er auch endlich wieder in der Lage zurück unter die Decke zu schlüpfen.

 

Die Maske des nectere blieb nur wenige Minuten versteckt. Unfähig sich dagegen zu wehren, zog Severus sie wieder hinaus, legte sie auf die glatte Oberfläche und starrte sie in einem Mix aus Verzweiflung, Verlangen und Verachtung an, bis ihm endlich wieder die Augen zu fielen und er in einen leichten, von sehr anregenden Träumen durchzogenen Schlaf glitt.

 
 

 

***

 

 

Dröhnende Bässe erfüllten Harrys Körper, während er sich zu der Musik bewegte, die ihn umschwirrte. Es tat gut, unglaublich gut sich so gehen lassen zu können, ohne an irgendetwas denken zu müssen. Freiheit pur! Sein Körper schmerzte auf eine angenehme Art und Weise, jeder Muskel schien zum zerreißen gespannt zu sein und doch war es Glück, was ihn vollkommen ausfüllte. Ganz anders wie ähnliche Momente, wo bei ihm nicht minder weniger alles angespannt gewesen war. Aber an die Momente wollte er nicht denken. Es war vorbei, endgültig und auch wenn es gedauert hatte, so konnte er endlich er selbst sein. Hier wurde nichts von ihm erwartet.

 

Er spürte, wie sich ein weiterer Körper an ihn heran schob, wie starke Hände sich von hinten auf sein Becken legten, ihn lenkten, wie ein starker Oberkörper sich an seinen Rücken schmiegte. Aber irgendwie… es war nicht das Richtige, ganz gleich wie sehr er es genoss, so frei zu sein. Niemand wusste wer er war, wenn ihn hier jemand antanzte, war es weil man in ihm nicht Harry Potter sah. Und dennoch, seit er vor einigen Wochen diesen einen Mann getroffen hatte, erschien es ihm, als wenn alle anderen nichts weiter waren wie Statisten.

 

Trotz allem ging er auf die offensichtlichen Avancen ein, er tanzte, er redete, er trank. Aber mehr nicht. Es war ein seltsames Gefühl, vertraut und doch unglaublich verwirrend. Zu seinem Leidwesen allerdings war der Fremde nicht erneut ins nectere gekommen und Harry war – bis auf an dem Wochenende das der einen Nacht gefolgt war – an jedem Freitag hergekommen, in der Hoffnung, ihn wieder sehen zu können. Warum genau wusste er aber auch nicht, es war einfach etwas da gewesen, was ihn anzog und was er klar ergründen wollte.

 

Als das Lied endete, schenkte Harry seinem Tanzpartner ein Lächeln. „Sorry, für mich wird es Zeit!“, sagte er anschließend und ignorierte die Enttäuschung, die trotz der Masken zu erkennen war. Aber das Letzte was er machen würde war, sich zu etwas hinreißen zu lassen, hinter dem er nicht stand. Das hatte er lange genug gehabt, als Dumbledore im Hintergrund die Fäden gezogen hatte und ihn wie eine Marionette gelenkt hatte, damit er tun konnte, was er eben hatte tun müssen.

 

Harry konnte nicht leugnen, dass er all diese Dinge so oder so getan hätte. Er konnte einfach nicht anders und auch heute wäre es nicht anders. Auch das war ein Grund, warum er diese Anonymität so sehr genoss. Direkt nach dem Krieg hatte man ihm regelrecht an den Fersen gehangen und ganz gleich wo er hingegangen war, was auch immer er gemacht hatte, man hatte ihn nicht in Ruhe gelassen. Auch heute war das noch immer ein Problem, er war der Liebling des Propheten und vermutlich würde man auch noch in 100 Jahren Reportagen machen wollen, die zeigten, was der Held der magischen Welt im Augenblick machte. Er hasste es.

 

Zielstrebig steuerte er den Ausgang an, blieb dann aber noch einmal sehen, um den Blick über die Menge schweifen zu lassen. Er bedauerte wirklich, dass er nicht da war. Das war klar ein Nachteil dieser Masken. Ganz gleich was passierte, einem wurde die Möglichkeit genommen die Person die man sehen wollte erneut zu treffen. Wäre es anders, könnte er nun einfach zu ihm gehen, um herauszufinden, was das zwischen ihnen gewesen war. Woher die Vertrautheit kam, die Harry verärgerte und gleichzeitig anzog. So aber konnte er nur hoffen, dass er durch eine glückliche Fügung ihn noch einmal im nectere zu sehen bekam.

 

In dieser Woche aber sollte es wohl nicht sein. Harry verließ den Club und apparierte anschließend in die Sicherheit seiner eigenen kleinen Wohnung, ehe er die Maske abnahm und an ihren Platz legte.

 
 

 

***

 

 

Es war Sonntag der 25. September 2005, als Harry Potter in den Fuchsbau apparierte. Kaum kam er an, war ein vielstimmiges „Daddy“ zu hören und zwei kleine Jungen klebten an seinen Beinen, umklammerten diese, mit dem offensichtlichen Wunsch ihn nie wieder loszulassen. Harry lachte leise, bückte sich anschließend und nahm seine beiden Söhne in den Arm.

 

Harry liebte seine Kinder. Alle drei und wenn er etwas bereute, dann war es, dass er nicht mehr so oft bei ihnen sein konnte wie er es gerne wollte. Die Sache mit Ginny war nicht ganz so einfach und er verstand es auch, dass sie enttäuscht von ihm war und ihn nicht gerne um sich hatte.  Harry hatte sie nie betrogen, war immer ehrlich zu ihr gewesen, aber niemand hörte wohl gerne, dass man sich nicht mehr sicher war, dass das, was man empfand, richtig war. Oder vorhanden.

 

Als Ginny mit Lily schwanger gewesen war, hätte er eigentlich glücklich sein müssen. Er war es auch gewesen und natürlich hatte er sich auf das dritte Kind gefreut. Aber das nagende Gefühl, dass etwas nicht richtig war, hatte ihn da gar nicht mehr in Ruhe gelassen. Es war kein neues Gefühl, aber bisher hatte Harry es immer wieder unterdrücken können, mit diversen Ausreden von Nervosität und ähnlichem. Aber als Lily unterwegs gewesen war, war das nicht mehr gegangen. Harry hatte seine Frau vor sich gesehen und sich an die eifersüchtigen Gefühle erinnert, die er im sechsten Hogwartsjahr empfunden hatte. Aber von diesem Gefühlen war nichts mehr da gewesen. Stattdessen hatte er für sie ähnlich empfunden wie für Hermine. Kein wirklich gutes Zeichen, das war ihm einfach bewusst gewesen.

 

Da er nie vor etwas davon lief, hatte er sich entschlossen, ehrlich mit ihr zu sein. Ginnys Wut war nicht ohne gewesen, aber es war besser gewesen, dass sie nahezu sofort ausgezogen und zu ihren Eltern gegangen war. Mit den Kindern. Und es hatte fast zwei Monate gedauert, bis sie wieder mit ihm gesprochen hatte. Molly war vermutlich die treibende Kraft da gewesen, Harry wusste es, auch wenn sie ihm teilweise Blicke geschenkt hatte, die er kaum einordnen konnte. Enttäuschung, Wut und Bedauern waren nur einige der Gefühle gewesen, die er hatte erkennen können. Aber er war dankbar dafür, dass sie ihn kaum anders behandelt hatte.

 

Geschieden waren sie allerdings noch nicht, es würde wohl auch noch etwas dauern, denn das letzte was sie beide wollten war, dass die Presse diese Tatsache ausschlachtete. Arthur half ihnen, damit die ganze Sache eher im Stillen über die Bühne ging, aber das dauerte eben.

 

In den ersten Wochen nach dem Bruch war Harry auch etwas verloren gewesen. Immerhin war für ihn lange klar gewesen, dass er Ginny liebte und dass er sie zur Frau wollte. Mit dem Verschwinden dieser Gefühle hatte er nicht wirklich gewusst was er mit sich anfangen sollte. Es war ja auch nicht so, dass ihm Frauen nicht gefielen. Aber er hatte im Laufe der Monate doch erkennen müssen, dass es eben nicht nur Frauen waren, die ihm gefielen. Was er sich aber fragte war, wieso er am Anfang so stark für Ginny empfunden hatte. Er konnte seine damaligen Gefühle nicht als Verliebtheit abtun, auch wenn ihm heute klar war, dass die doch eher schnelle Hochzeit nicht darauf basiert hatte, die Frau die er liebte an sich zu binden. Es war wohl eher der Wunsch nach Normalität und einer Familie gewesen, der ihn so hatte hetzen lassen.

 

Ändern konnte man es aber nicht mehr und mittlerweile konnte Harry auch sagen, dass er zufrieden war. Mit Ginny mochte es nicht immer leicht sein, aber sie gab sich Mühe ihn nicht zu verurteilen und sie stand ihm nicht im Weg dabei, seine Kinder zu sehen. Wie an diesem Sonntag.

 

Während Harry sich aufrichtete und seine beiden Jungs mit sich hoch zog, sah er über dessen Köpfe hinweg Molly an, die sein drittes Kind – Lily – auf dem Arm hatte. Sein kleines Mädchen, welches jetzt, mit einem Jahr, schon wahnsinnig viele Ähnlichkeiten mit ihrer Mutter hatte. „Hallo Molly!“, grüßte er die Frau, ging auf sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange, auch wenn es dank der beiden Jungs kein leichtes Unterfangen war. Dabei sah er, dass die Küche hinter der Frau leer war. „Ginny nicht hier?“, fragte er deswegen nach und ging an die Frau vorbei, nachdem er auch Lily einen Kuss zur Begrüßung gegeben hatte und ließ sich dann auf einen der Stühle sinken.

 

Nach all den Jahren war dieser Ort noch immer ein Heim für ihn. Es hatte gedauert ihn wieder herzurichten, aber sie hatten es geschafft und die Wärme und Geborgenheit die er hier von Anfang an gefühlt hatte, war nicht gemindert worden.

 

„Ginny trifft sich mit jemanden!“, antwortete Molly Weasley und Harry konnte an ihrem Gesichtsausdruck sehen, dass sie alles andere als glücklich darüber war, diejenige zu sein, die ihm diese Neuigkeit übermittelte. „Oh…“, antwortete Harry, schüttelte dann aber den Kopf. „Das ist doch gut, oder?“, fragte er nach und schaffte es dabei mit Leichtigkeit zu lächeln.

 

Was er sagte, waren keine leeren Worte. Sie hatten damals sich darauf geeinigt, dass sie beide die Möglichkeit hatten andere zu sehen, auch wenn die Scheidung noch nicht rechtskräftig war. Harry hatte kein Interesse daran, Ginny an sich zu binden, obwohl klar war, dass sie irgendwann komplett getrennte Wege gingen. Zumindest soweit das möglich war, wenn man durch drei Kinder an einander gebunden war. Ihr Ziel – da waren sie sich einig – war es aber nicht, sich das Leben schwer zu machen. Mit ihnen hatte es nicht funktioniert und solange neue Partner sich nicht zwischen sie und die Kinder drängten, stand es ihnen beiden frei sich neu zu orientieren. Wenn Ginny jemanden gefunden hatte, mit dem sie es versuchen wollte, war Harry die letzte Person, die ihr dort im Wege stehen würde. Er freute sich sogar für sie.

 

„Ehrlich Molly, ich habe keine Probleme damit. Ich vermute, Ginny hat dir gesagt, dass wir frei sind. Beide und da sind wir uns einig… mach es ihr bitte nicht so schwer, ja?“ Er kannte Molly, sie hatte sich bei Fleur schon so schwer getan, diese zu akzeptieren. Hermine war Willkommen gewesen, so wie er auch. Er fürchtete aber wirklich, dass sie nicht akzeptieren konnte, dass das zwischen ihnen endgültig vorbei war. Ginny war eben ihr Liebling und Harry wusste, dass sie für ihn ähnlich empfand, auch wenn er keines ihrer Kinder war.

 

Sie seufzte leise und Harry hoffte, dass sie sich seine Worte zu Herzen nehmen würde. Er wollte wirklich keinen Stress mit Ginny haben und dieser würde ihn erwarten, wenn Molly sich einmischte und versuchte sie irgendwie wieder zusammen zu bringen.

 

„Wie geht es Hermine und Ron?“, lenkte er das Gespräch dann auf ein anderes Thema, eines wo das Potential nicht so hoch war, sich zu streiten. Er hatte seine Freunde in den letzten Monaten nahezu gar nicht zu sehen bekommen. „Oh, hast du sie gar nicht gesprochen?“, fragte sie deutlich irritiert nach und ließ sich mit Lily auf dem Stuhl ihm gegenüber nieder. Harry konnte sehen, dass sie das offensichtlich verwirrte, was ihm wiederum nicht gefallen wollte. „Schon eine Weile nicht. Hermine war so beschäftigt und Ron hatte auch selten Zeit!“, antwortete er ihr, entspannte sich aber, als Molly zu lächeln begann.

 

„Dann solltest du das vielleicht bald nachholen, Harry.“

 

„Wir waren letzte Woche bei Tante Hermine und Onkel Ron!“, mischte sich nun auch sein Ältester ein und blickte ihn dabei mit Stolz an. Aber noch bevor Molly eingreifen konnte, sprach der fünfjährige Junge schon weiter. „Mum sagt, Tante Hermine bekommt ein Baby!“

 

Harry war durchaus überrascht, gleichzeitig freute er sich aber auch für seine beiden Freunde. Hermine und Ron hatten sich deutlich mehr Zeit gelassen, Hermine hatte zuerst ihre Ausbildung gemacht um ins Ministerium gehen zu können und Ron war mit ihm im Auroren-Programm gewesen. Allerdings hatte Harry damit nicht lange weiter gemacht. Anfangs war der Gedanke, dunkle Magier wie Voldemort zur Strecke zu bringen sehr stimulierend gewesen. Aber mit der Zeit hatte Harry gemerkt, dass er davon im Grunde, nach allem was er erlebt hatte, die Nase davon voll hatte. Er wollte Normalität und ein ruhiges Leben. Nun wo seine drei Kinder da waren, war er auch nicht mehr gewillt sein Leben zu riskieren und unbewusst wohl auch ihres. Er hatte aus seiner eigenen Vergangenheit durchaus gelernt. Im Grunde musste er auch nicht arbeiten. Er hatte das Vermögen seiner Eltern und auch das der Blacks. Im Moment war er eher dabei seinen Platz zu finden, denn so gar nichts zu machen war auch nichts für ihn.

 

„Das ist ja schön, James!“, antwortete er dann seinem Sohn.

 

Als die beiden Jungs schließlich wieder von seinem Schoß rutschten und sich mit anderen Dingen beschäftigten, konnte Harry sich anständig an den Tisch setzen. „Ich war vor einigen Tagen bei Andromeda… Teddy entwickelt sich auch prächtig!“, sprach er weiter und blickte amüsiert auf, als Molly schnaubte. „Der Kleine ist kaum zu bändigen!“, kommentierte sie und Harry musste ihr Recht geben. Teddy hatte Energie für mehrere Kinder, aber ihm persönlich machte das kaum etwas aus.

 

„Wie sieht es bei George aus?“, war es dann an Molly, Harry zu fragen.

 

George Weasley hatte noch immer seine Probleme mit Freds Tod. Harry verstand es, aber er wünschte sich, dass sie etwas tun konnten. Es kam nicht oft vor, dass George zu erreichen war, er zog sich oft zurück und das Schlimmste war, wenn er seine Sätze nicht ganz sprach, so wie es früher zwischen ihm und Fred normal gewesen war. Er schaute dann immer wie erschlagen. Sie alle konnten nur hoffen, dass er sich wieder fangen würde. Solange er sie nicht an sich heran ließ, konnten sie ja auch nichts weiter machen.

 

Der Tag verging dann wie im Fluge. Harry spielte mit seinen Kindern und hörte ihnen zu, was sie von ihrem Alltag mit Ginny erzählten. Harry hörte da gerne zu, es war die einzige Möglichkeit für ihn, weiterhin so nahe an ihrem Leben teilhaben zu können. Als die drei dann schließlich ins Bett gebracht worden waren und Harry mit Molly und Arthur in der Küche saß, kam auch Ginny wieder.

 

Harry musterte seine Frau, während diese ihre Eltern begrüßte. Sie sah gut aus, glücklich irgendwie. In den ersten Monaten war es ganz anders gewesen und es freute ihn natürlich, dass sie sich langsam wieder zu fangen schien. „Wie ich höre, hast du jemanden getroffen!“, durchbrach er die Stille schließlich, nachdem auch sie sich gesetzt hatte. „Was ernstes?“, fragte er neugierig weiter. Zuerst stutzte Ginny, sah dann aber wohl sein leichtes Schmunzeln und das entspannte sie deutlich.

 

„Ich weiß nicht.“, antwortete sie dann entspannt. „Könnte sich jedenfalls dazu entwickeln!“, fuhr sie fort, ehe sie ihn deutlich musterte. „Und bei dir? An den Wochenenden bist du ja kaum zu erreichen!“ Es war kein böser Vorwurf, aber Harry wusste, dass sie es versucht hatte. Zum Glück nicht mit ernsteren Hintergrund.

 

Er aber schüttelte nur den Kopf. „Nichts neues. Ich bin oft im nectere!“

 

Und das war nicht gelogen. Das mit diesem fremden Mann war nichts ernstes. Wie könnte es das auch sein? Harry hatte jedenfalls nicht vor die Pferde scheu zu machen. Er glaubte kaum noch daran, dass er diesen Mann Widertreffen würde Wenn es ihm ähnlich ergehen würde, hätte er sich schon längst blicken lassen. Darüber hinaus war er nicht auf eine neue Beziehung aus.

 

Aber er konnte zumindest sich selbst gegenüber nicht vor machen, dass er nicht den Wunsch hegte, herauszufinden, wer hinter dieser einen Maske steckte und was genau es war, was ihn an diesem Mann so faszinierte. Es war eh sehr schwer diese Tatsache zu akzeptieren, wenn man bedachte, wie viel die Zauber die auf den Masken lagen, einen verschleierten. Wie konnte man so viel empfinden für jemanden, den man nicht kannte, nie richtig gesehen hatte und der nichts weiter war wie eine undeutliche Silhouette?! Harry wusste es nicht.

 

Ginny musterte ihn weiterhin, deutlich forschend, ehe sie den Blick abwendete. „Wir werden sehen. Das Konzept ist ein gutes, vielleicht findest du wonach du suchst!“, erklärte sie. Harry wusste nicht, ob er es abstreiten oder hoffen sollte, dass sie Recht behielt.

 

Er verabschiedete sich eine Stunde später von den Weasleys und apparierte zurück in seine Wohnung. Er musste zugeben, dass dieser Tag angenehm gewesen war, aber er fragte sich nach den Gesprächen auch, ob er seine Hoffnungen begraben sollte, oder ob er am kommenden Freitag es erneut versuchen sollte, ins nectere zu gehen. Oder besser, dorthin zu gehen mit der Hoffnung, dass er endlich Glück hatte. Als letzten Versuch sozusagen.

 

Noch während er seinen Blick auf die Maske lenkte, wusste er, dass die Entscheidung eigentlich bereits gefallen war. Er konnte schließlich nicht wissen, wer hinter der Maske gesteckt hatte und fraglich war wohl auch, ob seine Empfindungen die gleichen wären, wenn es anders gewesen wäre. So aber hoffte er ehrlich, dass er Glück hatte, oder aber jemand anderen traf, der ihn ähnlich faszinierte.

 
 

 

***

 

 

Währenddessen lag Severus Snape in Hogwarts in seinem Bett und starrte die Decke über sich an. Ein Monat! Einen ganzen Monat ging es nun schon so und langsam sah man es ihm an. Er entwickelte sich erneut zu seinem alten Selbst zurück, er war schneidend mit seinen Kommentaren, ungeduldig mit den Menschen um ihn herum. Der Gipfel war es eindeutig gewesen, dass Minerva ihn nach dem Abendessen zur Seite genommen hatte, ihm ihren strengen Blick geschenkt hatte und ihm allen ernstes gesagt hatte, dass es ihr egal sei was genau er vor einigen Wochen gemacht hatte, es aber Zeit wäre, dass er es wiederhole.

 

Ein Teil von ihm schrie ihm regelrecht entgegen, dass sie Recht hatte. Sein Verstand allerdings wehrte sich nach wie vor. Aber er wusste, dass eben jener bröckelte. Er tat es schon lange, mit jedem Mal wo er nachts erwachte, wo er verlangend selbst Hand anlegte, sich berieseln ließ von Erinnerungen und letzten Endes durch all dieses zum Höhepunkt kam, bröckelte jedes bisschen Willenskraft das er besaß mehr und mehr. Er wusste, es war keine Frage mehr danach ob er nachgeben sollte. Er wusste, es war eine Frage nach dem Wann. Und so sehr es ihn auch ärgerte, er wusste genauso, dass er es nicht mehr verhindern konnte. Oder gar wollte, ganz gleich was er sich auch selbst einredete.



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