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Für die Ewigkeit

oder: Wie alt wird eigentlich so ein Ahorn?
von

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Io ♥ Akoya

Io bildete sich eigentlich ein, Akoya bereits selbstgefällig lächeln gesehen zu haben.

Mehr als einmal.

Immer wieder.

In den unterschiedlichsten Situationen.

Da gab es den Unterricht, in dem sein Mitschüler sich immer dann besonders aufplusterte, wenn er sich dazu herabließ, die richtige Antwort zu verkünden. Komplett, mit süffisantem Lächeln und stolz geschwellter Brust und immer auch ein wenig so wie Ryuu, wenn dieser von seinem neuesten Date berichtete, das er sich – angeblich – von der Mädchenschule am anderen Ende der Stadt angelacht hatte.

Dann war da die Sache mit dem Brunnen im Naturwissenschaftstrakt, von dem Io mittlerweile wusste, dass Akoya ihn besonders deswegen toll fand, weil es seine eigene Idee gewesen war. Er hatte es Io nicht einfach berichtet – er hatte es ihm in einer stillen Minute auf die Nase gebunden und ihn dabei so sehr an sich selbst erinnert, dass Io das Tablett für eine Weile hatte stecken lassen.

Der Gipfel der Selbstgefälligkeit jedoch verdiente sich zweifellos der Zwischenfall mit dieser Einladung in den Schülerrat. Akoyas Lächeln, als Io ihm sagte, er würde sich überlegen, hatte sich in Ios Netzhaut und von dort in seine Erinnerung gebrannt. Nicht einmal Ens übertriebene Selbstzufriedenheit, mit der er ihm seine erratenen Prüfungsergebnisse präsentiert hatte, hatte dieses Bild toppen können und er trug es immer noch bei sich, so wie einen durchgekauten Kaugummi, der sich einfach nicht von seiner Schuhsohle lösen wollte.

Und doch …

Plötzlich war Io sich mit seiner Einschätzung nicht mehr so sicher. Er warf einen skeptischen Blick zu seinem Mitschüler. Die süßlichen Worte. Die Lächeln. Die Strähnen, die er sich kunstvoll hinter die Schulter gestrichen hatte. Alle diese Gesten erschienen ihm mit einem Mal so bescheiden wie Atsushi und so niedlich-naiv wie Yumoto. Sie alle verblassten gegen den Akoya Gero, der nun neben ihm stand. Die Arme vor der Brust verschränkt, die Augenbrauen gespielt-lässig hochgezogen und der Hauch eines Lächelns im Mundwinkel, beäugte er Io wie ein besonders teures Fünf-Sterne-Frühstück. Hätte eine unsichtbare Lichtquelle hinter ihm Glitzern können, Io war sich sicher, sie hätte es getan.

Die Aufforderung, ihn für sein Meisterwerk in den höchsten Tönen zu loben, hing zwischen ihnen. Akoya musste sie nicht aussprechen – jede Faser seines Körpers strahlte sie aus. Noch für einen Moment ignorierte Io sie stoisch, um Akoya zu ärgern, dann beugte er sich doch vor, um das Werk zu mustern. Die Schnitte waren klar und sauber. Die Linien wurden an den passenden Stellen sogar breiter, fast so, als wäre es kein Messer sondern ein Pinsel gewesen, der sie in die Rinde getrieben hatte. Alles in allem wirkte der Schriftzug, so trivial er Io auch erschien, kunstvoll, selbst das Herz in der Mitte. Vielleicht hätte er Akoya fragen sollen, ob er öfter peinliche Liebesschwüre in Schulbäume ritzte, doch Io schluckte die Worte.

Er wusste ja nicht einmal, ob Akoya ihre Namen wirklich selbst in den Stamm des Ahorns geritzt hatte.

Das Bild eines Erstklässlers aus dem Kunstklub, der unter dem Siegel der Verschwiegenheit und vor dem morgendlichen Eintreffen der ersten Sportklubs vor dem Ahorn stand und schnitzte, schlich sich vor sein inneres Auge. Mit ihm kam eine Frage, die ihn beinahe für das Geld entschädigte, das ihm gerade durch die Lappen ging.

Bedeutungsschwer wandte Io den Blick vom Schriftzug ab, um Akoya einen Moment lang genauso bedeutungsschwer zu mustern. Ein Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln, doch er hielt es vorerst zurück.

„Wie viel hast du dafür bezahlt?“, fragte er, seine Stimme eine herausragende Imitation ihres Englischlehrers.

In Ios Augenwinkel hielt sich Akoya wacker. Seine Haltung hielt, genauso wie seine selbstzufriedene Miene, doch der leichte Rotschimmer, der sich auf seine Wangen legte, verriet ihn.

„Also bitte! Für so etwas zahle ich nicht!“

Io nahm sich die Zeit, ausgiebig mit den Augen zu rollen.

„Doch, wirst du“, antwortete er. Für einen Augenblick verfluchte er sich dafür, sein Tablet zusammen mit Wombat im Klubraum gelassen zu haben, doch vermutlich brauchte er den tatsächlichen Wert eines Ahornbaums für sein Argument auch gar nicht. Es wäre nur schön gewesen, ihn in der Hinterhand zu haben.

„Die Anschaffungskosten für einen Baum wie diesen sind nicht gering und der Wert steigt mit dem Alter und der Pflege“, behauptete er weiter. „Der Ahornhain unserer Schule existiert schon seit der Schulzeit meines Vaters. Was glaubst du, wie teuer es wird, wenn der Direktor sich dafür entscheidet, diesen Baum hier zu ersetzen?“

„Man wird ihn nicht ersetzen.“

„Es ist kitschig.“

Akoya zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Es ist ein Kunstwerk für die Ewigkeit.“

„Es ist ein Verlustgeschäft“, wiederholte Io seine Befürchtung. „Ein kitschiges Verlustgeschäft. Wenn die Lehrer das sehen, wirst du den Schaden bezahlen müssen.“

Akoya zuckte mit den Achseln. Zugegeben, vielleicht musste er sich vor den Lehrern wirklich nicht sorgen – immerhin hatte er nicht nur dafür gesorgt, dass Ios Name an erster Stelle stand, Io musste auch damit rechnen, dass seine Eltern das Kollegium gekauft hatten. Io selbst hatte in seinem ersten Jahr mit der Überlegung gespielt, das gleiche zu tun, doch die Erkenntnis, dass es sich kaum rentieren würde, hatte ihn letztendlich davon abgehalten. Akoya hingegen war nicht der Typ, der vorher ausführliche Kosten-Nutzen-Kalkulationen durchführte. Er seufzte ergeben.

„Was ist mit deinen Eltern?“, versuchte er eine neue Strategie. „Wenn sie das sehen, werden sie nicht begeistert sein.“

„Wenn deine Freunde das sehen, werden sie dich auf Facebook entfreunden.“

„Wenn die übrigen zwei Drittel deines Schülerrates das sehen, werden sie dich in Live und in Farbe entfreunden.“

„Werden sie nicht.“

„So?“

„Siehst du die Schnecken?“

Natürlich sah Io die Schnecken. Sie krochen zwischen den Grashalmen der Grünfläche herum und einige von ihnen waren so fett, dass das Schneckenbekämpfungsmittel, dass der Hausmeister zweifelsohne verwendete, eine akute Fehlinvestion sein musste.

„Einer von ihnen hat Angst vor Schnecken?“, schlussfolgerte er, den Blick immer noch auf das Haus eines tennisballgroßen Exemplars gerichtet.

Neben ihm wickelte Akoya unschuldig eine Strähne auf seinen Zeigefinger.

„Arima.“

„Er ist derjenige mit dem Blick für Details, huh?“

„So ein Schneckenhaus kann sehr detailreich sein.“

Zweifelnd hob Io den Blick. Neben ihm lächelte Akoya dünn. Es war nicht mehr das effektheischende, glitzernde Lächeln von vorhin. Er wirkte immer noch vollkommen zufrieden mit sich selbst, aber ehrlicher. Echter. Ein wenig mehr wie der Akoya, der im Unterricht errötete, wenn man ihn nur ein wenig beobachtete.

Io spürte das Zucken in seinen Mundwinkeln, noch bevor er sich dazu entschloss, das Lächeln zuzulassen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Delacroix_
2015-03-24T20:19:54+00:00 24.03.2015 21:19
Ja, ja. Immer alles auf mich, schon klar.^^
Aber der OS ist wirklich süß und er passt so schön rein und ist voll *quietsch* und so. 
Mit ♥♥♥.


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