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Schicksalswege

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ^^

Ich hoffe, dass mit diesem Kapitel eure Erwartungen langsam in Erfüllung gehen und ihr nicht mehr länger warten müsst. :-)

Und, hunny, da du mehr von den Kampfszenen wolltest, hoffe ich, dass du sie in diesem Kapitel genug finden würdest und dieses Kapitel ist daher für dich gedacht. ;-)

Ich wünsche dir, und auch euch allen, meine liebe Leser, viel Vergnügen. :-)

Liebe Grüße
Saph_ira Komplett anzeigen

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Im Wahn

Eisige Winterkälte hielt Einzug über das Land. Frost, Wind und Schnee machten den Menschen das Leben schwer - besonders den Armen und Schwachen.
 

In der Kaserne gab es zu dieser Jahreszeit häufiger als sonst Diebstähle von Bürgerlichen und die Soldaten mussten wachsamer sein. Außer Brennholz und Essbarem wurde meist nichts Nennenswertes entwendet. Der stationierte Befehlshaber der Söldnertruppe, Oberst Dagous, achtete sorgsam darauf, dass seine Männer ordnungsgemäß seine Befehle durchführten und nicht nachlässig wurden. Daher gestattete er ihnen auch keine dienstfreien Tage - nur in äußersten Notfällen. Die Soldaten murrten und zogen finstere Gesichter, aber sie fügten sich. Was blieb ihnen auch anderes übrig, wenn sie weder ihren Sold riskieren, noch eine Suspendierung beschwören wollten?! Wenigstens die Besuchstage waren gestattet und damit trösteten sie sich.
 

Alains Schwester kam so eines Tages wieder zu Besuch. Sie brachte frische Wäsche für ihren Bruder und André. Diese gaben ihr dafür schon die nächste Kleidung zum Waschen mit und mehr als die Hälfte ihres Soldes. Diane nahm alles mit einem netten Lächeln an sich.
 

Im Quartier wurde Alain später sofort über seine Schwester ausgefragt. Aber dieser speiste alle nur mit einer drohenden Faust ab: „Lasst mir die Finger von ihr, sonst werdet ihr eures Lebens nicht mehr froh sein!“
 

„Das sagst du jedes Mal“, konterte Léon achselzuckend und bekam eine scherzhafte Kopfnuss von seinem Kameraden. „Wofür war das denn?!“ Er rieb sich verständnislos sein Haupt.
 

„Dafür, dass ich es ernst meine!“ Alain lachte und zeigte auf seinen Freund: „Nimm dir lieber ein Beispiel an unserem André. Er läuft nämlich nicht meiner Schwester hinterher.“
 

„Wenn er überhaupt irgendwelchen Frauen hinterher läuft!“, ergänzte Jérôme und weckte somit die Neugierde aller Söldner.
 

Alain umfasste sein markantes Kinn und musterte seinen Freund ausgiebig. „Da muss ich ihm Recht geben... Obwohl wir in der gleichen Nachbarschaft aufwuchsen und fast ständig zusammen waren, habe ich dich noch nie einem Mädchen den Hof machen sehen... Obwohl, im letzten Herbst war da etwas...“
 

„Ich warte, bis mir die Richtige über den Weg läuft.“ André schnitt ihm dagegen eine schiefe Grimasse.
 

„Ha!“, rief einer der Kameraden belustigt: „Du bist ein Träumer, André! So etwas gibt es nicht!“ Die anderen stimmten mit ein und lachten allesamt.
 

„Mag sein, dass ich ein Träumer bin. Aber so etwas wie die eine, richtige Frau gibt es wirklich.“ André schmunzelte geheimnisvoll und erhob sich von seiner Schlafstätte. Er ging zum vereisten Fenster, streckte seine Glieder und lächelte noch mehr vor sich hin. „...und ich habe sie schon gefunden.“
 

„Echt?!“ Den Söldnern weiteten sich vor Neugierde die Augen. „Und, wer ist sie?“, wollten sie im Chor wissen.
 

„Das würde mich auch interessieren...“, dachte Alain bei sich. Seine Augenbrauen zogen sich hoch, als er hörte, wie André nur einen einzigen Namen hauchte: „Oscar...“
 

Die Neugierde verwandelte sich bei den Männern in Verblüffung. Nun gut, alle wussten über seine Freundschaft zu dieser eigenartigen Frau und amüsierten sich gern darüber. Aber Liebe? Das war doch ein wenig unbegreiflich!
 

„Nein!“ Alain schoss sogleich aufbrausend in die Höhe und baute sich turmhoch vor seinem Freund auf. „Warum ausgerechnet dieses Mannsweib?! Sie gehört dem Adel an!“
 

„Das macht mir nichts aus. Ich liebe sie - nur sie...“, gestand André ruhig und gelassen. Er sah an Alain vorbei auf das bizarre Eismuster an der Fensterscheibe und sein Gesichtsausdruck bekam noch mehr etwas Träumerisches...
 

Alain konnte es kaum länger mitanhören. „Und liebt sie dich wenigstens auch?“
 

„Ich glaube schon...“
 

„Du glaubst?!“ Das war doch nicht zu fassen! Was ging in dem hohlen Kopf von André überhaupt vor!
 

„Sie weiß nichts von meinen Gefühlen.“ Nun zog auch André seine Brauen streng zusammen und sah Alain ernst an. „Und soll auch nichts davon wissen!“
 

Das reichte! Alain packte ihn unsanft bei den Schultern und rüttelte ihn heftig. „Schlag sie dir aus dem Kopf! Du hast besseres verdient, als diese selbstgerechte Aristokratin in Männerkleidern!“
 

André versuchte ihn reflexartig von sich zu schieben. „Was soll das, Alain?!“
 

„Was das soll?!“ Alain packte ihn noch fester an der Uniform und warf einen flüchtigen Blick auf die staunenden Söldner im Raum. „Männer, helft mir! Unser Freund ist nicht ganz klar im Kopf! Er braucht dringend eine Abkühlung!“
 

„Hey, lasst das!“, brummte André überrascht, als nun auch seine Kameraden nach ihm griffen. Sie packten ihn von allen Seiten, ließen ihm keinen Spielraum für eine Gegenwehr und zerrten ihn aus der Baracke. André versuchte sich zu wehren, aber zwecklos. Die Männer schleppten ihn bis zu den Stallungen, hoben ihn hoch und warfen ihn dort in den Trog mit eiskaltem Wasser. André umfing das eisige Nass und durchtränkte im Bruchteil weniger Sekunden seine Kleidung. Er zappelte hektisch mit den Armen und versuchte sich aus dem Trog zu befreien. Er bewegte seine Beine, schaffte es, sich aus dem Wasser hochzuziehen und stieg dann endlich ins Freie. Das Wasser triefte von seinen Haaren und von seiner Uniform in Strömen. Völlig nass stand er vor dem Dutzend Kameraden - sie lachten ihn genüsslich aus.
 

„Ich hoffe, dein Kopf ist jetzt frischer geworden!“ Auch Alain grinste über beide Ohren, sodass André ihm am liebsten dieses Grinsen ausgeschlagen hätte... An seinen Schläfen pulsierte das Adrenalin. Seine Augen durchzog ein rötlicher Schleier und das heiße Rauschen seines Blutes überdeckte das schallende Gelächter seine Kameraden. Seine nassen Hände formten sich zu festen Fäusten, seine Kiefer mahlten und sein mörderischer Blick galt nur Alain. „Das wirst du mir büßen!“, knurrte André angriffslustig und stürzte sich auf ihn.
 

Alain durchschaute sein Vorhaben auf Anhieb und rannte aus dem Stall. Für eine Rangelei war auf dem Hof mehr Platz. Und wenn André unbedingt eine wollte, dann sollte er eine bekommen. Er warf einen Blick über seine Schulter – André folgte ihm dicht auf den Fersen und kaum dass Alain sich umgedreht hatte, da stürzte André auch schon auf ihn. Alain hatte keine Zeit, um sich in Angriffsposition zu stellen und damit seinen Freund entsprechend zu begegnen. Er verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings in den Schnee – André über ihn. Dennoch wehrte Alain geschickt dessen Fäuste ab und schaffte es, ihn von sich zu stoßen.
 

André rollte sich im Schnee schnell auf den Rücken – seine tropfnasse Uniform wurde zunehmend hart und kalt, aber das war ihm egal. In seinem Inneren loderten die Flammen des Zorns. Niemand hatte das Recht, so über Oscar zu sprechen und seine Liebe zu ihr zu verspotten! Er wollte sich hochrappeln, aber da saß Alain schon rittlings auf ihm und drückte ihn mit aller Kraft gegen den verschneiten Boden.
 

„Hört doch auf!“, rief einer der Kameraden besorgt. „Das ist nicht mehr lustig!“ War das Léon? Wer auch immer das war, niemand ging dazwischen. Niemand gebot den beiden Streitlustigen Einhalt und brachte sie auseinander – vielleicht, weil solche Schlägereien in ihrem Soldatenleben nichts Neues waren. Oder vielleicht, weil sie auf die Vernunft der beiden appellierten. Doch womöglich war es ihnen auch nur eine willkommene Abwechslung. Alle Kameraden standen im Halbkreis um sie herum und warteten mit Spannung, was noch folgen würde.
 

„Hast du gehört, Kumpel?“, schnaufte Alain und verstärkte den Druck auf Andrés Brustkorb. „Lass den Unsinn!“
 

„Nein!“ Andrés Wiederspruch erzeugte eine Wolke aus Eiskristallen von seinem Mund. Er stemmte seine Arme gegen Alain und versuchte, ihn von sich fernzuhalten. „Sie ist kein Unsinn!“ Seine Hände fanden den Weg zu dem Knoten des roten Halstuches seines Gegners. Seine Finger schlossen sich um den muskulösen Hals. Kraftvoll drückte er zu.
 

Alain schnappte nach Luft. André drückte ihm den Knoten direkt gegen den Kehlkopf und Alain begann zu röcheln. Alains Kraft ließ nach und André schaffte es, ihn von sich zu stoßen. Schnaufend rappelte André sich hoch. Ungeachtet des Schnees in seinen Haaren, an seinen Stiefeln und an der Uniform, schleppte er sich zu Alain. Dieser hielt sich den Hals und saß schwer atmend auf. „Bist du noch bei Trost, Andre?!“, brüllte er ihn knirschend an: „Komm zur Vernunft! Sie ist es nicht wert!“
 

André verharrte plötzlich still und starrte entgeistert auf ihn herunter. Der rötlicher Schleier löste sich vor seinen Augen, das heiße Blutrauschen kühlte sich ab und er dämpfte seinen rasenden Atem. Was war nur in ihn gefahren?! Das war doch nicht seine Art! Seine vor Kälte versteiften Fäuste lockerten sich wie von alleine. André wurde sich erst jetzt des eisigen Frosts gewahr, der erbarmungslos unter seine Kleider kroch und auf seiner Haut brannte. Und ihm wurde bewusst, was er beinahe getan hätte... Für seine Liebe hätte er fast seinen Freund getötet...
 

Zögernd reichte André Alain die Hand. „Entschuldige...“, murmelte er frierend und klapperte fast mit den Zähnen. „...Ich liebe sie wirklich.“
 

Alain rappelte sich mit der dargebotenen Geste hoch, seine Atmung wurde immer besser und er klopfte den Schnee von seiner Uniform ab. Beinahe mitleidig schielte er zu André. „Du bist ein Narr, Kumpel! Diese Frau wird dein Verderben sein und ich will dich nur davor bewahren!“
 

„Das ehrt dich, Alain. Aber gegen die Liebe kann man nicht ankämpfen...“ André erwiderte ihm offen den Blick. „Dann wird sie wohl mein Verderben sein...“, sagte er und ging einfach an ihm vorbei, in Richtung der Baracke.
 

„Und was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Léon ratlos. „Wie können wir ihm nun helfen?“
 

„Ich glaube, ihm ist nicht mehr zu helfen...“, meinte Jérôme und Alain musste ihm insgeheim Recht geben. André war nicht mehr zu retten. Ein Herz konnte man nicht befehligen. Aber er konnte seinem Freund beistehen und ihn im Auge behalten. Und das nahm sich Alain fest vor.
 


 


 

Notre Dame de Paris. Die Sonne ging am östlichen Horizont auf. Auf einem der Türme standen Oscar und André – sie sahen sich lange an. Er hatte ihr beim letzten Mal nicht gesagt, was sie ihm bedeutete... Aber nun würde er es tun! Er würde ihr die drei Worte sagen, die Alles und Nichts bedeuteten: „Ich liebe dich, Oscar“, sagte er und senkte seinen Mund über ihre Lippen... Doch Oscar zeigte keine Regung, als wäre sie nur eine Statue... Eine Statue, die sich urplötzlich in Luft auflöste...
 


 


 

Mitten in der Nacht wurde Alain von einem seiner Kameraden rüde geweckt. „Steh auf! André geht es nicht gut! Er redet im Schlaf und ist glühend heiß!“
 

André hatte hohes Fieber, das sah Alain sofort, als er vor dem Bett stand. André lag schweißgebadet auf seiner Schlafstätte und glühte förmlich. Sein Kopf drehte sich immer wieder von einer Seite auf die andere und seine trockenen Lippen formten zwischendurch ein kaum hörbares: „Oscar... Nein, geh bitte nicht...! Oscar...!“
 

„Holt sofort Oberst Dagous, dann Tücher und Schnee!“, befahl Alain heiser und hockte sich vor das Bett seines Freundes. Schuldgefühle und Gewissensbisse stiegen in ihm hoch. „Halte durch, dir wird es gleich besser gehen!“, flüsterte er ihm zu, aber innerlich ahnte er bereits, wie trügerisch seine Worte waren und wie heimtückisch das Fieber sein konnte...
 

Doch auch der Schnee, der in einem Holzeimer gebracht wurde, half nicht und Oberst Dagous ordnete an, André aus der Kaserne fort zu schaffen. „...sonst steckt er euch hier alle an!“, fügte er seine Begründung trocken hinzu.
 

„Aber er braucht einen Arzt!“, protestierte Alain heftig.
 

Der Oberst fixierte ihn mit verengten Augen. „Bring ihn fort! Meinetwegen kannst du zwei deiner Kameraden mitnehmen und dich um ihn kümmern! Aber bis Einbruch der Dunkelheit bist du morgen mit ihnen wieder hier, sonst braucht ihr drei gar nicht mehr kommen!“ Er wandte sich ab und verließ das Quartier.
 

Alain knirschte mit den Zähnen. Der Oberst gehörte dem Adel an und war im Herzen genauso verkommen, wie der Rest Seinesgleichen. „...Oscar...“, ertönte erneut ein schwacher Laut aus dem Bett - das brachte Alain wieder zur Besinnung. Er vergaß den Oberst und schenkte seinem Freund die volle Aufmerksamkeit. „Jérôme, Léon, helft mir, ihn in seine Wohnung zu bringen!“, ordnete er auffordernd an und machte sich schon selbst an André zu schaffen.
 


 

Die ganze Nacht hielt Alain über André Wache. Seine Mutter und seine Schwester kümmerten sich um ihn und taten alles, was in ihrer Macht stand. Aber es half nichts. Bei Morgengrauen verstärkte sich das Fieber. Der gerufene Arzt konnte auch nichts für ihn tun – zu wenig Geld, um dem Kranken noch zu helfen. „Was machen wir jetzt?“, wisperte Diane erschöpft, nachdem der Arzt gegangen war.
 

„Reite nach Anwesen de Jarjayes und hole seine Großmutter hierher“, empfahl Madame de Soisson hoffnungslos. „André würde zwar ihr Geld und ihre Hilfe nicht wollen, aber sie ist die Einzige, die den Arzt bezahlen kann, um ihren Enkel vielleicht doch noch zu retten...“
 

Alain nickte zustimmend. Den Gedanken hatte er auch. Schleunigst befolgte er den Ratschlag seiner Mutter. Doch im tiefsten Winkel seines Herzens hoffte er, auf Oscar zu treffen und dass sie wirklich nicht so kaltherzig war, wie sie aussah. Wenn André ihr etwas bedeutete, dann würde sie kommen und mehr für ihn tun können, als alle anderen. Sie hatte mehr Möglichkeiten und war seine Freundin, wie André ihm stets stolz und überzeugt weiszumachen versuchte... Wenn jedoch dieses selbstgerechte Weib nichts unternehmen würde, dann würde er, Alain, sie zur Rechenschaft ziehen und sie büßen lassen – egal, ob er dadurch seine Prinzipien verwerfen müsste, um mit ihr zu kämpfen... André war ihm das allemal wert und das Einzige, was gerade noch zählte, war sein dahinscheidendes Leben...
 


 


 

- - -
 


 


 

Oscar war schon seit Tagen nicht mehr zu Hause gewesen. Sie musste in Versailles weiterhin die aufdringlichen Höflinge beschwichtigen. Dank ihrer Position als Kommandant machte sie kurzen Prozess mit ihnen und verwies sie gekonnt des Audienzsaales. Doch der Unmut wuchs und wuchs, da die Königin niemanden mehr empfing und lieber mit ihren Kindern im Lustschlösschen Trianon spielte. Das ständige Hin und Her zerrte an Oscars Kräften - und an ihren Nerven. Aber sie blieb eisern und behielt mit ihrer Garde die Oberhand.
 

Als sich die Lage etwas entspannte, nahm sich Oscar einen Nachmittag frei, um auf dem Anwesen etwas zur Ruhe zu kommen. Erschöpft, aber frohen Gemüts ritt sie geschwind Heim. Das Fehlen ihres einstigen Kindermädchens bemerkte sie zunächst nicht. Sie ging, sich nichts dabei denkend, auf ihr Zimmer und wollte sich gerade ihrer Uniform entledigen, als es an der Tür zu ihrem Salon klopfte.
 

Rosalie kam mit verweinten Augen in den Salon, die Hände vor der Brust gefaltet. „Lady Oscar...“, schniefte sie tränenerstickt.
 

„Was ist passiert?!“ Oscar war sofort bei ihr und fasste sie umsorgt bei den Armen.
 

„André... André liegt seit gestern Abend im Sterben... und seine Großmutter ist gerade bei ihm...“
 

„Was sagst du?!“ Oscar traf das völlig unvorbereitet, wie ein harter Schlag in die Magengrube. Die Welt hörte mit einem Mal auf, sich zu drehen. Ihre Füße dagegen setzten sich von alleine in Bewegung. Sie ließ die junge Frau einfach stehen, schnappte nach ihrem Mantel und hastete zurück zu ihrem Pferd in den Stall.
 

Das gab es doch nicht! Nein, nicht André! Ihr Herz zerriss in unzählige Stücke und ihr Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Seit gestern Abend und niemand hatte sie darüber in Kenntnis gesetzt?! Warum?! Oscar hoffte, dass sie nicht zu spät käme und dass Rosalies Worte nur ein Irrtum wären...
 

Die Hoffnung zerplatzte, als sie in seine Wohnung gelassen wurde. Alain, der die Tür öffnete, war sichtlich erstaunt von ihrer Erscheinung. Oscar beachtete ihn nicht. Sie stürmte wie besessen in Andrés Schlafkammer. Sophie, die an dem Bett ihres Enkels saß und hemmungslos schluchzte, fuhr erschrocken hoch. „Lady Oscar...“ Doch auch sie wurde von Oscar außer Acht gelassen.
 

In dem Raum befanden sich noch weitere Personen: Zwei Soldaten, Diane mit ihrer Mutter und ein Arzt. Im Halbkreis standen sie um das Bett und blickten erschrocken auf den Neuankömmling. Oscar würdigte keinen von ihnen eines Blickes. Ihre Füße kamen neben Sophie zum Stehen und ihr Herz rutschte immer tiefer in ein Loch. Ihre Aufmerksamkeit galt alleine ihrem Freund. Sein Anblick versetzte sie in Schreckensstarre: André lag, in ein schlichtes Hemd gekleidet, unter einer dünnen Decke – er war schweißgebadet, glühend heiß und zeigte kaum noch Lebenszeichen. Ein Eimer mit angetautem Schnee stand neben seinem Bett und ein feuchtes Tuch bedeckte seine Stirn. „Was hat er?! Was ist mit ihm?!“, verlangte Oscar mit belegter Stimme zu wissen und schluckte einen dicken Kloß herunter.
 

„Er hat hohes Fieber“, erklärte der Arzt gefühlslos. „Es gibt nichts mehr, was wir für ihn tun können.“
 

Oscar warf ihm einen messerscharfen Blick. „Habt Ihr denn überhaupt etwas für ihn getan, außer hier zu stehen und zuzusehen, wie er dahinscheidet?!“ Es war nicht zu übersehen, dass sie in Rage geriet.
 

„Was erlaubt Ihr Euch?!“, konterte der Arzt empört und verlor die Fassung: „Das Fieber wütet schon seit gestern Abend in ihm und ist nicht mehr heilbar! Zudem fehlt mir das Geld für die richtigen Mittel, um ihn besser behandeln zu können!“
 

„Und deswegen lasst Ihr ihn sterben?!“, donnerte Oscar außer sich vor Wut und umfasste den Griff ihres Degens. Aber sie zog ihn nicht aus der Schafft. „Wenn Euch Geld wichtiger ist als ein Menschenleben, dann seid Ihr kein richtiger Arzt, sondern ein niederträchtiger Hochstapler!“
 

„Untersteht Euch!“, empörte sich der Arzt schnaubend, aber Oscar ließ ihn sich nicht weiter rechtfertigen. „Schert Euch hinaus, sonst stelle ich Euch vor Gericht!“, fauchte sie aufgebracht und entblößte provokant ein Stück des kalten Metalls an ihrer Seite.
 

„Wie Ihr wollt. Aber das ändert nichts daran, dass er schon so gut wie tot ist!“, blaffte der Arzt verächtlich und verließ überstürzt die Wohnung.
 

Oscar schob ihren Degen zurück in den Schafft und sah wieder zu ihrem Freund. Der lodernde Zorn auf diesen habgierigen Arzt verwandelte sich in Hilflosigkeit. Nein, André würde nicht sterben! Das würde sie nicht zulassen! „Ich habe schon geahnt, dass der Arzt ein Betrüger ist“, hörte sie jemanden hinter sich sagen und so sah sie sich um. Der bester Freund Andrés, der mit dem roten Halstuch, stand direkt hinter ihr. Auch in seiner Miene sah sie Angst.
 

„Warum hat mich niemand davon informiert, dass André so schlimm erkrankt ist?!“ Nun musste Alain in ihrer Weißglut dran glauben.
 

„Ihr wart in Versailles und dort wollte mich niemand reinlassen oder Euch eine Nachricht überbringen!“ Alain hielt ihrem Blick stand und schob streng seine Brauen zusammen. Dieser Person würde er offen seine Meinung sagen, egal ob sie ausrasten würde oder nicht.
 

Oscar dagegen sah ihn verwundert an. „Das habe ich nicht gewusst...“, sagte sie in wesentlich milderem Tonfall. Für Diskussionen dieser Art war allerdings nicht der richtige Zeitpunkt. Es musste schnell etwas getan werden, um André zu retten! Oscar verzog ernst ihr Gesicht. „Wir müssen André zu mir auf das Anwesen de Jarjayes bringen und unseren Familienarzt holen! Die Kosten für alles übernehme ich! Ich lasse nicht zu, dass er stirbt! Niemals!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  hunny123
2015-10-25T19:06:27+00:00 25.10.2015 20:06
Cooles Kapitel, hat mir sehr gut gefallen. Finde das Gerangel auf dem Apellplatz richtig gut, auch wie André der Träumer endlich mal austickt :)

kleine Anmerkungen/Fragen: - Fieber wird nicht gesenkt indem man Eis/kalte Wickel auf die Stirn legt, im Gegenteil, denn das Gehirn darf nicht geschockt auskühlen (durch den großen Temperaturwechsel) und steigert das Fieber daher umso mehr. Aber da der Arzt ein Hochstapler ist...wäre dieser gravierende medizinische Fehler nachvollziehbar (war das gewollt?). richtige Therapie: kalte Wadenwickel, um das hochtemperierte Blut milde runterzukühlen.

teilweise ist mir nciht ersichtlich, wie lange er schon fieber hat. liegt er nach einem tag schon im sterben? wohl kaum. das mit oscars verspäteter reaktion klingt logisch und nachvollziehbar. finde es gut dass alain ihr bescheid geben wollte, aber sie nciht angetroffen hat. hat er dann rosalie becheid gegeben um oscar die nachricht zu ermitteln,dass er krank ist? oder woher weiß sie das?
Antwort von:  Saph_ira
25.10.2015 21:22
Dankeschön, ich freue mich, dass dir das Kapitel gefallen hat - immerhin hab ich es ja dir gewidment. :-)
Mit dem Fieber hast du gut erkannt, das stimmt mit den kalten Wadenwickel kenne ich auch, aber da ich den Arzt als Hochstapler hinstellen wollte, musste ich ja etwas verkehrtes schreiben. XD
Eigentlich liegt man nicht gleich nach einem Tag Fieber im sterben, da hast du wohl recht, aber da Alain so kurzes Dienstfrei bekommen hatte, hab ich gemogelt und der Phantasie überlassen - ich hoffe, du verzeihst mir das. ^^ Und nein, Alain hat nicht Rosalie bescheid gegeben, sondern Madame de Soisson hat doch ihren Sohn zu Andrés Großmutter geschickt, damit er sie holte und sie ihrem Enkel weiterhelfen konnte. Also während Alain Sophie aufsuchte und sie abholte, bekam auch Rosalie alles mit und daher wusste sie über Andrés Zustand. ;-)
Antwort von:  hunny123
25.10.2015 21:26
achja ira: mogeln gilt nicht immer ^^
ah ok, das hatte ich irgendwie nciht gecheckt, wer da wem bescheid gegeben hat und vor allem wann.
Antwort von:  Saph_ira
25.10.2015 21:51
Hihi, aber solange es nicht großartig auffält, dann kann man schon bissl mogeln, denke ich. ^^
Aber ich finde es schön, dass du so aufmerksam bist und deine Tipps gibst, dankeschön. :-)
Von:  abcdefg123
2015-10-11T15:18:20+00:00 11.10.2015 17:18
"Dann wird sie wohl mein Verderben sein" - was für dramatische Worte - ich liebe es! Er würde für Oscar alles tun und alles auf sich nehmen! Und wie man in diesem Kapitel lesen kann, stellt er dies auch gleich unter Beweis! Und Oscar kämpft auch um ihn - wunderschön von dir gemacht!
Antwort von:  Saph_ira
13.10.2015 19:01
Den Satz mag ich auch sehr und es passt so schön zu André. Und ja, die zwei sind einfach für einander bestimmt - sie müssen das nur selbst und jeder für sich erkennen. Herliches Dankeschön für deine Worte. :-)
Von:  Soraya83
2015-09-30T19:21:16+00:00 30.09.2015 21:21
Oh ha... ja gegen Fieber gab es nicht viel, wobei es nur eine eigene Körperabwehr gegen unerwünschte Eindringlinge.
Er wird es überstehen,sonst wäre ja mit dem nächsten Kapitel schon Schluß.
Bin aber gespannt wie er es übersteht und ob er ihr endlich die drei Worte sagt.
Antwort von:  Saph_ira
30.09.2015 21:46
Nun, ob André übersteht ist ungewiss und wenn nicht, dann es gibt ja noch von Fersen, der zu dem Zeitpunkt in Amerika weilt. XD Aber dankeschön herzlich für deinen Kommentar. :-)
Antwort von:  Soraya83
01.10.2015 06:50
Von Fersen und Oscar wären auch ein tolles Paar, aber er hat ja nur Antoinette im Kopf und liebt nur sie, da ist doch kein Platz für Oscar... :/
Antwort von:  Saph_ira
01.10.2015 21:24
Das stimmt schon, dass von Fersen nur Marie Antoinette im Kopf hat, aber im Anime hatte er ja zu Oscar gesagt, wenn er früher wüsste, dass sie eine Frau ist... Dieser unvolendeter Satz könnte ja bedeuten, dass er von Oscar nicht abgeneigt wäre... Und wenn mit von Fersen nicht klappt, dann gibt es ja noch Graf de Girodel. ^^
Antwort von:  Soraya83
02.10.2015 02:01
Neee nicht Girodel, er ist zwar ein Gentleman und liebt sie wohl wirklich, aber der muss es doch wirklich nicht sein...auch wenn Oscar schwach wurde in seinen Armen im Manga und sie sich fast geküsst hätten....
Antwort von:  Saph_ira
02.10.2015 15:40
Dann bleibt wohl noch Alain übrig.. obwohl er auf sie nicht gut zu sprechen ist, aber vielleicht bekommt er ein Sinneswandel und findet einen Gefallen an ihr - im Manga war das ja auch so gewesen. ^^


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