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Cinder and Smoke

The Fall of Adam
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser/innen*: Update und aktualisierte Triggerwarnung findet Ihr oberhalb Kapitel 1. Ansonsten melde ich mich nach einer sehr langen Schreibpause tatsächlich wieder zurück. Vermutlich überrascht mich das mehr, als euch. Doch irgendwie hatte ich das Bedürfnis, noch einmal zu dieser Idee zurück zu kehren, um sie hoffentlich zu einem Abschluss zu bringen. So war ich die letzten Tage damit beschäftigt, mir das bisher Geschehene durchzulesen, Notizen zu machen und festzustellen, dass alle alten Notizen bereits von mir entsorgt wurden. An diesem Punkt habe ich keine Ahnung, was ursprünglich im Plot geplant war.

Sogleich juckte es mich aber in den Fingern, das nächste Kapitel aufzusetzen! Ein Gefühl, das ich seit Jahren nicht mehr kannte. Entsprechend eifrig habe ich nun versucht, einen Anschluss an das bisherige Geschehen zu finden und freue mich euch damit weiter unterhalten zu können. So sehr ich mich auch bemühe, stringent mit dem Plot fortzufahren, möchte ich euch dennoch um Nachsicht bitten, sollte ich an der ein oder anderen Stelle etwas übersehen oder zu meinen Gunsten abändern.

Anders, als noch vor rund 7/8 Jahren habe ich mittlerweile ein konkretes Ende für CINDER & SMOKE konstruiert. Es ist nur eine Frage von Zeit und Wahnsinn, ob wir dieses Ziel gemeinsam erreichen!

Viel Spaß und liebe Grüße an all diejenigen, die hierüber stolpern. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser/innen*:  Das nächste Kapitel wird einige gesellschaftliche Themen aufgreifen, bevor wir großzügig in die Halloween-Feier eintauchen. Ich habe mir erlaubt einem der Slytherins in den Mund zu legen, dass er Muggelgeborene und Halbblüter gleichermaßen doof findet. Sonst wäre es nicht zu diesem wunderbaren Konflikt gekommen (unsere Hermine reist ja unter dem Deckmantel einer Halbblüterin).

Viel Spaß und liebe Grüße an all diejenigen, die hierüber stolpern. Komplett anzeigen

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Flight gone wrong


 

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Said the Thief to the Moon:

"I'll exstinguish your light soon,

I'll put an end to all the light that you shed

on this world in its darkened state."

[SHAWN JAMES · THIEF & THE MOON]


 

Es roch nach Schießpulver und Rauch.

Der Geschmack heftete sich metallen an ihren Gaumen und erschwerte das Atmen, machte sie verwirrt husten und brachte ihre Schläfen zum Pochen. Ein Teil ihres Bewusstseins räkelte sich träge nach der Wirklichkeit und suchte prompt nach der Ursache für den Gestank und den Lärm, welche sich unaufhörlich in ihr Unterbewusstsein fraßen.

Das Letzte, woran sich Hermine erinnerte, war das Ministerium und ihre Flucht aus den schwer bewachten Hallen, mit Yaxley auf den Fersen, der sich nur widerwillig hatte abschütteln lassen.

Harry hatte ihr in den Kerkern des Ministeriums das Amulett überlassen, nachdem sie Dolores Umbridge gemeinsam überwältigen konnten. Aus der Not heraus war das Schmuckstück dann um ihren Hals gewandert, anstatt in die sicheren Untiefen ihrer verzauberten Tasche – warum wusste sie nicht mehr. Generell wirkte alles verschwommen: der Sprint durch die mit schwarzem Marmor gefliesten Gänge, Harrys Patronus im Kampf gegen anrauschende Dementoren und Yaxleys erboste Schreie quer durch das Atrium des Ministeriums, sie um jeden Preis zu fassen.

Schließlich war da ein Ziehen gewesen, um ihren Hals, wie eine Schlinge die sich kontinuierlich in die Haut bohrte und dabei sämtliche Luftzufuhr abschnitt. Vielleicht hatte sich die Kette des Medaillons ungünstig verdreht, während sie damit beschäftigt gewesen war, Yaxley davon abzuhalten Harry anzugreifen. Taten das Schmuckstücke nicht zu weilen? Sich bei jedweder Gelegenheit verheddern?

Hermine entrang sich ein benommenes Stöhnen.
 

"Oi! Sie da! Fräulein!", hämmerte sich eine grobe Stimme quer durch ihr Ohr, bis der Brünetten das Trommelfell davon gellte. Jemand schüttelte sie, zuerst sachte, dann mit mehr Nachdruck, bis Hermine nicht umhin kam, sich mit flatternden Lidern zurück in die Gegenwart zu kämpfen. "Harry?", erwiderte sie leise. Ihr Mund war staubtrocken und auf der Zunge lag ein grober Geschmack von Eisen, als hätte sie sich selbst gebissen und Blut geschmeckt. Das Haar hing der Gryffindor wild in Gesicht und Stirn und es dauerte eine weitere Weile, bis ihre Glieder ihr den Gefallen taten, ihren Bewegungen auch tatsächlich Folge zu leisten. Schmerzende Muskeln deuteten auf einen Krampf hin – so etwas konnte beim Apparieren unter Umständen unschön enden, meistens mit gesplitterten Körperteilen. Plötzlich war Hermine hellwach. Wie hatte sie nur zu lassen können, die Kontrolle zu verlieren? Über ihre Flucht? Den Plan? Ihre eigenen Fähigkeiten? Dumme Granger!

"Nix Harry, aber Sie können Collin zu mir sagen, Missy." Unter klärendem Blick grinste ihr ein älterer Mann entgegen. Graue Bartstoppeln zierten sein runzeliges Kinn; ihm fehlten bereits einige Zähne. Er lachte heiser und half Hermine in eine sitzende Position, wobei sie dem Drang widerstand sich benommen die Augen zu reiben. Collins zerschlissenen Kleidern und den zerrissenen Handschuhen nach zu urteilen, die er trug, war er wohl arm oder obdachlos – oder beides. "Hab'en ganz schönen Schreck bekommen." In fürsorglicher Manier klopfte Collin Hermine den Staub von den Kleidern; sie trug noch immer Mafalda Hopkirks Kostüm.
 

"Danke. Ich … tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören." Das Grinsen des Fremden wurde eine Spur breiter, aber er winkte ab und erklärte der Gryffindor, dass es nichts gab, wobei man ihn zu dieser Zeit hätte stören können, so lange man kein Deutscher war.

Die Entgegnung irritierte Hermine kurz, doch die Sorge um den Verbleib ihrer beiden Freunde war größer, wie die nagende Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie stur darauf hin wies, dass etwas nicht stimmte. Tatsächlich war sie fest davon überzeugt, beim Apparieren einen, zugegeben untypischen, Fehler gemacht zu haben. Das war freilich ärgerlich, konnte aber selbst den Besten passieren – und so bald sie heraus gefunden hatte, wo sie sich befand, konnte sie sich auf den Weg machen, um zu Ron und Harry aufzuschließen. Wahrscheinlich waren die Kindsköpfe längst im Forrest of Dean und inzwischen dabei, das Zelt aufzustellen und die Sicherheitszauber auszuführen; eine andere Vorstellung ließ ihr verbissener Verstand nicht zu.

"Sind Sie sicher, dass alles in Ordnun' is? Sie sehen etwas blass aus", Collins Musterung wurde unangenehm intensiv, nichtsdestotrotz zog er Hermine ohne Federlesen auf die Beine und stützte sie, bis ihr Gleichgewichtssinn sich an die Vertikale gewöhnte. Dann nahm er die Hände weg und schob sie mit neugierigem Blinzeln in die schmuddeligen Taschen seiner alten Hose.

Seine Aufmachung hatte unweigerlich ein bisschen Ähnlichkeit mit Charly Chaplins Taugenichts.
 

Hermine strich sich eine wilde Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem strengen Zopf gelöst hatte. Die Mundwinkel zu einem Lächeln gehoben, wollte sie dem Fremden entgegnen, dass sie bloß gestürzt und seine Fürsorge deshalb nicht der Rede wert war. Es würde schon gehen.

Dass ihre Kleidung zerknittert und nicht weniger schmutzig anmutete, wie die ihres vermeidlichen Retters und sie völlig allein und nahezu zurück gelassen in einer Seitengasse kauerte, blendete Hermine dabei aus. Sie musste nach wie vor in der Nähe des Zaubereiministeriums sein.

Doch ehe sie sich eine passende Ausrede zurecht legen und sich aufmachen konnte vor dem Muggel Reißaus zu nehmen, wurde sie von dem abrupten Heulen dumpfer Sirenen unterbrochen, welche die Fensterscheiben der alten, eingefallenen Gemäuer im Hinterhof der Gasse zum Klirren und Beben brachte.
 

Dem Schrei der Sirenen folgte ein Brummen, ein Donnern von Motoren, das eigenartig in ihren Ohren dröhnte und mit der Kraft eines Orkans unaufhörlich näher rückte. Hermine neigte den Kopf alarmiert in den Nacken, just als eine Flugzeugstaffel ihren polternden und finsteren Schatten auf die Stadt warf. Sie bekam Gänsehaut; zu ihrer Benommenheit gesellte sich etwas penetrant der Anflug purer Panik. Ihre Gedanken überschlugen sich, ihr wurde schlecht, flüchtig schwarz vor Augen, dass Collin die Hände wieder nach ihr ausstreckte. Sie bemerkte ihn kaum, bemerkte nicht, wie er auf sie einredete und beruhigen wollte, tobte und ob des Chaos, das London Heim gesucht hatte schimpfte.

Es bestand nach wie vor die Möglichkeit, zu träumen, nicht wahr?
 

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Collin kannte sich in dieser Gegend von London aus, das musste man ihm lassen. Er hatte nach Hermines Hand gegriffen und zerrte sie in stolpernder Hast mit sich, so schnell ihn seine krummen Beine über Schutt und Geröll trugen. Er fluchte dabei unentwegt, verachtete die Wehrmacht und den Krieg, ihre Situation und die Ausweglosigkeit ihrer Lage.

Nicht mehr lange, prophezeite Collin seiner Begleiterin dabei atemlos, und die Deutschen würden sich wünschen, diesen Krieg nie begonnen zu haben. Hermine hätte ihn gerne in seiner Vermutung bestätigt, ihm ein Zeichen gegeben, dass sie ihm zu hörte und völlig seiner Meinung war, denn sie musste auf ihren vermeidlichen Retter schon verstörend und seltsam genug wirken. Aber was sie sah und roch und sich durch ihre zusammen gekniffenen Augenlider auf die Iris brannte, war zu furchtbar und eine viel zu große Ablenkung, als dass sie Collin irgendeine Form von Entgegnung hätte schenken können, die mehr bedeutete, wie ein stumpfsinniges Nicken.

Wachte sie längst?
 

Die Hauptstraßen der Stadt waren hier und da bis zur völligen Unkenntlichkeit niedergerissen worden. An den wenigen Litfasssäulen, denen sie begegneten, lächelte ihnen König George verzerrt von vergilbtem Papier entgegen, Mut machend und vertrauensvoll in Zeiten des Krieges. Das Datum, das unter Georges Konterfei prangerte, bestätigte jedes Mal aufs Neue, wie unwirklich diese Realität war, wie hart sie auf den Kopf gefallen sein musste, um sich derlei überhaupt ansatzweise einzubilden. Und trotzdem: egal, wie oft Hermine zwinkerte, das Bild blieb das Selbe. 1944.

1944. Der zweite Weltkrieg. 1944. Rund vier Jahre nach der verheerenden Katastrophe, wo die deutsche Wehrmacht ihre Bomben auf London geworfen hat. So viele Tote. Das Chaos würde als Blitzkrieg in die Geschichte eingehen. 1944. Ausnahmezustand. Hermines Gedächtnis spielte jedes ihr bekannte Ereignis durch – und zum ersten Mal verfluchte sie sich selbst, diese Fähigkeit nicht abstellen zu können. Wieso?

"Gott sei Dank sin' die Gebäude im Zentrum der Stadt nich' ganz so arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Schade um London, das. Wirklich schade", schaltete sich Collin nach einer Weile wieder besorgt ein, seine Hand nach wie vor fest um die Ihre geschlossen. "Hier en'tlang, da vorn' is'n Unterschlupf. Die geben bestimmt bald Entwarnung." Der alte Mann stockte in seinem Schritt: "Ich glaub, ich hab' vorhin nich' ganz verstanden, wie Sie heißen, Missy." Collins Augenmerk, klar und blau, erinnerte Hermine vage an jemanden den sie kannte.
 

Das ungleiche Paar überquerte jetzt eine der Straßen, stieg über weiteren Schutt hinweg und suchte Schutz in einer Nische zwischen zwei eingefallenen Gassen; über dem blanken Mauerwerk taumelte das alte Schild eines Jazz-Kellers.

"Ich habe Ihnen meinen Namen noch nicht gesagt."

Collin schenkte Hermine auf ihre Reaktion ein von Lücken besetztes, aber herzliches Lächeln. Ihre Schritte hallten laut an den Wänden wider und bildeten somit ein stetiges Echo zu den kreisenden Flugzeugen über ihren Köpfen. "Sie sin' spitzfindig, muss man Ihnen lassen. Suchen Sie nach jemandem? Is' nicht gerade ein guter Zeitpunkt, um draußen rum zu hampern, wissen Sie?"

Die Brünette schüttelte den Kopf, wobei das Pochen an ihren Schläfen eine Spur unangenehmer wurde, zusammen mit dem Kloß in ihrem Hals, der ihre Augenwinkel feucht vor Verzweiflung machte. Sie wollte nach Hause.

"Mein Name ist Hermine", erklärte sie sich vorsichtig.

"Und … ich bin allein."
 

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Der Keller war niedrig und ähnelte mehr einem modrigen Gewölbe. Die aufgestellten, runden Holztische waren in einem erbärmlichen Zustand, der selbst den Eberkopf attraktiv hätte wirken lassen, von der muffigen Luft und dem Staub ganz zu schweigen, der in dem diffusen Licht der aufgereihten Öllampen tanzte. Ein dunkelhäutiger Mann saß an einem Klavier, als Collin und Hermine den Weg durch eine Stahltüre fanden, die der Obdachlose hinter sich mit einem Holzbalken verriegelte.

Der Mann am Klavier blinzelte flüchtig auf, winkte jedoch nur und widmete sich dann wieder seiner stoisch-traurigen Melodie, die nicht unbedingt dazu beitrug, dass sich Hermines Laune besserte.

Sie stand unter Schock.

1944.
 

Collin murmelte etwas in die Richtung des Pianisten, das verdächtig nach einer Beleidigung klang, bugsierte seine Begleiterin an einen der Tische, drückte sie auf einen Stuhl hinab und verschwand mit schlurfendem Schritt an die Bar, an der eine recht junge Frau auf ihn wartete, deren Gesicht von einer blonden Lockenpracht umrahmt wurde. Mit ihren vollen Lippen und den langen Wimpern hätte sie sicher als hübsch durch gehen können, vergaß man die Ringe unter ihren Augen und die Müdigkeit auf ihren ausgemergelten Zügen.

Collin begrüßte sie und verlor sich prompt in ein reges Tuscheln, das Hermine völlig ausblendete, zu beschäftigt damit sich einen Reim aus der Situation und ihrem unerwartet akuten Problem zu machen. Ein Problem, das sich jeglicher Logik entzog, das mit schweren Panzern über ihren Kopf hinweg rollte und die Erde zum Beben brachte, das schrillen Alarm auslöste und Mord und Totschlag verhieß.

Ein Problem, das immer plastischer wurde und gleichzeitig unmöglich war.

Real.
 

Ihre Finger wanderten um das Gewicht an ihrem Hals, fühlten das kalte Silber des Amuletts zwischen Bluse und Haut und die Bosheit, die davon ausging. Wieso sollte ein Horcrux die Fähigkeit besitzen, alle Regeln von Raum und Zeit zu brechen? Warum sollte er in der Lage sein, sie in eine Richtung zu katapultieren, die unmöglich war zu erreichen? Warum jetzt? Und was bedeutete das für ihre eigene Zeitlinie, für ihre Freunde und die Gegenwart? Was hatte sie angestellt? Und wie, in dreiteufelsnamen, kam sie wieder zurück? Sie zerrte die Kette von ihrem Hals und warf sie auf die Tischplatte, als hätte sie sich daran verbrannt.

Das Klappern von Glas auf Holz unterbrach Hermines wirren Gedankenstrom schließlich und ließ sie erschrocken zusammen zucken. Ihr braunes Augenmerk begegnete dem besorgten Blick der blonden Frau, deren Lippen sich in ein freundliches Schmunzeln gekrümmt hatten: "Hier, du siehst aus, als könntest du einen Drink vertragen. Geht aufs Haus." Sie ließ sich auf den Platz gegenüber Hermine fallen und stützte ihren schweren Kopf auf die Handfläche; auch, wenn die Blondine ihre Neugierde nicht verhehlte, so sah sie zumindest davon ab Hermine mit Fragen zu löchern, deren Antworten sie nicht kannte.

Stattdessen lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf das Medaillon und streckte die Hand danach aus.
 

"Nicht anfassen!", bellte die Gryffindor rau. Sie warf sich auf die Kette, wobei das Silber klirrte und stopfte den vermeidlichen Horcrux nun endlich in ihren Beutel – eine boshafte Stimme ergänzte in ihrem Hinterkopf, dass sie das von Anfang an hätte tun sollen. Die Blondine zeigte ihr entschuldigend die Handflächen, sagte aber nichts, bis Hermine ergeben seufzte, sich entschuldigte und anfügte: "Ich muss in die Charing Cross Road. Ist das weit?"

Zu ihrer Überraschung war es der Pianist, der inzwischen aufgehört hatte den Keller mit seiner Melancholie zu füllen und sich zu ihr umgedreht hatte; seine weißen Augäpfel funkelten wie zwei grelle Sterne in der Dunkelheit. "Eine dreiviertel Stunde zu Fuß von hier, Miss. Ich würde Ihnen aber raten, den Alarm abzuwarten und bei Sonnenaufgang aufzubrechen. Nachts sind Plünderer auf den Straßen Londons unterwegs, da ist es nicht sicher für eine Frau … begleite Sie gern', wenn sie wollen. Mein Name ist übrigens Frank."

Hermine nickte nur, musterte die goldene Flüssigkeit in dem Glas vor sich, nach dem sie als dann entschieden griff, um es mit einem impulsiven Zug zu leeren. Der Bourbon brannte sich über ihre, mit Staub bedeckte, Speiseröhre hinab und breitete sich anschließend in geheuchelter und wohltuender Wärme in ihrer Magengegend aus, wo er ihr bestätigte, dass die Zeit des Träumens längst vorüber war.

Taking Steps


 

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Said the Moon to the Thief

"You know not of what you seek,

you'll doom the world to wander the night

with no light to guide the paths that men seek."

[SHAWN JAMES · THIEF & THE MOON]
 

Es gab Sachen, die lernte man nicht in der Schule - das Wissen, das man sich nur durch Erfahrung aneignen konnte, gehörte dazu. Hermine wünschte sich nichts sehnlicher, wie Harrys Erfahrungen zu besitzen: seine Werte, seine Gelassenheit, seine Vorsicht und seinen Mut. Harry wüsste, was zu tun war, ganz intuitiv. Er würde nach vorne zeigen und sie würde ihm folgen. So war der Schwarzhaarige nun mal, von seinen Gefühlen und der Liebe geleitet, manchmal naiv und blind und trotzdem überzeugt von der Richtigkeit in seinem Handeln.

Er fehlte ihr. Ebenso wie Ron.
 

Das Ende des Katastrophenalarms war schon Stunden vorüber; trotzdem wollte keiner aus der Gruppe den sicheren Unterschlupf des Jazz-Kellers verlassen. Hermine hatte inzwischen jegliches Zeitgefühl verloren, zusammen gekauert wie sie in ihrer Ecke saß, die von Collin mit Decken für sie ausgelegt worden war. Es war kalt, ungemütlich und feucht in den Räumlichkeiten. Fremde Geräusche nagten an ihrer Geduld und der Unruhe, von der sie ergriffen worden war, seit ihr Verstand den Sprung in den Wahnsinn gewagt und akzeptiert hatte, dass sie unfreiwillig in der Vergangenheit fest steckte. Ein gestrandeter Zeitreisender, quasi.

Und das allein war schon schlimm genug.

Aber natürlich war das nicht das einzige Übel – ihr Aufenthalt war nicht einmal ein Grund, sondern lediglich das Ergebnis einer Reihe von Dingen die passiert sein mussten, als sie einen Augenblick lang nicht aufgepasst hatte.

So sehr sich Hermine aber auch anstrengte auf die Lösung zu kommen, so sehr wurde sie von ihrer eigenen Brillanz enttäuscht. Da war nichts, was ins Schema gepasst hätte, nichts, was als Begründung tauglich gewesen wäre, mit Ausnahme dem hässlichen Medaillon, das sie Dolores Umbridge buchstäblich von ihrem fetten Hals gestohlen hatte. Das Medaillon gehörte Voldemort – zumindest hatte sie damit jemanden, den sie verteufeln und für ihre Lage beschuldigen konnte.
 

Hermine seufzte und rieb sich die Augen. Sie war müde und überfordert. Ihre Glieder schmerzten, ihre Schläfen pochten, die Sorge um ihre Freunde machte sie irre. Was Harry und Ron wohl gerade taten? Ob sie nach ihr suchten? Machte es für sie überhaupt einen Unterschied? Sie war nun nicht länger ein Teil ihrer Zeitlinie, oder? Allein die Vorstellung war grotesk; sie hatte keine Ahnung, was es bedeuten sollte und offen gestanden war ihr Wissensdrang gerade zu feige und blockiert, um tiefer zu graben. Viel eher wollte sie sich darauf konzentrieren, die richtige Hilfe für ihre Bredouille zu finden und allein das würde bestimmt eine Herausforderung werden.
 

Wenn sie richtig lag, und Hermine lag selten falsch, endete Dumbledores Rebellion gegen Gellert Grindelwald erst 1945. Die magische Welt in dieser Zeitlinie befand sich also ebenfalls im Krieg, was ihren Aufenthalt doppelt gefährlich machte. Zwar glaubte sie nicht, dass man sie auf den ersten Blick sofort als Muggelgeborene würde entlarven können – schließlich war ihr Blut nicht grün, blau oder in einer anderen auffällig ungewöhnlichen Farbe – hatte sie jedoch auch keine Vorstellung von Grindelwalds Anhängern und deren Methoden, wenn es darum ging, Magier davon zu überzeugen keinen Stammbaum und Reinblütigkeit aufweisen zu können.

Nein, Hermine war sich sicher: sie wollte und sie musste nach Hogwarts. Dort war Dumbledore, dort war eine der umfangreichsten Bibliotheken der magischen Welt und eine Zuflucht. Dass sie auch Tom Riddle begegnen konnte und wahrscheinlich würde, blendete sie vorerst verbissen aus.
 

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"Da drüben ist sie, wir sind da." Frank nickte in die Richtung zweier Häuserblocks, die sich an der Hauptstraße trafen an deren Bürgersteig sie standen. Ein kleiner Vorplatz mit einem Zeitungskiosk und Bänken, umringt von schmalen Birken begrüßte sie zum Morgengrauen und Hermine erwischte sich dabei, wie sie die Augen zusammen kniff und das Bild mit dem aus ihrer Erinnerung verglich, Gemeinsamkeiten feststellte und gleichzeitig erkannte, dass der Ort für sie völlig neu und fremd war.

Hermine wandte sich dem dunkelhäutigen Hünen zu, unweit hinter ihm standen der schmuddelige Collin und die Blondine. Sie wollten sie gemeinsam begleiten, wollten sich die Beine vertreten, wie sie behaupteten. Doch Hermine wurde die dumpfe Vermutung nicht los, dass sie einfach nur neugierig waren und für einen Sekundenbruchteil das Leid eines anderen interessanter fanden, wie ihr eigenes.
 

"Wenn Sie noch etwas benötigen … wenn Sie Schwierigkeiten haben sollten, Miss, dann wissen Sie, wo Sie uns finden. Die Jazz Lounge steht Ihnen offen." Hermine übte sich an einem schwachen Lächeln, ob der Fürsorglichkeit und dem Mitgefühl Franks, dem treuen Blick seiner großen, dunklen Augen und den Sorgenfalten um seine Mundwinkel. Er war nicht sonderlich alt, allerdings deutlich gezeichnet vom Krieg – wie wohl die meisten Menschen der Stadt. Seine Hilfsbereitschaft rührte sie, schließlich kannte er sie nicht, geschweige denn, dass er mehr Worte mit ihr gewechselt hatte, wie nötig.

"Vielen Dank."

Für einen Atemzug glaubte Hermine, Frank würde vor ihr salutieren. Aber der Pianist streckte lediglich den Rücken, damit er sich höflich vor ihr verbeugen konnte, bevor er auf den Fersen kehrt machte und zu seinen Freunden aufschloss. Collin winkte ihr noch, dann traten sie den Rückweg an.
 

Hermine schüttelte flüchtig den Kopf, ob dem hoch geschlossenen Verhalten der ungewöhnlichen Gruppe; entgegen kommend und übertrieben auffällig freundlich… niemand hatte sie mit Ihrem Vornamen angesprochen, sogar bedacht die Distanz gewahrt. Daran würde sie sich noch gewöhnen müssen.

Die einzigen, geläufigen Umgangsformen, die dem Lockenkopf aus dieser Epoche bekannt waren, stammten schließlich nur aus Klassikern wie "Rebecca", "Casablanca" oder "ein Amerikaner in Paris". Also nichts, worauf sie sich hätte stützen können. Einfach nicken und hübsch "Danke" sagen war vielleicht die beste Option.

Es würde immerhin auch noch ein Weilchen dauern, bis die Emanzipation Gesprächsthema war.

Bei Merlins Bart, sie konnte keine drei Tage in diesem Alptraum überleben!
 

Ein Doppeldecker kreuzte ihren Weg, Menschen waren bereits auf den Beinen, eingewickelt in graue, farblose, lange Mäntel. Die meisten von ihnen trugen Hüte und dann und wann glaubte Hermine auch Leute an sich vorbei eilen zu sehen, an deren Füße zwei unterschiedliche Paar Schuhe klebten. Sie zwinkerte, rieb sich über die Augen, klammerte sich an den Riemen ihres Beutels und atmete tief aus. Der Tropfende Kessel wartete auf sie; er bildete die feine Linie zwischen Chaos und Kontrollverlust.

Sie musste so unglaublich vorsichtig sein, wenn sie nach Hogwarts aufbrach. So präzise und penibel, um nicht nur sich selbst, sondern auch Harry und die anderen vor einem Paradoxon zu schützen – die Vorstellung allein trieb ihr den kalten Angstschweiß auf die Stirn. Sie wollte das nicht. Aber was blieb ihr schon für eine Wahl? Friss oder stirb? Es grenzte schon an Idiotie.

"Es kann nur schlimmer werden", versuchte sich die Brünette an Selbstmotivation und stakste los.
 

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Ein Teil von Hermine war unendlich dankbar für die Tatsache, dass Magier ihre ganz eigene Vorstellung von Beständigkeit hatten und davon absahen, größere Veränderungen in ihrer Umgebung vorzunehmen. Wahrscheinlich kam sie sich deshalb auch willkommen und annähernd wie zu Hause vor, als sie über die Schwelle des Tropfenden Kessels schritt. Wo man auf der einen Seite die menschliche und nichtmagische Gegenwart vor fand, wo man die Muggel durch die schmutzigen Fenster des Pubs bei ihrem täglichen Treiben beobachten konnte, öffnete sich im Inneren der Spelunke und in dessen Hinterhof das Tor zu einer versteckten Welt voller Wunder.
 

Der Tropfende Kessel war nur spärlich mit einer Handvoll Hexen und Zauberer gefüllt, die sich sporadisch auf die Tische des Schankraums verteilten. Hermines Anwesenheit wurde kaum einen Herzschlag lang bemerkt; bloß ein bärtiger Zauberer mit einer schief sitzenden Hornbrille musterte ihren Eintritt zweimal eindringlicher wie notwendig, ehe er sich wieder seinem Buch widmete.

Die Gryffindor bahnte sich daher den Weg im Spießrutenlauf zwischen den Tischen hindurch an die Theke, wo ein Kerl, der nicht älter sein konnte wie Mitte Dreißig, damit beschäftigt war einen Krug mit einem Lederlappen zu polieren. Hermine konnte ihn nicht zu ordnen – weder das nonchalante, spitzbübische Gesicht, auf dem hohe Wangenknochen thronten, noch das wilde braune Haar, das in einen schlechten Seitenscheitel getrieben worden war. Dennoch kam sie nicht umhin ihn mit einem Lächeln zu begrüßen, wie es höchstens einem alten Freund vorbehalten gewesen wäre.
 

Die Augenbrauen des Wirts rutschten über seine Stirn, er stellte den Krug beiseite, trocknete sich an einem Handtuch, das er in seinen Hosenbund gestopft hatte, die Hände und stützte sich als dann mit geballten Fäusten auf der Arbeitsplatte ab: "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Miss?", fragte er sie mit offener Freundlichkeit, ein amüsiertes Zwinkern im Augenwinkel, den Kopf leicht schief geneigt, um sein Interesse zu bekunden. Hermine spielte nervös mit der Kordel ihres Beutels: "Ja, ich bräuchte ein Zimmer für eine Nacht … bitte."

"Nun, das sollte kein Problem sein", das Amüsement des Wirts wuchs. Er wandte sich um seine eigene Achse und ließ seine rauen Finger über die Schlüsselplatte wandern, die an der Wand montiert worden war. Als er eine Nummer fand, die ihm angemessen erschien, reichte er Hermine den Schlüssel über die Theke. "Sie zahlen natürlich bei Abreise. Wollen Sie morgen ein Frühstück?"

"Das wäre sehr nett, danke."
 

Wie Frank zuvor ging der Wirt in eine absonderlich steife, höfliche Verbeugung. "Ihr Wunsch, Ma'am, ist mir Befehl. Vielleicht würden Sie mir noch Ihren Namen verraten, damit ich einen Tisch für Sie reservieren kann." Oh, das war clever. Hermine hatte gehofft, der leidigen Frage ob ihrer Persönlichkeit so lange aus dem Weg gehen zu können wie möglich.

"Jah … ahm … klar, natürlich … Artimisia Spinnet", sie musste sich beherrschen, ihre Stimme im Zaum zu halten, um nicht den Anschein zu erwecken, ihren vermeidlichen Namen in Frage zu stellen.

Doch der Wirt schien unbeeindruckt, sein Lächeln wurde sogar eine Spur breiter, er verbeugte sich noch einmal und entgegnete im Plauderton: "Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserer bescheidenen Unterkunft. Das Frühstück wird ab 8 Uhr serviert, die Hauselfen reinigen Ihr Zimmer gegen 10 Uhr. Sollten Sie ein Poltern in Ihrem Schrank bemerken, ignorieren Sie es bitte … wir haben derzeit ein Irrwicht-Problem. Der Krieg der Muggel soll Sie nicht belästigen, die Winkelgasse kann den ganzen Tag besucht werden – gegebenen Falls wäre es aber in Ihrem Sinne, vor Einbruch der Dunkelheit zurück im Tropfenden Kessel zu sein. Guten Tag, Miss Spinnet."
 

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Ihr Zimmer war geräumig, das Bett groß und frisch bezogen. Der Raum selbst roch alt und muffig – dennoch war Hermine froh über ihren Unterschlupf, die Möglichkeit den Kopf ein Weilchen in den Sand zu stecken, und war es nur für ein Paar Minuten. Sie konnte dieses Rätsel lösen; denn war das nicht das, was sie am Liebsten tat?

Ihr Körper fiel kraftlos auf der Matratze in sich zusammen, das Laken schmiegte sich verführerisch kühl an ihre Haut. Ein bisschen Schlaf, ein wenig Energie und ein starker Wille, dann war sie in wenigen Tagen von hier verschwunden und würde wieder gemeinsam mit Ron und Harry gegen den wahren Übeltäter dieser Schandtaten kämpfen.

Sie konnte gewinnen, was auch immer das für ein Spiel sein mochte, das sie gerade spielte. Nichts war so unlösbar und überwältigend, wie es manchmal auf den ersten Blick erschien – und alles hatte seinen Sinn. Mit etwas mehr Gelassenheit und weniger Panik konnte sie es schaffen; genauso wie Harry es immer schaffte.

Hermine gähnte, räkelte sich, kuschelte sich in die Decke und atmete tief aus.

Einen Moment später war sie eingeschlafen.

The Lone Warrior

A/N
 

Ich würde sagen, dass die Story allmählich ins Rollen kommt.

Am Ende des Kapitels haben wir alle nötigen Sicherheitsgurte angelegt, dann geht's ab nach Hogwarts! :D
 

Danke fürs Lesen!

Und viel Spaß.
 

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Thief:

"Oh, but all the wealth in the world will be mine.

Without a means of defense for all those blind.

My very existence is a race to attain wealth,

for the thief's only loyalty in life is to the devil and himself."

[SHAWN JAMES · THIEF & THE MOON]
 

Vor ihren geschlossenen Lidern tanzten Lichter.

Sie wollte noch nicht aufwachen, wollte nicht wieder in diese absonderliche Realität zurück, die sie höchstens aus schwarz-weiß-Filmen kannte, die aus Krieg und Unruhen bestand und so fürchterlich nach verheizter Kohle roch. Aber es wurde allmählich frisch in ihrem Zimmer, die Herbstsonne schickte ihre letzten, schwachen Strahlen für den Tag durch die doppelt verglasten Fenster und würde als bald hinter dem Horizont verschwinden, um dem Mond und der Finsternis der Nacht Platz zu machen.

Hermine kniff die Augen aufeinander, zog die Beine an den Bauch und blinzelte erschöpft in die Leere des Raumes. Für einen kaum nennenswerten Atemzug keimte wieder der Funken Hoffnung nahe ihres Herzens, dass sie im Schutz des Zeltes und im Beisein ihrer Freunde bloß aus einem Alptraum erwachte, dass die Flucht aus dem Ministerium geglückt war und sie endlich einen Horcrux besaßen um dessen Zerstörung sie sich kümmern konnten. Doch stattdessen war ihre Realität eingefroren wie ein altes Polaroid, vergilbt an den Ecken und farblos in der Mitte.

Die Gryffindor klammerte sich an ihren Beutel. In der Tasche befand sich alles, was sie brauchte und einiges, was ihr nützlich werden konnte, um sie nach Hause zu bringen. Dieses eine Mal war sie arrogant genug, ihren eigenen Verstand zu bewundern, mit genügend Überlegung an die Herausforderung heran gegangen zu sein, die Dumbledore ihr und den anderen auferlegt hatte.

Dumbledore.
 

Hermine rappelte sich in eine sitzende Position und schlüpfte durch die Kordel des Beutels, damit sie die Tasche im Schneidersitz in ihren Schoß legen und öffnen konnte. Vielleicht sollte sie so schnell wie möglich Maßnahmen ergreifen – war immerhin nicht so, dass sie den Aufenthalt in einer falschen Zeit und an einem falschen Ort unnötig hinaus zögern wollte.

Zuvor brauchte sie allerdings einen Plan, eine Orientierung und einen Überblick. Sie musste objektiv arbeiten und versuchen, Panik und Paranoia einigermaßen auszublenden. Gefühle verschleierten ihren Verstand, sie hatten in diesem Schlamassel keinen Platz.
 

Zuerst musste sie sich entscheiden, mit was für einem Profil sie auftreten wollte. Es wäre aus verschiedenen Gründen fatal, wenn ihr voller und richtiger Name publik wurde – für sie und für die gesamte Geschichte. Hinzu kam, dass die Ansichten von reinem und unreinem Blut in dieser Epoche viel stärker waren, als zu ihrer eigenen Schulzeit.

Aus keinem anderen Grund war Voldemort am Ende schließlich übergeschnappt, nicht wahr? Die Tatsache, dass sein Vater ein Muggel war, gepaart mit der Vorstellung von ewigem Leben brachten ihn schlussendlich um den Verstand. Also musste der Druck, der auf Muggelgeborenen oder Halbblütern lag, ziemlich hoch sein, von der damit verbundenen Schikane einmal abgesehen. Einfacher hätte Hermine es gehabt, sich einen der zahllosen, reinblütigen Nachnamen zu schnappen, so wie Spinnet einer war; jedoch lief sie dann Gefahr, dass man sie entlarvte, weil die Slytherins bestimmt ihre Stammbäume herunter beten konnten und alle untereinander auf verquere Art und Weise miteinander verwandt waren. Reinblütigkeit vortäuschen fiel demnach flach; wäre ohnehin nicht ihr Stil gewesen.

Es war aber auch keine Option auf die Barrikaden zu gehen und sich als Muggelgeborene zu profilieren, denn so sehr sie ihre Herkunft auch liebte und akzeptierte, wäre es dumm gewesen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
 

Freilich erreichte sie die Möglichkeit, einfach zu behaupten ihr Gedächtnis verloren zu haben, wenn sie auf Hogwarts ankam. Doch damit bugsierte sie sich erst recht unfreiwillig ins Scheinwerferlicht. Und Neugierde von den falschen Leuten auf dem Schloss, im Speziellen auch von Riddle, konnten zu einem ernsthaften Problem werden. Manchmal steckte man die Nase gerne in Angelegenheiten, die einen nichts angingen – und wenn Riddle nur halb so interessiert an neuen Dingen war, wie Hermine, war es besser ihn auf einer Armlänge Abstand zu halten.

Überhaupt lief es ihr bei dem Gedanken an den jungen Voldemort eiskalt den Rücken hinunter. Er würde dort sein, er würde ihre Schritte verfolgen können, wenn ihm der Sinn danach stand; Hermine hatte kein Bedürfnis zu erfahren, wozu der Kerl inzwischen schon fähig war, wollte nicht mehr Ärger provozieren, wie sie tragen konnte. Und vor allen Dingen wollte sie sich nicht um ihn kümmern müssen, wenn es ernst wurde.

Ihre Priorität lag auf ihrer Heimkehr, nicht auf der Dummheit, diesem Irren ein Bein zu stellen. Kaum zu glauben, schoss es der Gryffindor durch den Kopf, dass sie in der zweiten Klasse mit dem Wälzer "Hogwarts – eine Geschichte" unterm Kopfkissen geschlafen hatte, weil sein Bild darin abgedruckt gewesen war. Intelligenz konnte ganz schön verstörend sein. Oder anziehend. Oder beides.

Zu gestehen, sie würde sich schämen, wäre völlig untertrieben gewesen.

Tatsächlich wurde ihr bei der Vorstellung übel.
 

Hermine strich sich nebensächlich eine wilde Haarlocke hinters Ohr, genervt von sich selbst und stieß den unliebsamen Gedanken beiseite, um sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren: nämlich ihre Tarnung.

Dumbledore sollte einen Brief von ihr erhalten, in dem sie sich als halbblütige Hexe aus Liechtenstein vorstellte die durch Grindelwalds Vorherrschaft inzwischen Vollwaise war.

Während der gefährlichen Zeit in Europa und nach dem Tod ihrer Eltern hatte Sie in den Niederlanden eine Weile in einem Mädchenwohnheim Unterschlupf gefunden, doch weil der Krieg der Muggel stets gefährlicher wurde und auch Grindelwald keinen Halt vor Halbblütern machte, ersuchte sie jetzt den Schutz von Hogwarts.

Würde das reichen? Eine sanfte Falte kräuselte Hermines Stirn, schließlich seufzte sie. Sie hatte keine andere Wahl, wie es zu versuchen. Außerdem musste sie Dumbledore ohnehin in die Katastrophe der Zeitverschiebung einweihen und in diesem Zug würde er die Gryffindor mit Sicherheit decken. Er hatte fast keine andere Wahl. Und sie auch nicht.
 

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Nachdem Hermine eine grobe Form des Briefes auf Pergament aufgesetzt hat, schälte sie sich endlich aus Hopkirks Kostüm, kontrollierte ihren Zauberstab akribisch auf Kerben oder Splitter und gönnte sich letzten Endes ein warmes Bad, um Schmutz, Staub und Schweiß los zu werden und ihre Muskeln zu lockern. Lebensgefühl begann mit Kleinigkeiten.
 

Das nächste Problem, das sie dann hatte, waren ihre Kleider.

Der Lockenkopf bezweifelte stark, dass Hüftjeans und Pullover oder Tops modisch in die triste Zeit des zweiten Weltkrieges passten, insofern musste sie sich auch hierfür eine Lösung überlegen. Weil sie einiges an Geld gespart hatte, eben für den Fall mit Harry und Ron länger auf Horcrux-Suche unterwegs zu sein, und sie auch Harrys Anteil in ihrer Tasche verwaltete, hatte sie gut ausgesorgt. Allein der Gedanke an knielange Wollröcke und kratzende Pullover brachten sie zum Schaudern. Bis dahin verzauberte sie ihre eigenen Klamotten zu einem Kleid, das genügend bedeckte, um sie nicht auf den ersten Blick abwertenden Musterungen auszusetzen und durch angenehmes Blumenmuster zumindest frischer wirkte, als der graue Einheitsbrei, der sich auf den Straßen der Stadt tummelte und machte sich mit Zauberstab und Beutel auf den Weg.
 

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Egal wie sehr man in die Enge getrieben wurde: ob durch Lernzwang, durch Schikane oder unfreiwillige Zeitreisen - der Anblick der kleinen Einkaufsstraße hinter der Backsteinmauer im Hinterhof des Tropfenden Kessels erstickte jegliche Sorgen für kurze Zeit im Keim. Hermine würde nie das Gefühl vergessen, das sie bei ihrem ersten Besuch in der Winkelgasse durchflutet hatte, übermannt von Wissensdrang, Ehrgeiz und der schieren Hysterie eine Hexe zu sein.

Später dann hatten sie und ihre Freunde sich zum Einkaufsbummel verabredet, in Florian Fortescues Eissalon die neuesten Sorten ausprobiert, nur um anschließend in der magischen Menagerie Mini-Eulen dabei zu zu sehen, wie sie sich um ein Stück Futter zankten.

Hier zu stehen, die Hexen und Zauberer bei ihrem geschäftigen Gang zu beobachten und gleichsam ihren eigenen Erledigungen nach zu gehen, hatte etwas einvernehmlich Tröstliches, das sie begrüßte. Ebenso wie die Anonymität.
 

Dennoch war nicht alles so, wie Hermine es kannte, denn einige der Läden aus ihrer Schulzeit gab es noch nicht. Die Auslagen in den Schaufenstern wirkten beinahe nostalgisch, von den günstigen Preisen ganz zu schweigen. Das rege Treiben war dennoch das Selbe: kleine Vorschulkinder drängelten in Knickerbockern vor dem Sportgeschäft und bewunderten die neue Kollektion der aktuellen Quidditchausrüstung, Hausfrauen stolperten von einem Händler zum nächsten, kauften Lebensmittel, Tränke, Medizin, Kleider und Wolle zum Stricken – es gab tatsächlich ein Strickgeschäft, das magische Wolle verkaufte! Und Männer in Roben und Anzügen, zu geschnürt und gebügelt, stolzierten in Gruppen geschäftig zwischen dem Tropfenden Kessel und Gringotts hin und her, oder trafen sich zum Tee an einem der zahlreichen Straßencafés.

Die Blätter der Bäume ringsum färbten sich bereits in ihrer herbstlichen Pracht, der Himmel war hier außergewöhnlich klar, annähernd verzaubert. Die Heiterkeit der Menschen wirkte aufgesetzt, trotzig ob des Krieges vor ihren Toren und gehässig in dem Wohlstand und dem angeblichen Frieden, in welchem sie badeten.
 

Hermines Weg begann in der Eulerei, wo sie ihren Brief als Eilpost abschickte und den Kurier darum bat, die Antwort direkt in den Tropfenden Kessel fliegen zu lassen, weil sie zum Vormittag des nächsten Tages pünktlich abreisen wollte. Anschließend stockte sie ein Paar Utensilien auf, die sie in der Schule brauchen konnte: von einfachen Heiltinkturen, bis hin zu verschiedenen Giften (nichts tödliches, aber Mittel, welche ihr lästige Typen vom Hals halten sollten, wenn es hart auf hart kam. Eine Magenverstimmung, ein Ausschlag oder Durchfall würden bestimmt nicht in die Geschichte eingehen – nicht wahr? Und nachdem Hermine darauf verzichten wollte, die kleine Scherz-Box der Weasley-Zwillinge aufzubrauchen, musste sie eben umdisponieren. Aus der Not waren schon ganz andere Sachen entstanden).

Sie machte auch einen Abstecher von einem Buchhandel zum nächsten, auf der Suche nach Lesestoff hinsichtlich Zeitreisen. Allerdings rechnete sich die Gryffindor dabei keine hohen Chancen aus: das Thema selbst war verpönt, der Zeitumkehrer gerade erst in der Erfindung und stand unter strenger Beobachtung. Ein Gerät sondergleichen hätte ihr ohnehin nicht weiter geholfen, weil der nur höchstens drei Tage gut machen konnte. Längere Reisen waren mit ihm nicht möglich. Aber vielleicht fand sie heraus, wer an den aktuellen Forschungen beteiligt war und konnte so einen Kontakt herstellen – vor allem mit Dumbledores Hilfe.

Irgendwo musste man ja anfangen.
 

Beladen mit Einkaufstüten und einem deutlich leichteren Geldsäckchen kehrte sie mit dem letzten Sonnenstrahl wieder im Tropfenden Kessel ein. Aber anstatt sich an einen der Tische zu setzen und die Leute zu beobachten, das Leben zu genießen und abzuschalten, verkroch sich Hermine in der Einsamkeit und der Stille ihres Zimmers, wo sie ihre neu gekauften Sachen reisefertig sortierte, bevor sie mit der schmerzenden Gewissheit zu Bett ging, dass das Abenteuer gerade erst begonnen hat.

An old Friend


 

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Moon:

"The earth will rise up and devour all that you are.

The skies will call forth thunderous storms from afar.

When you're dead, there'll be no grave to remember your name.

Your greed brings your end and there's no one but yourself to blame

[SHAWN JAMES · THIEF & THE MOON]
 

Irgendwann zwischen drei Uhr morgens und Sonnenaufgang wurde Hermine von ihrem Zweifel geweckt. Er infizierte sie bereits, als sie voller Erwartung den Brief nach Hogwarts abgeschickt hatte – sein Gift breitete sich seitdem unentwegt in ihrem Körper aus, machte sie in aller Gemächlichkeit krank und brachte sie schlussendlich um den Schlaf, den sie so dringend brauchte.
 

Hinter Hermines Stirn arbeitete es ununterbrochen, die Unruhe verschlang sie wie ein hungriges Biest, paarte sich mit Unsicherheit und echter Verzweiflung, indes ihre Gefühle grausame Achterbahn in ihrer Brust fuhren, bis ihr Herz unter jedem Schlag schmerzte, den es tat.

Würde Dumbledore überhaupt auf sie reagieren? Was, wenn er es nicht tat? Oder zu spät? Sie wollte eigentlich nicht daran denken: an Muster, an Konsequenzen, an Möglichkeiten und ans Scheitern. Aber ihr Kopf spielte jedes mögliche Szenario durch, wie er es immer tat, die Mühlen mahlten auf Hochtouren für die perfekte Lösung, die sie nach Hause zurück bringen würde. Ihre Sturheit wollte die Ausweglosigkeit der Situation nicht hinnehmen und ihre Natürlichkeit sträubte sich dagegen, Teil einer Welt zu werden in die sie nicht gehörte – sie war hier überflüssig, ein Fehler, ein Parasit, fernab jeder Form von nachvollziehbarer Existenz.

Hermines Schläfen pochten.
 

Als es der Gryffindor unter ihrer Bettdecke zu warm wurde war sie aufgestanden, um in kurzen Pyjamas nachdenkliche Runden durch das Zimmer zu drehen. Der morsche Holzboden fühlte sich dabei rau und spröde unter ihren nackten Füßen an, vor den doppelt verglasten Fenstern heulte der nächtliche Wind, der in der Kerbe des Hauses einen Platz gefunden hatte, wo er leise sein einsames Lied pfeifen konnte.

Hermine konnte sich kaum erinnern, wann sie sich je so verlassen und einsam gefühlt hatte, wann sie das letzte Mal völlig auf sich alleine gestellt gewesen war, ohne Verbündete und Freunde die auf sie Acht gaben, die sie auch einmal im Zaum hielten, wenn ihre nervtötende Besserwisserei mit ihr drohte durch zu gehen.

Sie seufzte, rieb sich die Oberarme und drehte sich einmal um ihre eigene Achse, bis ihr Blick auf den Beutel fiel, der neben ihrem Zauberstab auf dem Nachtkästchen lag. "Das ist alles deine Schuld", knirschte sie der Tasche entgegen, ihren Zorn wohl weisslich auf das Medaillon gerichtet, das darin ruhte und sie mit seiner bloßen Anwesenheit verhöhnte.

Es machte ihr Angst.
 

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Die Zeit verstrich, aber Eulenpost blieb aus.

Während sich die Strahlen der Sonne müde über den Dächern der Winkelgasse räkelten und Nebel und Tau vor dem Fenster sichtbar wurden, während Hermine von ihrem Zimmer aus die ersten Geschäftigen dabei beobachten konnte, wie sie ihre Läden öffneten oder zu Gringotts steuerten, gab sie schließlich Kleinbei. Es brachte nichts, auf etwas zu warten, das nicht kam – nicht so stoisch auf einem Fleck jeden Falls.

Sie wollte sich ohnehin mit ihrer Abreise bis Mittag Zeit lassen. Die Frage war nur, wenn tatsächlich bis dahin kein Brief kam, wo sollte sie hin? Ihr blieb immer noch die Wahl, ein oder zwei Nächte länger im Tropfenden Kessel zu übernachten, hier hatte sie eine Unterkunft, ein Bett und einen Schreibtisch an dem sie arbeiten konnte. Wenn sie mit ihrem Latein am Ende war – und Hermine war sich sicher, dass das schneller der Fall sein würde, als ihr lieb war – konnte sie immer noch unangekündigt auf Hogwarts Türschwelle auftauchen.
 

So schlüpfte sie, mit den fernen Glocken der Kirche, um acht Uhr in einen der knielangen Röcke und eine weiße Baumwollbluse, die sie Tags zuvor bei Madame Malkins erworben hatte, ordnete ihr buschiges Haar in einem losen Zopf, versuchte nicht ganz so verschlafen auszusehen, wie sie sich fühlte und machte sich mit ihrer Tasche im Schlepptau auf den Weg; ihren Zauberstab knöpfte die Gryffindor dabei griffbereit an die Innenseite des Beutels.
 

Der Schankraum des Tropfenden Kessels wirkte ungewöhnlich verlassen.

Einige der Tische waren mehr oder weniger liebevoll für die übernachtenden Gäste gedeckt worden, diffuses Licht erhellte die Spelunke von der Decke, weil die schmutzigen Fenster kaum fähig waren die Sonne zu begrüßen. Von irgendwo kam der Geruch von frischem Speck.

Hermine hatte ein Lächeln auf ihre Lippen gepflastert das dem jungen Wirt galt, der sich in seiner gewohnten Position hinter der Theke befand und die Nase tief in den Tagespropheten vergrub. Als er sie bemerkte, sah er über den Rand seiner Zeitung hinweg auf, stockte kurz, kräuselte die Stirn und nickte ihr, ohne ein freundliches Wort des Grußes, zu.

Sein dunkles Augenmerk wanderte jedoch gleichzeitig an Hermine vorbei und blieb an einem Punkt hinter ihrer Schulter hängen, der ihr prompt die Nackenhaare zu Berge stehen und – aus reinem Reflex – auf den Fersen umfahren ließ. Ihre Hand glitt dabei an ihre Tasche, doch selbst mit geübter Bewegung wäre sie zu langsam gewesen ihren Zauberstab rechtzeitig zu zücken, denn der hoch gewachsene Mann stand viel zu nah, ganz abgesehen davon, dass er eindeutig und Dank dem Wirt den Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte, um ihr ohne Mühen einen Schritt voraus zu sein.
 

"Guten Morgen, Miss Spinnet", strahlte ihr Albus Dumbledore entgegen, seine blauen Augen voller überwältigender Lebendigkeit und kindlicher Neugierde. "Ich dachte mir, bevor wir uns mit langen Worten über den Postweg aufhalten, komme ich Ihnen in Ihrer Dringlichkeit entgegen." Er nickte in die Richtung eines Tisches, der abseits hellhöriger Ohren fernab in einer vergessenen Ecke des Pubs stand.

"Tom war so freundlich, uns Tee zu zubereiten, außerdem – bitte nehmen Sie mir das nicht übel – sehen Sie aus, als könnten Sie eine ordentliche Mahlzeit vertragen."
 

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Sein Haar war von einem warmen Kastanienbraun, das seine Augen deutlicher hervor hob, wie Hermine sich an sie erinnerte. Zudem sah er eine ganze Spur jünger und gesünder aus, von der ausgeprägten Spitzbübigkeit auf seinen Zügen einmal abgesehen, die ihm den Schalk eines Kindes aufs Konterfei zauberte. Man hielt es kaum für möglich, dass er im Globalen Krieg gegen Grindelwald an vorderster Front kämpfte, dass seine Lage momentan ernst und ausweglos war und die magische Welt auf ihn herab sah, wie auf ihren gekrönten Retter.

Hermine musste sich beherrschen, dem Magier nicht sofort aus Freudentaumel und Euphorie um die Mitte zu fallen. Zu tief saß der Verlust, den sein Tod vor nicht einmal einem Jahr hinterlassen hat; ihn jetzt so voller Lebens- und Tatendrang wieder zu sehen raubte ihr tatsächlich den Atem. Dumbledore bugsierte Hermine in ihrer Sprachlosigkeit mit nachdrücklicher Bestimmung jeden Falls an den von ihm ausgewählten Tisch, wo er ihr höflich den Stuhl zurück schob, damit sie sich setzen konnte.

"Sie sind hier", entgegnete die Gryffindor dann endlich so ungläubig, dass ihr Mentor herzlich lachte.
 

Albus Dumbledore nahm Hermine gegenüber Platz und fischte ein Kuvert aus der Innenseite seines Jackets (zu ihrer Überraschung trug er keine seiner farbenfrohen Roben, sondern einen durchwegs im Schottenmuster karierten Anzug mit einer roten Krawatte über einem weißen Hemd. Vermutlich versuchte er sich der Zeit oder der Umgebung anzupassen, er hatte dahin gehend schon immer seltsame Ideen, fand der Lockenkopf), das er ihr über die Tischplatte hinweg zu schob. Sie erkannte sofort ihre eigene Handschrift, mit der sie Absender und Empfänger notiert hatte.
 

Die langen Finger auf dem Tisch ineinander verschränkt, wartete Dumbledore ab, bis Tom Teekanne, Gebäck und Tassen abstellte. Als der Wirt außer Hörweite war, bemerkte der Graubart dann nonchalant: "Sie haben diesen Brief an mich adressiert. Ich bin neugierig zu erfahren, warum." Dumbledore hob eine Schulter: "Dem Inhalt nach zu schließen, wäre es eher Angelegenheit des Schulleiters von Hogwarts, darüber zu entscheiden, ob Sie an unserer Schule Asyl bekommen, oder nicht. Aber im Grunde war der Brief nie für Professor Dippet gedacht, also warum schreiben Sie mir?"
 

War das Glitzern in seinen Augen gerade noch freundlich, wurde es nun eine Spur schärfer, beobachtend über die krumme Hakennase hinweg, mit der Ähnlichkeit eines Greifvogels, der auf seine Beute lauerte: "Einmal abgesehen davon, dass Sie sich in diesem Anschreiben als Hermine Joanne Hawking ausgeben, Sie von Tom aber in seinem Logbuch unter Artimisia Spinnet auftauchen. Er war über Ihre Täuschung recht überrascht, nun frage ich mich, wen Sie tatsächlich versuchen zu täuschen, Miss …"

" – Hawking", warf Hermine hastig ein. Sie seufzte, rieb sich mit spitzen Fingern das Gesicht und sah sich zu beider Seiten um, um sich zu vergewissern, wirklich mit Dumbledore allein zu sein. "Und selbst das ist nur ein Vorwand, aber ein notwendiger." Die Augenbrauen ihres Gegenübers wanderten erwartungsvoll über seine Stirn empor; um ihr Zeit für eine Erklärung zu geben, nahm er einen tiefen Schluck aus seiner Tasse.
 

"Professor Dumbledore, ich … ich habe ein furchtbares Problem und ich weiß, dass Sie keinen Grund haben, mir zu glauben …" Hermine strich sich mit fahrigen Händen das Haar hinters Ohr, ihre Finger zitterten, ihr Herz lief längst einen ungebremsten Marathon. Sie beging gerade mit Absicht einen Fehler, sie brachte die Zeit durcheinander.

Das Blut gerann für einen Sekundenbruchteil in ihren Adern: "Aber ich gehöre nicht hier her. Nicht in diese Zeit." Die Stimme so tief gesenkt, dass sich Hermine selbst kaum verstand, würgte sie den Kloß in ihrem Hals krampfhaft herunter: "Ich weiß nicht, warum ich hier gelandet bin, ich weiß nicht was es anrichten wird, mit mir oder meiner Zeitlinie, oder der von … allen anderen." Ihre Augen wurden feucht, sie schauderte und blinzelte übermannt auf die Tischplatte, verlor sich in den Kerben, die der Zahn der Zeit darauf hinterlassen hat. "Ich brauche Ihre Hilfe, sonst komme ich nicht mehr zurück … ich – warten Sie!"
 

Hermine zog hastig ihren Beutel auf den Schoß, öffnete ihn, griff zu Dumbledores purer Überraschung (der Blick selbst wäre Gold wert gewesen) bis zum Anschlag ihres Armes hinein und fischte nach der Ausgabe des Tagespropheten, die sie und ihre Freunde im Hause der Blacks auf dem Zeitungsstapel gefunden hatten. Auf der Titelseite prangerte Dolores Umbridges hässliche Visage, welche ihr kalt und überlegen entgegen grinste, Slytherins Medaillon baumelte um ihren Hals.

Hermine rollte die Zeitung so weit zusammen, dass man nur noch den Zeitungstitel, die Ausgabe und das hiesige Datum sehen konnte, dann hielt sie Dumbledore das Blatt unter die Nase. "Die Zeitung ist, zu meiner Zeit, knapp eineinhalb Jahre alt. Ich … es tut mir leid, ich kann Ihnen nichts Relevantes über mich erzählen, was die Beteiligten nicht in erhebliche Schwierigkeiten bringen würde."
 

Der Verwandlungslehrer durchbohrte sie alarmiert und ernst mit einem steifen Zwinkern, die Freundlichkeit und der Humor waren lange von seinem Gesicht verschwunden – ein Anblick den sie von ihm kannte und der sie beunruhigte. Aber was hatte sie schon erwartet?

"Sie glauben mir nicht", stellte Hermine als dann fest. Zu ihrer Irritation schüttelte der Graubart den Kopf, bevor er nickte. "Doch. Ich glaube Ihnen."

"So unvoreingenommen?"

Dumbledores Mundwinkel krümmten sich mit schwachem Amüsement, er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, überkreuzte die Beine und legte die Hände in den Schoß: "Ich habe schon vieles gesehen und erlebt, Miss Hawking. Ich bemerke, wenn man mich belügt. Und, bei Merlins Bart, Sie sind von jeglicher Art von Lüge weit entfernt – einmal ausgenommen, von dieser welcher, die sie nutzten um sich zu beschützen. Verraten Sie mir, was Sie mir verraten dürfen. Ich werde Ihnen zuhören."
 

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Auch, wenn es falsch war, verspürte Hermine eine Welle der Erleichterung, ihre Sorgen mit einem anderen teilen zu können, dem sie vertraute und der sie verstehen wollte. Sie gab sich Mühe in ihrer Erzählung, Dumbledore wissen zu lassen, dass sie Schülerin von Hogwarts war, bis ein furchtbarer Krieg ausbrach. Sie flunkerte ein wenig mit der Aussage, dass sie aufgrund ihrer Herkunft dazu gezwungen wurde vor den Anhängern des schwarzen Magiers zu flüchten, der den Krieg begonnen hatte und sie schließlich beim Apparieren, aus einem ihr noch unerfindlichen Grund, hier aufgewacht war. Hermine gestand ihm auch, aus Gryffindor zu sein – was für einen Unterschied machte das jetzt noch?

Dafür erwähnte sie weder Harry, oder Dumbledores eigenen Tod und verlor auch kein Wort über die Rolle, die Tom Riddle in ihrer Gegenwart spielen sollte – denn was der Verwandlungslehrer von ihr erfuhr, war, nebst seiner eigenen Lage, schon Strafe und Grund zur Besorgnis genug. "Das bedeutet also, Sie sind von einem Krieg in einen anderen getaumelt." Hermine nickte kraftlos.

"Das tut mir leid."
 

"Ich möchte nur in die Bibliothek von Hogwarts, Professor. Ich bin mir sicher, etwas zu finden was mich weiter bringt. Die Bücher dort haben mich bisher nie im Stich gelassen … außerdem hatte ich gehofft… ich hatte gehofft, dass … –"

"Dass ich Ihnen helfen könnte." Dumbledore leckte sich über die Lippen, schloss die Augen, dachte merklich angestrengt nach und lächelte Hermine entgegen: "Ich werde versuchen, mein Bestes für Sie zu tun. Aber ich muss mich vorab entschuldigen, dass ich nicht fortwährend mit an Ihrer Seite werde arbeiten können, nicht mit Gellert Grindelwald vor unseren Toren."

"Ich weiß", Hermine winkte ab. Ihr war wichtig, dass sie auf den Graubart zählen konnte, mehr wollte sie nicht von ihm verlangen. "Und ich weiß auch, warum und wie wichtig es für Sie ist, gegen Grindelwald zu kämpfen. Ich verstehe das – geben Sie mir nur die Chance einer Bleibe."

"Sie können derweil am Unterricht teilnehmen, Miss Hawking. Das würde ich sogar begrüßen. Hogwarts nimmt für gewöhnlich keine Flüchtlinge innerhalb des Schuljahres auf, doch Ihre Deckung ist gut genug, um sie als Vorwand zu verwenden und die Zeiten sind wirklich schlimm. Außerdem erspart uns das peinliche Fragen und lässt Ihnen die Möglichkeit ungestört zu arbeiten. Ich werde Schulleiter Dippet von ihrem Brief und ihrer Bitte in Kenntnis setzen."

"Danke."

Dumbledore nickte.
 

Sie saßen noch eine Weile beieinander, Hermine erzählte ihm von ihren Lieblingsfächern, merkte ihre Schulnoten und die Tatsache an, dass selbst ihre Lehrer sie zuweilen als Besserwisserin betitelten, weil sie es liebte zu lesen und Probleme bedacht zu lösen.

Dumbledore lachte darauf hin; er bot ihr sogar an, mit Dippet zu vereinbaren sie direkt wieder nach Gryffindor zu schicken: zum einen hatte sie der Hut bereits einmal für ein passendes Haus bestimmt, zum anderen waren, wie er finster und besorgt erwähnte, durch Grindelwalds Aufmarsch und seiner Jagd auf Muggelgeborene dieses Jahr einige Betten im Turm frei geblieben. Zudem konnte keiner erahnen, wie der Hut reagieren würde, Hermines Kopf in zwei völlig unterschiedlichen Zeiten voneinander zu bewerten.

So entschied sich die Brünette dafür, dem Unterricht der siebten Klasse beizuwohnen, wie sie es ohnehin getan hätte. Als der Verwandlungslehrer ihre Entscheidung bekräftigte und sich Hermine für seine spontane Hilfe bedankte, lächelte er bloß.
 

"Wollen wir aufbrechen?", schlug er ihr nach der zweiten Kanne Tee und einem saftigen Frühstück voller Würstchen, Brot, Speck und Ei vor. Es war inzwischen nahe der Mittagszeit und der Pub füllte sich mit fremden Leuten und unbekannten Gesichtern; seine direkte Einladung erwärmte Hermines Magengegend und Vertrieb den Zweifel. "Sehr gern."

"Dann holen Sie Ihre Sachen, Miss Hawking, und wir treffen uns drüben am Kamin."

Something like Home

A/N Oi! Das wird jetzt ein längeres Kapitel … ich konnte mich einfach nicht zurück halten (-:

Insofern erspare ich mir dieses Mal lange Vorreden und wünsche euch einfach nur viel Vergnügen ^-^ Es sei vielleicht gesagt, dass das nächste Kapitel nicht verpasst werden sollte.

Nur eine Kleinigkeit: Ihr werdet ein bisschen überrascht sein, aber auf den ersten Blick wirken alle so … nett. o.ô Das ist beabsichtigt, nicht zuletzt ist doch nur der böse, der auch Böses denkt, nicht wahr? (-; … oder wie war das noch gleich? Gute Miene, böses Spiel? Sucht euch was aus, es wird essentiell immer wieder vorkommen.
 

GERONIMO! :D
 

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Made the scene. Week to week

Day to day. Hour to hour

The gate is straight. Deep and wide

Break on through to the other side

[THE DOORS · BREAK ON THROUGH]
 

Dumbledore behielt Wort, denn die Reise vom Tropfenden Kessel nach Hogwarts dauerte kaum länger als eine halbe Stunde – und die meiste Zeit davon war Hermine damit beschäftigt gewesen, ihre sieben Sachen zu packen. Das Flohpulver manövrierte sie in ungemütlicher Weise direkt in Dumbledores Büro, das sich zwar in Größe, aber nicht in Krimskrams von seinen Räumlichkeiten in der Zukunft unterscheiden würde.

Hermine blieb kein Augenblick, um Fawkes in einer Ecke zu registrieren, mitgezogen von der Euphorie des Alten, quer durch die Hallen der Schule, die ausgestorben waren, weil die Schüler ihre Mittagspause genossen.

Vor dem großen Greif zum Schulleiterbüro musste die Brünette schließlich kurz warten, während sich Dumbledore mit Dippet über die akute Situation um ihr Hiersein austauschte, wohlweisslich natürlich mit dem drängenden Hintergrund, dem Schulleiter direkt den Revolver auf die Brust zu setzen, weil Hermine bereits hier war und Dumbledore Dippet damit die Entscheidung schon abgenommen hatte, den Abzug zu drücken.
 

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"Sie müssen nicht aufgeregt sein", schmunzelte der Verwandlungslehrer auf Hermines Wuschelkopf hinab, die eine geschlagenen Weile unweit des Porträts der Fetten Dame von einem Fuß auf den nächsten wippte. Die alte, korpulente Frau mit den Korkenzieherlocken und dem rosa-barocken Tüllkleid starrte sie unentwegt ungeduldig von ihrem Schemel aus an, die schmalen, mit Lippenstift umrahmten Lippen bereits gekrümmt, weil sie sich krampfhaft zurück hielt, Hermine zu fragen, was genau sie eigentlich vor dem Eingang zum Gryffindor-Haus zu suchen hatte, wenn sie nicht eintreten wollte.

"Zwischen Ihnen und diesen Schülern liegen mindestens zwei Generationen, Miss Hawking, keiner von ihnen wird sich noch an Sie erinnern, wenn Sie zurück in Ihrer Gegenwart sind. Zerbrechen Sie sich nicht über Details den Kopf.", Dumbledores Lächeln wurde eine liebevolle Spur breiter, dann nickte er der Fetten Dame zu und sprach das Passwort: "Amontillado, meine Teuerste."

"Sehr gern, Professor Dumbledore", seufzte das Porträt merklich erleichtert und schwang einladend zur Seite.
 

"Eine Sache noch", Hermine spürte, wie sich eine Hand sanft um ihren Oberarm schloss und sie zurück hielt. Das blaue Augenmerk funkelte in einer ungewöhnlichen Mischung aus Freundlichkeit und Überlegung, als Dumbledore eine Schulter zuckte: "Professor Dippet hat mich angeleitet Ihnen mitzuteilen, dass er gerne einen schriftlichen Nachweis über Ihre bisherigen Kenntnisse vorliegen haben möchte – für seine Akte, und weil er mir offensichtlich nicht ganz so sehr vertraut, wie ich angenommen hatte." Er grinste.

"Ich würde Sie also bitten, Miss Hawking, heute Abend vor dem Essen in mein Büro zu kommen. Sie müssen sich auch auf nichts vorbereiten, wir gestalten die Prüfung spontan mit ein Paar Elementen aus den vergangenen sechs Schuljahren. Ich bin mir sicher, sie werden Ihre Sache hervorragend machen."

Hermines Herz sank ein Stück, aber sie hatte nichts anderes erwartet; Sie war Dumbledore immer hin in gewisser Weise, ob ihrem Wissensstand, Rechenschaft schuldig geblieben, genauso wie sich Dumbledore wiederum vor Dippet rechtfertigen musste sie in die siebte Klasse zu setzen; immerhin war der Verwandlungslehrer noch nicht Schulleiter von Hogwarts. Und obgleich ihre Bauchnabelregion aufgeregt zu Kribbeln begann, nickte sie kühn: "Das verstehe ich, in Ordnung."

"Prächtig."
 

Hermine entging, wie sie zwischen Tür und Angel die Luft anhielt, als Dumbledore mit ihr durch die niedrige Holztüre in den Gemeinschaftsraum trat. Anfänglich musste sie blinzeln, denn das Licht des Septembers kämpfte sich durch kleine Mosaikfenster und tauchte den prunkvollen Raum in noch größeres Farbenspiel wie ohnehin. Hermines Mundwinkel zuckten in ein sanftes Lächeln; es fühlte sich an wie Wiedersehensfreude – wie eine besondere Form von Liebe, die keiner Zeit untergeordnet war.

Und sah man einmal davon ab, dass die plüschigen Sessel und Sofas ein wenig anders angeordnet waren, wie ihr vertraut war, so hatte sich der Gemeinschaftsraum der Gryffindors über die Jahre hinweg kaum verändert. Ein Teil von ihr fand das sogar gut, denn es machte ihren unfreiwilligen Aufenthalt und die immer währende Sorge um ihre Freunde ein wenig erträglicher.
 

"Guten Tag, Schüler", begrüßte Dumbledore die Handvoll Jugendlicher in heiterem Plauderton bei ihrem Eintreten, die sofort alles stehen und liegen ließen, um ohne Umschweife, wie zu einem Appell, auf die Beine zu fahren. Sie grüßten ihren Hauslehrer einstimmig im Chor zurück; erst danach wagten sich Funken von Interesse und Neugierde auf die fremden Gesichter, die Hermine offen und – vermutlich – ziemlich unverschämt aus braunen Knopfaugen erwiderte.

Ihr am nächsten stand ein Junge, beinahe hünenhaft groß, mit sauber gekämmten blondem Haar, glatt rasiertem Gesicht und zugeschnürter Krawatte, die es ihm mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit unmöglich machte ordentlich zu atmen.

Was Hermine generell auffiel, waren die Schuluniformen, die – anders, als in ihrer Gegenwart – von einem Mausgrau waren und in ihrer gesamten Form eher an Maß geschneiderte Anzüge erinnerten, die darunter von einer passenden Weste und einem weißen Hemd gefüttert wurden; über den Anzügen thronten die klassischen Zauberroben in Pechschwarz, mit dem aufgenähten Wappen des Hauses.
 

Hermine war sich ziemlich sicher, dass keiner freiwillig den ganzen Tag in derlei Montur durch Unterricht und Gänge huschte, kannte sie doch die losen Krawatten und offenen Hemdenknöpfe, die hoch gekrempelten Hemdsärmel und die vergessenen Schulroben von ihren Freunden viel zu gut – zumal sie sich sicher war, dass alles andere Ron und Harry, oder auch Neville und selbst den so extravaganten Malfoy wahrscheinlich wahnsinnig gemacht hätte. Weil jedoch alle Anwesenden unglaublich gebügelt aussahen, musste es wohl Attitüde sein.

Bravo Granger, willkommen im personifizierten Perfektionismus.
 

"Meine Lieben, einen Moment eurer wertvollen Aufmerksamkeit: das hier ist Hermine Hawkings. Sie kommt unter bedauerlichen Umständen zu uns nach Hogwarts, um ihren Schulabschluss mit euch zu machen. Ich würde Sie bitten Miss Hawkings herzlich zu empfangen, ihr unseren Alltag ein wenig näher zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie sich bei uns wie zu Hause fühlt."

Während Dumbledore sprach, wurde Hermine von dem blonden Kerl unentwegt angestarrt; er schien dabei nicht einmal zu zwinkern. Aber der Schalk in seinem Augenwinkel deutete auf unterdrückte und ehrliche Vorfreude hin, seine Lippen krümmten sich in ein vorsichtiges Grinsen, was ihm jedoch verging, als Dumbledore seinen Blick direkt auf ihn lenkte: "Mister Augustin, Sie werden sicher nichts dagegen haben, wenn ich Hermine in Ihre Obhut gebe und ich von Ihnen erwarten kann sie unversehrt zurück zu bekommen."

Hermine spürte einen leichten Klaps zwischen ihren Schulterblättern, der sie zwei Schritte nach vorne stolpern ließ. Dann erinnerte Dumbledore sie mit einem warmen Händedruck und einem zuversichtlichen Lächeln noch einmal an ihr Treffen am Abend, wünschte der kleinen Runde einen guten Tag, bückte sich aus der niedrigen Tür und ließ seinen vermeidlichen Schützling allein in der Höhle des Löwen zurück.
 

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"… und das sind Ignatius Prewett, Lyail Lupin, Diana Morrison und Lisa Edelstein", das Grinsen von Augustin war seit Dumbledores Abwesenheit stetig gewachsen. Er hatte ihr sofort die Hand gereicht und sie sanft geschüttelt, im selben Atemzug wollte er, dass sie ihn mit Thoran anredete, wenn er sie dafür Hermine nennen durfte.

Ihr Name gefiel ihm, fügte er etwas unbeholfen hinzu und der Lockenkopf kam nicht umhin sich zu wundern, inwiefern Süßholzraspelei zum allgemeinen Miteinander in dieser Epoche gehören mochte. Ginny wäre ihm wahrscheinlich dafür längst über den Mund gefahren, Lavender hätte sich mit ihrem gesamten Gewicht an Thorans Arm geklammert, sowohl aus Schmeichelei, als auch aus Verzweiflung, die Patil-Zwillinge wären aus dem Kichern nicht mehr heraus gekommen und Hermine … nun ja, Hermine nahm es mit einem gequälten Lächeln und einem schwachen "Danke" zur Kenntnis. Sie dachte kurz an Viktor und seine stoisch, romantische Ader. Wie es Viktor wohl ging?

"Ich bin Vertrauensschüler von Gryffindor, wenn ich dir also bei irgendetwas helfen kann, wäre es mir ein Vergnügen. Wir gehen in die selbe Jahrgangsstufe und teilen sicher einige Klassen miteinander." Es fehlte nur noch, dass er fragte, ob er auch ihre Bücher tragen durfte, dann wäre seine Vorstellung nämlich einer grandiosen Seifenoper entsprungen. Vermutlich konnte er aber wirklich nichts für seine zuvor kommende Art – seine Freunde störten sich jeden Falls nicht sonderlich daran.
 

Thoran lud Hermine ein, mit an dem Tisch Platz zu nehmen, an welchem er und die anderen Schüler schon zusammen gesessen hatten, ehe sie von Dumbledores Besuch beim Lernen unterbrochen worden waren. Während der Vertrauensschüler Hermine Fragen über ihre Reise und ihr Hiersein stellte, waren die anderen dabei auffällig ruhig, obschon nicht unfreundlicher oder misstrauischer Natur – sondern eher aus dem Prinzip, ihrem Freund das Sprechen zu überlassen und interessiert zu zu hören. Das war ein bisschen untypisch für die sonst so lauten Gryffindors, fand Hermine. Aber auch das hatte sicher etwas mit dem bisschen Kulturschock zu tun, unter welchem sie stand. Vermutlich würden sie ihr steifes Verhalten ablegen, sobald Dumbledore nicht hinsah.

Sie erklärte sich jeden Falls so weit, dass sie vor Gellert Grindelwald aus Liechtenstein und an der Grenze zu Deutschland entlang in die Niederlande geflohen war, nachdem der Schwarzmagier ihre Eltern und Freunde getötet hat. Hermine zuckte etwas verloren und mit feuchten Augen die Schultern, als sie anmerkte, dass sie bis zu ihrer Ankunft auf Hogwarts auf sich alleine gestellt gewesen und froh darüber war, dass Dumbledore ihren Hilferuf gehört und angenommen hatte.
 

Die verdrehte Wahrheit der Situation, in der sie steckte, verursachte ihr dabei nichtsdestotrotz Magenschmerzen – so weit war sie immerhin nicht von der Wirklichkeit entfernt, bedachte man nur, dass sie ihre Eltern lediglich dadurch schützen konnte, ihnen die Erinnerungen an ihre einzige Tochter zu nehmen und Lord Voldemort sie, Ron und Harry durch das ganze Land verfolgen ließ, nur um ihnen den Garaus zu machen.

Hermine bekam Gänsehaut; sie wollte zu ihren Freunden, zu ihren Zicken und Dummköpfen. Sie wollte das bekannte Gelächter von ihnen hören und ihre Scherze, Knallfrösche sollten in der Ecke explodieren und irgendeiner konnte ihretwegen auch auf ihre Schuhe kotzen, nur um nicht an Snapes Unterricht teilnehmen zu müssen.

Irgendetwas. Nur vertraut.

Und nicht vage anders.
 

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"Wir dürfen bis neun Uhr auf den Gängen unterwegs sein, danach ist Bettruhe", erklärte Diana eine halbe Stunde später auf dem Weg vom Gryffindor-Turm über die Stufen hinab in den dritten Stock. Hermine hatte sich nach der Mittagspause entschlossen, ihre neuen Verbündeten ein Stück zu begleiten und dabei stümperhaft die Frage eingeworfen, ob es möglich wäre einen Umweg zur Bibliothek in Kauf zu nehmen, um sie dort abzusetzen (so zu tun, als hätte man Hogwarts bisher nie von Innen gesehen, war zweifelsohne eine Herausforderung für sie).

"Mister Pringle, unser Hausmeister, ist da sehr streng und unnachgiebig." Thoran schulterte seine Tasche als er neben Hermine gemächlich schlenderte, das Leder seiner Schuhe knirschte bei jedem Schritt den er tat.
 

"Hat unseren guten Ignatius hier in seinem fünften Schuljahr dabei erwischt, wie er sich um Mitternacht in die Küche runter stehlen wollte … –"

"Jahh", mischte sich der rothaarige Junge ein, der eine Spur kleiner und schlaksiger war wie sein hünenhafter Freund und dabei eine gewisse Ähnlichkeit mit Ron aufwies. Beide Hände in den Taschen seiner Roben vergraben, runzelte er die Stirn so tief und missbilligt, dass sich seine Augenbrauen an der, von Sommersprossen übersäten, Nasenwurzel trafen: "Ich hatte Glück – Professor Slughorn war in der Nähe … ansonsten möchte ich nicht wissen, was der Kerl mit mir angestellt hätte. Man sagt, Pringle hängt Schüler mit dem Daumen von der Kerkerdecke. Sogar die Vertrauensschüler haben Angst vor ihm."

Hermines Brauen wanderten in einer Mischung aus Ungläubigkeit und Amüsement bis zu ihrem Haaransatz, Diana und Lisa lachten und Thoran stieß Ignatius unterm Gehen mit der Schulter an: "Du weißt, dass das Unsinn ist."

"Kannst du es widerlegen?"

Thoran presste die Lippen aufeinander, entgegnete jedoch nichts.

"Na also."
 

"Seit der Sache von vor zwei Jahren hat Professor Dippet die Schulregeln verschärft." Lisas Augen wurden groß und rund bei ihrem Einwurf. Es dauerte ein Weilchen, bis Hermine ihrem Gedankensprung folgen konnte und verstand, dass ihre vermeidliche Mitschülerin über die Öffnung der Kammer des Schreckens und den Mord an der Maulenden Myrte sprach.

In ihren Zehenspitzen kribbelte es plötzlich vor unverhohlener Neugierde – über einen Krimi zu lesen war nämlich eine Sache, direkt drin zu stecken etwas völlig anderes, besonders und vor allem für eine wissbegierige Person, wie sie es war. Hermine hakte nach: "Wieso? Was ist passiert?"

"Jemand ist verschwunden, aber sie haben den Schuldigen gefasst und jetzt ist alles wieder gut", plauderte Thoran schnell und scharf. Ein wenig zu schnell und ein wenig zu scharf, fand die Brünette. Natürlich kannte sie die Einzelheiten der Geschichte, allerdings musste sie sich verbissen schmerzhaft auf die Unterlippe beißen, weil es schwer war zu den Umständen keinen Kommentar fallen zu lassen, der sie ziemlich wahrscheinlich in die Bredouille hätte bringen können. Zu Hermines Glück missinterpretierte Thoran ihre Mimik.
 

"Keine Sorge, Hermine. Hier bist du sicher; das ist alles schon lange her. Das Kapitel ist abgeschlossen, auch wenn manche Verschwörungstheoretiker etwas anderes behaupten." Der durchdringende Blick des Vertrauensschülers bohrte sich eine Spur mahnend in Lisas blaue Augen, die zwar die Schultern zuckte, aber davon absah eine Diskussion vom Zaun zu brechen.

Augenscheinlich war Myrtes Mord ein Gesprächsthema, das zwar gerne fiel, aber nur ungern besprochen wurde. Irgendwie überraschte sie das nicht – es waren seinerzeit einige Schüler verletzt worden und der Mord hatte die Panik im Schloss am Ende auf die Spitze getrieben. Hogwarts stand kurz vor der Schließung, die Lehrer waren ratlos und Dumbledore mit der Gesamtsituation ein wenig überfordert, weil Grindelwald zur selben Zeit an die Türe klopfte; es war zu viel schief gegangen. Blieb nur die Frage offen, wie Riddle nachts noch ein Auge zu bekam.

Hermines Mundwinkel kräuselten sich träge; dann winkte sie jedoch entschieden ab und wechselte das Thema auf den Unterricht, womit sie Diana so weit brachte ihr eine Zusammenfassung über den Stoff zu geben, den die anderen im neuen Schuljahr bereits begonnen hatten zu behandeln.
 

An den mannshohen Portalen zur Bibliothek verabschiedeten sich die Gryffindors dann von Hermine, wobei Thoran und Ignatius ihr anboten, sie nach dem Unterricht abzuholen und zu Dumbledores Büro zu begleiten, damit sie pünktlich ihren Test wahrnehmen konnte und sich auf den Weg dorthin, beziehungsweise zurück zum Turm, nicht verlief.

Weil sie keine andere Wahl sah, wie das Angebot anzunehmen, bedankte sich die Brünette bei den beiden Jungs und zwängte sich in das ausgreifende Foyer der Bücherei, wo sie der markante Geruch von alten und vergilbten Pergamentseiten wie der Lockruf einer anderen Welt begrüßte.
 

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Wenn man umringt war von einem Stapel Bücher, hinter dem man sich verstecken konnte und das am Besten in einer kleinen Ecke in einem noch kleineren Winkel in einem so großen Raum wie der Schulbibliothek tat, fühlte man sich als Bücherwurm unglaublich wohl. Hermines Tatendrang war auch just in dem Atemzug erwacht, als sie die ersten Regale in der wissenschaftlichen Abteilung ansteuerte und einen potentiell hilfreichen Wälzer nach dem anderen in ihre Arme zog, bis das Gewicht der Bücher sie beinahe in die Knie zwang.

Doch so zuversichtlich die Vorstellung auch war, ohne Umschweife auf eine Lösung für ihr Problem zu kommen und so sehr sich Hermine danach sehnte, einfach ein Portal in ihre Zeit und Gegenwart zu öffnen, so bitter wurde sie nach einer weiteren Stunde in ihren Recherchen enttäuscht.
 

Das einzige, über was die Brünette stolperte und das annähernd an ihre Situation heran reichte, war ein Bericht von einem gewissen "Gustavus Kataston" aus dem Jahre 1204 nach Christus, der sich versehentlich selbst zwei Tage in die Vergangenheit appariert hatte und sich dabei auch noch begegnet war – er hatte das Erlebte aufgeschrieben, seine Theorien glichen aber eher wilden Phantasmen, anstatt glaubwürdigem Material.

So verkümmerte Hermines Euphorie schnell und machte Platz für Frust und Sorge. Sie suchte immer noch nach dem Fehler, den sie begangen hatte – nach dem Fehler, der für dieses Chaos verantwortlich war und jetzt drohte, alles durcheinander zu bringen: angefangen bei ihrer eigenen Existenz.
 

Drei Stunden später rieb sie sich seufzend die Augen, warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und entschied sich, die restlichen Minuten bis zum Unterrichtsschluss vor den Türen der Bibliothek auf ihre Hauskameraden zu warten. Ein Paar Minuten hatte sich Hermine außerdem zur Stoffwiederholung gegönnt – und war es nur, damit sie Dumbledore beeindrucken und ihr Gewissen ein bisschen entlasten konnte.

Eines der Bücher zur Auswahl unter der Achsel, trommelten Hermines Finger als dann einen unstimmigen Rhythmus auf dem Buchdeckel, ein wenig überrascht ob der untergehenden Sonne hinter den Bergen des schottischen Hochlands und der damit verstrichenen Zeit, die sie einmal mehr kauernd zwischen Buchseiten verbracht hat.

Ihre Mundwinkel zuckten, flüchtig amüsiert über sich selbst, und an eines der Fenster heran tretend, verlor sich Hermine in dem Anblick des Sonnenuntergangs, der so unglaublich viel falsche Ruhe und aufgesetzten Frieden verkörperte, dass ihr eigentlich davon hätte übel werden sollen.

Wenn hier die Sonne unterging, ging sie bei Harry und Ron bestimmt wieder auf, nicht wahr?
 

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Es war schließlich das unheimliche und unerwartete Gefühl beobachtet zu werden, das Hermines Unterbewusstsein von dem natürlichen Schauspiel ablenkte und sie misstrauisch zur Seite umsehen machte. Zuerst war es nur ein Kribbeln in den Fersen, dann in den Waden und Kniekehlen, bis es zu einem Schauer heran wuchs, der ihr über den Rücken hinweg kalt durch den gesamten Körper jagte.

Eine sanfte Falte der Irritation bildete sich auf ihrer Stirn, während ihr Augenmerk versuchte im Halbdunkel des Ganges vor der Bibliothek den Grund für ihre plötzliche Aufruhr auszumachen, die gefährlich an Paranoia grenzte. Doch das einzige, was sie sah, waren die Lichtkegel der sinkenden Sonne und den Staub, der darin tänzelte.

Hermine presste das Buch ein wenig fester an ihren Leib, dem Fenster unlängst den Rücken gekehrt, weil ihre Aufmerksamkeit in Alarmbereitschaft versetzt worden war. Sollte sie womöglich einfach in die Bibliothek zurück gehen?
 

Wenn sie den Gedanken an eine kleine Flucht abwägte, war es jeden Falls längst zu spät, denn am Ende des Ganges sah Hermine die deutliche Regung einer hoch gewachsenen Silhouette, die mit ausgreifendem Schritt abrupt in ihre Richtung stakste.

Das Herz der Gryffindor setzte zuerst einen Schlag lang aus, bevor es einen Marathon startete. Ihre Knie wurden weich – zu weich für einen rettenden Sprint zurück zu den Portalen der Bücherei, die keimende und völlig überdrehte Angst schnürte ihr trocken die Kehle zu. Sie stockte, setzte einen Fuß zurück und zog ihren Zauberstab aus der unscheinbar kleinen Umhängetasche, die über ihrer Schulter baumelte. Wieso fühlte sie sich wie ein Reh im Scheinwerferlicht? War sie inzwischen so von ihrem eigenen Krieg gezeichnet, dass ihre Intuition stärker handelte, wie ihr Verstand?

"Oi, Hermine – alles in Ordnung?", kündigte die tiefe Stimme von Thoran im selben Moment Erleichterung an, indes sein Konterfei in dem diffusen Halbdunkel sichtbar wurde.
 

Er machte einen betretenen Eindruck. "Tut mir leid, wenn ich dich habe warten lassen, aber Ignatius hat es in Verteidigung gegen die Dunklen Künste etwas böse erwischt und Professor Merrythought hatte mich darum gebeten, ihn im Krankenflügel abzusetzen. Hat leider etwas Zeit in Anspruch genommen."

Der blonde Hüne stutzte ob dem erschrockenen Ausdrucks, der sich kennbar auf Hermines Gesicht gelegt hatte; er blinzelte zweimal heftig. "Ich wollte dich nicht erschrecken."

Die Hände wehrlos erhoben, grinste er darauf hin unsicher, bis die Brünette seufzte, zu sich selbst den Kopf schüttelte und den Zauberstab sinken ließ. Die magische Wärme in ihrer Hand war nur ein Indiz von vielen dafür, wie nahe sie daran gewesen war Thoran aus der Drehung heraus zu verzaubern. War sie so unfähig zu akzeptieren, dass sie sich hier auf Hogwarts in Sicherheit wägen konnte? Dass Dumbledore hier war?

Oder verlor Hermine zwischen Verfolgungswahn und Zeitsprüngen allmählich ihren gesunden Menschenverstand? Riddle hatte die Kammer des Schreckens nach Myrtes Tod nie wieder geöffnet, nicht wahr? Sie wusste es nicht mehr. Ihr Magen verkrampfte sich.

"Wen hast du denn erwartet?", wollte Thoran dann wissen. Er nahm ungefragt das Buch an sich, das die Brünette krampfhaft fest gehalten hat und machte auf den Fersen kehrt, wobei er Hermine bedeutete, ihm zu folgen.

"Niemanden", entgegnete sie stumpf.
 

Als sie den Weg zu den Treppen einschlugen, warf die Gryffindor einen letzten, prüfenden Blick über ihre Schulter.

Aber alles, was sich hinter ihr ausbreitete, war die Dunkelheit der einkehrenden Nacht.

Tom Riddle

A/N Hallo! Tut mir leid, dass es ein wenig länger gedauert hat, wie normal. Ich bin zur Zeit bei vielen Sachen eingespannt, dass ich nur zu bestimmten Momenten (meistens am Morgen) zum Schreiben komme und sich die Entwicklung des Kapitels daher etwas verzögert. Außerdem habe ich Stoffsammlung betrieben (-;
 

Achja – für etwaige körperliche Schäden aufgrund des Contents übernehme ich keine Haftung.

Wer eine Vorlage brauch, zu was auch immer (ja, auch gerne für Fanpost :'D), der sollte sich an dem tollen "Gaspard Ulliel" orientieren, der für mich wie Arsch auf Eimer für Tom passt, seit ich "Hannibal Rising" vor vielen, vielen Jahren im Kino gesehen habe.

Wer den Titelsong zur Fanfiction jetzt schon hören möchte, findet einen Auszug gleich ein Paar Zeilen weiter als Einleitung für das Kapitel.
 

Viel Spaß.

Und danke fürs Lesen und euer Feedback.
 

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Ain't no confusion here, it is as I feared

The illusion that you feel is real

To be vulnerable is needed most of all

If you intend to truly fall apart

[QUEENS OF THE STONE AGE · THE VAMPYRE OF TIME & MEMORY]


 

"Bemerkenswert, Miss Hawking. Können Sie auch … – ja, genau so! Und nun versuchen Sie noch die Farbe zu ändern – fabelhaft, brillant!" Dumbledores Bart bebte unter dem Grinsen, das er Hermine über die Tischplatte hinweg schenkte. Er rieb sich die Stirn vor Unglauben und umrundete den Tisch komplett, weil er sich von allen Seiten von der Dipper überzeugen wollte, die nun verwirrt und pikiert von der Stelle aus zu ihnen aufsah, wo wenige Augenblicke zuvor noch Dumbledores Briefbeschwerer in Form eines buckeligen und aus Zinn gegossenen Hauselfen gestanden hatte.
 

Hermine war vor gut einer Dreiviertel Stunde im Büro ihres Hauslehrers von Thoran abgeliefert worden, wurde mit frischem Tee und Keksen empfangen und verlor sich mit ihm für ein Paar Minuten in einem netten Plausch, wo ihr der Professor verriet, wie unglaublich unachtsam es war bei einer Horde Erstklässler unberechenbare Süßigkeiten aus dem Honigtopf als Übungsobjekte für einen einfachen Verwandlungszauber zu verwenden.
 

Säuredrops hatten zuweilen eine ziemlich fiese Natur, klärte er Hermine dabei mit einem Zwinkern auf: "Der kleine Mister Wiggum musste nach den ersten zehn Minuten der Übung in den Krankenflügel eskortiert werden, weil sich der Säuredrop in seinem Augenlid verbissen hatte und die Brause natürlich für erhebliche Schmerzen sorgte. Armer Junge. Das bringt mich wieder zurück auf den Gedanken, die ersten Lektionen mit Kiesel zu beginnen … die schnippen sich die Kinder höchstens in ungebremster Heiterkeit gegenseitig an den Hinterkopf. Das letzte Mal, dass dabei jemand ein Auge verloren hat, ist Jahrzehnte her."
 

Daraufhin war der Verwandlungslehrer Feuer und Flamme Hermines magische Fähigkeiten kennen zu lernen und erlaubte ihr die einfachen Verwandlungen diverser Gegenstände auf Basis der Zauber, die sie schon in Professor McGonagalls Unterricht in den vergangenen Jahren erlernt hatte.

Hermine mochte die Art und Weise, wie sie von Dumbledore in ihrem Tun motiviert wurde und konnte eine ehrliche Freude nicht verhehlen, tatsächlich für eine Weile seine Schülerin sein zu dürfen. Denn unabhängig der Fehler, die Dumbledore in seinem langen Leben gemacht und die falschen Entscheidungen, die er getroffen haben mochte – unter und mit ihm zu lernen war ein unbeschreibliches Gefühl, nicht zuletzt weil jeder wusste, dass Albus Dumbledore ein unverwechselbares Genie besaß, das man durchaus verehren durfte.
 

"Sie wissen sicher auch, wie man sich einem Irrwicht entledigt, nicht wahr? Verzeihen Sie mir die Trockenübung, Miss Hawking, aber ich möchte heute nichts Fürchterlichem begegnen, was mich erst in fünfzig Jahren zu erschrecken weiß", Dankbar um das Gespür ihres Mentors nickte Hermine und erzählte ihm davon, was ihr bei Professor Lupin über Irrwichte beigebracht worden war und wie man den Zauberspruch [style type="italic"]Riddikulus [/style] auf die richtige Weise anwandte, damit man den Gestaltwandler wieder los wurde: "Irrwichte hassen Gelächter, also versucht man sich seiner Angst zu stellen und sie lächerlich zu machen. Sie nutzen den Vorteil der geschwächten Psyche des jeweiligen Zauberers oder der jeweiligen Hexe, um sich sowohl von ihrer Angst zu ernähren, als sich auch vor ungebetenen Gästen zu schützen. Irrwichte trifft man häufig in dunklen Ecken, Schränken oder in Kellern; außerdem leben sie zurück gezogen und, so weit man weiß, auch allein."
 

"Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen."
 

Nach einer weiteren Stunde war sich Dumbledore dann sicher, dass Hermine kein Flunkern nötig hatte, wenn es um ihr Wissen ging. Die Notizen auf seinem Klemmbrett bestanden jeden Falls aus ein Paar Zeilen, welche die Gryffindor von ihrem Platz aus nicht entziffern konnte.
 

"Eine Frage noch, meine Teure, ich denke, dann können wir uns dem angenehmeren Teil des Abends widmen", seine blauen Augen funkelten mit einer Mischung aus Bewunderung und Neugierde, er legte die Feder beiseite und verschränkte seine langen Finger über der Tischplatte ineinander. "Können Sie mir zwei der bekannten Möglichkeiten für die Verwendung von Drachenblut nennen?"
 

Hermines Lippen zuckten, Dumbledore hatte die Anwendungsgebiete für Drachenblut selbst erforscht und verfasst, die Frage war also rein eigennütziger Natur; aber auch hier wusste der Lockenkopf bestens Bescheid, nicht zuletzt weil sie sich mit den Anwendungsmöglichkeiten befasst hatte, um bei Snape und Slughorn in Zaubertränke einen guten Eindruck zu hinterlassen (was bei Snape nie funktionierte).
 

In Sachen Braukunst war Drachenblut nämlich eine sehr teure und seltene Zugabe, deren Verbindung mit anderen Zutaten oft ungeahnte Folgen mit sich brachte.

Neville hatte einmal in Snapes Unterricht versehentlich Drachenblut mit dem eines Werwolfs verwechselt, das Chaos, das darauf folgte, von Snapes Wut ganz zu schweigen, waren mit Sicherheit in die Geschichte von Hogwarts eingegangen.

"Drachenblut eignet sich hervorragend als Ofenreiniger und gegen widerspenstige Akne", ihr Grinsen wurde bei dem entzückten Ausdruck auf dem Gesicht des Alten breiter.

"Tatsächlich?", entgegnete Dumbledore heiter und beließ es dabei.
 


 

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Von allen Winkeln, die Hogwarts zu bieten hatte, mochte Hermine die Große Halle am Liebsten. Nicht unbedingt wegen ihrer prunkvollen Erscheinung, oder der langen Liste von Ereignissen und Historien, die an ihr hafteten, sondern aus dem simplen Grund der Gemütlichkeit und, freilich, der verzauberten Decke über ihren Köpfen.

Oft zeigte die Decke der Großen Halle das Wetter vor den Türen des Schlosses, Tag- und Nachtzeiten, den unbedeckten Sternenhimmel oder regen Sonnenschein. Aber manchmal, so wusste sie inzwischen aus eigener Erfahrung, entwickelte das magische Firmament ein absonderliches Eigenleben, das ab und an eigene Meinung kund tat, oder vor drohender Gefahr warnte.
 

Dumbledore hatte sie mit der Entschuldigung voraus geschickt, dass er die Ergebnisse zu Hermines Test gleich mit Professor Dippet besprechen wolle, damit er ihr den Stundenplan aushändigen und sie zum Unterricht zulassen konnte.
 

So wurde Hermine ohne Begleitung von dem Rauschen fremder Stimmen und dem Klappern von Besteck auf Tellern begrüßt, von dem herrlichen Duft einmal abgesehen, der mit dem Kerzenschein durch die offenen Portale der Großen Halle einladend in den Eingangsbereich hinaus drang.

Und für einen Moment, einem seligen, kleinen und unbedeutenden Augenblick, schien alles richtig zu sein, alles vereinbar und zu lösen. Für einen kurzen Moment war sich Hermine sicher, dass sie es schaffen konnte das absonderliche Rätsel zu knacken, das sie hier in die Vergangenheit gebracht hat und sie Hogwarts von einer Seite erleben ließ, die sie sich in ihrer kühnsten Fantasie vermutlich niemals hätte ausmalen können.
 

Für einen Moment war sie fast zu Hause.
 

Thoran reckte seinen Arm zu einem Gruß in die Luft, als Hermine mit vorsichtigem Schritt eintrat. Ihre Nackenhaare sträubten sich kurz, aber nachdem ohnehin ständig reger Verkehr von hin- und her hastenden Schülern an den Türen herrschte, blieb ihre Ankunft nahezu unbemerkt.

Die Gryffindors machten ihrer neuen Mitschülerin jeden Falls sofort Platz; diejenigen, die sie bereits kannten, wünschten ihr einen guten Abend, der Rest lächelte etwas steif oder begnügte sich mit einem neugierigen Mustern.

"Das ging schnell", begann Thoran ohne Umschweife und erntete einen Rippenstoß von Lupin, den er mit einem fragenden Blick quittierte. "Lass sie doch erst einmal ankommen, Thoran. Hermine hat bestimmt Hunger und ist müde –  so wie ich Professor Dumbledore kenne, hat er ihr einiges abverlangt. Brot?"

Lyail Lupin, der mit seinem hellbraunen Haar und den Kopfaugen auf ernstem Gesicht nur vage Ähnlichkeit mit dem Lupin hatte, der Hermines Freund und Lehrer war, beugte sich über seinen Klassenkameraden hinweg, um ihr den Brotkorb zu reichen.
 

"Mindestens", Diana blinzelte über ihr aufgeschlagenes Buch in die Richtung der Jungen.

"Ich meine, Thoran hat Recht: bevor Professor Dumbledore zum Wesentlichen kommt, fällt er erst einmal von einer Anekdote in die nächste." Sie zuckte die Schultern. "Nicht, dass es schlimm ist; ich finde seine Geschichten toll, vor allem, weil man einiges dabei lernt – aber abgefertigt wird man bei ihm eher selten."

Hermine bedankte sich bei Lyail für das Brot, angelte sich zwei Scheiben und gönnte sich dazu eine Portion Eintopf, der herrlich nach frischen Kürbissen duftete und in einem kräftigen Orange anmutete, das Ginnys Haar alle Konkurrenz hätte bieten können.
 

"Wir haben nur ein wenig geplaudert. In erster Linie wollte er wirklich wissen wo ich stehe, damit er mich meinen Klassen zuweisen kann", sie zögerte, rührte mit dem Löffel in der klaren Brühe, schmunzelte und fügte hinzu: "Er erwähnte dabei, dass er den Erstklässlern wohl gerne Süßigkeiten in Verwandlung als Vorlage anbietet." Dumbledore war für seine seltsame Methoden bekannt, ebenso für seinen schrägen Humor. Einmal abgesehen davon, dass es etwas gefährlich war, unberechenbaren Süßkram an Erstklässler zu verteilen.
 

"Und welche Klassen nimmst du?" Thoran hatte sich ein wenig zurück gelehnt und sah sie offen und interessiert an. "Alle..?", entgegnete Hermine vorsichtig, worauf hin ihre Klassenkameraden einstimmig die Brauen hoben. Zuerst sagte keiner etwas, dann lachte Thoran auf; sein Gelächter klang laut wie das Brüllen eines Löwen, nur weniger majestätisch und alles andere als einschüchternd. "Unsere Hermine ist nicht nur charmant, sondern anscheinend auch clever!"

"… – also nichts für dich", Lupin kassierte dieses Mal eine Kopfnuss in Retour.

"Sei still, Lupin! … Nein, im Ernst Hermine, welche Klassen möchtest du nehmen?"

Den Punkt kannte sie: das peinliche Schweigen, aufkeimende Unsicherheit, gefolgt von Ungläubigkeit, Häme und der Vermutung, sie hätte entweder nicht mehr alle Tassen im Schrank oder kein soziales Leben. Wahrscheinlich war beides irgendwo wahr, oder einmal wahr gewesen. Die Gryffindor zuckte unter Vorbehalt die Achseln: "Nun ja … Wahrsagen ist nicht so mein Ding …"

"Aber Wahrsagen ist doch toll! Besser als Arithmantik", Lisa rieb sich nachdenklich das Kinn und strich sich eine Strähne ihres blonden Haares hinters Ohr. "Ich kann Arithmantik nicht einmal buchstabieren, geschweige denn mir etwas darunter vorstellen – ist schließlich nicht ohne Grund eine reine Jungenklasse."
 

Das wiederum überraschte Hermine. War die Geschlechtertrennung auf Hogwarts in dieser Zeit so streng und voreingenommen? Traute man einer heran wachsenden Frau keinen eigenständigen Verstand zu? Sie beobachtete Thoran und Lupin aus dem Augenwinkel und sondierte anschließend die ringsum sitzenden Schüler. Auf den ersten Blick benahmen sie sich normal, schwatzten, aßen, lasen oder lachten. Nichts hätte darauf hindeuten können, dass Mädchen anders behandelt wurden, wie Jungen. Trotzdem war es allgemein hin bekannt, wie wenig das Leben einer Frau im Vergleich zu dem eines Mannes gewertet wurde.

Die Anforderungen an Frauen waren zumeist simpel und befassten sich in erster Linie damit, eine Familie zu gründen und einen Haushalt zu führen, während sich der Mann darum kümmerte, dass Geld in die Kasse floss, wovon der Nachwuchs wiederum zehren konnte. Ausreißer des weiblichen Geschlechts waren selten und wurden von der Gesellschaft allgemein hin belächelt und gemieden.

Hermine seufzte.
 

"Alles in Ordnung?" Diana klappte ihr Buch zu, schob es ein wenig über den Tisch und schenkte sich in der selben Bewegung Kürbissaft nach, Hermine nickte: "Nur etwas müde, es war ein langer Tag. Ich denke, ich werde heute früher Schluss machen und ins Bett gehen."

Ein Strecken unterdrückend, rappelte sich die Brünette gemächlich auf. "Soll ich dich begleiten?", schaltete sich Thoran prompt ein, aber Hermine winkte ab. "Nicht nötig, ich kenne den Weg zurück zum Turm. Aber danke. Vielen Dank, auch für die herzliche Aufnahme – ich freue mich schon wahnsinnig auf den Unterricht morgen. Gute Nacht."
 


 

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Es bedurfte ein Paar Schritte, ehe Hermine bemerkte, dass sie Thorans Angebot besser hätte annehmen sollen. Je mehr sie sich von der Großen Halle entfernte und je stiller es um sie wurde, desto mehr wuchs wieder das unabdingbare Gefühl, dass jemand sie beobachtete. Der Schauder, der sie ergriff und Hermines Kopf zwischen die Schultern drängte, machte den Anflug von wachsender Paranoia dabei nicht unbedingt besser.
 

Eigentlich war es Unsinn.

Sie kannte Hogwarts gut und war sich im Klaren darüber, dass die einzige Gefahr in diesem großen Schloss höchstens jene war, sich auf halbem Weg zum Klassenzimmer ordentlich zu verfranzen. Es gab keine tobenden Poltergeister oder blutrünstigen Riesenschlangen, die jagend hinter Ecken lauerten; jetzt zumindest nicht mehr. Die Schule lag brach und das Knäul in ihrer Magengegend kam höchstens von dem Umstand der bedauernswerten Gesamtsituation.
 

Sie war besorgt und das war normal.
 

Das Kinn nun ein wenig mutiger erhoben, kreuzte Hermine ein Paar Ritterrüstungen, die mit Schilden und Schwertern bespickt in Pracht und Anmut wie Zinnsoldaten aufgereiht den schier endlosen Gang säumten. Es passierte dann auf halber Strecke, dass Hermine ein heiseres Flüstern erreichte – nicht mehr, als ein rauer Hauch doch auffällig genug, sie abrupt inne halten zu lassen.

Vielleicht war es bloße Einbildung, ausgelöst durch Müdigkeit und Erschöpfung. Ja, vielleicht war es nur ein Hirngespinst oder ein Scherz … – oder Peeves, der Poltergeist. Oder sie hatte die Rüstungen in ihrem nächtlichen Plausch unterbrochen.
 

Als Hermine über die Schulter zurück in die Richtung sah, aus der sie gekommen war, erhaschte sie allerdings nichts weiter, wie von Fackelschein durchtrennte Dunkelheit.
 

Hermine runzelte die Stirn, schüttelte zu sich selbst den Kopf, wandte sich auf den Fersen wieder zum Gehen und kollidierte dabei plötzlich unerwartet hart mit einer breiten Brust.

Aus der Drehung heraus blieb der Granger nicht einmal die Gelegenheit ihre Überraschung in Laute zu fassen, weshalb sie aus reinem Reflex ein Paar Schritt zurück stolperte.

Hermines Herz setzte in diesem Moment einen quälenden Schlag lang aus, das Adrenalin schoss ihr ohne Umschweife kribbelnd von den Zehenspitzen in die Bauchnabelregion und ihre Hand suchte automatisch den Weg an ihre Umhängetasche.

Jene Bewegung wurde allerdings auf halber Strecke eisern von unbekannten Fingern gestoppt, indes Hermine inbegriffen war, ungeschickt über ihre eigenen Füße zu fallen, weil sie die Balance verlor.

"Vorsicht", drängte sich nun eine aalglatte Stimme in Hermines Bewusstsein und erwischte sie wie ein Eimer gefüllt mit eiskaltem Wasser.
 

Wenn man so etwas wie Zeit wirklich beeinflussen konnte, stand sie jetzt still.

Das Blut rauschte in den Ohren der Gryffindor, jede Faser ihres Körpers schrie sofort nach Davonlaufen, während ihr Verstand betäubt, geradezu erstarrt von der Erkenntnis war, wem sie gegenüber stand.

Sie hätte ihn überall ausmachen können, in jeder Form. Ganz zu schweigen davon, dass sie dieses Konterfei beim Lesen schon unzählige Male überflogen hatte, wo das Buch, in dem es abgebildet worden war, ihn feierte wie einen Helden, ob der besonderen Verdienste um die Schule für Hexerei und Zauberei.
 

Verdienste, die genauso erstunken waren, wie sein Anagramm.
 

Endlich reckte Hermine den Kopf in den Nacken, weil sie zu ihm aufsehen musste.

Sein Gesicht war fast zu symmetrisch um wahr zu sein, schmal und kantig, was ihm den unweigerlichen Ausdruck von aristokratischem Hochmut verlieh. Seine Lippen waren von einem vollen Schwung und sein Haar pechschwarz und so dicht, dass man das Bedürfnis verspürte hinein zu greifen nur um heraus zu finden, ob es echt war. Er hatte es geschickt aus der Stirn gekämmt.

Was besonders und selbst im schlechten Licht des Ganges an dem Waisenknaben hervorstach, waren seine kühlen, grauen Augen, die jeglichem Mitgefühl entbehrten und eine Strenge beherbergten, die absolut indiskutabel war.

Hermine entging, wie sie ihn unhöflich anstarrte, bis Riddles Augenbrauen den Weg über seine Stirn unter den Haaransatz fanden. Das Zucken seiner Mundwinkel verriet nicht, ob er bereits leicht genervt war oder sich einfach über das Verhalten des Lockenschopfes amüsierte.
 

"Es lag mir fern, dir einen Schrecken einzujagen ...", Tom führte ein Stück Pergament, das er bei sich trug, auf Augenhöhe, überflog das dort Geschriebene gekünstelt, lächelte ein Stück breiter und sah über den Rand der Notiz wieder zu Hermine hinab: "… Hermine Hawking … Hermine? – ein ungewöhnlicher Name. Das bist doch du, nicht wahr?"

Die Angesprochene zwinkerte auf Riddles Frage, zu abgelenkt von dem Umstand, dass die Finger seiner Hand noch immer unnachgiebig fest um ihr eigenes Gelenk geschlossen waren und sie konstant davon abhielten ihren Beutel und damit auch ihren Zauberstab zu erreichen. Ihre Fingerkuppen wurden unter dem Druck von Toms Hand taub. Sie entrang sich schließlich ein stummes Nicken, gefolgt von einem erstickten "Ja".
 

"Prächtig! Professor Dumbledore schickt mich, dir das zu geben." Der Schulsprecher hielt ihr nonchalant das Pergament entgegen, ließ endlich von ihrem Handgelenk ab und verschränkte in der selben Bewegung geschmeidig die Arme auf dem Rücken.

Auf der Notiz war in aller Hast ihr Stundenplan eingetragen worden – demnach hatte Dumbledore sein Wort gehalten und sie durfte hier bleiben, konnte die Bibliothek nutzen und war in Sicherheit. Nicht wahr? Toms Gegenwart vergewaltigte absurder Weise komplett ihr Urteilsvermögen.
 

Hermine wollte sich nicht ausmalen, was der Slytherin schon von Dippet und Dumbledore über sie aufgeschnappt haben mochte – und wie lange es dauern würde, bis ihm langweilig genug war, ihrem Hiersein auf den Grund zu gehen und ihre Tarnung damit vor dem ganzen Schloss auffliegen zu lassen. Ihre Lage war so schon prekär genug; sich um seine Neugierde zu kümmern war keine Aufgabe, die sich Hermine aufbürden wollte.

Toms Argusaugen, mit denen er jeder ihrer Regungen von Oben herab neugierig folgte, machten sie unsagbar nervös. "Vielen Dank", entgegnete Hermine schließlich matt in die sich aufdrängende Stille, etwas anderes fiel der Gryffindor nicht ein. So zwang sie sich stattdessen zu einem Lächeln, rollte den Stundenplan zusammen und strich sich etwas verloren das buschige Haar aus dem Gesicht, bevor sie einen kühnen Ausfallschritt machte, um mit falscher Entschlossenheit an dem hoch gewachsenen Slytherin vorbei zu steuern.

Hermine wollte ihm schon einen guten Abend wünschen und abwimmeln, da unterbrach er ihr Vorhaben ein weiteres Mal recht sanft: "Es ist nicht besonders klug, nachts allein durch die Gänge zu wandern."
 

Aus Toms Mund klang das wie eine bodenlose Drohung.
 

Riddle fiel schneller in ihren Schritt, als Hermine widersprechen konnte. "Bis zum Gryffindor-Turm ist es nicht weit.", protestierte die Brünette schwach, angetrieben durch den innigen Wunsch, Tom Riddle so schnell wie möglich los zu werden, ohne ihn dabei unhöflich vor den Kopf zu stoßen und dadurch im selben Moment seinen Groll auf sich zu ziehen. Denn wenn sie eines nicht brauchen konnte, dann einen eingeschnappten, reuelosen Slytherin der ihr das Leben in dieser Zeit noch schwerer machte, wie es ohnehin schon war.  

"Mumpitz", sein Grinsen wurde eine Spur breiter, Tom hatte die Entscheidung schon gefällt, noch bevor er Hermine das Angebot gemacht hatte. Ihm zu widersprechen war daher vergebene Liebesmüh. Besonders, wo Hermine immer noch damit rang, das Adrenalin in ihrem Körper auf Normalniveau zu senken, weil es laut in ihren Ohren rauschte.

"Als Schulsprecher erachte ich es als meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass du unbeschadet in deinem Gemeinschaftsraum ankommst."
 

Hermine widerstand dem Drang zu seufzen und klammerte sich Halt suchend an die Kordel ihrer Umhängetasche. "Danke", murmelte sie daher wiederholt mager und versuchte die unangenehme Gegenwart des Slytherins mit Fassung zu ertragen.

Das ungleiche Paar passierte so nach wenigen Minuten des unliebsamen Schweigens im Schein einzelner Fackeln die Wendeltreppen zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors, bis der Granger auffiel: "Du hast mir noch nicht verraten, wie du heißt." Sie hatte nicht gefragt, weil sie die Antwort eigentlich kannte.

Tom schenkte Hermine aus dem Halbdunkel heraus ein schmales Lächeln, das seine Augen nicht erreichte, andere aber sicher mit bezaubernd umschrieben hätten. Der Slytherin drosselte seinen langen Schritt zu einem Schlendern, blieb letztlich stehen und streckte ihr die Hand zu einem simplen Gruß entgegen.
 

"Natürlich, wie unhöflich. Mein Name ist Tom Riddle, willkommen auf Hogwarts."

An Ordinary Morning

A/N Ha. Okay – ein Paar Worte der Erklärung für die jenigen, die das Update vom Wochenende schon gelesen haben: ich habe den letzten Entwurf zu Kapitel 7 nicht nur überarbeitet, sondern komplett geändert, weil ich mit dem Verlauf nicht mehr zurecht gekommen bin.
 

Ich wollte eigentlich einen größeren Sprung machen und mit dem wesentlichen Teil der Geschichte beginnen, habe dann aber fest gestellt, dass sich dadurch die Melodie der Handlung so stark ändert, dass man als Leser vermutlich nicht mehr hätte folgen können.

Ich hab's quasi vergeigt ( woa, Wortspielalarm aufm Autorenspielplatz (-; )
 

Jetzt ist das Kapitel insgesamt gefühlt stimmiger. Keine Sorge, ich werde vermeiden, dass die Handlung zu "plätschern" beginnt. Aber ich möchte keine sinnfreien Handlungssprünge machen, die mir den Plot zerreißen. Ich habe nun einige Dinge in der Erzählung vorgezogen und andere zurück gestellt.
 

Insofern fettes Sorry für etwaige Verwirrung.

Vergesst das vorherige Update und viel Spaß beim Lesen.
 

Danke.
 

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There are things, I have done.

There's a place, I have gone.

There's a beast, and I let it run.

Now it's runnin' my way.

[BLACK LAB &. THIS NIGHT]


 

Hermine Hawking konnte Riddle nichts vorwerfen.

Als sie sich auf dem Gang das erste Mal begegneten, war er zuvorkommend, höflich und diskret gewesen. Er hatte sich ebenso perfekt verhalten, wie er vorgab zu sein und Hermine dabei kurzzeitig aufs Glatteis geführt. Es war schwer zu begreifen, dass ein Junge mit einem Intellekt und einem Talent, wie Tom es besaß, schlussendlich ein so furchtbares Schicksal ereilen würde – noch dazu eines, für das er selbst verantwortlich war.

Auf ihrem gemeinsamen Weg durch die verwinkelten Ecken des Schlosses, vorbei an schlafenden Gemälden und schwebenden Geistern, hatte er immer wieder vergeblich versucht, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Anders wie Thoran gab er sich dabei beeindruckt von ihrem Interesse am Lernen, zeigte sich offen für die Wahl ihrer Fächer und verriet ihr hier und da ein Paar Dinge, auf die sie sich im Unterricht freuen konnte, denn er hatte die meisten Bücher – wie er zugab – für die siebte Klasse bereits gelesen.

Hermine merkte schnell, dass Tom jemand war, dessen Aufmerksamkeit man zwanghaft ersuchte, weil man von ihm beachtet werden wollte. Er hatte etwas Anziehendes an sich, in seiner ruhigen Art, den gewählten Worten und seinem Auftreten.

Das Problem war nur, dass Hermine Granger Riddles aus vollem Herzen verteufelte.
 

Egal, in welchem Zusammenhang sie auch an ihn dachte, ihn ansah oder auf ihn einging, stellte ihr ihre Rationalität ein Bein. Sie war nicht fähig zu vergessen; die Bilder und die Erinnerungen, den Schmerz und die Angst, die mit seinem Namen einher gingen, geschweige denn den Krieg und die Verfolgung, die zu ständigen Begleitern in den vergangenen Jahren geworden waren. Mit ihm über belanglose Dinge zu plaudern fühlte sich an wie Verrat, der ihr Blut zum Brodeln brachte – und dabei spielte es keine Rolle, welche Maske Voldemort trug.

In Hermines Augen war er nicht schön oder charmant, sondern gefährlich und manipulativ. Mochte sein, dass er sie an diesem Abend überrumpeln konnte, dass sie ihm die Chance eingeräumt hatte, sich in ihren Verstand zu mogeln, wie er es bei anderen tat. Aber das würde ihr kein weiteres Mal passieren.

Er war nicht mehr nur ein Hirngespinst, oder ein Foto abgedruckt in einem alten Buch; er war schrecklich real und er war neugierig ob ihrer Person. Und das waren beides Gründe für Hermine, ihn mindestens auf einer Armlänge Abstand zu halten.
 

Mit diesem Gedanken war sie schließlich eingeschlafen.
 


 

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Der nächste Morgen kam viel zu schnell, begleitet vom entfernten Krähen eines Hahns. Hermine kauerte sich unter der warmen Decke ein wenig fester zusammen und rollte auf die Seite, die Augen fest geschlossen, um dem aufziehenden Sonnenlicht zu entgehen, das sich durch die Vorhänge hindurch den Weg auf ihre Haut suchte.

Hätte sie nicht jemand vehement an der Schulter berührt und geschüttelt, wäre sie vermutlich wieder in den traumlosen Schlaf versunken, der über ihrer Wahrnehmung wie ein Schleier ausgebreitet da lag. Hermine kniff die Lider zusammen, blinzelte träge und fokussierte die Stimme, die jetzt sanft ihren Namen murmelte, ehe sie sich räkelte und Tag und Realität gemächlich Eintritt gewährte.
 

Für einen Atemzug spürte sie Enttäuschung.

Die Gesichter, die sie musterten, waren nicht die ihrer Freunde, waren ihr unbekannt und neu. Der Raum war nicht der Selbe, wie sie ihn in über fünfzig Jahren in der Zukunft beheimaten würde, die Sachen am Ende des Bettes waren nicht ihr eigen Hab und Gut und die stetige Hoffnung, aus einem Alptraum zu erwachen, war praktisch verschwunden.

Diana lächelte und machte einen Schritt vor Hermines Bett zurück, um sich gemeinsam mit Lisa auf deren Matratze zu setzen. Beide trugen lange Nachthemden und hatten ihr Haar in einem Haarnetz nach oben gebunden. Hätte Hermines es nicht besser gewusst, hätte sie über die vermeidliche Aufmachung der Mädchen gelacht. "Artemis ist gerade im Badezimmer, aber keine Sorge – es bleibt noch genügend Zeit. Wir dachten, wir lassen dich ein bisschen länger schlafen, du hast gestern einen ziemlich erschöpften Eindruck gemacht."
 

Lisa, die ihr Kissen auf dem Schoß hatte und es besitzergreifend umarmte, beugte sich ein bisschen nach vorn. Man musste nicht putzmunter sein um die Neugierde aus ihrem Gesicht lesen zu können – ebenso wie die brennende Frage, die ihr ganz offensichtlich auf der Zunge lag und die ohne Umschweife über ihre Lippen sprudelte: "Weißt du, was Tom Riddle gestern vor unserem Gemeinschaftsraum gemacht hat?"

Hermine rieb sich den Schlaf aus den Augen und neigte bloß seufzend den Kopf (sie hoffte, dass keines der beiden Mädchen das übergroße, neon-orange T-Shirt der Chudley Cannons in Frage stellte, das eigentlich Ron gehörte und sie spontan als ihr ganz persönliches Nachthemd auserkoren hatte). Ihr Mund stand halb offen, formte sich mit einem Stirnrunzeln zu einem nachdenklichen "O", bevor sie die Schultern zuckte und müde ihre wilde Lockenpracht schüttelte: "Wer?"

Es war nicht schwer, sich zwischen Wachen und Schlafen dümmer zu stellen, als man in Wirklichkeit war.
 

"Tom, unser Schulsprecher –", fuhr Diana fort, wurde aber von Lisa unterbrochen: "Groß, dunkelhaarig, gut aussehend … traumhaft?" Ihre leicht hysterische Ader hatte, zugegeben, etwas von einer aufgekratzten und aufsässigen Lavender Brown. Hermine merkte, wie sehr sie Lavender vermisste – auch, wenn sie ihre laute Freundin nicht immer mochte.

Sie blinzelte sehr langsam und sagte eine Weile nichts. Ihr stand nicht der Sinn, über jemanden zu schwärmen, von dem sie ausgehen konnte, dass er sie ohne Federlesen würde umbringen können. Dann leckte sich Hermine über die Lippen und entgegnete wahrheitsgemäß: "Achso, er hat mir meinen Stundenplan gebracht, wir waren uns auf den Gängen begegnet, als ich zum Turm zurück gegangen bin; Riddle bestand dann darauf, mich bis zum Gemeinschaftsraum zu begleiten. Vermutlich dachte er, ich würde mich verlaufen, oder so. Ihr müsst ihm begegnet sein, als wir uns gerade verabschiedet haben."

Ein bisschen ärgerlich war es schon, dass Hermine Thoran, seine Freunde und die Mädchen wohl nur knapp verpasst hatte. Die Gruppe wäre eine perfekte Ausrede gewesen, Riddle los zu werden.
 

"Ha! Ich wusste, dass du etwas damit zu tun hast! Diana hat es mir nicht geglaubt." Das breite Grinsen auf Lisas Gesicht war Zeuge dafür, wie sehr sie dem Charme des Slytherins verfallen war; schließlich kicherte sie. Ihr Blick nahm eine trübe Verträumtheit an, die eine Ginny Weasley sofort aus ihr heraus geboxt hätte. Hermines Braue zuckte lediglich.

Sie kannte Riddles Zauber, seine eigenwillige Person und sein Talent, Leute dazu zu bringen, das zu tun, was er wollte; sie hatte mit zwölf schließlich auch ein Weilchen für ihn und seine Anekdoten geschwärmt, bis sich heraus stellte, wer er tatsächlich war.

"Tom war es, der den Schüler gefasst hat, der für die Unfälle verantwortlich war. Die Schule verdankt ihm einiges – mitunter auch den Umstand, dass sie nicht geschlossen werden musste. Der Sache auf den Grund zu gehen war sehr mutig von ihm", schaltete sich Diana wieder ein und hob die Achsel.

"Und deshalb ist er jetzt ein Held", es war mehr eine Feststellung, als eine Frage und Hermine bereute jedes Wort davon. Lisa nickte, wog sich mit dem Kissen im Arm gemächlich von links nach rechts und lenkte das Augenmerk an die Decke. Hermine tat es der Blondine gleich, warum konnte sie nicht sagen.

Vielleicht Gruppenzwang.
 

"Wie findest du ihn?"

Zusammen zuckend, runzelte Hermine die Stirn und sah Diana und ihrer Freundin verwirrt an. Sie wollte sich nicht dazu äußern, nicht Gefahr laufen etwas zu sagen oder zu verraten, was sie am Ende bereute. Genau genommen wollte sie überhaupt nicht über Voldemort reden, ihr Nachthemd tragend, eingewickelt in ihre Decke im Kreis von neu gewonnenen Freundinnen: die Szene war irgendwie grotesk.

"Ich kenne ihn nicht. Gestern war er höflich, aber das sind andere auch."

"Ihn kennen?" Diana musterte Hermine eine Weile, sie schien etwas abzuwägen. Möglich war auch, dass sie sich die Frage selbst nie wirklich gestellt hatte. Wieso sollte man sich schon die Mühe machen, jemanden kennen zu lernen, wenn er ganz offenkundig eine tolle Person war? Ihre Entgegnung kam unerwartet: "Ich glaube, niemand kennt ihn; er spricht kaum über sich selbst … außer über die Schule und den Unterricht. Belanglose Sachen eben, das schon."

"Aber spielt das eine Rolle?", wollte Lisa wissen "Ich meine, er hat die Contenance und den Charme eines Clark Gables, er ist Schulsprecher und wenn er so weiter macht, wie bisher, wird er der beste Schüler sein, den Hogwarts je gesehen hat. Reicht das nicht, ihn zu mögen?"
 

Hermine leckte sich über die Lippen. Sie war nicht das typische Mädchen, das sich gerne über Jungs unterhielt. Einmal war Ginny bei ihr gesessen, weil sie einen Rat wegen Dean Thomas brauchte, auf den sie unheimlich stand: das war kurz bevor sie mit Harry zusammen kam. Lavender schien jede Woche einen anderen Kerl toll zu finden, verfiel dabei in völlige Dummheit, löste ihre Probleme aber fortwährend irgendwie selbst und zu anderen Mädchen hatte Hermine keinen so engen Kontakt, die Gespräche dieser Art begründet hätten.

Sie war überfordert.

"Ich glaube nicht. Ich glaube, das was wir tun, steht oft im Kontrast zu dem, wer wir wirklich sind." Hermine versuchte sich an einem schwachen Lächeln: "Jeder Mensch lügt."
 

"Wisst ihr, ich finde Hermine hat damit gar nicht so Unrecht. Riddle ist nett und hilfsbereit, jeder mag ihn – aber Fragen über sich selbst beantwortet er so gut wie nie. Auch uns gegenüber nicht", meldete sich eine neue Meinung aus Richtung Badezimmer.

Artemis rubbelte sich die Haare mit einem Handtuch trocken, suchte gleichsam den Weg zwischen den Betten hindurch zu den anderen und streckte dem Lockenschopf grüßend die Hand entgegen: "Guten Morgen, mein Name ist Artemis Brown, ich bin Vertrauensschülerin für Gryffindor, ich glaube wir hatten gestern keine Gelegenheit uns kennen zu lernen." Ihre Lippen kräuselten sich in ein nettes Lächeln, das die Strenge ihres Konterfeis nicht ganz vertrieb, aber ehrlich wirkte.

Geschäftiger fügte Artemis dann in Richtung Diana und Lisa gewandt hinzu: "Und jetzt denkt viel lieber an die Schule und nehmt mal eure Beine in die Hand, sonst kommen wir zu spät zum Frühstück!"
 


 

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Als die Mädchen gemeinsam in der Großen Halle ankamen, waren Thoran, Lyail und Ignatius bereits am Tisch und löffelten etwas, das verräterisch nach Haferschleim aussah und augenscheinlich mit Apfelmus vermischt worden war. Sie waren umringt von anderen Jungs, die Hermine noch nicht kannte und mit denen sie sich leise und angeregt unterhielten – hätte die Brünette es nicht besser gewusst, hätte sie vermutet, dass die kleine Truppe gerade Pläne schmiedete (so viel zu ihrer Annahme, die Epoche ginge zum Kichern in den Keller).

Thoran, dessen Stirn in missbilligte Falten gefurcht war, schüttelte nachdrücklich den Kopf, lehnte sich schließlich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, sein Vertrauensschülerabzeichen brach sich dabei im matten Licht des Sonnenaufgangs über ihren Köpfen. "Niemals, Bill. Vergiss es. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch dumm. Was hast du davon?"
 

"Eine Menge Spaß", antwortete der Junge, der Thoran gegenüber saß und klang dabei ebenso fahrlässig wie einer der Weasley-Zwillinge, während er Erstklässlern Spuckpillen im Gemeinschaftsraum vertickte, damit der nicht an Snapes Unterricht teilnehmen musste. "Komm schon, Thoran, sei kein Spielverderber. Stell dir nur mal sein Gesicht vor ... – !"

"Er wird dir den Hals umdrehen, mit seinen bloßen Händen. Glaube mir, du bringst dich damit in erhebliche Schwierigkeiten – mehr noch, wie sonst. Und mich gleich mit, weil du es mir auf die Nase bindest und ich dich tun lasse, was du willst!" Bill winkte ab und lachte. "Iwo, er ist nicht halb so clever wie er denkt, dass er's ist! Glaub' mir, er braucht das. Und du bist außen vor, denn du weißt von nichts, darauf haben wir uns geeinigt, nicht oder?"
 

Lupin entgegnete etwas, das Hermine aus der Entfernung nicht mehr verstehen konnte, weil Thoran sie in diesem Augenblick über die Köpfe der anderen hinweg mit einem freundlichen Ruf begrüßte und die Mädchen alsdann zu ihren Klassenkameraden aufschlossen, um sich zu ihnen zu setzen.

Zu Hermines Überraschung fuhr der Kerl, mit dem sich der Vertrauensschüler gerade noch unterhalten hatte, dabei abrupt auf die Füße, wischte sich die Hände an seiner Robe ab und reichte Hermine mit einem spitzbübischen Grinsen eine davon.

Zuerst stockte der Lockenkopf, irritiert ob der Geste und überrumpelt von der Heiterkeit auf dem jungen Konterfei, das umrahmt wurde von einzelnen Haarsträhnen, die es nicht in seine aufwendig gekämmte Haartolle geschafft hatten; dann lächelte sie nervös.
 

Bills Haare waren von einem Hellbraun und standen damit im Kontrast zu seinen verhältnismäßig dunklen Augen, die keinen Hehl aus Feix und Tollheit machten und – im Gegensatz zu seiner hoch gewachsenen Gestalt – kindlich und frech zwischen hellen Wimpern hervor funkelten. Bevor Hermine sich versah, wurde das exzentrische Schütteln ihrer beider Hände zu einem schmeichelnden Handkuss auf ihrem Handrücken.

"Hallo", hauchte Billy tief und kehlig, was die Mädchen ringsum zum Kichern brachte.

Seine Augenbrauen tanzten amüsiert über die Stirn: "Du musst Hermine sein, freut mich wirklich wahnsinnig dich kennen zu lernen. William Potter", sein Grinsen wurde eine erhebliche Spur breiter und verschluckte dabei fast seine Ohren: "Aber meine Freunde nennen mich Bill und meine besten Freunde sogar Billy."
 

Hermine zwinkerte kräftig, den Mund zu einer Erwiderung geöffnet, aber unfähig jeglicher Reaktion. Als William schließlich so nah an ihr Gesicht heran trat, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte, wurden ihre Wangen unweigerlich warm: "Du darfst auf jeden Fall Billy zu mir sagen."

"Hör auf damit, du Schwerenöter!", mischte sich Thoran halbherzig lachend ein, was vermutlich auch die letzten Köpfe neugierig zum Gryffindortisch umsehen machte. Musste man in aller Herrgottsfrüh schon so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Hermine versuchte sich mit einem Räuspern dezent zu befreien, wurde aber in der selben Bewegung von William bestimmt an den freien Platz neben sich bugsiert: "Nur, wenn sie sich zu mir setzt, damit ich sie besser kennen lernen kann."
 

Ihre Nackenhaare kitzelten. Nicht etwa, wegen Bills offen überdrehter Art, oder seinen Gesten, dem James-Dean-Blick oder der Spitzbübigkeit, die sie an zu Hause und die Weasley-Zwillinge erinnerte, sondern weil das beunruhigende Gefühl wieder präsent war, beobachtet zu werden.
 

Platz nehmend, schenkte sich Hermine frischen Tee auf und nutzte die Gelegenheit, den Blick ungestört durch die Große Halle schweifen zu lassen. Zuerst fiel ihr nichts weiter auf, Thoran, Lupin und Ignatius hatten ein nonchalantes Gespräch mit Diana über Quidditch begonnen, die Ravenclaws waren zumeist mit sich selbst und ihren Büchern beschäftigt, die Hufflepuffs wirkten allesamt ein bisschen müde und weniger gesprächsfreudig zur Frühstücks-Stunde und am Slytherin-Tisch herrschte kollektives und diszipliniertes Schweigen, wobei ein Teil hinter der neuesten Ausgabe des Tagespropheten oder Pergamentrollen verschwunden war. Alles war ruhig, unauffällig und – beinahe hätte Hermine es gedacht – wie immer.
 

Doch dann bemerkte sie ihn, direkt in der Mitte seiner Hauskameraden in einer Position, von welcher aus er die gesamte Halle ohne Mühen im Auge behalten konnte; den Rücken durchgedrückt und die Schultern gespannt, als hätte er gerade einen von Filchs alten Besen verschluckt saß er da, wie der Herr des Schlosses. Seine kühlen grauen Augen waren auf sie gerichtet, er blinzelte dabei nicht, das Gesicht hinter einer unbewegten Maske versteckt, die es unmöglich machte aus ihm zu lesen.

Schließlich nickte er ihr zu.
 


 

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"Ich bin Kapitän der Quidditchmannschaft", verriet ihr Billy auf dem Weg zu Slughorns Klassenzimmer mit vor Stolz geschwellter Brust eine halbe Stunde später. Hermine lächelte daraufhin; William Potter war nicht nur erstaunlich gesprächig, sondern auch ausgesprochen witzig und charmant, was in dem Einheitsbrei der tristen Laune dieser Epoche unglaublich erquickend wirkte. Sie mochte ihn sofort, weil er keine Anstalten machte, sich mehr zu beherrschen wie nötig und sagte, was er dachte.

Aber jegliche Gemeinsamkeit zu Harry, irgendein Indiz dafür, dass sie miteinander verwandt hätten sein können (bis auf ihre Leidenschaft zum magischen Sport vielleicht) suchte sie vergebens. Dazu kam, dass Thoran ihr gegenüber anmerkte, dass William ein cleverer Bursche war, sein Hang zum Schabernack ihn allerdings regelmäßig in Schwierigkeiten brachte.

Klang eigentlich nach einem Weasley.
 

"Hatten gestern Training und bin anschließend zu Ignatius in den Krankenflügel, um mich zu vergewissern, dass Riddle ihm keines seiner Glieder ausgerissen hat." Williams Arm wanderte in gespieltem Mitgefühl um die Schulter seines rothaarigen Freundes, der zuckte bloß die Achseln, unter seinem rechten Auge war ein schwaches Veilchen zu erkennen, das noch verheilte. "Tom ist der bessere Duellant, aber das ist kein Geheimnis. Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, fordert ihn heraus – Professor Merrythought hat uns zusammen gesteckt, ich hatte keine Chance, geschweige denn eine Wahl."

Also hatte Riddle absichtlich dafür gesorgt, dass Thoran am Vorabend zu spät zu ihrem Treffen an der Bibliothek kam, weil der sich wiederum um Ignatius kümmern und ihn zur Krankenstation bringen sollte? War das möglich, oder eine falsche Anklage, gebaut auf zu viel Unbehagen und dem einher gehenden Verdacht, dass er sie im Auge behielt?

"Ignatz, du hättest selbst gegen einen Flubberwurm keine Chance", konterte Billy feixend und erntete von seinem Kompagnon einen schmerzhaften Stoß zwischen die Rippen, der ihn zwar zusammen zucken, aber nicht davon abhalten ließ, zu lachen.
 


 

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Horace Slughorn würde sich im Laufe von über fünfzig Jahren kaum verändern, mit Ausnahme einiger weniger Falten vielleicht und dem mausgrauen Haar, das jetzt noch deutlich fülliger und braun war.

Der Tränkemeister war überaus entzückt, sie kennen zu lernen und verriet Hermine im selben Satz schmeichelnd, wie angetan Dumbledore von ihrer bisher gezeigten Leistung zur Aufnahme in die siebte Klasse gewesen war; dabei profilierte er sich ein bisschen wie ein stolzes Walross, was seinen Schnauzbart zum Beben brachte und merkte an, dass einer der besten Schüler der Schule zufällig aus seinem Haus kam.
 

Das brachte Hermine binnen fünf Minuten den Sitzplatz in der ersten Reihe neben Riddle ein, der sie mit dem Anflug eines dünnlippigen Lächelns an seiner Seite begrüßte, das seine Augen nicht erreichte.

"Schön, dich wieder zu sehen", merkte er so leise an, dass sie ihn kaum verstand.
 

Hermine glaubte nicht an Zufälle.
 


 

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ERKLÄRUNGEN.
 

CLARK GABLE. war in den 1940er Jahren ein weltweit bekannter Hollywood-Schauspieler. Heute kennen wir ihn vor allem aus dem Film "Vom Winde verweht", wo er den feisten "Rhett Butler" gespielt hat. Gable war eine der männlichen Stilikonen der Zeit, ebenso wie nachfolgend zum Beispiel Marlon Brando, James Dean und Elvis Presley in den 1950er Jahren.

Ich habe ihn gewählt, weil ich unheimlich auf Clark Gable stehe und er für mich den typischen Gentleman der 1940er verkörpert; ich fand das als Metapher zu Toms Auftreten sehr passend.
 

WILLIAM POTTER. wird im Potter-Wiki tatsächlich erwähnt, allerdings ohne Zeitangaben. Angeblich war William aber Harrys Großvater. Ich weiß, dass er auf Anhieb als Klischeecharakter auftritt, gerade im Vergleich mit den Weasley-Zwillingen. Aber ich hatte William einmal für ein Rollenspiel ausgearbeitet, das ebenfalls in den 1940er gespielt hat und fand es amüsant, seinen Handlungsstrang hier mit einzubauen – auch, um Tom das Leben etwas schwer zu machen und Dynamik zu erzeugen.
 

Danke fürs Lesen.

An Ordinary Day

A/N Eine Sache unter uns: sechs Kinder sind mindestens fünf zu viel (-; Ich hatte eine ganze Rasselbande zu beschäftigen, meine Geschwister waren die vergangenen Tage zu Besuch, was mich erheblich im Schreiben zurück geworfen hat. Aber nichtsdestotrotz ist der zweite Teil unserer Mini-Schultag-Serie jetzt fertig! Ich habe einen weiteren in Planung, anschließend wird die Geschichte einen Sprung machen.
 

Ich bedanke mich für Euer Interesse und heiße die neu gewonnenen Leser an dieser Stelle herzlich Willkommen!

Viel Spaß.
 

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There are things, I regret.

That you can't forgive. You can't forget.

There's a gift, That you sent.

You sent it my way.

[BLACK LAB &. THIS NIGHT]


 

Der leise Verdacht, dass die Teilnahme am Unterricht nicht die beste Idee war, kam Hermine zum ersten Mal am Ende der Doppelstunde Zaubertränke. Freilich, sie liebte Schule und das Lernen, das Stöbern in alten Wälzern deren Einbände schon von Motten zerfressen worden waren – und für eine sehr lange Zeit hatte es in ihrem Universum nichts anderes gegeben als eben das. Bloß beschlich sie das ungute Gefühl, dass Hausarbeiten und Prüfungsstress sie schlussendlich vom Wesentlichen abhalten würden: und das war nun einmal die Aufgabe, einen Weg nach Hause zurück zu finden.

Aber konnte sie ein stummer Bewohner des Schlosses sein? Konnte sie an Mahlzeiten teilnehmen und durch die Gänge wandern, ohne dabei unangenehme Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen?

Dumbledore hatte schon Recht mit seiner Forderung, nur war sich Hermine nicht sicher, ob sie die Kraft besaß den alltäglichen Schulstress mit ihren eigentlichen Plänen unter einen Hut zu bekommen, wo die Priorität dieses Mal nicht auf guten Noten lag. Schlussendlich blieb ihr nichts anderes übrig, als es zu probieren. Vielleicht war eine Antwort auf ihr Problem schneller gefunden, wie angenommen. Vielleicht gab es eine Lösung, die sie übersehen hatte, weil sie angetrieben worden war von Panik und hektischer Blindheit. Vielleicht …

"Ein Penny für deine Gedanken."
 

Die Arme vor der Brust verschränkt und die Beine von sich gestreckt, lehnte Tom in einer Lässigkeit neben ihr auf seinem Stuhl, die völlig konträr zu seinem sonst gewohnt steifen Auftreten war. Im Kessel vor ihm brodelte der Trank, den Slughorn ihnen für den ersten Teil der Stunde zur Übung hatte aufsetzen lassen, angetrieben von dem Heizkolben darunter, welcher auf Sparflamme ächzend dafür sorgte, dass das Gesöff durch zu niedrige Temperatur nicht unbrauchbar wurde. Sein hellgrauer Blick war indes auf sie gerichtet, ruhig und unverhohlen. Wie lange er sie schon auf diese Weise ansah, konnte die Brünette dabei nur erahnen.

Räuspernd, beugte sich Hermine über ihren eigenen Kessel und rührte drei Mal gegen den Uhrzeigersinn, bevor sie die Temperatur ihres Bunsenbrenners einstellte und kraftlos auf den Stuhl zurück fiel; sie strich sich das buschige Haar hinters Ohr und widerstand dem Drang die Ärmel von Weste und Bluse über die Ellenbogen empor zu krempeln, weil es durch die glühenden Kessel beinahe unangenehm warm in den Kerkern wurde.

Als Tom keine Anstalten machte, sich anderen Dingen zu widmen, außer sie weiterhin aufmerksam zu mustern, winkte Hermine mit einem gequälten Lächeln ab: "Nichts von Bedeutung."
 

Der Slytherin kauerte sich schräg über den Tisch nach vorn und an seinem Kessel vorbei, streckte die Arme aus und schloss die Finger ineinander. Hermine fiel auf, dass Riddle diese absonderlich filigranen Klavierspielerhände hatte, denen man Geschick und Eleganz nachsagte.

"Du hast mich kein einziges Mal um Hilfe gebeten. Tatsächlich hast du nicht einmal etwas falsch gemacht, von deiner etwas ungewöhnlichen Art zu Brauen einmal abgesehen." Auf seiner Stirn war eine Furche zu erkennen und den Mund geöffnet, dachte er sichtlich über die Formulierung seiner nächsten Worte nach: "Ich frage mich, wieso du die Fledermausmilz nicht gehackt, sondern gepresst hast. Augenscheinlich macht es beim Brauen keinen besonderen Unterschied, zumindest – "

"– weil sich die antitoxische Wirkung dadurch verstärkt; der Saft aus der Milz wirkt so konzentrierter in Verbindung mit dem Bezoar."
 

Riddles Augenbrauen schossen bis zu seinem Haaransatz empor: "Ah", entgegnete er bloß.

Hermine hätte nie erwartet, einmal dankbar um einen Rat im Kochen zu sein, den Harry aus dem Schulbuch eines Fremden hatte. Aber die indirekte Begegnung mit dem Halbblut-Prinzen hatte nun einmal Spuren hinterlassen; solche vielleicht, die einem so lange nicht auffielen, bis man darauf hingewiesen wurde.

"Und wie kommst du auf diese Idee? Ich meine, im Rezept steht eindeutig, dass die Fledermausmilz gehackt werden muss." Wenn die Brünette das Gefühl hatte, Riddle würde sie aus grauem Augenmerk ansehen, durchbohrte er sie jetzt mit seinem Blick. Seine Neugierde, seine Aufmerksamkeit und die Tatsache, dass er keine Anstalten machte, sie in Ruhe zu lassen, irritierten sie. Hermine zuckte die Achseln: "Ich habe es aus einem Buch… – ich lese gern." Als sie die Mundwinkel jetzt in ein Lächeln krümmte, erwiderte er es – und zu ihrer Überraschung wirkte es beinahe ehrlich. "Ich auch."
 

"Nein, so was!", mischte sich Professor Slughorn über ihre Köpfe hinweg plötzlich euphorisch in ihr Gespräch ein; er war von hinten an sie heran getreten, die Hände hatte er auf dem Rücken verschränkt. Tom stockte, setzte sich sauber auf und zauberte eine Heiterkeit auf sein Konterfei, die nur gespielt sein konnte.

Der Tränkemeister selbst lehnte sich so wohl über Riddles, als auch Hermines Kessel und atmete tief den Duft ein, der über dem brodelnden Dunst nach oben stieg; er erweckte den Eindruck eines Mannes, der gerade Vater geworden war.

"Perfekt, beide natürlich. Hast du der jungen Dame etwa wie ein wahrer Gentleman geholfen, Tom? Aber natürlich hast du das, me'en Jung'!" Jetzt lachte der Schulsprecher und schüttelte den Kopf; wenn er von Slughorn genervt war, zeigte er es nicht: "Nein, Professor. Ich fürchte Miss Hawking wird ihrem Ruf gerecht. Sie war sogar so kühn, die Milz zu quetschen; sie sagte, ihr Saft wirke verstärkend auf die Wirkung des Gegengiftes."

Die Augen des Tränkemeisters wurden rund und Hermine schluckte. Sie war sich im Klaren, was es hieß, in der Gunst des Lehrers zu stehen und sie mochte es nicht; andererseits war der vermeidliche Erfolg, ein Teil von Slughorns kleiner und auserwählter Schülersammlung zu werden, absehbar gewesen. "Fürwahr! Das ist brillant, Miss Hawking! Nehmen Sie 20 Punkte für Gryffindor und erlauben Sie mir, das Gegengift zum Test an die Krankenstation zu geben. Ich schätze engagierte Leute, die sich trauen ihr Hirn zu benutzen! Gut gemacht."
 

Im Anschluss nahm Slughorn von jedem Schüler eine kleine Probe für die allgemeine Bewertung, damit sie aufräumen konnten. Im selben Atemzug kündigte er außerdem an, dass sie sich in der nächsten Doppelstunde um die Verteilung der Themen für das Jahresprojekt kümmern, so wie die Teams für selbiges Projekt zusammen stellen würden. Die Art und Weise, wie er Tom und Hermine dabei entgegen grinste, machte die Gryffindor schaudern.
 

Tom Riddle aus dem Weg zu gehen gestaltete nicht so einfach, wie erwartet.
 

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"Mensch Hermine, das war beeindruckend!"

Williams Arm schlängelte sich in einer viel zu vertrauten Geste um ihre Schultern, worauf hin das Grinsen auf Thorans Zügen ein wenig gefror; gedämpfte Stimmen waren bereits aus der Richtung der Großen Halle zu hören, je näher sie dem mannshohen Portal im Eingangsbereich kamen und die kalten Kerker hinter sich ließen.

Kaum, da Professor Slughorn sie zum Mittagessen entließ, hatten Thoran und seine Freunde aus Gryffindor zu ihr aufgeschlossen, wobei Lisa sich nicht die Mühe machte, die Stimme zu senken, während sie von der Tatsache schwärmte, dass Hermine nun das Privileg inne hatte neben Tom Riddle sitzen zu dürfen und William Potter sie im selben Atemzug ein bisschen dafür bemitleidete.

"Du hast das nicht nötig, du gehörst zu Gryffindor – und nicht zu den Slytherins", erklärte er laut, was er dachte.
 

Harry hatte ihr einmal erzählt, dass Slughorn und Riddle gut miteinander ausgekommen waren; nicht zuletzt hatte das auch dazu geführt, dem Schulsprecher zu verraten, was Horcruxe waren und wie man sie anfertigen konnte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Tränkemeister heraus fand, was für einen furchtbaren und unwiderruflichen Fehler er begangen hatte, Tom diese unsagbar schwarze Kunst näher gebracht zu haben. Kaum zu glauben, was ein einfacher Satz, eine simple und unbedachte Entscheidung, Verblendung und Dummheit bewirken konnten.

Insofern vermutete Hermine, dass Riddle bereits versucht hatte über Slughorn heraus zu finden, was jener möglicherweise über ihre Herkunft durch Dumbledore erfahren hatte – und weil seine Neugierde an der neuen Schülerin einfach zu offensichtlich war, hatte der Hauslehrer sie nebeneinander gesetzt, um Tom die Chance zu geben sie kennen zu lernen und selbst in Erfahrung zu bringen, was ihn so brennend an ihr interessierte. Oder?

Hermine fühlte sich unweigerlich wie das neue Spielzeug einer eifrigen Katze und wunderte sich, wie lange Riddle die Maskerade des hilfsbereiten Mitschülers wohl aufrecht erhalten mochte, bevor er die Geduld verlor und ihr sein wahres Gesicht offenbarte.

Was auch immer das bedeuten mochte.
 

"Nun ja, Hermine ist neu. Es wundert mich nicht, dass er wissen möchte, wer sie ist." Diana lächelte. Ihr pechschwarzes Haar fiel ihr in einer anmutigen Welle über die Schulter und den Kopf ein Stück in den Nacken geneigt, wanderte ihr Blick verschmitzt an die Decke: "Wir sind schließlich nicht anders, oder? Ich meine, es ist das erste Mal seit, ich weiß nicht, Jahrhunderten? dass ein Schüler mitten unter dem Schuljahr nach Hogwarts kommt und am Unterricht teilnehmen darf. Jeder von uns möchte etwas mit Hermine zu tun haben und gerade bei Riddle kann ich mir vorstellen, dass es ihn reizt, weil man hört, sie sei clever."

Diana blinzelte in Hermines Richtung, ihr Lächeln wurde ein Stück breiter: "Tom hat schon einige Schulrekorde gebrochen, seit er hier ist. Die Slytherins verehren ihn dafür. Bis auf das vergangene Schuljahr, wo Ravenclaw gefährlich nahe dran war Slytherin den Hauspokal streitig zu machen, ging der Endstand in den letzten sechs Jahren immer auf Riddles Konto. Ich kann mir vorstellen, dass er es erfrischend findet möglicherweise jemanden zu haben, mit dem er sich geistig messen kann."
 

William blies hörbar die Luft zwischen aufeinander gepressten Lippen hervor, hob die Brauen und beugte sich so weit zu Hermines Ohr herab, dass sein warmer Atem ihre Ohrmuschel kitzelte. Sie schauderte.

"Das einzige, was der Wunderknabe nicht kann, ist auf einem Besen sitzen."
 

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Dianas Worte waren ein wenig verstörend, dachte sich Hermine später in Verwandlung.

Sie hatte um jeden Preis vermeiden wollen, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Für einen Sekundenbruchteil hätte sie es sogar in Kauf genommen, auf gute Noten zu verzichten und sich stattdessen dümmer zu stellen, wie sie in Wirklichkeit war. Dass ihr simples Hiersein schon Chaos verursachte, hatte sie augenscheinlich unterschätzt und diese Erkenntnis sorgte nun dafür, dass sie ihren Plan noch einmal gründlich überdachte, beginnend mit dem gefassten Entschluss sich nach dem Unterricht ohne Umschweife in die Bibliothek zurück zu ziehen, um weiter nach einer Lösung zu suchen, wie sie am schnellsten von hier verschwinden konnte.
 

Jetzt starrte sie vorerst mit wachsendem Erstaunen auf Dumbledores Pult, wo sich aus einem einarmigen Kerzenständer ein Vogel formte, dessen Federkleid bunt und exotisch war und der seine kanariengelben Knopfaugen verwirrt auf die Klasse gerichtet hielt, just, da sie Lebenslicht erblickten.

Hermine kannte die Formel bereits, um tote Gegenstände zu verwandeln. Nicht zuletzt gehörte es zur Basis der Verwandlung, die man von der ersten Klasse an auf Hogwarts gelernt bekam. Der Unterschied lag nun lediglich in der Wahl des jeweilen Objekts, das man zum Verzaubern wählte – je größer und komplexer der Gegenstand, desto schwerer wurde natürlich der angewandte Zauber.

Und wo man in der zweiten Klasse noch damit beschäftigt gewesen sein mochte, einfache Trinkpokale in noch größere Trinkpokale zu verwandeln, gehörte es zur Königsdisziplin eine Kerze zum Zwitschern zu bringen.

Aus etwas Totem etwas Lebendiges zu machen, und war es nur für einen Augenblick, zeugte von Kunst und Können. Es war charmant von Dumbledore, dieses Thema in ihrer ersten Unterrichtsstunde auszuwählen, wo er Hermines Fähigkeiten dazu nicht zuletzt am vergangenen Abend getestet hatte.
 

"Ah, ist er nicht bezaubernd?", Dumbledores Lächeln ließ seinen Bart beben.

Er beugte sich zu seinem kleinen Werk herab und streichelte die Brust des Vogels mit krummem Zeigefinger; das Tier pfiff und plusterte sich in seinem Federkleid auf. "Die Möglichkeit unsere Kraft so weit zu beherrschen, etwas völlig Banalem Leben einzuhauchen eröffnet uns unglaublich viele neue Wege. Freilich, die meisten von Ihnen werden sich wundern, wann sie je Zauber dergleichen zum Einsatz bringen sollen. Nicht zuletzt ist es erheblich anzumerken, dass es viel sinnvoller ist das Geschirr beim nächsten Besuch der Schwiegermutter optisch aufzuwerten, als ihr Sherry-Glas in eine Maus zu verwandeln, um sie schnellstmöglich wieder los zu werden – " gedämpftes Gelächter hallte an den Wänden des Klassenraums wider – "aber denken Sie noch einen Schritt weiter. Was, meinen Sie, wäre die nächste Stufe unserer Verwandlungskunst? Wo beginnt der Reiz des Experimentellen?"
 

Hermines Arm steuerte wie selbstverständlich in die Senkrechte – aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Riddle es ihr gleich tat. Er saß, umringt von den Mitschülern seines Hauses, auf der anderen Seite des Klassenzimmers, das von einem schmalen Gang geteilt wurde, welchen Dumbledore zwischen seinen Worten begonnen hatte auf- und abzugehen.

Thoran und Lupin, die links und rechts von ihr die Hände in den Schoß gelegt hatten, schmunzelten ob Hermines ungebrochenen Eifer.
 

Als sich der Professor schließlich zu ihr kehrte, wartete sie kaum auf seine Erlaubnis, sprechen zu dürfen: "Sir, die nächste Stufe wäre der Animagus. Also die Fähigkeit eines Zauberers oder einer Hexe, sich in ein Tier zu verwandeln. Allerdings werden die Animagi scharf vom Zaubereiministerium überwacht, weshalb jeder Zauberer oder jede Hexe einen Eignungstest und demnach auch eine Dokumentation ihrer Experimente ablegen muss. Insofern gibt es nur sehr wenige, offizielle Erfolge dieser Verwandlungsart und noch weniger magische Menschen, die es tatsächlich versuchen und damit Erfolg haben. Viele sind der Ansicht, dass man seine Zeit besser nutzen kann, als sie mit lebensgefährlichen Versuchen zu verschwenden – zum Beispiel mit dem Erlernen des Patronus-Zaubers."
 

Dumbledore grinsen schwoll so weit an, dass er beinahe seine Ohren verschluckte; das blaue Funkeln in seinen Augen tanzte. Er nickte mehrmals hintereinander, sah flüchtig zu Riddle, dessen Gesichtsausdruck Hermine nicht ganz zu deuten wusste und merkte dann an sie gewandt an: "Ich hätte es nicht besser formulieren können. 5 Punkte für Gryffindor, Miss Hawking."

Er klatschte in die Hände, rieb sie aneinander und nahm seinen gemächlichen Schritt zwischen den Reihen der Schulbänke wieder auf.

Es vergingen ein oder zwei Herzschläge, bevor er mit seiner Lektion fort fuhr: "Als dann werden wir uns heute mit der Verwandlung von Objekten in Tiere beschäftigen. Dazu habe ich Ihnen für je einen Tisch Kerzenhalter organisiert, die Sie mir bitte möglichst unbeschadet bis zum Ende der Stunde zurück geben, damit wir keinen Ärger mit Mister Pringle bekommen. Um der Gefahr zu entgehen, in den nächsten zehn Minuten im Chaos zu versinken – auch, wenn ich die Theorie von Chaos mehr als nur unterstütze – würde ich Sie außerdem bitten, sich bei der Wahl ihrer Tiere auf Vögel zu beschränken. Vielen Dank."
 

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"Wie machst du das?"

Thoran kniff die Augen zusammen, lehnte sich über den Tisch und zuckte prompt vor dem Vögelchen zurück, das ihn herausfordernd anblinzelte. Der Haussperling, gold und braun in seinen Farben, plusterte sich zu seiner doppelten Größe auf und echauffierte sich klagend, ehe er Anstalten machte die Flügel auszubreiten und zu fliehen. In dem Moment griff Hermine vorsichtig, doch beherzt zu und bugsierte den Sperling in ihre Hände. Ihr Daumen zog nebensächliche Kreise über sein Köpfchen, was ihn einstweilen beruhigte.

"Was?", wollte sie wissen. Aber Thoran ließ nicht locker, sondern nickte nachdrücklich auf das Ergebnis ihrer Verwandlungsstunde. Hermine, Lupin und der Vertrauensschüler waren aufgestanden und hatten sich um ihren Tisch gestellt, so dass sie ungehindert ringsum probieren konnten, den Kerzenständer in einen Vogel zu verwandeln.
 

Thoran hatte nach dem dritten Versuch aufgegeben, als die Kerze aus dem Ständer kippte und von einer Flut Federn begleitet worden war, von denen sich einzelne Kiele in seinem Haar verfangen hatten. Lupin schaffte es immerhin, den Ständer in die vorgegebene Form zu zaubern, ehe ihn die Geduld verließ und er mit einem Schulterzucken Hermine vorschickte, um es besser zu machen, anstatt ihm ständig Tipps durch gutes Zureden zu geben.

"Alles." Thoran leckte sich über die Lippen und nickte erneut auf den Sperling: "Wo hast du das gelernt? Woher kannst du so gut zaubern?" Lupins mahnender Blick schien dem Vertrauensschüler zu entgehen, der sich an die Tischkante lehnte und die Arme verschränkte.

Hätte man nicht gewusst, dass Augustin ein netter und eher tollpatschig freundlicher Kerl war, hätte er mit der geschwellten Brust definitiv Eindruck schinden können. Der Lockenkopf vermutete, dass Thoran bis vor kurzem noch Quidditch gespielt haben musste, wo seine Statur immerhin an einen Treiber erinnerte.

"Ich glaube nicht, dass Hermine uns das erzählen möchte", probierte es Lyial ein weiteres Mal eindringlicher an seinen Freund gewandt.

Hermine winkte ab.
 

"Das ist schon in Ordnung", das Augenmerk auf den Sperling geheftet, formten ihre Lippen ein bedauerndes Lächeln. Sie wollte diese Menschen nicht belügen, ihnen nichts vormachen was nicht stimmte. Doch letztendlich war es nichts weiter wie eine Frage der Zeit gewesen, bevor sie sich etwas einfallen lassen musste, um die Neugierde dieser Fremden zu befriedigen und ihre Tarnung zu wahren, nicht wahr?

"Oma und Opa hatten einen Buchladen in Amsterdam. Sie gehörten einem kleinen Zirkel von Hexen und Zauberern in den Niederlanden an; ihr müsst wissen, dass die nächst größere Schule Beauxbaton in Frankreich gewesen wäre – also ein gutes Stück von zu Hause entfernt. Wir haben uns untereinander unterrichtet, beziehungsweise sind untereinander unterrichtet worden. Meine Mutter übrigens auch."

Hermine seufzte und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Der Sperling nutzte die Gelegenheit ihrer Unaufmerksamkeit und hüpfte zurück auf die Tischplatte, wo er sich einmal um seine eigene Achse drehte und aufgeregt mit den Flügelchen schlug. Enervierte Geräusche aus dem Klassenzimmer bestätigten den Kampf der anderen Schüler mit ihren Kerzenhaltern; der Zauber war tatsächlich nicht so einfach, wie man annahm.

"Mutter hat sich immer gewünscht, Hogwarts zu besuchen. Wir hatten einige Bücher um und über die Schule; nachdem meine Eltern gestorben sind … nun ja, erschien es mir nur sinnvoll hier her zu kommen. Es heißt nicht umsonst, Hogwarts sei einer der sichersten Orte der Welt."
 

"Und wie kommt es, dass du unsere Sprache so gut beherrscht?", unterbrach sie ein sanfter Bariton in ihrem Rücken, der den Lockenkopf unweigerlich zusammen zucken ließ. Riddle lachte mit leisem Amüsement: "Das habe ich mich die ganze Zeit schon gefragt." Dass Tom gerne lauschte, war scheinbar ein offenes Geheimnis; dass er dann auch noch so dreist war sich lautlos von seinem Tisch zu ihnen zu gesellen, bestätigte Hermines wachsende Besorgnis über sein Interesse an ihr. Das war nicht gut, absolut nicht. Seine Mitschüler aus Slytherin beobachteten sie jeden Falls über den schmalen Gang hinweg in Erwartungshaltung.

Riddle schob die Hände in seine Taschen. Auf seiner Schulter thronte eine Elster, die damit beschäftigt war, ihm dann und wann ins Ohrläppchen zu kneifen; er ertrug es mit geduldiger Würde, scheinbar zufrieden mit sich selbst ob dem Ergebnis seiner Leistung.
 

"Mein Vater war Engländer. Er kam nach Holland, nachdem seine Eltern gestorben waren und lernte dort meine Mutter kennen. Als sich die Lage der Muggel in Deutschland zu spitzte, sind wir nach Liechtenstein geflohen, wo uns anschließend Grindelwald gefunden hat. Ich bin in die Niederlande zurück, weil mich nichts mehr in Liechtenstein gehalten hat. Dort war es inzwischen nicht mehr sicher. Nicht für magische Menschen, jeden Falls." Die aufsteigende Wärme in ihren Zehenspitzen war unangenehm und bekundete Lüge. Den Atem angehalten, hoffte Hermine inständig, dass Riddle, unter allen Leuten, nicht den Bären bemerkte, den sie ihnen gerade aufband. Aber die Mimik des Schulsprechers blieb unbewegt, bis auf das vermeidlich kleine Zucken seines Augenwinkels vielleicht: "Dein Vater war ein Muggel?", seine Frage sollte neutral klingen, nebensächlich fast. Sie kannte ihn besser.

"Hast du ein Problem damit?", konterte sie daher etwas schärfer, wie notwendig gewesen wäre. Das Bedürfnis, ihre Eltern selbst hier in dieser ihr so fremden Zeit vor Voldemorts Hass zu beschützen, war ungebrochen. Gerade in Gegenwart des Mannes, der künftig dafür sorgen sollte, sie zu verlieren. Ihr Herz polterte einmal laut und zornig in ihrer Brust.

Toms Augenbrauen bebten vor unschuldiger Überraschung: "Nein, natürlich nicht."
 

Thoran sah von Hermine zu Tom und schließlich zu Lupin, der die Achsel hob.

Ihnen war ihre sensible Reaktion nicht entgangen, der Wechsel ihrer Stimmung in ihrer Haltung und Stimme, die Abwehr und die Mauer, die sie binnen eines Bruchteils um sich herum errichtete. Thoran klopfte ihr behutsam auf den Rücken: "Ganz ruhig, Hermine. Niemand hat hier ein Problem mit deiner Herkunft. Wie du schon sagtest, Hogwarts ist nicht umsonst einer der sichersten Orte der Welt, nicht wahr?" Das herzliche Lächeln, das der Blonde Hermine schenkte, war echt und förderte in ihr plötzlich den dringlichen Wunsch nach einer Umarmung.

Ihre Freunde fehlten ihr mehr denn je.

An Ordinary Evening

A/N FIRST THINGS FIRST! Ich habe im letzten Kapitel noch etwas zu Hermines vermeidlich erfundener Herkunft hinzu gefügt (letzter Absatz, auf die Frage von Tom, woher sie so gut Englisch könne). Eigentlich wollte ich es hier einbauen, jedoch stellte sich heraus, dass der Teil keinen optimalen Platz mehr in der Handlung findet (-; (außerdem bin ich so überaus selbstkritisch xD).
 

Den Rest überlasse ich euch.

Danke für Euer Feedback. Hallo neue Leser!

Viel Spaß! (-:
 

P.S. in diesem Kapitel sind einige relevante Dinge versteckt.

Vielleicht findet ihr sie ja. Apropos – Fragerunde, ich würde mich über Antwort freuen: was glaubt ihr, wer würde eher einen Muggelgeborenen in der Schule angreifen? Tom, Abraxas oder Lestrange? ^^
 

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You drove me,

nearly out of my head

While you never shed a tear

Remember, remember,

all that you said

[ELLA FITZGERALD · CRY ME A RIVER]


 

Die letzten beiden Stunden des Nachmittags verbrachten die Schüler aufgeteilt in ihren jeweiligen Kursen.

So verabschiedeten sich Diana und Lisa von Hermine vor dem Verwandlungsklassenzimmer auf dem Weg in Richtung Waldrand zu Pflege magischer Geschöpfe, während sich der Lockenkopf an die Fersen der Jungs heftete, die den fünften Stock zum Klassenraum für Alte Runen ansteuerten.
 

Ihren Anflug von Zorn und die damit einher gehende Frustration ob des vergangenen Gesprächs in Dumbledores Unterrichtsstunde mit Tom und den Gryffindors hatte Hermine einigermaßen in eine hintere Ecke ihres Verstandes gedrängt und sich stattdessen wieder auf das Wesentliche und die subtile Gegenwart konzentriert, in der William gerade über einen seiner eigenen Witze so laut lachte, dass er von Riddle ermahnt wurde.

Bill nahm den befehlenden Ton des Slytherins dabei ausgesprochen gelassen, hob zu einem Gruß die Hand in seine Richtung, was Tom mit einem Stirnrunzeln quittierte und setzte seinen Weg staksend mit einem fröhlichen Pfiff im Mundwinkel fort. Die Korridore füllten sich nach und nach mit anderen Schülern, die ihre Klassen zum letzten Mal an diesem Tag wechselten.
 

Hätte Hermine es nicht besser gewusst, hätte sie behauptet, Williams Respekt für Riddle war nicht annähernd so ausgeprägt, wie Tom es von anderen Mitschülern gewohnt war. Tatsächlich war er bisher der einzige Schüler, bei dem man sogar den Anflug von leichter Abneigung vermuten konnte, wohingegen alle anderen – Thoran und seine Freunde eingeschlossen – entweder den Kopf einzogen, wenn sich der Slytheirn näherte, oder sich in seiner Anwesenheit badeten, um von ihm beachtet zu werden. Bisher hatte es keiner gewagt, schlecht über den angeblichen Helden der Schule zu sprechen, der es immerhin geschafft hatte Hogwarts davor zu bewahren geschlossen zu werden.

Hermine wunderte sich, wie tief die Verehrung von Riddle an dieser Schule wirklich ging und was Bill für Gründe hatte, eine andere Meinung über den Waisenknaben zu haben, wie seine Freunde.
 

"Potter!", hallte es plötzlich recht unerwartet hinter ihr finster durch den Gang, bevor ein Kerl zu Hermine aufschloss, der schlaksig und hoch gewachsen war und eine aristokratische Nase auf einem viel zu kantigen Gesicht inne hatte, das von schwarzem, langen Haar umrahmt wurde, wie ein Fenster von einem hässlichen Vorhang. Sein Auftreten erinnerte Hermine unweigerlich stark an das eines eifrigen Geiers.

Bills Schlendern wandelte sich zu einem unhöflichen Schlurfen, bevor er sich die Mühe machte und über die Schulter zu seinem vermeidlichen Mitschüler umsah, welcher ohne Umschweife erneut das Wort ergriff: "Du hast gehört, was der Schulsprecher gesagt hat, also benimm dich –"

" – Araman!" klang Tom zuvor streng, machte er nun keinen Hehl aus seinem Ärger. Für einen Moment, wo sich Riddle zu seinem Mitschüler umwandte, glaubte Hermine sogar einen Schatten über das Gesicht des Waisenknaben jagen zu sehen, das von wachsender Missbilligung ob Lestranges vorlauter Einmischung begleitet wurde. Sein Ausdruck schrie eindeutig Warnung.
 

Der Angesprochene, Araman, presste seine schmalen Lippen aufeinander, wobei sein Kiefer merklich mahlte, wappnete sich schließlich zu einem Protest, wurde allerdings von Riddle unterbrochen, noch bevor eine Silbe seine Zunge verlassen konnte: "Dein Einsatz in allen Ehren, Lestrange." Tom machte sich nicht einmal die Mühe, die Stimme heben. Seine spürbar konzentrierte Beherrschung verursachte Hermine dabei unweigerlich unangenehme Gänsehaut, die sie zum Frösteln brachte.

"Aber manchmal ist es besser sich zu zügeln, das erspart einem unnötigen Ärger. Und wir wissen alle, dass Williams Offenheit schnell von Euphorie in Katastrophe umschlagen kann – also ja, Araman, ich denke, Potter hat mich beim ersten Mal schon sehr gut verstanden, als ich ihn ermahnte die Klappe zu halten –  und ich bin mir sicher, er wird sich nun allumfassend darüber Gedanken machen, was es bedeutet mucksmäuschenstill zu sein." Riddles Kopf neigte sich schief, man hätte seine Bewegung als Spöttelei auslegen können: "Ich will ihm nur einen Gefallen tun; dazu brauche ich deine Hilfe nicht."
 

Die Hände in die Taschen gestopft, erweckte William absolut nicht den Eindruck einer Meinung mit dem Wunderknaben zu sein. Trotzdem war er augenscheinlich klug genug, auch unter Thorans erhobener Brauen, keinen unnötigen Streit vom Zaun zu brechen.

Lestrange wandte den Blick bloß trotzig beiseite.
 

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Eine Bewegung zu ihrer Linken bugsierte Hermines Aufmerksamkeit schließlich von dem aufkeimenden Machtspiel Riddles zu einem ihr unbekannten Neuankömmling, der offenkundig nicht umhin kam, die verbale Auseinandersetzung zwischen Riddle, Potter und Lestrange aus der Ferne interessiert zu beobachten, auch wenn sich die Überraschung dabei nur müßig auf seine Züge gesellte.

"Sei unbesorgt, das ist völlig normal."

Hermine blinzelte und neigte den Kopf ein bisschen, so dass sie den Fremden besser mustern konnte. Er war ähnlich groß wie Riddle, sein blondes Haar hatte er gekonnt nach hinten gekämmt, wobei einzelne Strähnen über Koteletten hinweg  die Strenge seiner Mimik lockerten.

Seine Augen waren von einem ungewöhnlich hellen Blau und seine Statur versprach angeborene Arroganz; nichtsdestotrotz war der Klang seiner Stimme warm und beinahe eine Spur zu glatt.

Als der Junge Hermines Musterung bemerkte, reichte er dem Lockenkopf mit dem Anflug eines Grinsens die Hand: "Ich glaube, wir hatten bisher nicht das Vergnügen. Abraxas Malfoy."
 

Abraxas nickte auf die Szene, die sich vor ihnen abgespielt hatte und nun daran war sich wieder aufzulösen, wobei sich keiner der Beteiligten die Mühe machte, seine Unzufriedenheit zu unterdrücken.

"Du solltest wissen, dass Potter ein Tunichtgut ist. Er hat sich selbst und andere Schüler in den letzten Jahren in erhebliche Schwierigkeiten gebracht; er treibt gern' Scherze und das manchmal bis jemand dabei ein Auge verliert. Tom will ihm nur helfen", er seufzte und schüttelte sein Haupt: "Und was Lestrange angeht … war es dumm sich vor Tom zu profilieren; so was kann er nicht leiden und Lestrange weiß das. Wenn du mich fragst, bin ich der Ansicht, dass Araman es noch nicht ganz verkraftet hat, vom Schulleiter nicht selbst zum Schulsprecher ernannt worden zu sein. Die Lestranges sind immerhin nicht nur eine einflussreiche Familie in der Gemeinschaft, sondern auch dafür bekannt, mit ihren Fingern in jeder Suppe zu rühren, die auf dem Tisch steht."
 

Die Gruppe hatte sich entschlossen, weiter zu gehen und steuerte über die Großen Treppen von einem Stockwerk ins nächste. Gemälde beobachteten dabei ihre Schritte, grüßten sie, wünschten ihnen einen guten Tag oder echauffierten sich über Gerüchte und Kleinigkeiten, die munkelnd ihren Weg durchs Schloss fanden.

Araman war ein wenig zurück gefallen, William führte die Spitze nach wie vor mit Thoran und Lupin an, dicht gefolgt von Riddle, der stoisch einen Punkt zwischen Bills Schulterblättern fixierte und wieder in seiner eigenen Gedankenwelt versunken schien.

Also liebte der Schulsprecher die Kontrolle? Das wunderte Hermine nicht. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass er eben diese Kontrolle nicht gewillt war mit anderen zu teilen. Dass ausgerechnet ein Lestrange scharf auf seinen Posten war, hatte den Beigeschmack eines schlechten Schauspiels – und trotzdem ergab es irgendwie Sinn. Hermine kannte die Lestranges nur aus den Erzählungen des Ordens und wegen Nevilles Vergangenheit, beziehungsweise durch das vermeidliche, kurze Aufeinandertreffen damals, wo Dumbledores Armee im Zaubereiministerium sicher stellen wollte, Sirius Black vor Voldemort zu retten.

In ihrer Zeit waren die Lestranges dem Dunklen Lord gegenüber unglaublich loyale und grausame Diener gewesen – aber alles hatte seinen Anfang, nicht wahr?
 

"Bist du auf dem Weg in deinen Gemeinschaftsraum?", bohrte sich Abraxas' Neugierde nach einer Weile des Schweigens abermals in ihren Gedankengang. Hermine zwinkerte in Malfoys Richtung und schob das hässliche Gelächter von Bellatrix Lestrange, das sich wie ein Wurm in ihren Gehörgang bohrte, entschieden beiseite: "Nein, ich bin auf dem Weg zu Alte Runen, wie alle anderen. Wieso?"

Lisas Aussage vom Vorabend, dass Fächer wie Alte Runen und Arithmantik reiner Männersport waren, klopfte prompt mahnend gegen Hermines Bewusstsein, gefolgt von einer sehr hysterischen Erinnerungen und einstimmigen Unglauben darüber, dem Schulfach als Mädchen überhaupt gewachsen zu sein – aber das war ziemlich albern, oder nicht?

Doch Abraxas Miene wurde von einer Mischung aus Ungläubigkeit, Anerkennung und Verwirrung gezeichnet, anstatt dem Zuspruch, den sich Hermine erhoffte. "Du hast Alte Runen belegt? Und dein Hauslehrer hat das bewilligt?" Die Gryffindor zuckte ein wenig hilflos die Schultern. Dieses ganze Getue ob der Rolle der Frau zwischen Schule und Realität ging ihr allmählich auf den Keks, nicht zuletzt weil sie nicht verstand, was so schlimm daran sein mochte, sich weiterzubilden.

"Ja, wieso denn auch nicht?"
 

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Ihre Antwort bekam Hermine keine fünf Minuten später.

Die kleine Traube an Schülern wartete vor geschlossener Türe zum Klassenraum, sonderbar leise und mit sich selbst beschäftigt, mit Skripten oder Bücher in den Händen als wären sie allesamt Musterschüler aus einer Cornflakes-Werbung, die ob ihres guten Betragens mit einer Schüssel Flocken belohnt würden.

Der Lockenkopf fand sich wieder in Thorans und Lupins Gesellschaft, die beide abwechselnd besorgt über den Rand ihrer Bücher zu Billy blinzelten, der stoisch mit dem Rücken an der kalten Mauer kauerte und seine Schuhe musterte, die Hände so tief in die Taschen seiner Hose gesteckt, dass sich der Stoff darunter beulte.
 

Die Scharniere der Klassenzimmertüre knirschten dann ob ihres Alters und erlaubten Einlass.

Ein Mann erschien unter ihrem Rahmen, von mittlerer Größe mit schütterem Haar und erstaunlich gepflegtem Bartwuchs, der sein gesamtes Kinn säumte. Auf seiner Stirn lag eine steile Falte, die sein Auftreten übermäßig ernst wirken machte und seine Autorität unterstrich; er gebot den Schülern mit einem langen Zeigestab die Aufforderung zum Eintreten.

Hermine fiel auf, dass er dazu kein einziges Wort verlor, nicht einmal einen Gruß. Dennoch reihten sich die Jungs mit gestreckten Schultern höflich auf und traten an ihrem Professor vorbei. In dem Augenblick, wo sie ihn passierten, reichten sie ihm einer nach dem anderen die Hausaufgaben vom Vortag, die er annahm und sammelnd unter seinen Arm klemmte; jeder einzelne von ihnen wünschte dabei leise und wohl erzogen einen guten Tag.
 

Die Hände um ihre Bücher geschlossen, klammernd fast, bildete Hermine das geduldige Schlusslicht der Schlange, dem die Türe just vor der Nase zugeschlagen worden wäre, wenn sie ihren Schritt nicht beschleunigt und den Fuß zwischen Tür und Angel gezwängt hätte.

Der Professor stutzte, zwinkerte heftig und lenkte sein Augenpaar über seine große Nase hinweg endlich auf sie herab: "Ja? Kann ich Ihnen helfen?", fragte er schroff. So schroff in der Tat, dass Hermine einen halben Schritt vor ihm zurück machte, weil sie mit einer Reaktion sondergleichen nicht gerechnet hatte. "Sir, mein Name ist Hermine Hawking. Ich bin neu hier und möchte an ihrem Unterricht teilnehmen", versuchte sie es mit einer Spur wachsender Unsicherheit, die von den neugierigen Blicken der Jungs aus dem Klassenzimmer höchstens wuchs. Na großartig.

Unangenehm war kein Wort dafür, das kribbelnde Gefühl in ihren Zehenspitzen angemessen zu beschreiben.

Ließ sie sich etwa dazu hinreißen um die Teilnahme am Unterricht zu betteln?
 

"Aha. Ist das so?"

Die Furche auf der Stirn des Lehrers wurde tiefer, er gluckste humorlos, lenkte das Augenpaar unhöflich über ihren Kopf hinweg und bekundete lauter, wie notwendig gewesen wäre: "Auf was für Ideen dieses Weibsvolk heutzutage kommt!" Dann machte er keinen Hehl mehr aus seiner wachsenden Ungeduld, winkte Hermines Gesprochenes ab und entschied knapp: "Ich unterrichte keine Frauen, Miss Hawking. Vielleicht sollten Sie sich eine Tätigkeit suchen, die eher ihrem Niveau entspricht, wie zum Beispiel die Hauswirtschaftslehre. Guten Tag." Damit zog er die Türe zurück ins Schloss.

Hermine begriff erst, was geschehen war, als sich die drückende Stille, die auf dem Gang herrschte, in ihre Ohren fraß wie der tosende Lärm einer Großstadt.
 

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"Keine Frauen ..?"

"Was eher Ihrem Niveau entspricht ..?"

"Keine. Frauen ..?"
 

Hermine war selten rasend oder gar schäumend vor Wut, aber der jetzige Zustand kam dieser Empfindung schon ganz nahe. Ihre Gedanken schwirrten, kreisten um den alten Mann, der ihr so keck verklickerte, dass sie unwürdig war an seinem prächtigen Unterricht teilnehmen zu dürfen!

Dass es noch ein Weilchen dauern würde, bis man sich das Wort "Emanzipation" groß auf die Flagge schrieb und Männer einsehen mussten, dass sie eben nicht zwangsläufig das starke Geschlecht waren, war eine der schmerzhaftesten Erfahrungen der letzten Paar Tage für den Lockenkopf. Nicht zuletzt, weil man ihr das verwehrte, was sie am Meisten begehrte: und das war Bildung. Wie konnte sich nur die Idee, oder viel mehr der Zustand, festigen, dass Frauen keine Lehren nötig hätten? Dass es Humbug war, ihnen mehr beizubringen, als den Kochlöffel zu schwingen und Windeln zu wechseln?

Wieso hatten Männer ein Problem damit, sich von einer Frau den Ton angeben zu lassen und ihr Engagement zu akzeptieren?
 

"Dieser eingebildete …", eine wüste Beschimpfung nach der anderen herab würgend, angelte sich Hermine jeden Folianten, der ihr auch nur ansatzweise Hoffnung auf eine Rückkehr nach zu Hause machte. Wenn man sie schon nicht ins Klassenzimmer ließ, sollte die Zeit nicht unnötig verschwendet sein; und war sie nicht genau aus diesem Grund nach Hogwarts gekommen, damit sie einen Weg zurück zu Harry und Ron und in ihre Zeit fand?

Die nagende Erkenntnis war wieder da, jetzt schlimmer als zuvor, dass sie hier nicht mehr war wie ein Gast, ein Parasit, ein Schatten – noch nicht einmal eine Erinnerung, geschweige denn ein Begriff. Ihr gingen allmählich die Möglichkeiten aus und, bei Merlins Bart, das Handtuch wollte Hermine erst werfen, wenn sie auch das letzte Buch dieser Bibliothek gelesen hatte.
 

Widerwillig musste sich die Gryffindor aber eingestehen, dass die wenigen Stunden des lapidaren Schultags gut getan haben. Zum ersten Mal seit langem konnte sie wieder das Mädchen sein, das sie immer war ohne Angst davor haben zu müssen gestellt, gejagt, gefoltert oder misshandelt zu werden. Zum ersten Mal seit langem war sie einfach nur Hermine Granger, eine Besserwisserin und Bücherwurm.

Ihre vermeidlichen Mitschüler sorgten sogar dafür, dass sie sich in dem Trugbild wohler fühlte, wie sie sollte und mit Ausnahme des Fauxpas' am Nachmittag war der Tag schön gewesen –  eine willkommene Ablenkung, so was Erholung.

Hermine seufzte; ihren wahren Freunden gegenüber war das absolut nicht fair.
 

Das Material über Zeitreisen war leider nach wie vor dünn. Die wenigen Informationen, die sie heute Abend fand, bestanden aus Phantasmen und einfachem Humbug, Gerüchten und Nonsens; Dumbledore fiel Hermine wieder ein, wie er ihr seine Hilfe angeboten hatte und mitunter bestimmt keine Idee ausließ, sie fünfzig Jahre in die Zukunft zu befördern, mochte sie auch noch so haarsträubend sein. Vielleicht sollte sie ihn aufsuchen, ein bisschen mit ihm plaudern – schließlich war er der einzige, wahre Verbündete den die Brünette auf dieser wilden Achterbahnfahrt hatte.

Denn wer war da sonst?
 

Riddle traute sie nicht.

So nett und offenherzig er sich auch geben mochte, schrie sein Verhalten gerade zu nach Manipulation, das Gleiche galt für Abraxas Malfoy – die beiden waren bestimmt nicht umsonst ein befreundetes Gespann, nicht wahr? Und Thoran, Lupin, Billy oder den Mädchen konnte Hermine ebenso wenig die Wahrheit anvertrauen, so gerne sie es getan hätte. Nein, sie war völlig auf sich allein gestellt, mit Dumbledore als Joker in ihrem Hemdsärmel und überfordert mit der Situation.

Ihr Kopf fiel protestierend aus der flachen Hand und knallte erschöpft mit der Stirn voran auf die dicken, weichen Seiten des Folianten auf ihrem Pult.
 

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Es war schon spät.

Vor den Mosaikfenstern war die Sonne bereits untergegangen, deren Schatten sich über Tische und Regale besitzergreifend ausbreiteten. Als die ersten Lichter von der Bibliothekarin gelöscht wurden, fühlte sich Hermine dann, nach einem Dutzend aufgeschriebener Notizen und einem angefangenen Verwandlungsaufsatz, selbst dazu aufgefordert zu gehen.

Das Abendessen hatte sie jeden Falls verpasst und so clever versteckt, wie sie im hinteren Teil der Bibliothek umringt von einer Büchermauer da saß, wunderte es Hermine nicht einmal, dass niemand gekommen war um nach ihr zu sehen, weil sie wahrscheinlich schlichtweg keiner hatte finden können.
 

Ein Gähnen unterdrückend, streckte sich die Gryffindor über ihrem angesammelten Haufen Pergament, rollte ihre Habseligkeiten zusammen, verstaute die Notizen über Zeit und Zeitreisen sicher in ihrer kleinen Umhängetasche und machte sich mit einem Gute-Nacht-Gruß an die Bibliothekarin endlich auch auf den Weg zurück in Richtung Gemeinschaftsraum.

Hatte man sie nicht sogar vor dem hiesigen Hausmeister gewarnt? Nachdem einige Lehrkörper an Hogwarts schon ein Problem mit Frauen hatten, wie würde dann überhaupt jemand wie Filch auf ihren schwachen Protest reagieren?

Sie wollte es sich nicht ausmalen und schon gar nicht in Versuchung geraten, es zu riskieren. Zum einen gefährdete es ihren Vorsatz, unauffällig zu bleiben und zum anderen hätte es sie wahrscheinlich an den Rande der Selbstbeherrschung manövriert. Zumindest hatte Hermine jetzt eine vage Vorstellung, wie Hauselfen sich fühlen mussten; diese armen Kreaturen nahmen ihr Schicksal ja auch dankend an und hielten ihren Meistern sogar noch die zweite Wange hin, wenn die erste schon geohrfeigt worden war.
 

Der Wind blies laut über das schottische Hochland und fand seinen Weg pfeifend durch die einzelnen Ritzen des Mauerwerks. Es war kalt auf den Gängen geworden, die sich inzwischen völlig ausgestorben und in Dunkelheit getränkt vor ihr ausbreiteten. Das Licht des aufziehenden Mondes raffte sich dann und wann durch die Fenster und erhellte ihren Weg immer hin gut genug, um sie zu führen.

An und für sich liebte Hermine das ruhende Schloss, wo Hogwarts in diesem Zustand besonders magisch und geheimnisvoll anmutete, auch wenn die Vorstellung einer lauernden Riesenschlange unterhalb der Schule ihr eine unangenehme Gänsehaut verursachte.
 

Wie es wohl Hagrid ging?

Was machte er?

Die kleine Hütte am Waldrand gab es noch nicht, möglicherweise war Dumbledore noch dabei seine Gnade zu erwirken und ihn nach Hogwarts zurück zu holen.

Von allen Gesichtern aus dieser Generation hätte sich Hermine, trotz der Gefahr die damit verbunden war, am Meisten darüber gefreut ihren Halbriesen wiederzusehen und eine weitere Person in ihrem Umfeld zu wissen, der sie unter Umständen vertrauen konnte.
 

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Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors spielte heitere Jazzmusik aus einem Grammophon in der Ecke, indes der Turm vom warmen Licht des Kaminfeuers durchflutet wurde und die plüschigen Sessel zum Dableiben verführten.

Anders, wie bei ihrer Ankunft, war nun, nach dem Abendessen, einiges mehr los, wo sich kleine Grüppchen über die Sitzmöglichkeiten verteilten, quasselten oder Hausaufgaben erledigten.

Als Hermine eintrat, schoss William sofort auf die Beine, stolperte unelegant über die Teppichkante auf sie zu und zog die Brünette in eine herzergreifend, feste Umarmung: "Da bist du ja! Wir dachten schon, McCavity hätte dich im Anschluss seiner Stunde zum Essen verputzt." Potter streichelte behutsam ihren buschigen Hinterkopf, bevor er einen Arm um sie legte und mit sich führte.

Thoran war ebenfalls aufgestanden, Diana, Artemis und Lisa reckten die Köpfe: "Hermine, ist alles in Ordnung? Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht nachdem … – na, es war verdammt unhöflich von McCavity, vielleicht hätten wir dich vorwarnen sollen, dass er empfindlich reagiert wenn … nun ja …"

"Er ist da sehr altmodisch", mischte sich Lyail ein und hob entschuldigend die Achsel, doch Hermine winkte ab.
 

"Schon in Ordnung. Ich war in der Bibliothek, hab' mit Dumbledores Aufsatz angefangen und mich ein wenig durch ein Paar Bücher gekämmt; ich war nur überrascht, dass Professor Dumbledore wohl nicht mit ihm gesprochen hat – und etwas vor den Kopf gestoßen von der charmanten Art eures Lehrers, mir mitzuteilen, was er von mir hält."

William drückte Hermine in seinen Sessel und stützte sich selbst auf der Lehne desselben mit beiden Armen ab. Erst jetzt fiel dem Lockenkopf auf, dass ihre vermeidlichen Mitschüler ihre Schuluniformen abgelegt und durch Alltagskleidung getauscht haben, wobei die Mädchen allesamt eintönige Kleider in Pastellfarben trugen und die Jungs in Stoffhosen und einfache Hemden geschlüpft waren, die an jedem eine Spur zu groß wirkten.

Thoran und Lupin hatten ihre Ärmel sogar bis zu den Ellenbogen hoch gekrempelt, was manche sicher als kühn beschrieben hätte – Haut zu zeigen war nicht Thema des Zeitgeistes – wenn Hermine eines aus ihren Schwarz-Weiß-Filmen wusste, dann das.
 

Sie blinzelte irritiert, als ihr jemand ein Buch unter die Nase hielt, dessen Einband eine Hexe in Schürze präsentierte, die damit beschäftigt war den Buchtitel anzulächeln, auf dem in großen Lettern "WIE MAN ES RICHTIG MACHT" prangerte, die Autorin war eine Person namens Brunhilda von Babbershot.

"Was ist das?", es war reine Reaktion, nach dem kleinen Wälzer zu greifen und darin zu blättern. Er enthielt Haushaltszauber und einige Tipps und Tricks wie man, und Hermine verschluckte sich fast an dem Vorsatz, seinen "Ehemann gebührend nach einem anstrengenden Tag in Empfang nahm".

"Thoran hat uns erzählt, dass dich McCavity in Haushaltslehre geschickt hat, da haben wir dir das Buch organisiert. Die Stunde ist immer am Freitag Nachmittag … ich meine, ich will dir nicht zu nahe treten, Hermine, du hast bewiesen, dass du etwas kannst", versuchte es Artemis sichtlich betreten "aber vielleicht hat McCavity Recht, vielleicht ist es besser, wenn du dich mit Dingen beschäftigst, die für dich geeignet sind. Wozu brauchst du schon Alte Runen?"
 

William knetete jetzt ihre Schultern, seine Berührung wurde eine Spur stärker, als er bemerkte wie sich Hermine unweigerlich unter Artemis Vorschlag verkrampfte. Hatte sie sich gerade verhört? War das ihr Ernst? Aber sie kannten es nicht anders, nicht wahr?

Sie wollte das nicht, wollte nicht reduziert oder bevormundet werden, sie war kein Püppchen, das man nach Belieben anziehen und herumtragen konnte. Thorans Blick kreuzte den ihren, ihm war das Gespräch ebenso unangenehm wie dem Rest; Hermine war sich sicher, dass sie einstimmig über diese kleine Intervention gesprochen hatten.

Wahrscheinlich nur, um sie zu beschützen.

Sie seufzte. Hatte sie überhaupt eine Wahl?
 

"Also gut, ich werde es mir ansehen."

Auch, wenn das nicht zwangsläufig mit dem Versprechen einher ging, es auch durchzuziehen. Vielleicht konnte Dumbledore diesen Professor McCavity ja doch davon überzeugen, dass Frauen niveauvoll genug waren, seinem dämlichen Unterricht beizuwohnen.

Inevitably trapped

A/N Willkommen zurück! (-:

Nachdem dieses Update ein Überleitungskapitel wird, habe ich das Wichtigste innerhalb der Handlung und der Geschichte für euch zusammen gefasst, um mit dem nächsten Kapitel ordentlich los zu starten. Es wird euch freuen zu erfahren, dass die Beziehung zwischen Tom und Hermine eine entscheidende Wendung annimmt – dran bleiben lohnt sich also ^-^
 

Danke für Euer Feedback! Hallooo neue Mitleser! (-:

Viel Spaß beim Lesen.
 

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Go your way,

I'll take the long way 'round,

I'll find my own way down,

As I should.

[BEN HOWARD · OATS IN THE WATER]


 

Die nächsten zwei Wochen waren eine Mischung aus Heiterkeit und Qual.

Heiterkeit deshalb, weil sich Hermine wirklich nicht über die Aufrichtigkeit ihrer neuen Hauskameraden beschweren konnte, die darum bemüht waren, ihr das vermeidlich neue Leben auf Hogwarts so angenehm wie möglich zu machen.

Und eine Qual, weil sie schlicht immer noch in den 1940er Jahren fest saß, ohne die Aussicht auf einen geeigneten Weg nach Hause. Ihre bisher gescheiterten Bemühungen waren kaum der Rede wert.

Es war frustrierend, denn Hermine war sich durchaus bewusst, dass, je länger sie in der falschen Zeit gefangen war, die Wahrscheinlichkeit wuchs, dass die anschließenden Folgen womöglich von Chaos geprägt werden würden.
 

Es war ein Teufelskreis – und noch dazu ein solcher, auf den die Gryffindor gerne verzichtet hätte. Sie konnte nicht riskieren, dass sich an ihrer Zeitschiene irgendetwas änderte, oder eine Änderung durch ihr Eingreifen so verheerend war, dass die ihr bekannte Ordnung schlussendlich über den Haufen geworfen wurde.

Der Horcrux lieferte ihr zudem mehr Fragen, wie konkrete Antworten auf den angerichteten Zeitstrudel und reagierte nicht einmal auf die fiesesten Zauber, die Hermine aus reiner Verzweiflung wütend und frustrierst, in einem Moment der Möglichkeit, auf ihn schleuderte. Manchmal glaubte sie, Voldemort würde sie über den funkelnden Smaragd, der eingebettet in der schweren und plumpen Goldkette ruhte, feist und überlegen angrinsen.
 

Sie hatte genug.
 

Darüber hinaus war Haushaltslehre völliger Nonsens.

Die Lehrerin, eine optisch gemütliche Frau mit dem Namen Madame Moore, erinnerte Hermine anfangs stark an die geschäftige Molly Weasley, bis sie fest stellen musste, dass die beiden Frauen absolut nichts miteinander gemein hatten, außer vielleicht das Talent, ihren Haushalt in Perfektion und in völliger Blindheit zu organisieren.

Abgesehen davon war Madame Moore eine Person, die Hermine bereits aus Prinzip nicht mochte, weil sie die Angewohnheit besaß einem die eigene Unfähigkeit böswillig unter die Nase zu reiben – und handelte es sich nur um das krumme Eck eines lustlos gefalteten Hemdes. In Ihren Augen war es doch nicht zu viel verlangt, seinem Ehemann Ehre zu erweisen! Ging es nach Hermine, konnte sich ihr Mann sein verdammtes Hemd selbst bügeln und falten.
 

Das Verhalten von Moore und die damit einher gehende Stimmung lösten in Hermine eine unweigerliche Form der Abneigung aus, die der zu Professor Trelwaney mehr als ebenbürtig war und ihre Sturheit zu einer rettenden Handlung zwang, bevor sie kümmerlich zwischen Kochlöffel und Bügelzauber eingehen würde.

Ihre Klassenkameradinnen schüttelten über ihre kleine Rebellion höchstens verständnislos die Köpfe.

Diana und Artemis ermutigten Hermine sogar, Madame Moore und dem Schulfach wenigstens eine reelle Chance zu geben, wo man sich auf zwei Unterrichtsstunden doch kein Urteil zu bilden vermochte! Und war ein bisschen Sinn für Ordnung wirklich so schlimm? Aber Hermine hatte die Nase schon voll gehabt, als McCavity sie wie einen Pudel im Regen vor seinem Klassenzimmer hatte stehen lassen.
 

Deshalb schrieb sie auch bei der nächsten Gelegenheit an Dumbledore.

Sie erklärte ihm in ihrer Beschwerde, wie der Professor für Alte Runen mit ihr umgesprungen war, wie er sie diskriminierte, weil sie eine Frau war und sich weigerte, sie aus eben diesem Grund zu unterrichten. Sie wollte wissen, ob es nicht möglich war, ihr immerhin die Erlaubnis zu erteilen, einfach zuhören zu dürfen, wie Professor Leroy es Hermine in Arithmantik angeboten hatte. Denn was war schon so verwerflich daran, einer wissbegierigen Schülerin den Bildungswunsch zu zu gestehen?

Vielleicht war es falsch in einer Situation wie der ihren aus einer Mücke gleich einen Elefanten zu machen, vielleicht hätte sie's einfach schlucken und es dabei belassen sollen, wie Ron oder Harry es ihr bestimmt geraten hätten – doch, bei Merlins Bart, Hermines innerer Sinn für übertriebene Gerechtigkeit konnte die Füße unterm Tisch einfach nicht still halten.

Dumbledore teilte ihr später mit Bedauern mit, dass McCavity selbst unter gutem Zureden nicht bereit war, seine Entscheidung zu ändern, schlug ihr aber vor, sie an Stelle McCavitys dann und wann mit dem aktuellen Unterrichtsstoff zu füttern, wenn es sie interessierte und erklärte sich sogar bereit, auf etwaige Fragen Rede und Antwort zu stehen, sofern er ihr helfen konnte.

Nichtsdestotrotz war ihr Hauslehrer ebenfalls der Ansicht, Madame Moore die Möglichkeit einzuräumen, ihr etwas Wesentliches beizubringen: "Man lernt nie aus, Miss Hawking. Und wer weiß, vielleicht profitieren Sie ja davon?"
 

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Übertrieben heroisch geführter Haushalt war nicht das einzige Merkmal der tristen 1940er Jahre.

Sah man einmal davon ab, dass nahezu jedes Mädchen aus ihrem Jahrgang, oder auch dem darunter, völlig aus dem Häuschen ob ihrer einschlägigen, geziemten Zukunft war und nicht selten darüber diskutiert wurde, wer denn nun mit wem verehelicht werden sollte. Eine gute Partie zu sein, spielte dabei natürlich eine wesentliche Rolle.

Schüler oder Schülerinnen, von denen man wusste, dass sie aus eher ärmeren Verhältnissen kamen wurden zwar nicht zwangsläufig schlecht, aber spürbar anders behandelt.

Den führenden Reinblütern, wie Malfoy zum Beispiel einer war, rollte man hingegen mit Kusshand den roten Teppich aus; man suhlte sich quasi schon in deren Aufmerksamkeit, um zumindest einen Atemzug lang Teil der gehobenen Klasse zu sein, unter welcher höchstens erstmal eine klaffende Leere gähnte, bis die Halbblüter kamen.

Ein wenig war Hermine dieses Verhalten ja gewohnt, nicht zuletzt weil sich die übrigen Reinblutfamilien aus ihrer eigenen Gegenwart ebenso gerne profilierten; übertriebenes Gehabe, Verehrung und schamlose Höflichkeitstouren, die höchstens auf neidischen Profit durch Kontakte aus waren, verursachten bei ihr jedoch einen flauen Magen – egal wo das Schauspiel stattfand.
 

Und das war noch nicht alles:

Dass der Umgang unter den Schülern mehr eine gut einstudierte Farce, wie ehrlich gemeinte Aufrichtigkeit war, sah man auch am Verhalten gegenüber Mitschülern mit nichtmagischen Wurzeln.

Zuerst glaubte Hermine, sich zu irren – denn bis auf den hitzköpfigen und manchmal bissigen Lestrange wäre ihr auf Anhieb niemand aufgefallen, der es sich unter der Aufmerksamkeit des Schulsprechers verscherzen wollte und offen seine Abneigungen gegen andere kund getan hätte.

Doch dann fielen ihr unscheinbare, gängige Kleinigkeiten auf: Körperhaltungen, die Art und Weise wie mit bekennenden Muggelgeborenen gesprochen wurde, wie man sie zuweilen geschickt aus Konversationen oder Übungen ausschloss, wie man durch einfache Manipulation dafür sorgte, dass sie sich häufig untereinander, als mit anderen zusammen beschäftigten.

Hermine glaubte, dass die Kinder es selbst kaum merkten, oder es einfach anerkannten, auf einer anderen Ebene zu Rein- und Halbblütern zu stehen. Und dieser Umstand verärgerte sie.
 

In diesem Zug erfuhr die Gryffindor auch, weshalb William Potter den Schulsprecher nicht wirklich mochte.

Billy erklärte ihr einmal auf dem Weg von der Großen Halle zurück in den Gemeinschaftsraum, dass er der Ansicht war, dass Riddle zwar streng und nach den Schulregeln bedacht handelte, diese Regeln aber wiederum bei seinen Freunden wohl ein wenig zu deren Gunsten lockerte.

Er stufte den Schulsprecher als parteiisch ein und erzählte ihr, wie er Theodore Nott einmal aus Zufall bei einer kleinen Nachtwanderung erwischt hatte, wo er Ellen Cracknell, eine Muggelgeborene aus Ravenclaw, nicht nur beleidigte, sondern ernsthaft ob ihrer Herkunft bedrohte.

William sah sich als dann natürlich in der Not, dem Mädchen zu helfen, geriet aber in eine handfeste Auseinandersetzung mit Nott, wurde von Hausmeister Pringle geschnappt, kassierte darauf hin vier Wochen Unkrautzupfen und Kerkerputzen und bekam auch noch Punktabzug, so wie eine Quidditchsperre, als er Riddle vor Professor Slughorn vorwarf absichtlich nicht da gewesen zu sein.
 

Das hatte ihm der Wunderknabe natürlich übel genommen – seither war ein kleiner Machtkampf zwischen den beiden Jungen entbrannt, den William mit dem Charme eines Unruhestifters führte, indes Tom angeblich einen Grund suchte, ihm auf konventionellem Weg den Garaus zu machen.

"Ich bring ihn an seine eigenen Grenzen", hatte Billy gesagt. "Ich will, dass er die Beherrschung verliert. Ich will, dass [style type="bold"]er[/style] das nächste Mal in Schwierigkeiten gerät. Der Kerl ist eine verdammt harte Nuss – und noch dazu bestimmt nicht so heilig, wie er verehrt wird!"
 

Thoran erklärte Hermine auf diesen Vorwurf hin einmal in einer ruhigen Minute, dass Bill höchstens ein schlechter Verlierer war und sie sich nicht auf den Rachefeldzug ihres Mitschülers gegen Riddle einlassen sollte. Mit Tom Riddle war alles in Ordnung: er war fair und gerecht und setzte das Wohl der Slytherins gewiss nicht vor das der anderen.

Hermine selbst war sich nicht sicher, was sie mit dieser Information konkret anfangen sollte. Sie wusste, dass Tom nicht der war, für den er sich ausgab. Sie wusste auch, dass sie seine Maskerade nicht auffliegen lassen durfte, egal was passierte. Und das brachte sie höchstens zurück zu ihrer Aufgabe, schnellstmöglich einen Weg nach Hause zu finden.
 


 

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Endlich war Samstag und langsam wurde es spürbar kälter.

Im schottischen Hochland drängte sich der Nebel in dichten Schwaden über die Berge ins Tal und ummantelte zur aufsteigenden Morgensonne den See, die Ländereien und den Verbotenen Wald. Die Sonnenstrahlen waren beinahe zu schwach, um sich die Vorherrschaft des Tages zu erkämpfen und überließen dem Wind den Vortritt, der sein Lied über das Quidditchfeld pfiff, um die vorbei rauschenden Flugbesen in ihrem Crescendo zu begleiten.
 

Hermine zog den Kopf tiefer zwischen Jackenkragen und Gryffindorschal und vermied es dabei jämmerlich mit den Zähnen zu klappern, ob der herbstlichen Wetterverhältnisse, die denen aus ihrer Erinnerung in keiner Weise nachstanden. Es ärgerte den Lockenschopf fast ein bisschen, Kleinbei gegeben zu haben und dem Duell zwischen Gryffindor und Slytherin beizuwohnen.

Aber nachdem selbst Artemis und sogar Diana anmerkten, dass es durch die hiesige Spieleraufstellung wahrscheinlich kein spannenderes Match mehr geben würde und Thoran sie mit diesem furchtbaren, wehleidigen Blick malträtierte, hatte Hermine schlussendlich seufzend das Handtuch geworfen.

Außerdem musste sie ihren neuen Freunden jetzt das Zugeständnis machen, dass sie nicht ganz Unrecht mit der versprochenen Spielspannung hatten, wo sie sich selbst jubeln und rufen hörte, als Gryffindor das erste Tor erzielte und ihre Hausmannschaft gleich darauf ein Foul der Gegner kassierte.
 

Das letzte Mal war sie so Feuer und Flamme für Quidditch, als Ron in der Rolle des Hüters das Spielfeld betrat.

Oh Ron! Mit seinen abnormen großen Füßen und dem ungekämmten, roten Haar, den Sommersprossen auf blasser Haut und seinem hartnäckig ausgeprägten Ungeschick auf dem Rennbesen, das mehr von Angst herrührte, wie Talentlosigkeit.

Hermine wollte Ron damals unbedingt in der Quidditchmannschaft wissen – und war es nur, damit sie beobachten konnte, wie er mit Stolz und Selbstbewusstsein aus Harrys Schatten trat. Sie vermisste Ron so unglaublich, dass es ihrer Brust einen Stich versetzte und fragte sich nicht zum ersten Mal, wie es ihm, Harry und den anderen wohl in der Zwischenzeit erging. Bemerkten sie ihre Abwesenheit überhaupt? Hinterließ ihr Wegsein eine Narbe in der Zeit? Oder war es womöglich so, als hätte es sie nie gegeben?
 

"Ich wünschte, ich wäre an einem anderen Ort!", schnitt ein klarer Bariton durch den tosenden Wind links von ihrem Ohr und ließ Hermine zusammen zucken. Zu ihrer Rechten reckte Thoran gleichsam mit einem wütenden Sprung die Faust in die Luft und beschwerte sich mit einigen anderen Schülern über das Urteil des Schiedsrichters an einem weiteren Foul gegen einen der Gryffindor-Spieler.

Tom stach mit seinem hoch gewickelten, grün-silbernen Schal aus der gold-roten Menge hervor wie ein Paradiesvogel. Die Hände hatte er tief in die Taschen seines schwarzen Wollmantels vergraben, der ihm bis zu den Kniekehlen reichte, indes sein Haar mit dem wilden Wind in unangenehmer Unberechenbarkeit tänzelte. Als Thoran und die Umstehenden den Schulsprecher bemerkten, unterbrachen sie ihre Euphorie für einen Atemzug und grüßten ihn höflich.

Das Bild selbst war so absurd, dass Hermine ein heiseres Lachen ausstieß, das im allgemeinen Lärm jedoch völlig unterging. Egal, wo dieser Slytherin auftauchte, war er meistens nicht nur willkommen, sondern wurde quasi mit offenen Armen empfangen – er schien tatsächlich das gesamte Schloss um seinen kleinen Finger gewickelt zu haben. Und das war eine Vorstellung, von der Hermine Gänsehaut bekam. So nahm die Brünette es auch als gegeben hin, dass er nicht in seiner hauseigenen Kurve jubelnd sein Team antrieb.
 

"Wieso denn das?"

Zwar verspürte die Brünette nicht das Bedürfnis nach einer Unterhaltung zwischen Gebrüll, Gezeter, Gegröhle und Gesang, doch konnte sie kaum anders, wie Riddles Aussage zu hinterfragen – und war es aus unverhohlener Neugierde. Zu ihrer Überraschung nickte Tom jedoch bloß zurück auf die sich windenden Besen über ihren Köpfen.

Gryffindor war jetzt im Ballbesitz und während der Jäger die gegenüber liegenden Ringe ansteuerte, hatten beide Treiber alle Hände voll zu tun, ihren Mitspieler vor den anrauschenden Klatschern zu beschützen. Slytherin war aber offenbar in Kämpferlaune, denn sie ließen kaum locker, feuerten die Klatscher immer und immer wieder in einer Geschwindigkeit auf Gryffindors Jäger, bis einer von ihnen beim Versuch, ein Tor zu erzielen, auf offener Brust getroffen wurde und gefährlich über den Besenstil nach hinten weg kippte.

Ein Pfiff gellte und das Spiel wurde unterbrochen.

Gryffindor führte gerade Mal mit zehn mageren Punkten Vorsprung.
 

"Ich bin nur auf Abraxas Anleiten hier. Er hat mich vor Wochen schon gefragt, ob ich komme – und nun sieh dir diese Tölpel an, wie sie wie aufgescheuchte Bienen um ihren Stock schwirren und ohne einen konkreten Plan dabei sind zu verlieren. Ich hoffe für Turpin, dass er den Schnatz fängt und das Spiel damit beendet."

Hätte Hermine es nicht besser gewusst, hätte sie behauptet, Riddle war ungeduldig und, um nicht zu sagen, genervt.

Freilich, ihm war sicher nicht weniger kalt wie allen anderen. Aber im Gegensatz zu der feiernden und lustigen Meute, wirkte seine stoische Miene Fehl am Platz; schließlich hob Tom die Achseln und beugte sich etwas tiefer zu ihr hinab, damit Hermine ihn besser verstehen konnte: "Ich hasse dieses Spiel. Es ist reine Zeitverschwendung – findest du nicht?"  

Blinzelnd, hätte der Lockenkopf dem Slytherin spontan zugestimmt.

War sie nicht selber jemand, der Quidditchturniere lieber zum Lernen nutzte? Der mit Sport in diesem Sinne absolut nichts anzufangen wusste, weil es stellenweise einfach barbarisch war, sich stundenlang die Köpfe mit Schlägern einzuhauen? Noch dazu ein Dutzend Fuß über dem Boden?

Die reine Sturheit gegenüber Riddle gebot ihr allerdings eine andere Reaktion: "Es gibt schlimmeres."

Und das stimmte. Quidditch war nun mal ein Volksport, ein Event, Heiterkeit und Freizeit – nicht jedermanns Sache; aber den meisten gefiel es. Man arrangierte sich schon mit den Turnieren und brach sich mit seiner Anwesenheit bestimmt keinen Zacken aus der Krone.

Deshalb musste man ja nicht gleich anfangen, Spielerkarten zu tauschen.
 

"Hm", machte Tom, seine grauen Augen nachdenklich auf sie gerichtet.

Auf ihrer Schulter spürte Hermine die schwere Hand Thorans mit sanftem Druck und in ihrem Rücken gellten die hysterischen Stimmen von Diana und Lisa anfeuernd im Chor. Einige Schüler waren an die Balustraden der Tribünen getreten, reckten die Hälse und hielten den Atem an – die Sucher hatten mittlerweile den Schnatz gesehen!

Gleichstand!

Der Fang des kleinen Biestes konnte das Spiel entscheiden, aber weder Gryffindor, noch Slytherin wollten dem jeweils anderen den Triumph gönnen, war es doch die alte Rivalität, die beide Häuser zum Sieg antrieb.

Tom machte einen halben Schritt und lehnte sich mit aufgestützten Unterarmen neben Hermine auf das Tribünengeländer, just in dem selben Sekundenbruchteil, wo der rettende Schlusspfiff ertönte und Gryffindors Sucher den goldenen Schnatz der tosenden Menge in verschlossener Faust wie eine Trophäe präsentierte.

Das Spiel war vorbei.

Slytherin hatte verloren.
 

Riddles anfängliche Skepsis wandelte sich in etwas, das Hermine aus dem Augenwinkel nicht wirklich deuten konnte. War er genervt? Oder plagte ihn einfach nur der Umstand, dass andere auf die Kosten seines eigenen Hauses in Feierlaune verfielen und Slytherin verloren hatte, wie er es vor wenigen Augenblicken noch prophezeite? Was auch immer es war, er lächelte es fort, als sich ihre Blicke trafen.

Riddle winkte ihr zu: "Hermine? Bis bald!" Dann wandte er sich mit einem Nicken an die Umherstehenden ab und drängelte sich an der aufbrechenden Menge hindurch zum Stadion-Ausgang.
 


 

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"Hermine, hast du das gesehen? Hast du gesehen, wie Ignatz den Schnatz gefangen hat?", William ging auf der Tischplatte in die Knie und sprang nachahmend, mit ausgestreckten Armen, zu Boden. Die anderen lachten, begleitet von Jazz-Musik, die mit einem ohrenbetäubendem Dröhnen knatternd aus einem Grammophon in der Ecke des Gemeinschaftsraumes drang.

Die Ausgelassenheit der Gryffindors badete sich Minuten nach dem Spiel in untypisch offener Heiterkeit. Hermine lachte auf und stolperte Williams auffordernder Geste hinterher, der sie an beiden Händen gepackt hatte, um mit ihr eine Pirouette zu schlagen.

"Bill, krieg dich wieder ein! Es war das erste Spiel der Saison", intervenierte Thoran sofort, doch der Quidditchkapitän verzog widersprechend die Mundwinkel: "Ach, sei still. Du bist nur neidisch, weil du das Prügeln mit dem Treiberschläger jetzt anderen überlassen musst."

Thoran hatte früher in der Mannschaft gespielt, hatte die Position des Treibers jedoch mit seiner Wahl zum Vertrauensschüler abgegeben. Er wollte sich auf die Schule konzentrieren – und als Vertrauensschüler hatte man genug zu tun, sagte er.
 

Irgendwo ploppten Bügelkorken, gefolgt von klappernden Butterbierflaschen, die verteilt wurden.

Weil weder Artemis, noch Thoran einen Einwand ob der Stimmung brachten, angelte sich Hermine mit einem Achselzucken ebenfalls eine Flasche und stieß mit den anderen an. William legte in der selben Bewegung wieder einvernehmlich einen Arm um ihre Schulter: "Wenn wir Slytherin schon nicht im Kampf um den Hauspokal schlagen können, dann wenigstens auf dem Feld. Ich liebe Malfoys Panik im Angesicht der sicheren Niederlage … jaja, nennt mich einen Sadist, ist schon in Ordnung. Aber ihr müsst zugeben, dass ihm der Ausdruck steht."

Williams Grinsen verschlang seine Ohren, er nahm einen Schluck aus der Flasche und zwinkerte Hermine zu, sein Haar fiel ihm dabei spitzbübisch in die Stirn. "Heute Nachmittag  ist Tanztee …", warf er dann plötzlich in ihre Richtung ein und ignorierte dabei den scharfen Blick, den Thoran ihm zuwarf. Billy wollte gerade weiter sprechen, vielleicht nur um zu wissen, ob und mit wem sie hinging, vielleicht, um sie zu fragen, ob sie mit ihm hingehen würde. So oder so, wurde er von dem aufgleitenden Portal unterbrochen, durch dessen Spalt sich Dumbledores bärtiges Gesicht drängte.

Williams Arm glitt ohne Umschweife von Hermines Schulter.
 

Dumbledore widmete der kleinen Feier jedoch nur gelinde Aufmerksamkeit, die Argusaugen prompt auf den Lockenkopf geheftet, woraufhin er Hermine zu sich herüber winkte: "Miss Hawking, verzeihen Sie mir die Störung – aber hätten Sie wohl ein Paar Minuten?"

Die keimende Neugierde ihrer Freunde ignorierend, drückte Hermine William mit einer Entschuldigung die Flasche in die Hand und stolperte ihrem Hauslehrer hastig hinterher, durch das Porträt in den kleinen Gang, wo Dumbledore wegen seiner Größe nicht aufrecht stehen konnte und den Kopf daher unweigerlich einziehen musste.

Sie hätte sich selbst belogen, wäre sie nicht froh um das unerwartete Auftauchen ihres Lehrers gewesen; sie mochte William, Thoran und deren Freunde – doch die stärker werdende Nähe zu ihnen war schlecht und Fehl am Platz, erdrückend und schürte zudem ihr schlechtes Gewissen.

Ja, heute Nachmittag war dieser dumme Tanztee, wie jeden Samstag! Es gehörte zu dieser Zeit dazu: eine Möglichkeit sich zu treffen, Spaß zu haben und ein wenig abzuschalten. Es war die Chance für Versprochene sich buchstäblich auf die Zehen zu treten, beim Versuch das Tanzbein zu schwingen – und es war definitiv eine Veranstaltung, der Hermine nicht in Tausend Jahren hätte beiwohnen wollen.

Sie war schließlich nicht hier, um sich zu amüsieren; die Gryffindor wusste nur noch nicht, wie sie diesen Umstand für William in verständliche Worte packen sollte, ohne ihn zu verletzen. Denn die Wahrheit sagen konnte sie ihm schließlich nicht.
 

"Ich habe eine interessante Neuigkeit für Sie, Hermine", eröffnete der Verwandlungslehrer dann, als er auf den Gang trat und ihr höflich aus dem Porträt half. "Aber vielleicht besprechen wir das besser bei einer Tasse Tee in meinem Büro, sofern ihre Freunde nichts dagegen haben, wenn ich Sie für den Rest des Vormittags entführe."

Untold Secrets

A/N Heureka!

Vielen Dank fürs Lesen, für euer Feedback, eure Geduld und alles andere.

Ihr seid spitze!

Viel Spaß.
 

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Don't try and fake her

with love that's not real.

Remember the Taker

has no Consience to feel

[THE STEEPWATER BAND]


 

"Wie geht es Ihnen, meine Liebe?"

Dumbledore drückte die Türe zurück ins Schloss und forderte Hermine mit einer höflichen Geste auf, Platz zu nehmen. Das Büro lag etwas im Halbdunkel, weil die Vorhänge an manchen Stellen zugezogen worden waren; Fawkes schlief, mit zwischen dem Flügel eingeklemmten Kopf, auf seiner Stange und sorgte sich kaum um die Störung seines Nickerchens.

Der Verwandlungslehrer wanderte um sein eigenes Pult und organisierte aus den Tiefen des Schreibtisches gleichsam zwei Tassen und eine Kanne, die er mit einem Schlenker seines Zauberstabs mit Wasser füllte und mit einer weiteren, geübten Bewegung zum Köcheln brachte.

"Ich vermisse meine Jeans." Hermines Antwort klang plump, und war sicher eine Spur zu direkt – aber es stimmte. Nichts gegen den Faible der 40er, aber die Baumwollstrumpfhosen kratzten, die flachen Riemchenschuhe waren unglaublich unbequem und Röcke konnte die Brünette inzwischen auch nicht mehr sehen. Auf Dumbledores verständnisloses Zwinkern antwortete Hermine schließlich mit einem herzlichen Lachen: "Meine Mode, die Art und Weise, wie ich mich für gewöhnlich anziehe".
 

"Hier fest zu sitzen bedeutet mit Sicherheit auch eine gewisse Umstellung für Sie, Hermine. Angefangen bei Ihren Gewohnheiten, bis hin zum Umgang mit Ihren neuen Mitschülern. Ich muss zugeben, ich war überrascht über Ihre Reaktion auf meinen Kollegen, Professor McCavity; ich kenne keine Schülerin, die es je gewagt hätte, sich über sein Benehmen zu beschweren. Noch dazu, weil niemand seine Art und Weise zu lehren bisweilen in Frage gestellt hat."

Dumbledore angelte nach seiner Brille, die er auf die krumme Nase setzte, als er sich an der Teekanne zu schaffen machte und die Tassen verteilte. Er schenkte Hermine einen freundlichen Blick über Halbmondgläser: "Ich kann mir vorstellen, dass es schwer für Sie sein muss – das alles, die Gepflogenheiten, das Verhalten, die Regeln und das Leben. Wir wandeln uns in der Zukunft, nur ein Narr würde glauben, die Zeit stünde still." Dumbledores Mundwinkel zuckten kryptisch, dann hob er die Achseln und sank auf seinen Stuhl zurück, wobei im selben Atemzug die Vorhänge aufglitten, um der schwachen Herbstsonne Eintritt in die Büroräume zu gewähren.

Der Staub tänzelte sanft im Keil des Lichtes, Fawkes räkelte träge seine Flügel; Hermine beobachtete den Phoenix einen Herzschlag lang mit wachsendem Wehmut. "Es ist ja nicht für immer."

Zumindest hoffte sie das.
 

"Ah", machte ihr Gegenüber und lächelte jetzt, seine langen Finger verschränkte er dabei geschäftig über der Tischplatte. Er nutzte Hermines Einwand sofort, um auf den wesentlichen Punkt ihrer Zusammenkunft zu kommen: "Und genau aus diesem Grund sind wir hier. Ich war vergangene Nacht unterwegs, um ein Paar Dinge zu erledigen und habe mich unter anderem mit Mister Flamel getroffen. Nicholas Flamel, müssen Sie wissen, ist Wissenschaftler und ein Freund von mir – "

"– und ein renommierter Alechmist! Wahrscheinlich sogar der größte Wissenschaftler, den es je gegeben hat. Schließlich gilt er als Besitzer des Stein der Weisen und …" Hermine stockte und biss sich stoppend auf die Zunge, übermannt von dem Sprudeln ihrer eigenen Besserwisserei und dem dazu ausgeprägten, losen Mundwerk; war das nicht eine dieser Informationen, die sie unter keinen Umständen hätte ausplaudern sollen?

Doch Dumbledores Augen tanzten lediglich amüsiert hinter seinen Brillengläsern.

"Tut mir leid", warf der Lockenkopf kleinlaut nach.

Ihr Hauslehrer winkte ab und fuhr ungerührt fort: "Ich war so frei, Nicholas von Ihnen zu erzählen. Sie müssen wissen, meine Liebe, dass mein Freund an der Entwicklung des Zeitumkehrers beteiligt ist und sich auch dafür einsetzt, dass diese Form der Magie innerhalb eines überwachten Rahmens im Ministerium zu dienlichen Zwecken verwendet werden darf. Sie können sich vorstellen, dass Nicholas es kaum erwarten kann, Sie kennen zu lernen."
 

Hermines Herz machte einen aufgeregten Satz.

Nicholas Flamel war ihr schon einmal begegnet – indirekt zumindest, zwischen vergilbten Buchseiten in der Schulbibliothek – er hatte eine wichtige Rolle in ihrem ersten Schuljahr gespielt, als Voldemort versucht hatte über diverse Umwege an den Stein der Weisen zu kommen, der Unsterblichkeit verlieh. Die notwendige Zerstörung des Steins brachte Flamel und seiner Frau Perenelle natürlich den Tod. War das so lange her?

Dass Dumbledore und Flamel langjährige Freunde waren, war kein Geheimnis – vermutlich nicht einmal hier. Gut möglich, dass der Alchemist sogar gegen Grindelwald mit dem Verwandlungslehrer gemeinsame Sache machte. Hermine hatte keine Ahnung.

Aber die Tatsache ob Beistand von Außen, von jemandem, der klug genug war das Problem, in dem sie steckte, unter Umständen zu lösen, durchflutete sie mit wachsender Zuversicht.

"Das ist …", Hermine atmete tief ein und ebenso langsam wieder aus, ihren Körper ergriff ein euphorisches Schaudern. "Das ist unglaublich, Professor … ich möchte einfach nur wieder nach Hause. Die Aufzeichnungen in den Büchern sind bisher eher mau, ich stecke völlig in einer Sackgasse und …"
 

Dumbledore hob beruhigend seine Hand und drückte, über die Tischplatte hinweg, fürsorglich die ihre.

Ihm war anzumerken, dass er gerne mehr für sie getan hätte. Dumbledore war nicht zuletzt ein Mann, der Logik und Lösungen liebte – und gerade leider auch zu sehr damit beschäftigt, einen geeigneten Weg für seine eigenen Probleme zu finden. Mehr, wie das Notwendigste von ihm zu verlangen, erschien der Gryffindor nicht fair, zumal jede Minute, die sie hier beieinander saßen, woanders zum Chaos führen konnte.

Dennoch wurden Hermines Augenwinkel unweigerlich feucht bei der Vorstellung, diesem Alptraum womöglich doch noch zu entkommen; sie wandte den Kopf beiseite und rieb sich mit dem Handballen die Augen: "Ich habe solche Angst, dass etwas schief gelaufen ist, dass ich Schuld daran habe, wenn … ich meine … Sie haben keine Vorstellung davon, was auf dem Spiel steht. Das ist… huh…"
 

Der Verwandlungslehrer seufzte, bevor er sich mit der pfeifenden Teekanne abmühte, Hermine auf schenkte und sich ein weiteres Mal nach ihren Händen streckte. Sein Daumen zog einen sanften, tröstenden Halbkreis auf ihrem Handrücken – die Berührung war rau, irgendwie spröde und wirkte verbraucht. Doch sie tat gut.

"Miss Hawking", begann er sanft. "Ich verstehe ihre Besorgnis und ihre Angst – und auch, wenn ich nicht nachvollziehen kann, wie viel Unheil ihre Anwesenheit unter Umständen anrichtet, so möchte ich, dass Sie mir vertrauen. Vertrauen Sie darauf, dass ich Ihnen helfe, so viel wie möglich wieder gut zu machen."

Hermines Mundwinkel krümmten sich schwach, sie versuchte ein dankendes Nicken, woraufhin Dumbledore von ihr ab ließ und sich eine offensichtliche Weile seinem Tee widmete, um der Gryffindor die Zeit zu schenken, die sie brauchte damit sie sich einigermaßen beruhigte.
 

"Mir liegt viel daran, Sie in Nicholas' Obhut zu übergeben. Er ist, meines Erachtens nach, einer der wenigen unter uns, der weiß, was es bedeutet mit der Zeit zu experimentieren. Aber ich möchte Sie auch warnen: Nicholas ist ein sehr exzentrischer Mann. Vorsichtig, bedacht und äußerst intelligent – aber zuweilen etwas schwierig. Außerdem müssen Sie verstehen, Hermine, dass er den Zeitpunkt Ihres Treffens aussuchen wird und nicht umgekehrt." Jetzt schenkte Dumbledore der Brünetten einen nachdenklichen Blick über den Rand seiner Tasse; eine sanfte Falte auf seiner Stirn bekundete leichte Irritation.

"Offen gestanden könnte ich Ihnen Nicholas nicht einmal beschreiben. Er ist ein Spezialist mit Vielsafttrank und tritt selten in der selben Gestalt zweimal auf – anders wäre es ihm vermutlich nicht möglich, Perenelle und sich zu beschützen, wo so viele Gierschlunde nach dem Stein lechzen. Aber sagen sie, meine Liebe, haben Sie eigentlich vor, auf Horace's Halloween-Feier zu gehen?"

Hermine, die abgelenkt von den kleinen Dampfwolken war, die aus ihrer Teetasse empor stiegen, blinzelte bei dem unerwarteten Themenwechsel scharf auf, ehe sie enerviert stöhnte. Sie mochte den Slug-Club nicht und machte keinen Hehl daraus das zu verheimlichen, also schüttelte sie den Kopf.

"Sie sollten hingehen", ermutigte Dumbledore den Lockenkopf mit keckem Zwinkern.
 

"Wird Mister Flamel etwa dort sein?"

Ihr Gegenüber hob die Schulter und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Tasse: "Ich weiß es nicht. Möglicherweise? Er hat mich jeden Falls gefragt, wann Horace vor hat die Feier zu veranstalten – das könnte man als Zusage, oder zumindest als Chance erachten, Hermine." Seine Augenbrauen trafen an seiner Nasenwurzel aufeinander und der Verwandlungslehrer wiederholte eine Spur eindringlicher: "Sie sollten hingehen. Nehmen Sie sich einen Begleiter mit … Sie scheinen sich sehr gut mit Mister Potter zu verstehen, oder nicht? Er wird sich bestimmt über Ihre Einladung freuen."

Bestimmt würde Mister Potter das, aber Hermine verspürte kein Verlangen nach Partys, kein Verlangen nach Tanz und Musik oder aufgesetzter Höflichkeit. Wenn sie Flamel auf der Feierlichkeit traf, war das völlig ausreichend.

Der Lockenkopf fühlte wie ihre Wangen, ob Dumbledores Vorschlag, trotzdem unangenehm warm wurden und winkte hastig ab: "William ist sehr nett, wie alle anderen auch. Aber ich bin nicht hier, um mich zu amüsieren, Professor."

Das klang selbst in ihren Ohren bedauernd; doch sie war nun mal nicht freiwillig fünfzig Jahre durch die Zeit gesprungen. Und auch, wenn jemand anderes sicherlich das Beste aus der Katastrophe gemacht und sich wenigstens angestrengt hätte, ein Teil dieser unbekannten Gesellschaft zu werden, wollte Hermine sich am liebsten immer noch einfach zusammen kauern und weinen.
 

Dumbledore zeigte sich nichtsdestotrotz väterlich verständnisvoll: "Das verstehe ich, Hermine. Trotzdem ist Ihre Anwesenheit bei uns keine Strafe, die Sie absitzen, noch eine Gefangenschaft. Es tut nicht gut, sich auszuschließen … wenn Ihnen Williams Begleitung nicht passabel genug ist, meine ich anmerken zu dürfen, dass  – "

"Warum begleiten Sie mich nicht einfach?", unterbrach Hermine ihren Hauslehrer prompt und wunderte sich nur gelinde, wieso der alte Mann plötzlich in ihrem Privatleben bohrte.

Jetzt lachte Dumbledore so herzhaft, dass das Porzellan auf dem Tisch klapperte und Fawkes verwundert und verschlafen den Kopf hob: "Nun, Miss Hawking, so charmant ich Ihre Einladung auch finde", erwiderte Dumbledore freundlich, "das wilde Tanzbein zu schwingen überlasse ich besser der jüngeren Generation. Unabhängig davon, fürchte ich, werde ich zu Halloween wieder unterwegs sein. Es sind schlimme Zeiten für uns, Hermine. Schlimme Zeiten. Und wenn ich dem Bösen nicht Einhalt gebiete, wer dann?"
 


 

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Dumbledore und Hermine verblieben so, dass sie Slughorns Feier auf jeden Fall besuchen würde.

Die Hilfe des Alchemisten war von unschätzbarem Wert, und auch, wenn sie kein Garant dafür sein konnte, dass der Lockenkopf seinen Weg zurück in die Zukunft fand, so war es Hoffnung. Und Hoffnung war für sie in den letzten Tagen zu einer unglaublich seltenen Empfindung geworden.

Der Verwandlungslehrer hatte sein Wort jeden Falls gehalten und sein Versprechen eingelöst, zu tun was auch immer getan werden konnte, um sie zu unterstützen. Sollte Hermine fortan hier fest sitzen, so erkannte sie trocken, hatte sie in Nicholas Flamel immerhin einen guten Lehrer, wenn es darum ging sich auffällig unauffällig in die Gesellschaft zu integrieren.
 

Mittag musste bald vorüber sein.

In Dumbledores Gegenwart vergaß man schnell die Zeit; vor allem, wenn ein Gespräch ins nächste überging und man sich plötzlich in einer Diskussion über die Hauselfenbefreiungsfront wieder fand.

Manchmal konnte sie sich eben nicht beherrschen, fiel ständig in das Muster des törichten, naiven Mädchens, das immer noch die Welt retten wollte und erntete von einem Genie wie Albus Dumbledore allerhöchstens so was wie amüsierten Respekt.

Es war schließlich das Klopfen an der dunklen Eibenholztüre, das die beiden in ihrem Plausch unterbrach, gefolgt von Tom Riddle, der seinen schwarzen Haarschopf durch den Türspalt steckte, ehe er sich auf Dumbledores Erlaubnis hin Einlass gewährte.
 

Hermines Stirn runzelte sich, als ihr Blick den des Schulsprechers traf, der in Dumbledores Gegenwart eine auffällig blanke Miene zog.

Toms graues Augenpaar blieb einen Atemzug an der Gryffindor haften, ehe es von ihr auf den Lehrer hüpfte, dem er über Hermines Kopf hinweg ohne Umschweife ein Paar gesammelte Pergamentseiten reichte: "Sir, ich bringe Ihnen lediglich Mister Blacks und Mister Osbornes Strafarbeiten", erklärte er sich dabei eine Spur zu steif.

Dumbledore gab einen Laut der Zustimmung, nahm die Arbeiten entgegen und legte sie auf einen verdächtig ähnlichen Stapel links von sich auf seinem Schreibtisch, wo er ihnen keine weitere Beachtung schenkte. "Die Drittklässler hatten vergangene Woche eine kleine Meinungsverschiedenheit auf den Gängen", wandte sich Gryffindors Oberhaupt stattdessen wieder an Hermine, sein Mundwinkel kräuselte sich in einer Spitzbübigkeit, wie sie es höchstens einem feixenden Mitschüler zugetraut hätte.

Dumbledore bedankte sich alsdann bei Riddle, schob seine Teetasse beiseite und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, dessen Lehnen leise unter seinem Gewicht knarzten: "Das wäre dann alles Tom?"
 

Der Schulsprecher nickte, was Dumbledore zum Anlass nahm, Hermine mit einem Wink auf die Füße zu scheuchen: "Fantastisch. Tu mir doch den Gefallen, mein Junge und begleite Miss Hawking zum Mittagstisch – ich bin mir sicher, sie ist inzwischen am Verhungern."

Tom nickte ein weiteres Mal stoisch und trat ohne weiteres Wort an die Türe, die er manierlich öffnete, um der Gryffindor den Vortritt zu gewähren. Sein Kiefermuskel zuckte unterdessen verdächtig – Tom würde doch kein Problem damit haben, von seinem Verwandlungslehrer herum kommandiert zu werden?

Hermine selbst bedankte sich jeden Falls bei Dumbledore für das Gespräch, klammerte sich an die Kordel ihrer Umhängetasche und trat an Riddle vorbei, auf den leeren Gang im zweiten Stock.
 


 

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Tom gab sich ungewöhnlich still auf ihrem gemeinsamen Trott durch den Korridor, vorbei an vereinzelten Rüstungen, deren quietschenden Häupter vermuten ließen, dass sie ihnen neugierig nach gafften.

War er zum Quidditchspiel gesprächig und in den letzten Tagen unweigerlich kontaktfreudig gewesen, schien er jetzt in seiner eigenen Gedankenwelt eingekehrt zu sein. Nur gelegentlich wagte Hermine deshalb einen Seitenblick auf den Schulsprecher, der seine Hände tief in den Taschen seiner Hose vergraben hatte und das graue Augenmerk nachdenklich auf einen unbestimmten Punkt gerichtet hielt.
 

Die großen Treppen waren noch wenige Schritte entfernt.

Wenn man sich anstrengte, konnte man das Klappern von Besteck auf Porzellan aus der Großen Halle bereits hören; zumindest bildete sich Hermine das lebhaft ein, weil sie es kaum erwarten konnte Riddles vermeidlicher Gesellschaft so schnell wie möglich wieder zu entkommen.

Es war ein furchtbarer Drahtseilakt mit dem Slytherin einen normalen Umgang zu pflegen, wenn man bei jedweder Gelegenheit dazu verführt wurde, ihm einfach den Hals umzudrehen.

Ihn insgeheim nicht für die Zukunft oder seine bisherigen Taten verantwortlich zu machen, war schwierig für Hermine; unter anderem auch deshalb, weil Tom ihr bisher keinen wirklichen Grund geliefert hatte, ihn nicht zu mögen.

Er war gut in dem Schauspiel, das er sich auf den Leib geschrieben hatte, das musste man ihm zu gestehen. Und er machte dem Ruf des Musterschülers alle Ehre.

Die Gryffindor unterdrückte ein Seufzen.
 

Hatte sie auch noch geglaubt, dass Riddle sie auf ihrem vermeidlichen Spaziergang mit seiner eindringlich sanften Stimme in Ruhe lassen würde, wurde sie im selben Moment enttäuscht.

Die Große Treppe war bereits zu sehen, die kleine Fluchtmöglichkeit und der Kreis ihrer Freunde zum Greifen nahe; aber bevor sich Hermine versah, machte Tom einen entschieden unerwarteten Ausfallschritt und versperrte ihr in voller Größe und mit gestreckten Schultern den Weg.

Zum Innehalten gezwungen, erwiderte Hermine Toms Blick so unschuldig, wie möglich; sie war verwirrt, wenngleich nicht von seinem Verhalten überrascht.

"Du hast ein Geheimnis", konfrontierte Riddle sie ruhig, bestimmt und nachdrücklich.

In Toms graue Augen spiegelten sich Neugierde und Skepsis; er erweckte den Eindruck eines Abenteurers, der gerade daran war eine Seltenheit zu entdecken, einen Fluch zu widerlegen, oder eine Kostbarkeit zu fangen.

Hermine gefiel auf Anhieb keine einzige dieser Vorstellungen.
 

Die Stirn der Gryffindor zog sich kraus, indes ihr Unterbewusstsein – allein schon wegen der unweigerlichen Drohgebärde, die Tom präsentierte – automatisch in Abwehrhaltung ging.

Der bohrende Blick, mit dem Riddle sie bedachte, machte Hermine außerdem nervös; er hatte aufgehört zu zwinkern und starrte sie inzwischen unverhohlen an.

"Unsinn", versuchte sich der Lockenschopf schließlich an einem lausigen Konter. Doch Tom hob bloß unbeeindruckt die Brauen und entgegnete unbekümmert: "Dann hast du ja kein Problem damit, wenn ich Augustin und dem Rest deiner Freunde später erzähle, dass kein geringerer als Nicholas Flamel offenbar auf dem Weg nach Hogwarts ist, nur um dich kennen zu lernen, weil du – …"
 

"Nein!", unterbrach Hermine scharf und trat dabei genau in die von Tom aufgestellte Falle. Seine Mundwinkel kräuselten sich triumphierend.

"Hast du Dumbledore und mich etwa belauscht?" Was, wenn er mehr wusste? Hermine wollte sich die damit verbundene Katastrophe gar nicht ausmalen. Zu ihrer Überraschung lachte Tom bloß amüsiert: "Ach, Hermine, für wen hältst du mich?" Riddle sah prüfend über seine Schulter den Gang entlang und schließlich in die Richtung, aus der sie gekommen waren, ehe er gestand: "Ich kam nicht umhin zu hören, dass Professor Dumbledore das ein oder andere Wort über Flamel verlor, als ich ihm die Strafarbeiten gebracht habe – und jetzt frage ich mich natürlich, was ein Genie wie Flamel wohl von dir wollen könnte. Das ist alles." Und das war bereits genug.
 

Nachdem Hermine erst einmal nichts auf sein Gesprochenes erwiderte, schlich sich ein Anflug offener Ungeduld auf Toms glatte Mimik. Der Slytherin war offensichtlich davon ausgegangen, dass seine Ausrede ausreichte, um Hermine so weit zu bringen, ihm freiweg anzuvertrauen, was sie mit Dumbledore besprochen hatte. Als sie ihm diesen Gefallen nicht tat, krümmten sich Riddles Lippen in auffälliger Missbilligung: "Ich bekomme meine Antwort", versicherte ihr der Schulsprecher auf die ihm entgegen gebrachte Schweigsamkeit. "Egal, ob du sie mir geben möchtest, oder nicht. Ich kriege immer, was ich will."
 

Hermines Herz machte darauf hin einen stolpernden Satz und getroffen von der Drohung, die er ihr so eben an den Kopf geworfen hatte, trat sie einen halben Schritt vor Tom zurück.

Er beobachtete jede einzelne ihrer Regungen wie ein Raubtier auf Beutezug, gefangen in seinem ganz eigenen Zwiespalt, der Bestie in seinem Innersten ungeniert freien Lauf zu lassen oder seine höfliche und hilfsbereite Maske aufrecht zu erhalten. Es gelang ihm nicht ganz seine Beherrschung zu wahren, aber möglicherweise machte sich Hermine auch etwas vor. Möglicherweise wollte sie in diesem Augenblick nichts anderes sehen, als eben dieses Monster, das er nun einmal war – der Einfachheit halber, aus Gewohnheit und Überlebenswillen.
 

Wahrscheinlich war auch das der Grund für ihre überaus unüberlegte Entgegnung, die schneller über ihre Zunge sprudelte, wie sie im Stande war sich im Zaum zu halten: "Mit Geheimnissen kennst du dich ja bestens aus, nicht wahr, Riddle?"
 


 

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Seine Reaktion war so schnell, dass Hermine sie nicht kommen sah.

Er packte sie mit beiden Händen an den Oberarmen und zog sie grob mit sich, auf den Wandteppich links von ihnen zu, den er hastig beiseite schlug, sodass er die Brünette voran in den dahinter liegenden, schmalen Gang schubsen konnte, der nur spärlich beleuchtet von vereinzelten Fackeln nicht den Anschein erweckte, in der Vergangenheit oft benutzt oder beachtet worden zu sein.

Es war kein Zufall gewesen, dass Tom sie abgepasst hatte, dass er sie am Rande des zweiten Stocks zur Rede stellte – mit dem passenden Rückzugsort in Petto, an dem er ungestört seinen Worten Taten folgen lassen konnte, jede Information aus ihr heraus zu quetschen, wie Saft aus einer überreifen Frucht. Er hatte das geplant und zwar von Anfang an.
 

Es war schlichtweg kein Zufall.
 

Aus Hermines Vorsicht wurde Angst und aus der Angst die vertraute Panik, die sie so gut kannte.

Jegliche Flucht, jeglicher Lauf, jeglicher Kampf und die gesamte Mühe, die damit verbunden war Harry, Ron und sich selbst in Sicherheit zu wissen, waren im Angesicht von Riddles wachsendem Zorn unglaublich nichtig und blass.

Er war nur ein Junge, redete sie sich ein. Nichts weiter, wie ein Schüler – nicht mächtiger wie Harry, oder sie. Aber er war ebenso ein Mörder, nicht wahr? Tom hatte Menschen getötet, darunter Myrte und seinen eigenen Vater. War er noch lange nicht so übereifrig begabt wie sein alter Ego, war er immerhin unberechenbar und frei von Reue. Gefährlich.
 

Hermine griff in der Drehung nach ihrem Zauberstab und stockte prompt, als sie sich Riddles Eibenstab gegenüber fand, den er geradewegs zwischen ihre Augen richtete.

Ihr war bewusst, dass es ein undenkbar ungünstiger Zeitpunkt war den Waisenknaben heraus zu fordern: in seiner Zeit, zu diesen Umständen, mit ihrem Alibi, das drohte vom Schwebebalken zu fallen, weil es das Gleichgewicht verlor.

Was hatte sie ihm auch entgegen zu setzen? Sie konnte ihn nicht verletzen, ihm nicht die Erinnerungen rauben, oder anderweitig in Bedrängnis bringen. Sie konnte ihn nicht einmal töten, so sehr sie es sich wünschte, weil das Chaos dann wahrscheinlich in einer Abwärtsspirale seinen Lauf nehmen würde, die Hermine nicht einzuschätzen im Stande war.
 

Tom streckte dann sehr langsam die freie Hand nach der Gryffindor aus, angelte sich im Schutze seiner Drohgebärde ihren Zauberstab und verstaute ihn in der hinteren Gesäßtasche seiner Hose. Fernab ihrer Reichweite, fernab der Chance, sich zur Wehr zu setzen. Der Kampf war vorüber, noch bevor er begann.
 

"Sag mir, was du weißt."

Es war ein Befehl. Klar, deutlich, ohne Ansatz von Höflichkeit oder Gefühl. Toms penetranter Blick bohrte sich so tief in Hermines Augenpaar, dass sie ausweichend zur Seite blinzelte. Ihre Hände waren mittlerweile schwitzig, ihre Knie weich und ihr Herz schlug auf einer Frequenz, dass sie das Blut in ihren Ohren rauschen hören konnte.

"Und was dann? Verhext du mich und manipulierst meine Gedanken? Bringst du mich zum Schweigen, oder bedrohst du mich?" Es war eine kühne Entscheidung, das Kinn zu heben und der Sturheit ein Tor zu öffnen. Sie musste auf jeden Fall verhindern, dass Riddle seinen Willen bekam – er durfte weder mit ihren Erinnerungen spielen, noch an sie heran kommen und schon gar nicht abwägen, ihr etwas anzutun, oder ihr das Leben zu nehmen.
 

Hermine lief ein Schauer über den Rücken.
 

"Vielleicht."

Tom runzelte nachdenklich die Stirn und kam eine Spur näher, bis die Spitze seiner Waffe die Stelle auf ihrer Brust berührte, wo ihr Herz saß. Der knochenhafte Zauberstab lachte ihr dabei feixend entgegen, der Impuls seiner Magie legte sich auf sie wie ein schwerer Stein; Hermine hielt aus Reflex den Atem an. "Das kommt ganz darauf an, wessen du mich bezichtigst – und wie relevant dein Wissen ist. Bemerke ich, dass du nichts weiter machst, wie dich zu aufzuspielen, werde ich dafür sorgen, dass diese Unterhaltung nie statt gefunden hat."

Er dachte wohl immer noch, dass sie bluffte, ging möglicherweise davon aus, dass sie irgendwo ein Gerücht aufgeschnappt hatte – von William zum Beispiel. Aber konnte Hermine zu lassen, ihre Freunde in Riddles Kreuzfeuer zu manövrieren, nur um ihre eigene Haut zu retten?
 

"Das Problem ist nur", versuchte sich Hermine letztlich an einer vernünftigen Erklärung, von der sie sicher war, sie im selben Moment zu bereuen, "dass jede Entscheidung, egal welche du triffst, dein Leben beeinflussen könnte." Neben Wut, tauchte jetzt ehrliche Verwirrung auf den Zügen des Schulsprechers auf. Er blinzelte, neigte den Kopf abschätzend schief und wog die geheimnisvolle Entgegnung Hermines kurz ab. "Wie meinst du das?"
 

Hermine Granger biss sich vehement auf die Unterlippe, sie rang sichtbar mit sich selbst. Aber welche Wahl blieb ihr noch? Welchen Bären sollte sie dem Slytherin sonst noch aufbinden? Hermine gingen die Möglichkeiten aus.

"Wie du bestimmt weißt, studiert Nicholas Flamel die Formen von Zeit und Raum … Dumbledore", die Gryffindor würgte den aufsteigenden Kloß in ihrer Kehle krampfhaft hinab, "…Dumbledore hat ihn gebeten, mir dabei zu helfen, einen Weg nach Hause zu finden, denn … denn ich bin durch die Zeit gefallen."

Dangerous Confessions

A/N Japp. Zweieinhalb Jahre.

Ich habe zweieinhalb Jahre, eine Menge Brainstorming und viele Versuche gebraucht, um das Kapitel so auszuarbeiten, dass ich damit zufrieden bin. Zwischendurch ereilte mich ein Jobwechsel, meine Hochzeit und eine lange Reise über den großen Teich nach Kalifornien, weshalb ich das Schreiben notgedrungen eine Weile einstellen musste. Nichtsdestotrotz ließ mich die Story nicht los, wo das Meiste dazu fertig geskripted bereits auf meinem Computer liegt und in meinem Kopf schlummert.

Verzeiht mir die lange Wartezeit (-:
 

Vielen Dank fürs Lesen und viel Spaß beim folgenden Kapitel!

 

 
 

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What would you do if I told you I hate you?

What would you do if your life's on the line?

What would you say if I told you I hate you?

I got something that'll blow your mind, mind!

[HOLLYWOOD UNDEAD &&. DEAD BITE]
 

Egal womit Tom Riddle gerechnet haben mochte, Hermines unerwartetes Geständnis über das von ihr soeben noch streng gehütete Geheimnis brachte ihn sichtlich aus seinem Konzept, denn die sonst so perfekt geordneten Gesichtszüge entglitten dem koketten Schulsprecher prompt und machten Platz für ehrlichen Unglauben und eine deutliche Spur Misstrauen.

Schließlich begannen seine Mundwinkel tückisch zu beben – zuerst langsam, dann erkennbar, bis sich das versteckte Lachen dahinter über seine Lippen zwang.
 

In Überlegenheit senkte der Schulsprecher seinen Zauberstab. Die aufkeimende Heiterkeit auf seinem Gesicht war fern jeder Freude und mehr geprägt von Spott und unterschwellig kaltem Amüsement, das seine Verärgerung auf furchtbare Art untermauerte.

Riddle rang einen Moment nach Fassung, schüttelte zu sich selbst den Kopf und fixierte Hermine abermals mit dem unnachgiebigen Stieren eines lauernden Tieres: "Ist das so?", wollte er wissen. "Ich meine, wie sollte das möglich sein? Es gibt keine hinreichende Form von Magie, die einen Zeitsprung, geschweige denn eine Reise dieser Form begründen würde. Zumal …" Toms Blick wurde musternd schmal und er kam den halben Schritt, der sie voneinander trennte, entschieden näher. Hermine konnte seinen warmen Atem auf ihrer Haut spüren.

„Wieso?“
 

„Ich weiß es nicht. Es ist nicht so, als hätte ich das geplant -…“

Hermine war sich unschlüssig darüber, wie weit sie Tom dazu bringen konnte ihr zu glauben, ohne sie dafür sofort in die Unendlichkeit zu hexen. Nichts an ihr war glaubhaft. Mysteriös, vielleicht. Ungewöhnlich, wahrscheinlich.
 

Zeitreisende? Unmöglich.
 

Der Schulsprecher war außerdem rationaler Natur – Tom liebte den Beweis. An seiner Stelle, so gestand sich die Granger unweigerlich ein, hätte sie wohl ähnlich reagiert: misstrauisch, forschend. Wenn er also davon ausging, dass sie log, interessierte ihn die wirkliche Wahrheit hinter ihrer Fassade umso mehr – denn wer kam schon auf die Idee, sich mit einer magischen Fähigkeit zu brüsken, die bislang nicht erwiesen und in ihrer Ausführung sogar verboten galt? Es machte demnach keinen Unterschied, ob der Slytherin Hermine tatsächlich glaubte. Sie hatte sein Interesse geweckt und das machte ihr Angst.

"Beweis es", forderte Tom schließlich kühl, gepaart mit der bestimmenden Art, die Hermine so wenig an ihm mochte. Wie sollte sie ihren Lockenkopf aus dieser Schlinge manövrieren, welche sich gerade mit der Kraft einer hungrigen Boa Constrictor enger um ihren Hals zog? Überspielte Hermine ihr eigenes Geständnis, sah Riddle sie sicherlich als Lügnerin, holte die Gryffindor zur allumfassenden Wahrheit aus, wurde ihr Aufenthalt in dieser Zeit zu einem unangenehm gefährlichen Spießrutenlauf.

Jedes falsche Wort, jeder Schritt, jeder Fehler konnten verheerende Folgen mit sich bringen, wenn das nicht schon längst der Fall war.

Bravo, Granger.
 

Hermines Gedanken fuhren Achterbahn und schlugen eine scharfe Linkskurve, als sie Tom bedeutete, dass sie sich ihrer Tasche widmen musste. Der Schulsprecher runzelte darauf zwar die Stirn, entgegnete jedoch nichts, sondern ließ sie gewähren.

Die Argusaugen des Waisenknaben beobachteten dabei scharf, wie sie die Kordel des Beutels löste und dessen Inhalt mit einem vorsichtigen Schütteln an einen anderen Platz bugsierte. Sie hätte ebenso gut einen weiteren Zauberstab zücken oder einen ungeahnten Trick gegen ihn anwenden können, oder nicht? In Wahrheit war Hermine froh um die Zeit, die sie schinden konnte.

Toms Augenwinkel verengten sich, bis ein unerwartet lautes Poltern aus dem Beutel zu hören war. Hermine lachte nervös: "Das waren die Bücher“, erklärte sie flapsig. Schließlich griff die Gryffindor beherzt mit dem Arm bis zum Anschlag in die Untiefen der verzauberten Tasche. Ihre Finger streiften Slytherins Medaillon, dessen Silber sich sonderbar leblos auf ihrer Haut anfühlte, ehe Hermine das vergilbte Papier des Tagespropheten erhaschte, das sie schon Dumbledore im Tropfenden Kessel gezeigt hatte.

Doch zum Zuge kam sie nicht, weil sich plötzlich drahtige Finger mit der unnachgiebigen Kraft eines Schraubstockes um ihr Handgelenk schlossen. Tom Riddle beugte sich über den verzauberten Beutel, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten.
 

„Was ist das?“
 

"Was ist was?" Hermine schnürte es unweigerlich die Kehle zu. Sie hätte schwören können, dass Tom den Marathon, den ihr Herz vollführte, hören konnte.

Auf Riddles Gesicht schlich sich inzwischen wachsende Ungeduld; dieses Mal wartete er auch keine ausreichende Antwort ab, sondern verdrehte Hermine ein wenig den Arm, dass er besser an ihr vorbei in die Tasche blicken konnte.

Bevor die Brünette Zeit für einen Protest fand, griff der Schulsprecher selbst in den Beutel hinein und angelte zielstrebig nach dem Medaillon, welches er sogleich in seiner Hand wog, um die Kette anschließend mit prüfendem Blick um seine langen Finger zu wickeln.
 

Salazar Slytherins Schmuckstück baumelte an seiner Kette wie ein lebloser Körper am Galgen, sein Silber funkelte matt wo sich das Feuer der Fackeln auf der polierten Oberfläche brach.

Hermine erstarrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Genau das wollte sie eigentlich vermeiden – Begegnungen, die es nicht geben durfte und Handlungen, die schreckliche Konsequenzen haben konnten. Für einen Sekundenbruchteil erwartete die Gryffindor eine Regung, einen Impuls, ein Flüstern oder gar eine Explosion. Irgendwas, das Zeuge davon war, dass sich Voldemort in diesem Moment selbst begegnete und die Zeit – ihre Gegenwart – dadurch aus den Fugen geriet. Doch nichts passierte.

Hermine runzelte verwirrt die Stirn und biss sich verunsichert auf die Unterlippe. Der Drang, Riddle das Medaillon einfach aus der Hand zu schlagen, war dabei nur schwer zu bändigen.
 

"Das ist ein Erbstück Slytherins, oder? Ich erkenne es an dem Emblem. Woher hast du das?", bohrte sich Toms Stimme unnachgiebig in Hermines Gehörgang, welche einen Augenblick lang zu sehr mit der Frage beschäftigt war, was den Horcrux wohl dazu veranlasste sich so unfassbar ruhig zu verhalten. War er auf der Reise in die Vergangenheit etwa zerstört worden? Hermine hatte bislang geglaubt, das Seelenteil hätte sich gut in ihrer Tasche eingenistet. Sie mochte gar nicht dran denken, was passierte, wenn Voldemorts Horcrux den Aufenthalt in dieser Zeit nicht überlebte. Oder kommunizierten beide längst schon und sie bekam es einfach nicht mit?
 

Schließlich nickte Hermine stoisch und streckte in vorsichtiger Bestimmung die Hand aus: "Gib mir das zurück. – “

"Wieso?" Riddle hob seinen Arm ein wenig, damit das Medaillon weiter aus Hermines Reichweite verschwand; sie fühlte sich verspottet. "Es gehört dir nicht", argumentierte sie stur, ihr Kiefer mahlte. "Es gehört einfach nicht in diese Zeit, es existiert hier zwei Mal und das ist falsch. Also gib es mir zurück!"

Der Slytherin zuckte bloß die Schultern: "Aber in gewisser Weise ist es dennoch meins.“

Ein verzweifeltes Seufzen im Mundwinkel, leckte sich die Gryffindor über die Lippen und angelte in ihrem Beutel stattdessen grob nach dem Tagespropheten: "Okay, hör zu, Riddle. Bitte. Das Ding dort ist wichtig für mich“, Hermine kämpfte kurzzeitig mit ihrer Würde „Es ist meine Aufgabe, es in meine Gegenwart zurück zu bringen. Die Kette sollte genauso wenig hiersein, wie ich es bin. Gib es zurück und ich erzähl’ dir so viel, wie ich kann … aber ich kann dir nichts anvertrauen, wenn du mir nicht einmal die Chance gibst mich vernünftig zu erklären.“
 

Hermine wartete bis die alten Mauern des Schlosses ihre Worte verschlungen hatten, dann wagte sie sich behutsam nach Tom zu strecken. Der wiederum musterte das Schmuckstück zwischen seinen Fingern mittlerweile nachdenklich, leistete jedoch überraschend wenig Widerstand, als die Granger sich das Medaillon beherzt angelte und ihm stattdessen den zerbeulten Tagespropheten in die Hand drückte.

Die Aufmerksamkeit des hoch Gewachsenen schlug dabei schneller um, wie das Wetter im schottischen Hochland: zuerst knitterten sich seine Augenbrauen hinter der Zeitung bis zur Nasenwurzel, dann stockte er, strich das Papier glatt und deutete offen verwirrt, auf das Foto von Dolores Umbridge: "Diese Frau trägt die Kette. Hast du sie ihr gestohlen?“
 

"Ja. Nein…“, erwiderte Hermine zu schnell, nickte und schüttelte gleichsam wieder den Kopf. Die Situation wurde mit jedem Augenblick schwieriger und um nicht zu sagen anstrengend; Tom ließ nicht locker. "Bist du eine Diebin?" Sie winkte unwirsch ab und deutete die neuerliche Redseligkeit des Slytherins zweifellos als ein Zeichen dafür, dass er sie für nicht mehr ganz so verlogen hielt, wie wenige Minuten zuvor, wo er laut abgewogen hatte sie ins Nirvana zu hexen.

Waffenstillstand. Für den Augenblick.

Plötzlich wurde der Schulsprecher auffällig ruhig die Aufmerksamkeit zurück auf den Tagespropheten gerichtet, eine steile Falte auf der sonst so makellosen Stirn, die erahnen ließ was in seinem Kopf gerade vor sich gehen mochte. Seine grauen Augen tanzten sichtbar über die Zeilen, die Nachrichten, die Buchstaben und endlich auch das Datum. Wenn er verstand, was für eine Reise Hermine hinter sich hatte, so verbarg er seine Reaktion allerdings ziemlich gut.  

"Kennen wir uns in deiner Zeit?“, fragte Tom.
 

"Das darf ich dir nicht sagen", konterte Hermine leise; und es stimmte. Es stimmte und Riddle wusste es. "Natürlich nicht. Wie dumm von mir", der Slytherin presste den Mund zu einem ironischen Strich zusammen und gluckste hohl: "Das bedeutet, du könntest dennoch bluffen. Ich muss dir glauben – trotzdem verrätst du mir höchstens nur Triviales, denn alles andere könnte wohl deine Zeitlinie durcheinander bringen, oder unser beider Existenzen gefährden, wie du behauptest.

Wiederum hältst du mich auf einer Armlänge Abstand, weil du die Macht hast mir mit meiner Zukunft zu drohen. Sehr clever. Du könntest alles wissen, und doch nichts." Hermine reagierte mit einem ruhigen Zwinkern, sie merkte kaum wie sie vor Angst und Anspannung den Atem anhielt: "Also glaubst du mir?"
 

"Dumbledore tut es, oder? Und diese Sache mit Nicholas Flamel ..? Nun, es ist haarsträubend und, um nicht zu sagen, das Verrückteste was ich je gehört habe … aber dennoch … –" Riddles Daumen strich über das alte Zeitungspapier, er rieb es flüchtig zwischen den Fingern, nur um zu prüfen ob es echt war.

„Hast du dieser Frau das Medaillon tatsächlich gestohlen, oder nicht?“ Hermine strich sich das Haar hinters Ohr: „Ich bin keine Diebin…“, wich sie der Frage ungeschickt aus.
 

Schweigen.
 

Die Kälte, die von der Mauer ausging, verursachte Hermine Gänsehaut; sie steckte Slytherins Relikt langsam in den Beutel zurück.
 

„Du darfst mir nicht sagen, ob wir uns kennen – aber du weißt, was ich getan habe“, wiederholte Tom dann nach einer Weile besonnen ihre Worte, ihre Handlung beobachtend, mit missbilligt gekräuselten Falten zwischen den Augenbrauen.

Die Möglichkeit, plötzlich von ihrer Verschwiegenheit abhängig zu sein, dämmerte ihm wohl langsam. Dabei war der Anflug von Zorn, der jetzt von ihm ausging, auf Hermines unverblümte Erpressung verständlich. Reue fühlte sie dabei keine.

„Genug, um dich zu belasten.“

Riddles Adamsapfel presste sich sichtbar gegen den steifen Kragen seines Hemdes, als er hart schluckte. Hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten, vielleicht wog er jetzt doch darüber ab, ob er sie am Leben ließ oder auf der Stelle umbrachte und inwieweit er das Risiko eingehen wollte, seine Zeitlinie dadurch zu beeinflussen.

„Ich sage nichts, wenn du nichts sagst, Riddle“, bot Hermine Tom an, worauf er mehrmals hintereinander blinzelte. „Versteh’ mich nicht falsch, es ist mir in keiner Weise egal was du getan hast. Du musst dich vor mir nicht verstellen und du kannst mir nichts vormachen. Ich will nur zurück nach Hause in meine eigene Gegenwart, nicht mehr und nicht weniger. Selbst wenn ich dich aufhalten wollte – und glaube mir, das würde ich nur allzu gern – steht es nicht in meiner Macht das zu entscheiden, wenn ich keine Katastrophe auf meiner Zeitachse verursachen will. Manche Dinge passieren eben, und dazu gehören du, deine Taten und deine Arroganz nun mal auch.“
 

Hermine holte tief Luft und erklärte sich weiter, bevor Tom eine Möglichkeit fand sie in ihrem wackeligen Wagemut zu unterbrechen: „Am besten gehst du mir einfach aus dem Weg...“

„Das bedeutet, ich muss dir vertrauen“, konterte er mit einer wieder gefundenen Sanftheit in der dunklen Stimme, die schneidend ihrem Todesurteil glich. Der Slytherin neigte abwägend den Kopf: „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Mit einem Blick zurück auf den Tagespropheten, kräuselten sich seine Lippen in ein verzerrtes Lächeln. Er rollte die Zeitung auf, hakte sich mit dem Zeigefinger bei Hermines Beutel ein und öffnete die Kordel weit genug, um den Tagespropheten hineinfallen zu lassen.

„Ich fürchte diesen Gefallen kann ich dir nicht tun, Hermine. Nein, ich fürchte sogar, du wirst meine Anwesenheit noch eine Weile länger ertragen müssen, bis du einen Weg gefunden hast, um in deine Zeit zurück zu kehren. Selbst wenn ich es bin, der dein Rätsel löst  – sofern dein ganzes Gerede wirklich der Wahrheit entspricht."
 

Da war sie wieder, Riddles grenzenlose Überheblichkeit.

Hatte Hermine angenommen, Tom würde sie einfach so in Ruhe lassen? Hatte sie wirklich geglaubt, sie konnte ihm von Zeitreisen erzählen, von der Zukunft, seine dunkelsten Geheimnisse ausplappern und verschwinden? War sie naiv genug zu glauben, Tom würde riskieren sie unbeobachtet zu lassen?

Hatte sich vorhin eine Schlinge um Hermines Hals gelegt, fühlte sie sich jetzt wie an die Leine genommen, mit dessen Ende der Schulsprecher zwirbelte. Er machte ihr Glauben, in Kontrolle zu sein und schenkte ihr das Gefühl von Überlegenheit. Doch er würde sie nicht gehen lassen. Nicht ohne weiteres.

Hermine schätzte, dass Tom sie im Zweifelsfall wirklich beseitigte und eine Veränderung der Zeit in Kauf nahm, das geringere Übel wählte sozusagen. Zwar war er kein Narr und verabscheute unnötige Risiken über die er keine Kontrolle hatte, konnte die Granger jedoch nur ahnen wozu der Slytherin fähig war, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlte. Schlangen schnappten zu, sobald ihr Leben in Gefahr war.
 

Das boshafte Funkeln seiner Augen verriet seinen Wahn, das flüchtige Zucken seiner Mundwinkel bestätigte ihre Furcht. Er spielte das Spielchen mit, noch. Wenn Hermine klug war, hielt sie Toms Interesse an ihrer Person aufrecht so lange sie konnte. Ein neuerlicher Drahtseilakt.
 

„Komm…“, entschied Tom schließlich, machte der Gryffindor höflich Platz und wies einladend auf den Wandteppich, durch welchen er sie Augenblicke zuvor so unsanft gestoßen hatte. „Deine neuen Freunde warten sicher schon auf dich, wollen wir ihnen keinen Grund geben, sich Sorgen um dich zu machen.“

Last Chance to lose control

 

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'Cause I want it now

I want it now

Give me your heart and your soul

And I'm breaking out

I'm breaking out

Last chance to lose control

[MUSE &&. HYSTERIA]


 

Tom Riddle die Wahrheit über sich und ihre missliche Situation auf dem Silbertablett zu servieren war, gelinde gesagt, das Dümmste, was Hermine in ihrer Impulsivität und im Kampf um ihr Leben hätte einfallen können. Besonders, nachdem sie wochenlang beinahe erfolgreich jedem Versuch aufzufliegen aus dem Weg gegangen war. Dass er das Wissen über ihre Realität nun nicht zu seinem Vorteil nutzte, war nichts, worauf der Lockenschopf wetten wollte.
 

Es überraschte Hermine dann trotzdem, dass er ihr ohne Weiteres ihren Zauberstab zurück gab; der Schein musste immerhin gewahrt bleiben, sagte er dazu. Und außerdem, hatte Tom kokett angemerkt, wollte er der Gryffindor nicht die Chance nehmen, sich im Fall der Fälle adäquat zu verteidigen. Alles andere wäre, in seinen Augen, schließlich absolut unsportlich.
 

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Granger abwog, Tom Riddle mit Anlauf in sein perfekt symmetrisch geschnittenes Gesicht zu springen und ihm mit Händen und Füßen klarzumachen, was sie von ihm hielt. Und dennoch – trotz dem Gefühlscocktail aus Wut, Scham und Abneigung, fühlte sich Hermine miserabel, ja schlicht und ergreifend von Riddle bedroht, wie jede andere Person die in ihre Lage geraten wäre.

Er hatte sie just nach ihrem Gespräch hinter dem Wandteppich zu seiner neuen Errungenschaft auserkoren. Sich dieses Problem vorbehaltlos einzugestehen fiel dem Lockenschopf im Zuge dessen nicht unbedingt leicht, wo der vermeidbare Konflikt mit dem Schulsprecher einfach ihr Ziel in Gefahr brachte, wohlbehalten in einem Stück nach Hause zurück zu kehren.
 

Dumme Granger, sie hätte wenigstens versuchen können, ihn länger hinzuhalten!

Doch Tom Riddle entwickelte sich schnell zu einem sehr motivierten Spürhund, wenn es darum ging für ihn interessanten Spuren zu verfolgen. Dieses unangenehme Aufeinandertreffen in den Gängen war demnach absehbar gewesen. Noch dazu war Voldemort in ihrer Zeit berüchtigt für seine Legilimentik; zwar traute sie dem Siebtklässler so viel Klasse noch nicht zu, unterschätzen wollte sie Riddles Ehrgeiz, in die Köpfe anderer Leute einzudringen, allerdings nicht.
 

Gerade deshalb glaubte Hermine, dass es besser war Riddle so lange wie möglich bei Laune zu halten, anstatt ihn sich direkt zum Feind zu machen. Nur der Teufel hatte eine Idee, zu welchen Mitteln der Waisenjunge greifen würde, falls er mit ihr die Geduld verlor.

Immerhin durfte man auch nicht vergessen, dass Tom Riddle bereits mehrmals unter dem Deckmantel der Unschuld gemordet hatte, zuletzt verging er sich an seinem eigenen Vater. Sein Antrieb war ja stets derselbe: in Riddles Welt drehte sich einfach alles nur um ihn. Und sobald Tom seine Komfortzone gezwungen war zu verlassen, beziehungsweise etwas nicht so lief, wie er sich das vorstellte, korrigierte er schlicht und ergreifend die Welt um sich herum. Oder dachte sich Konsequenzen für andere aus, die an Perfidität, Gewalt und Sadismus oft nicht mehr zu überbieten waren.
 

Genau dieser Balanceakt sollte Hermine und ihre Impulsivität aber bald auf eine fürchterliche Probe stellen. Denn wenn Hermine eines werden konnte, dann direkt. Und wenn sie eines liebte, dann auszusprechen wofür sie strebte und kämpfte. Früher oder später würden also zwei Naturgewalten aufeinanderprallen; aber obgleich die Gryffindor in ihre magischen Fähigkeiten vertraute, so war ihr klar, dass ihr der Schulsprecher wohl überlegen war. Denn anders als sie, machte er sich weder etwas aus Moral, noch aus Grenzen.
 


 

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Als wäre die aktuelle Situation nicht irgendwie schon prekär genug, stand Riddle zu ihrer absoluten Missbilligung am darauf folgenden Montagmorgen beim Eingang des Gryffindor-Gemeinschaftsraums bereit, um sie abzupassen. Unter den gemischten Blicken ihrer Klassenkameraden, die von Unglauben bis offen dargelegten Neid reichten, blieb der Brünetten also keine andere Wahl, wie die aufgezwungene Anwesenheit des Schulsprechers Zähne knirschend und unter hoch rotem Kopf widerstandslos hinzunehmen. Dass sich die Gryffindor überrumpelt vorkam, glich einer Untertreibung.
 

"Einen wunderschönen guten Morgen auch dir, Hermine", zirpte Tom in so aalglatt guter Laune, dass sie ihn dafür am Liebsten sofort mit bloßen Händen von der Großen Treppe gestoßen hätte. Seine aufgesetzte Freundlichkeit, die so gar nicht seinem wirklichen, aufgeblasenen Ego entsprach, machte Hermine schwindelig. Wie konnte man gleichzeitig so authentisch und falsch sein?

"Such' dir ein anderes Hobby, Riddle", murmelte die Granger angespannt, entlockte dem Schulsprecher dabei jedoch nur den Anflug eines amüsierten Lächelns. Er sah in ihr ganz klar keine ebenbürtige Gegnerin – was ihre voran gegangene Erpressung hinter dem Wandteppich, ihn anzuprangern, obsolet aussehen ließ.
 

Sofern Riddle eine Spur Unbehagen ihr gegenüber hegte, zeigte er sie nicht.
 

Sollte er sie ruhig unterschätzen, dachte Hermine – das verschaffte dem Bücherwurm einen wesentlichen Vorteil, den sie brauchte um sich Gedanken darüber zu machen, wie sie den Wunderknaben mitsamt seiner Arroganz loswurde oder wenigstens so lange beschäftigte, bis sie eine Lösung gefunden hatte, um dieses Jahrhundert endlich zu verlassen.

Doch erst einmal tat ihr Tom keinen Gefallen sie in Ruhe zu lassen, sondern ganz im Gegenteil bedrängte sie mit wachsender Bevormundung, die ringsum von ihren Mitschülern allenfalls als übertriebene Zuvorkommenheit wahrgenommen wurde, Hermines Blutdruck allerdings schnell zum Köcheln brachte.
 

So begleitete Riddle die Gryffindor zur Großen Halle, an ihren Haustisch, von einem Klassenzimmer ins nächste, mischte sich unbekümmert in ihre Arbeit im Unterricht ein und versuchte Hermine praktisch so diskret wie möglich ihrer Selbstständigkeit zu berauben. In einem Moment, wo der Dunkelhaarige verführt war sogar kühn nach ihrem Beutel zu greifen, schlug Hermine ihm reflexartig hart mit dem Zauberstab auf die Finger.

Je mehr er sich ausmalte sie zu lenken, desto weniger musste er sich Sorgen darüber machen, dass sie etwas aushecken konnte, was ihm bestenfalls entgehen oder schlimmstenfalls seiner Glaubhaftigkeit an der Schule schaden würde. Hermine hatte zudem sofort seine bodenlose Neugierde durchschaut, als er an diesem Morgen ungefragt darüber bestimmte, ihre Schulbücher zu tragen, nur um in ihnen herumzublättern. Falls er enttäuscht darüber war, außer schulischen Notizen nichts von Belang zu finden, verbarg er es gut.
 

Man musste kein Genie sein, um zu bemerken, dass Riddle sie in Reichweite wissen wollte und gleichsam so neugierig über ihre Wahrheit war, dass er vor Fragen praktisch drohte zu platzen. Irritierender Weise erkannte sich die Granger in dieser Wissbegier irgendwie wieder.
 

"Ich beneide dich ja schon ein wenig darum, dass er dir seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt", eröffnete Lisa Hermine schließlich beim Abendessen, die kurz davor war ihrer schwärmenden Klassenkameradin anzubieten, bitte einfach mit ihr zu tauschen.
 


 

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Die darauf folgenden Abende versuchte die Zeitreisende wortkarg zwischen ihren Büchern im Gemeinschaftsraum zu verbringen und somit den Fragen ihrer Klassenkameraden, was denn Tom Riddle für ein Interesse an ihr zu hegen begann, entschieden aus dem Weg zu gehen.
 

Wie gut, dass sie nur wenige Tage zuvor einen Folianten über "Raum, Zeit und Studien wilder Zauberey" aus der Bibliothek ausgeliehen hatte. Dadurch ersparte sich Hermine wenigstens Riddles dauerhafte Präsenz an einem ihrer Lieblingsorte.

Ob er spekulierte, wie er an seine Zukunft gelangen konnte?

Wirklich überrascht hätte sie das nicht, im Grunde rechnete Hermine sogar fest damit. Sie wollte Dumbledore unlängst über Riddles Einmischung in Kenntnis setzen, doch wie dieser bereits angekündigt hatte, war er auf Reisen, so dass das Gespräch zwischen ihnen warten und Hermine erst einmal alleine mit dem ehrgeizigen Slytherin fertig werden musste.
 

Beim Morgengrauen am Mittwoch schloss sich Hermine dann einer Traube von Frühaufstehern zum Frühstück an und hoffte, dass sie im Schatten des breitschultrigen Thoran unbemerkt an dem bereits wartenden Slytherin vorbeiziehen konnte.
 

Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.
 

"Guten Morgen, Hermine", schlängelte sich abermals die seidig tiefe Stimme in ihren Gehörgang und machte sie prompt im Schritt stoppen; sie hatte nicht einmal bemerkt, wie Riddle sich an sie heranwanzte, erkannte jedoch rechtzeitig seinen Versuch nach ihrer Tasche zu greifen und machte daraufhin einen kleinen Ausfallschritt zur Seite. Dabei kollidierte Hermine unweigerlich mit Diana und Artemis; die Mädchen gerieten allesamt überrascht ins Taumeln.

"Guten Morgen, Tom!", grüßten die Vertrauensschülerin und ihre Freundin dennoch höflich, wobei Hermine den sanften Druck von Dianas Hand auf ihrer Schulter spürte als sie ihre Hauskameradinnen flunkernd an ihr vorüber gehen und zu Thoran aufschließen sah, der mit Lupin inzwischen ein gutes Stück Vorsprung hatte.
 

Damit stand Riddle wieder einmal mit seinem ungezügelten Kontrollzwang zwischen ihr und ihrer Selbstbestimmung, das graue Augenpaar in absoluter, beinahe ungeduldiger Erwartungshaltung auf sie gerichtet. Seine Selbstbeherrschung in allen Ehren, mochte er es nicht, wenn man ihn warten ließ und machte daraus keinen großen Hehl.

Die Gryffindor indes atmete hörbar aus und spekulierte, ob sie einfach kehrt machen und in den Gemeinschaftsraum zurück laufen sollte.

"Wollen wir?"

Nein. Sie wollte nicht. Ihre Hände begannen mit einem Mal zu zittern, weshalb sie der Lockenkopf schnell zu festen Fäusten ballte, bis sich die Fingernägel schmerzhaft ins Fleisch ihrer Handinnenseiten bohrten. Es war absoluter Irrsinn, jetzt ihren Gefühlen nachzugeben, sich praktisch emotional vor ihm zu entblößen und mit ihm anzulegen. Noch dazu auf offenem Gang. Doch, sie ertrug seine schreckliche Maskerade einfach nicht länger, sie… –
 

"Nein!", brach es dann unerwartet heftig aus Hermine heraus. Ihre Stimme war so schrill, dass sie an den kalten Schlosswänden abprallte, wie das Geschrei einer Banshee.

"Nein, ich will nicht… - !" keifte der Lockenschopf weiter in die mit einem Mal leicht konsternierte Miene des Dunkelhaarigen, ehe sie die verwirrten und besorgten Blicke ihrer Hauskameraden über Riddles Schulter wahrnahm, welche sich mittlerweile zu ihnen umgedreht hatten.

Hermine bemühte sich vehement um das letzte Fünkchen Zurückhaltung, das wie eine Alarmglocke in ihrem Hinterkopf bimmelte.

Ich will nichts mit dir zu tun haben! Nicht deine Gegenwart ertragen müssen! Nicht dein überhebliches Gesicht sehen oder deine Stimme hören müssen!, überschlugen sich die Gedanken wild hinter ihrer Stirn, ehe sie sich abermals so klar und deutlich wie möglich an den Slytherin gewandt wiederholte:
 

– "… ich will nicht, Riddle!"
 

Den Augenblick der Irritation auf ihrer Seite, verfiel Hermine danach prompt in einen lange antrainierten Fluchtmodus, um haltlosen Schrittes an Tom vorüber und durch die Gruppe Gryffindors hindurch zu rauschen, ohne sich noch einmal nach ihnen umzusehen.
 


 

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"Ist das wirklich so passiert?"

"Es ging wohl um die Halloweenfeier am Samstag… er soll sie gefragt haben, ob sie mit ihm hingeht. Hab ich jeden Falls gehört…"

"Von wem?"

"Wird auf den Gängen gemunkelt. Hawking muss komplett die Fassung verloren haben…"

"Und glaubst Du, das stimmt..?"

" – eigentlich verbringt sie eher Zeit allein. Sie hat damit vielleicht gar nicht gerechnet. Immerhin ist sie ja neu."

"Es wundert mich nicht. Sie ist sehr angespannt, seit sie hier ist."

"Naja, sie hat ihre gesamte Familie im Krieg verloren… oder?"

"Du hättest mal Riddles Gesicht sehen sollen… –"

"Bin mir sicher, dass er die Absage nicht hat kommen sehen, erschüttert ihn bestimmt. Armer Tom. Wäre mir ja sehr peinlich, an seiner Stelle und vor den ganzen Leuten. Hab gehört, der gesamte Gryffindor-Gemeinschaftsraum hat's mitgekriegt."

"Wie? Riddle war im Gemeinschaftsraum?"

"Nein, am Eingang natürlich!"

"Sehr indiskret."

"Eher stümperhaft, er hätte sie per Eule einladen sollen."

"Meiner Meinung nach hat sie sich richtig entschieden… außerdem gehört es sich nicht, sich darüber das Maul zu zerreißen –"

"Ist das dein Ernst? Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen! Er ist so nett… Wenn du mich fragst, hat sie überreagiert… Wahrscheinlich hat ihn Slughorn auf die Idee gebracht… sie sitzen in Zaubertränke immerhin zusammen und Slughorn scheint sie zu mögen..."
 

"Achtung, sie kommt."
 

Nein, die Große Halle verfiel nicht in peinliches Schweigen, als Hermine eintrat. Das Mittagsgetümmel war in vollem Gange, es roch herrlich nach Kürbispastete, Suppe, Würstchen und Speck. Der Lockenkopf widerstand dem Drang vereinzelten, neugierigen Blicken zu begegnen und fiel beinahe kleinlaut auf den freien Platz neben William Potter am Haustisch; der grinste herzlich und für einen Wimpernschlag breitete sich eine wohlige Vertrautheit in Hermines Magengegend aus. Potter erinnerte sie in seiner Art sehr an ihre Freunde und wenn sie gerade eines gut gebrauchen konnte, dann einen Strohhalm an den sie sich klammern durfte, um nicht komplett den Verstand zu verlieren.
 

"Da bist du ja! Alles in Ordnung? Du siehst ein bisschen blass aus. Hat dir Riddle heute Morgen etwa in den Tee gespuckt?" Thoran räusperte sich streng, aber das hielt Bill nicht davon ab, neckisch gegen Hermines Schulter zu stoßen.

"Hab gehört, du hast ihn ziemlich alt aussehen lassen. Kann mir nicht vorstellen, dass ihm jemals jemand erklärt hat, dass ein Nein nun mal ein Nein ist. Besonders das Nein einer Frau." Der Lockenschopf spürte, wie ihre Wangen warm wurden und behalf sich schnell mit einer Pastete. Sie hatte wirklich die Beherrschung verloren. Was für Kreise dieser Gefühlsausbruch ziehen würde, ahnte sie gerade nicht; genauso wenig wie sie ahnte, wie viel ihre neuen Freunde davon tatsächlich mitbekommen haben.
 

"Wir haben uns ziemlich große Sorgen gemacht, weil du nicht in Zaubertränke warst."

"Mir ging es nicht so gut, darum war ich im Krankenflügel", entgegnete Hermine recht wahrheitsgemäß. Einmal abgesehen davon hatte sie keine Kraft mehr für dieses Theater, den Unterricht und die Zeit, die sie damit verlor. Nachdem ihr die Krankenschwester ohne Umschweife etwas Ruhe verordnete, nutzte Hermine die unerwartete Freistunde für Recherchen in der Bibliothek. Am liebsten hätte sie geweint; Selbstmitleid war allerdings keine Option.
 

Dabei war sie auf einige, wenige und leider nur sehr kurze Aufzeichnungen über Zeitreisen gestoßen, die jedoch überraschend neue Erkenntnisse enthielten. So behauptete Ambrosios Karamanlis, ein Zauberer der Alten Griechen, dass er über die Alte Magie beobachtet haben wollte, wie die Zeit in einer stringenten Linie verlief, die er für unumstößlich hielt.

Er verwies unter anderem auf die Forschung ägyptischer Mystiker und stellte die Behauptung auf, dass, sobald etwas oder jemand die Zeit verließ, eine weitere und damit alternative Linie entstehen würde, welche die bisherige konstante Linie nicht weiter beeinflusste, sondern ab diesem Punkt für sich selbst existierte.

Getestet worden war das von Ambrosios freilich nicht; das Experimentieren an der Zeit galt in der Magie schon immer als Tabu und Abschriften schwarzmagischer Erkenntnisse hatten es dazu nicht in die Schulbibliothek geschafft. Die Angst, universales Chaos zu verursachen war verständlicher Weise zu groß. Doch schon die Möglichkeit dieser Vermutung würde praktisch alles um Hermines Hiersein drastisch verändern. Insofern nahm sie sich vor, Nicholas Flamel auf Slughorns Halloweenfeier zu dieser Hypothese zu befragen.
 

Das erinnerte sie an etwas.
 

"William – hast du Samstag Abend schon etwas vor? Möchtest du mich eventuell zum Slugclub begleiten?"
 

Ginge es nach Hermine, wäre sie einfach alleine auf der Festlichkeit erschienen. Da sie hier offensichtlich eine Verfechterin traditioneller Gepflogenheiten war (um es höflich zu umschreiben) und ein alleiniges Auftauchen nur für mehr Unmut und unnötiges Gerede gesorgt hätte, blieb ihr fast nichts anderes übrig, wie sich einen Begleiter für den Abend zu suchen; ungeachtet der Gerüchte, die sich langsam wie Gift im Schloss auszubreiten begannen und von denen sie keine Ahnung hatte.

William schien dafür wie gemacht. Sie mochte ihn und Potter war dreist genug es im Fall der Fälle mit Riddle aufzunehmen, was ihr wiederum genügend Raum für ein Gespräch mit Flamel verschaffen konnte. Hermine betete nur, dass Ron ihr das verzieh, sobald sie ihm davon erzählte.  

William machte ein verdutztes Gesicht und schluckte das Stück Pastete hinunter, das ihm über die Lippen krümelte. Am Tisch war es jetzt tatsächlich auffällig still geworden; doch bevor Hermine sich fragen konnte, ob sie etwas falsches gesagt haben könnte, grinste der Quidditchkapitän verschmitzt bis über beide Ohren, richtete sich kerzengerade auf und lachte herzhaft bellend, dass es wahrscheinlich sogar der Slytherintisch hörte: "Oh, aber es wäre mir ein Vergnügen dich zur Halloweenfeier zu begleiten, Hermine!"

Pride, Prejudice and Pumpkins


 

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Someone taught you wrong, kid

Done it that way so long

Got this whole thing turned upside down on its head

Still listenin' to that thing under your bed

And it won't stop until it's fed

[MURDER BY DEATH &&. NEVER BE]


 

Seit Hermine William zu ihrem Begleiter für die Halloweenfeier auserkoren hat, umschwirrte er sie mit der Energie eines aufgeregten Schnatzes. Im Vergleich zu den vorherigen Tagen, wo sie unfreiwillig unter Riddles aufdringlicher Beobachtung stand, war Billys Stimmung geradezu ansteckend und um nicht zu sagen, regelrecht erquickend.

Das schlechte Gewissen gegenüber Ron, den sie über alle Maßen vermisste, konnte der Lockenschopf dabei allerdings nicht ganz wegrationalisieren, weshalb sie darauf bedacht war, William stets auf höflichen Abstand zu halten.

Die schiere Unbekümmertheit, die der Quidditchkapitän am Freitag versprühte, war dennoch laut und deutlich und somit für ausnahmslos jeden im Schloss vernehmbar. Wenn Bill gute Laune hatte, durfte davon die ganze Welt erfahren!

So viel Glück, wie er mit Hermine für den baldigen Abend hatte, bestand inzwischen sogar eine reelle Chance, dass er irgendwann gewiss den Preis für das charmanteste Lächeln gewann.

Er war überzeugt!
 

"Sicher, Potter, die Hausfrauen werden sich um dich reißen", quittierte Araman Lestrange die kindisch in die Höhe gebauten Luftschlösser des Gryffindors mit einem enervierten Augenrollen, als die Siebtklässler das Klassenzimmer für Zauberkunst verließen und über die schmalen, alten Holztreppen den langen Weg nach unten zur Haupthalle des Astronomieflügels einschlugen.
 

"Na, wenigstens ist mein Stammbaum dann kein Kreis, Lestrange!"

Hermine war überrascht, dass sogar Abraxas Malfoy lachte, der sich von Araman im selben Atemzug einen heftigen Stoß in die Rippen einfing, bevor er sich merklich erzürnt mit der filigranen Grazie eines aufgebrachten Wiesels an ihrer Gruppe vorbei drängte, damit er William am Fußende der Treppe ohne Umschweife zur Rede stellen konnte.
 

"Verspottest du meine Familie, Potter?"

Bills Grinsen nahm einen Anflug von Entzücken an: "Wieso, hab ich da etwa einen Nerv getroffen, Lestrange?" Aramans Finger zuckten verdächtig und Hermine war sich sicher, er würde seinen Zauberstab ziehen, um den Schlagabtausch auf anderer Ebene zu fortzuführen: "Sieh dich nur an, Potter. Treibst dich mit Schlammblütern herum und feierst dich auch noch dafür. Wie tief deine Familie gesunken ist… sympathisierst mit dem Dreck unserer Gesellschaft. Du bist eine Schande."

Das strähnig schwarze Haar des Slytherins, das sein schmales Gesicht umrahmte, fiel ihm leicht in die hohe Stirn, indes er Hermine, die neben William stand, mit einem sehr hässlichen Blick bedachte.

Ihr Mund wurde trocken und sie spürte wie ringsum alle unweigerlich den Atem anhielten. Ein Paar Siebtklässler hatten sich unlängst entschieden, einen anderen Weg durch das Schloss einzuschlagen und dem drohenden Konflikt der beiden Jungen kommentarlos zu entgehen.
 

Schlammblut.
 

Zu oft hatte sie diese unliebsame Beleidigung in ihrer Schulzeit auf Hogwarts und danach ertragen müssen. Reinblütige Familien wie die Blacks, die Malfoys oder die Lestranges machten zwischen Muggelgeborenen und Halbblütern keinen großen Unterschied; niemand aus solchen Familien verdiente es in den Augen der sogenannten "altehrwürdigen Blutlinien", sich Hexe oder Zauberer zu schimpfen sobald ein Muggel beteiligt war, weshalb stets dafür gesorgt wurde, [style type="italic"]die Unterschicht[/style] über ihren Platz in der Gesellschaft in Kenntnis zu setzen. Toujours Pur.
 

Aus manchen Köpfen würde das Motto der Reinblütigkeit auch nie verschwinden, denn selbst über 50 Jahre später war für manche die Herkunft wichtiger als die Hexe, oder der Zauberer. Dolores Umbridge war ein Paradebeispiel für dieses elitäre, zwischenmenschliche Verhalten weit abseits Voldemorts fanatischen Anhängern. Was sie manchmal noch unberechenbarer machte, wie den Schwarzmagier selbst.
 

Hermine traf die Beleidigung trotzdem nicht ganz so hart, wie Araman es wahrscheinlich vermutete, denn der Lockenschopf konnte nach allen vergangenen Abenteuern von sich behaupten, es mit Fassung zu ertragen, wenn Leute wie Lestrange sie in der Öffentlichkeit diskriminierten.  

William war da anders.

Der Quidditchkapitän schnellte sofort voran und holte entschieden zum Faustschlag aus. Seine Stimmung kippte, wie ein Fähnchen im Wind, um Hermine mutig zu verteidigen.

Ohne den beherzten Körpereinsatz von Thoran und Lupin, welche sich gleichzeitig auf Potter warfen um ihn mit aller Kraft an den Armen zurück zu halten, wäre der Konflikt der Schüler bestimmt an Ort und Stelle eskaliert.

"Ah", bemerkte Araman triumphierend mit einem dünnlippigen Lächeln, "Du verhältst dich schon selbst wie einer dieser Affen. Würde- und talentlos. Passt zu dir, Potter."
 

"Lass dich nicht provozieren, Bill. Das ist doch genau das, was er erreichen will!"
 

Sogleich wandte sich Thoran mit mahnender Stimme direkt an den Slytherin: "Und du, reiß dich zusammen, Lestrange. Du weißt, dass solche Beleidigungen hier auf Hogwarts nicht geduldet werden. Für das Verhalten meines törichten Freundes entschuldige ich mich."

Aramans Geringschätzigkeit strahlte in hohen Wellen von seinem Körper aus und gerade, wo sich der Ausdruck in seinen Augen verhärtete und er einen abwertenden Kommentar nachsetzen wollte, schnitt eine weitere Stimme mit der Sanftheit einer frisch polierten Klinge durch die angespannte Situation: "Was ist hier los?"
 

Riddle stand am oberen Treppenabsatz; sein Buch aus Zauberkunst, das schon bessere Tage gesehen hat, klemmte geschäftig unter seinem Arm. Für einen Moment war sich Hermine nicht sicher, ob er schon die ganze Zeit dort gestanden, oder tatsächlich gerade erst zu ihnen aufgeschlossen hatte; die Dunkelheit des schmalen Aufgangs ummantelte ihn so stark, dass er praktisch mit seiner Umgebung verschmolz. Sie hatte Riddle, wie so oft, einfach nicht bemerkt.
 

"Ich bin mir sicher, dass er den Slytherins immer wieder einen Vorteil verschafft. Wegen ihm bekam ich eine Quidditchsperre, weil ich Ellen Cracknell helfen wollte. Sie wurde von Nott als Schlammblut bezeichnet und regelrecht von ihm bedroht. Ich schwöre bei Merlins Bart, der Kerl hat einfach weggesehen!", William hatte ihr gleich am Anfang seine Missgunst gegenüber Tom deutlich gemacht und jetzt, wo sie sich mittendrin befand, verstand sie auch warum. Kein Wunder also, dass Thoran und Lyail beherzt eingriffen, um Billy weitere Probleme mit den Slytherins zu ersparen; denn ganz offenbar saß Bill am kürzeren Hebel, wenn es um das Verteilen der Konsequenzen ging.
 

Araman und die Gryffindors lenkten ihre Aufmerksamkeit geschlossen auf den Schulsprecher, dessen unbewegte Mimik nicht verriet, wie er die Gesamtsituation bewertete.

"Nichts, Tom", meldete Thoran mit der Ernsthaftigkeit eines Vertrauensschülers, der sich in der Pflicht sah, den Streit irgendwie aufzulösen und klopfte William dabei etwas härter wie notwendig gewesen wäre auf den Rücken. "Nur eine lapidare Meinungsverschiedenheit… –"
 

" – Lestrange hat mich ein Schlammblut genannt."
 

Es sprudelte einfach aus Hermine heraus.
 

Vielleicht aus Selbstschutz, vielleicht, weil sie genug davon hatte.

Thoran entschied sich immerhin dazu, die Wahrheit herab zu spielen – "lapidare Meinungsverschiedenheit" nannte er das. Er wählte für sich den einfachen Weg, der zwar nicht verwerflich, jedoch moralisch irgendwie auch nicht in Ordnung war. Dennoch hat Araman gegen eine Regel verstoßen und sie dabei offen beleidigt; von der Provokation an William ganz zu schweigen. Mit einer einfachen Meinungsverschiedenheit hatte das nichts mehr zu tun.

Ihre braunen Augen huschten flüchtig von einem Gesicht zum nächsten. Thoran wirkte betroffen, William ausgesprochen wütend, Araman, Lupin, selbst Malfoy wichen ihrem forschenden Blick aus.
 

Tom sah sie hingegen an und zum ersten Mal, seit sie auf Hogwarts angekommen war, glaubte sie auf seinem im Halbdunkel versteckten Gesicht eine Regung unter der stoischen Gelassenheit wahrzunehmen. Sie konnte sich aber auch täuschen.

Noch bevor Araman, William oder ein anderer Schüler aus ihrem Perplex heraus etwas zu ihrer eigenen Verteidigung erwidern konnte, machte Hermine auf dem Absatz kehrt und eilte weiter in Richtung Foyer.
 


 

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"Hermine! Hermine, warte!", Diana klang sehr atemlos, wie sie laufend zu der Granger aufschloss und sie mit einer sanften Geste im Schritt stoppte. Hermine hatte gerade den Verwandlungshof überquert und sich wider ihrer strebsamen Natur dazu entschlossen den anstehenden Haushaltsunterricht durch weitaus sinnvollere Arbeit in der Bibliothek zu ersetzen; immerhin hatten die Siebtklässler etliche Hausaufgaben zu erledigen und Hermine wollte die Möglichkeit nutzen, in aller Ruhe über Ambrosios Karamanlis nachzulesen. Daher steuerte der Lockenschopf nun zielstrebig auf die Haupthalle zu, als Diana sie endlich einholte.
 

"Sport ist wirklich keine meiner Stärken", Morrison stützte sich flüchtig mit den Händen auf ihren Knien ab und rang sichtlich nach Fassung. Diana zugewandt bemerkte Hermine, dass ihre Klassenkameradin gemeinsam mit Lisa und Artemis gekommen war. Die Mädchen mussten ihr aus dem Astronomieflügel heraus gefolgt sein und bedachten Hermine nun mit einer herzlichen Fürsorglichkeit: "Geht es dir gut?", fragte Artemis.

Dem Lockenschopf fiel auf, dass die Gryffindors eine schützende Traube um sie bildeten.
 

"Ich fand das eben sehr mutig von dir; es war gut, dass du was gesagt hast. Besonders vor Riddle. Ich denke, dass er zu Dippet geht. Unser Schulleiter ist nämlich äußerst streng, was solches Verhalten angeht. Und der Dämpfer schadet Lestrange sicherlich nicht, er ist schon öfters mit seinen Ansichten unangenehm aufgefallen und gerade könnte so eine Meinung nicht unerwünschter auf den Gängen von Hogwarts sein."

Lisa und Diana nickten zustimmend, da fiel es der Brünetten wie Schuppen von den Augen, dass Artemis auf das grausame Geschehen mit der Kammer des Schreckens abzielte. Natürlich! Für diese Schüler war der Tod an Myrte relativ frisch, eben so wie die Androhung die Schule für Hexerei und Zauberei schließen zu müssen.  

Hagrid wurde seinerzeit erfolgreich von Riddle als Täter beschuldigt und Hogwarts somit angeblich gerettet. Für Diana und viele andere war Tom Riddle nicht einfach nur ein Held, er war schlicht und ergreifend der Beschützer der Muggelgeborenen und Halbblüter. Im Vergleich wirkte Williams Behauptung tatsächlich wie dummes Geschwätz; Hermine musste sich hart auf die Zunge beißen, um den Elefanten im Raum nicht auffliegen zu lassen.
 

"Danke, mir geht es gut", entgegnete sie stattdessen etwas matt. "Dort, wo ich herkomme, hatte ich öfters mit Menschen wie Lestrange zu tun, wisst ihr? Solche Ansichten kann man nicht ändern. Man kann nur versuchen, für sich selbst einzustehen und das Beste daraus zu machen. Das hat in meinen Augen aber nichts mit Mut zu tun."
 

"Trotzdem, Hermine. Du hast ja keine Ahnung –"
 

"Ihr Lieben, ich unterbreche unseren Plausch nur ungern", unterbrach Lisa mit einem drängenden Blick auf ihre Uhr, "aber wir sind inbegriffen zu spät zum Unterricht zu kommen."

Das scheuchte die Mädchen abrupt auf. Als sich Hermine ihren Mitschülerinnen in der Hektik nicht anschloss, brachte das die Mädchentraube für einen Moment sichtbar durcheinander. "Kommst du denn nicht mit?" – "Nein", entschied Hermine mit dem Anflug eines kühnen Lächelns. "Aus mir wird sowieso nie eine ehrerbietende Hausfrau. Wir sehen uns später!"
 

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Die Bibliothek von Hogwarts war ein gewaltiger Raum. Verzierungen aus Eibenholz täfelten ringsum die Wände in aufwendig gotischem Stil. Tische, Stühle, kleine Lesebühnen, ein Paar Wendeltreppen zu den Emporen hinauf in den nächsten Stock, ja sogar die Leitern an den Bücherregalen und wahrscheinlich die Regale selbst waren alle kunstvoll aus dem im schottischen Hochland beheimateten Holz gefertigt. Teppiche und Feuerstellen, also Kamine mit kuscheligen Sesseln, rundeten das Gesamtbild des Lesesaals ab, der in seiner Pracht beinahe an einen heiligen Ort aus längst vergangener Zeit erinnerte.

Vereinzelt fand man an den vielen Fenstern im oberen Stockwerk kunstvolles Buntglas, deren Farben sich unaufhaltsam wild wie durch ein Kaleidoskop an den spitz zulaufenden Säulen des Raumes brachen, sobald die Sonne schien.
 

Hermine liebte diesen Ort. Nicht nur, da er unglaubliches Wissen beherbergte und sie bei Fragen immer fündig geworden war. Sondern auch aufgrund seiner Gemütlichkeit, der Wärme und der Ruhe.

Aus diesem Grund hatte die Gryffindor ihr Lager in einem sehr versteckten Winkel im oberen Stockwerk aufgeschlagen, wo sie an einem der langen Tische auf dem letzten Platz saß und bereits eine geraume Weile konzentriert in einen Wälzer vertieft war, der ihr hoffentlich weitere Informationen über die Altgriechischen Zeitreise-Thesen lieferte.
 

Neben ihr lag ein kleiner Stapel aus Pergament, das die Gryffindor für ihre Notizen benutzte und eifrig vollgeschrieben hatte. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, glaubte sie nicht daran ein de facto Nobelpreis würdiges Thema wie das Reisen durch Zeit und Raum auch nur ansatzweise selbst lösen zu können.

Der einzige Strohhalm, an den sich die Brünette deshalb klammerte, war das bevor stehende Treffen mit Nicholas Flamel. Wenn ein geistreicher Mann wie der Alchemist keinen Anhaltspunkt würde liefern können, wusste Hermine nicht, was sie sonst tun sollte. Diesem Anflug von Panik wollte sie so lange wie möglich auf jeden Fall widerstehen. Nicht den Kopf verlieren war ihre Devise.
 

Eine Standuhr unweit ihrer Sitznische schlug halb sechs; vor den Fenstern war es herbstlich windig, düster und, wie für die Jahreszeit üblich, recht neblig. Die Hauselfen waren eifrig dabei das Schloss für Halloween zu schmücken und haben sich sogar die Mühe gemacht, kleine Ensemble aus schwebenden Kerzen und geschnitzten Kürbissen vereinzelt in der Bibliothek aufzustellen.

Wenn Halloween in den 1940er-Jahren nur annähernd so gefeiert wurde, wie zu ihrer Schulzeit, erwartete die Schüler ein üppiges Bankett mit Kürbissuppe, Kuchen, Pasteten, Butterbier und Süßigkeiten aus dem Honigtopf in Hogsmeade. Hermine war außerdem gespannt darauf, was Slughorn in den Kerkern plante und hoffte gleichwohl, dass die Zusammenkunft seines Clubs nicht allzu lange dauerte. Denn, war sie ehrlich zu sich selbst, hatte sie überhaupt keine Lust darauf – einmal abgesehen davon, dass es ihre Chance war den Alchemisten kennen zu lernen und ihre eigenen Pläne voran zu treiben.
 

Hermine streckte sich, unterdrückte ein Gähnen und stand von ihrem Lernfeld auf, das für Außenstehende eher einem Schlachtfeld aus Dutzend aufgeschlagenen Büchern glich.

Mit gezücktem Zauberstab klappte sie die Folianten zu und dirigierte die schweren Bände ohne allzu große Hast einen nach dem anderen mit einem geschickten Wingardium Leviosa zurück an ihre Plätze.

Sie befand sich mit dem letzten Buch gerade auf halber Höhe zwischen den Regalen, als sie die hoch gewachsene Statur Tom Riddles bemerkte, der inbegriffen war eine der Wendeltreppen am Ende der Empore hinauf zu schreiten.

Abgelenkt, mit einem Teil ihres Körpers unweigerlich im Fluchtmodus, begann der Foliant über ihrem Kopf zu zappeln und, ehe sie sich wieder darauf konzentrieren konnte, geräuschvoll auf die Tischplatte unterhalb des Bücherregals zu knallen.

"Pscht!", beschwerte sich links von ihr das Portrait eines alten Zauberers. Doch Hermine hörte es nicht; sie platzierte die Fibel mit einem neuerlichen, sehr fahrigen Wink ihres Zauberstabs an die zugehörige Stelle und eilte zwischen den Bücherregalen hindurch an ihren Platz zurück. Noch bevor sie dort ankam, war ihr klar, dass Riddle sie unlängst entdeckt und eingeholt hatte.
 

Bis die Gryffindor zu ihrem Studienplatz aufschloss, lehnte der Schulsprecher gelassen an dem langen Studientisch, ihre Notizen in seinen Händen. Hermine presste die Lippen zu einem festen Strich zusammen. Prinzipiell hatte sie nur haltlose Thesen notiert, auf die sie sich Antworten von Flamel erhoffte. Jeder Dummkopf, nicht zuletzt Tom selbst, hätte das herausfinden können. Trotzdem war ihr nicht wohl bei dem Gedanken, dass er diese Informationen interessiert studierte. Ein Voldemort, der durch die Zeit reisen konnte, glich ihrem persönlichen Alptraum. Die Katastrophe dahinter war schier unvorstellbar.  
 

"Zugegeben, ein durchaus spannendes Thema", eröffnete Tom, indes er das Pergament säuberlich zusammen rollte und ihr überreichte. Hermine zögerte, bevor sie langsam danach griff,  gerade so als erwartete sie krampfhaft eine unmittelbar kampfeslustige Bewegung des Slytherins. Dieser faltete allerdings nur seine filigranen Finger ineinander und schenkte ihr einen sehr langen, nachdenklichen Blick.

"Wir müssen reden, Hermine" Tom sah sich zu allen Seiten prüfend um, in der Bibliothek war es mittlerweile leer und bis auf das massive Ticken der Standuhr nahezu totenstill. Wahrscheinlich waren die meisten Schüler beim Abendessen, oder auf dem Weg dorthin. Den anderen Leuten aus ihrem Haus würde sicher auffallen, wenn der Lockenschopf nicht rechtzeitig käme, erneut – nicht wahr?
 

Riddle schob die Hände jetzt in die Taschen und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er war für sein Alter wirklich ausgesprochen hoch gewachsen, ohne dabei schlaksig zu wirken.

"Ich zerbreche mir seit Tagen den Kopf darüber, wie wir am besten miteinander auskommen. Du hast meine Geduld sehr auf die Probe gestellt. Und nicht nur das, hast du mich vor einigen Mitschülern ziemlich blamiert… – " Hermines Augenbrauen schossen unweigerlich überrascht über ihre Stirn empor zum Haaransatz – "… – das zu billigen, fällt mir schwer."

Der Slytherin holte Luft und kam einen halben Schritt näher. Hermine rechnete sich derweil die Wahrscheinlichkeit aus, das Treppengeländer auf der anderen Seite des Stockwerks zu erreichen, wenn sie nur schnell genug sprintete. Sie war eine schlechte Läuferin.
 

"Das Problem ist, dass ich dich sehr außergewöhnlich finde. Mir ist in meiner Zeit hier auf Hogwarts keine Schülerin mit deinem Intellekt begegnet; mit dir im Unterricht zu debattieren ist erfrischend. Von deinem Wissen, das du praktisch mit dir herum trägst, einmal abgesehen, kann ich mir vorstellen, dass du sehr talentiert bist.

Gleichwohl gefällt es mir nicht, dass du Dinge über mich in Umlauf bringen könntest, die mein Ansehen gefährden; für mich steht hier viel auf dem Spiel. Also ja, dass ich mich im Zwiespalt mit dir befinde, ist noch höflich formuliert."
 

Die Granger biss sich auf die Unterlippe, aber Riddle ließ sie gar nicht zu Wort kommen, sondern fuhr unbeirrt fort: "Dennoch denke ich, dass wir nebeneinander existieren und um nicht zusagen voneinander profitieren können, wenn du mir wenigstens erklären würdest, weshalb du mich meidest wie der Teufel die Fliegen?"
 

Dass er den Nerv hatte zu fragen, war anmaßend. War das ein Test, um herauszufinden, wie gut sie über ihn Bescheid wusste?
 

"Myrte Warren, Rubeus Hagrid, dein Vater… – such es dir aus", bot Hermine herausfordernd einige Opfer an, deren Leben von dem Waisenjungen konsequent zerstört worden waren. Er wollte darüber diskutieren? Bitte. Eine passendere Gegnerin würde der Schulsprecher nicht finden.

Wenn sie sich allerdings eine großartig emotionale Reaktion von Tom erwartete, wurde sie sogleich enttäuscht. Riddle knitterte nur verwundert die Augenbrauen, bis sie auf der Nasenwurzel miteinander kollidierten.

"… Du kennst Hagrid?", hakte der Slytherin verwundert nach.

"Rubeus Hagrid ist mein Freund… –"

"– Ha. Ausgerechnet. Ein ganz schöner Dummkopf, dieser Halbriese –"

"Du hast ihn missbraucht… –"

"Er versteckte eine Acromantula im Schloss! Was hätte ich denn tun sollen?"

"Das meine ich nicht. Und das weißt du genau, Riddle. Du hast Hagrids Leben für deine Zwecke zerstört. Dass er eine seltsame Faszination für gefährliche Kreaturen hat, ist mir klar. Und nein, glaube nicht, ich hätte es an deiner Stelle und als Vertrauensschülerin durchgehen lassen." Hermine sprach schnell, ihre Worte überschlugen sich fast. "Aber Hagrids Liebe für Tierwesen war für dich einfach nur ein Mittel zum Zweck, um deine eigene Haut zu retten, Riddle. Daran ist nichts heroisch, das ist einfach nur beschissen. Hagrid ist ein sehr gutherziger Mann!"
 

Tom starrte Hermine aus grauen Augen kalt an.

"Frage damit beantwortet?" Die Brünette verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs nächste, bevor sie sich dazu entschloss, wagemutig fortzufahren: "Weißt du, Riddle… Du bist brillant. 12-Jährige Mädchen stehen total auf dich, mit deinem Talent könntest du es wahrscheinlich bis zum Zaubereiminister schaffen. Aber all deine Brillanz hilft dir nichts, wenn du sie für die falschen Ziele einsetzt. Du wunderst dich wirklich, warum ich nichts mit dir zu tun haben will? Dann wirf einen Blick in den Spiegel und hinterfrage deine Moral und was dir das Leben anderer Menschen wert ist!"
 

Der Schulsprecher senkte den Kopf und sagte eine geraume Weile nichts, so dass sich Hermine kurz wunderte, ob das Gespräch beendet war und ihm die Argumente ausgegangen waren. Wenn er zornig war, verbarg er es. Seine Stimme senkte er jeden Falls zu einem unglaublich rauen Flüstern, das es schwer machte ihn zu verstehen: "Du kennst nur einen Teil der Geschichte, Hermine."

Tom überbrückte die Distanz zwischen ihnen um zwei weitere Schritte und prüfte intensiv die verlassene Ecke der kleinen Bibliotheksnische, ehe er fortfuhr:
 

"An dem Tag, wo Hagrid von der Schule flog, hatte er ein zu Hause in das er zurückkehren konnte. Wäre ich… mutig genug… gewesen, einen sehr törichten Fehler zu gestehen", aus Toms Mund klang dieses Eingeständnis fürchterlich befremdlich, "hätte man mich postwendend nach London zurück geschickt… –"

"Ins Waisenhaus. Und in den Krieg", schloss Hermine schnell. Tom nickte stoisch.

"Hattest du Angst?"

"Hast du schon einmal erlebt wie es ist, nachts von Sirenen geweckt zu werden und um dein Leben bangen zu müssen? Damit zu rechnen, dass man dich zur Dienstpflicht einzieht und von dir verlangt einen Muggelkrieg zu kämpfen, mit dem du nichts zu tun haben willst?

Hattest du schon mal tagelang nichts zu essen, weil Versorgungsketten einbrachen? Mrs. Cole hätte mich sofort auf die Straße gesetzt. Viele Kinder, die jünger waren und weniger gut zurecht kamen, hatten zu dieser Zeit ihre Eltern verloren. Die Betten waren voll, die Mäuler leer. Die Kinder bei Alarm in den Keller zu evakuieren war eine Mammutaufgabe. Ganz abgesehen davon, dass der Keller niemals mit einem soliden Bunker mithalten kann, war es jedes Mal verdammtes Glück, wieder lebend heraus zu kommen. Kein sauberes Wasser, hungrige, schreiende Kinder…"
 

"Ich hatte immer das Gefühl, dass Dippet und die anderen Lehrer sich aus dem Krieg der Muggel heraus halten wollten; Dumbledore verstrickte sich ohnehin in einen bis heute anhaltenden Konflikt mit Gellert Grindelwald – du kannst dir vorstellen, dass hier niemand darauf Wert legte, ob der arme kleine Tom Angst vor Bomben hat."

Riddle hielt kurz inne, ehe er hinzufügte: "Die Vorfälle und der Tod von Miss Warren machten Hogwarts so unsicher, dass mein Antrag damals, im Sommer auf der Schule bleiben zu dürfen, von Dippet abgelehnt wurde… "
 

Tom erklärte sich nicht weiter, das musste er auch nicht. Hermine kannte den Rest: Dippet hatte aufgrund von Myrtles Tod erhebliche Probleme mit den Eltern und dem Zaubereiministerium.

Das machte Hogwarts zu einem absolut unsicheren Ort. Seltsam, fand der Lockenschopf, dass Riddle in seinem Tatendrang die Kammer des Schreckens zu öffnen nicht so weit vorausgedacht hat. Ihn in den Sommerferien nach London und somit in den Krieg zurück zu schicken, war für den Slytherin nicht nur eine Lehre, sondern vermutlich Bestrafung genug – das hatte fast etwas von brutaler, ausgleichender Gerechtigkeit.
 

Es war ebenso nachvollziehbar, dass er sich vor seinen Klassenkameraden nicht die Blöße geben und um Hilfe bitten wollte. Wer aus Slytherin würde einem Waisenjungen aus der Muggelwelt schon helfen wollen? Dass Tom versuchte sich auf Hogwarts eine neue Identität aufzubauen, konnte man verstehen, doch Hagrid ausbaden zu lassen, was Riddle angerichtet hatte, war schlicht nicht fair. Und auch Myrtles Tod, oder irgendein Tod, damit in keiner Weise entschuldigt.
 

"Bereust du es? – "
 

"Hermine? Hermine, bist du hier?", unterbrach sie plötzlich die offene Besorgnis von William Potter. Seine einsame Stimme untermauerte, wie leergefegt die Bibliothek mittlerweile war. Dass die Standuhr längst zur vollen Stunde geschlagen hatte, war der Zeitreisenden komplett entgangen.
 

Die beiden Schüler fuhren beim Klang von Williams Stimme wie vom Donner gerührt zusammen; Tom räusperte sich steif und legte an Hermine gewandt bittend einen langen Zeigefinger auf seine Lippen, ehe er recht elegant auf den Schuhen herum fuhr und zum Ende des Bücherregals schritt, um auf sich aufmerksam zu machen: "Miss Hawking ist hier, Potter."
 

William musste gerannt sein, denn er hatte alle Mühe vor der letzten Bücherwand abzubremsen. Die Fackeln über ihren Köpfen, die inzwischen loderten und die Bibliothek in unheimlich mystisches Licht tauchten, tanzten vor Aufregung.

Ein Mischung aus Verwirrung und Erleichterung standen Bill offen ins Gesicht geschrieben: "Oh, gut. Versuchst du sie wieder zu irgendetwas zu zwingen, oder warum bist du hier?", giftete der Gryffindor prompt zurück.

Aber zu Hermines Verwunderung lachte der Slytherin: "Mit Nichten, Potter. Ich habe Hermine lediglich darüber in Kenntnis gesetzt, dass Araman Lestrange für seine Aussage heute Nachmittag eine entsprechende Strafe ereilte.", entgegnete Tom aalglatt sein gut zurecht gelegtes Alibi, mit dem Hermine bis zuletzt bestimmt nicht gerechnet hatte. Sie hoffte, dass sie Bill gegenüber nicht allzu überrascht drein blickte.
 

"Sie soll sich hier auf Hogwarts immerhin sicher fühlen und Aramans Verhalten war absolut unangebracht; Schulleiter Dippet pflichtete dem anstandslos bei. Mir war es ein Anliegen, Hermine das persönlich auszurichten und mich für das Verhalten meines Hauskameraden zu entschuldigen. Ebenso wie für mein eigenes." Riddles Mundwinkel krümmten sich in ein Lächeln in Hermines Richtung, das seine Augen nicht erreichte.
 

Dann verringerte er mit weiten Schritten die Distanz zu seinem selbst ernannten Rivalen und klopfte Potter in einer freundschaftlichen Geste auf die Schulter: "Allerdings, Potter, habe ich Lestranges Einwand nicht überhört, dass du ihn zu dieser Aussage provoziert hast. Insofern sieht sich Schulleiter Dippet gezwungen, dir dafür eine Strafarbeit aufzugeben. Ich werde das also Professor Dumbledore melden müssen."
 

Riddle zog ein gefaltetes Pergament aus der Tasche und überreichte es dem Quidditchkapitän, der keine Ahnung hatte wohin mit seinen Emotionen. Auf der einen Seite schien er wirklich froh um die Strafe für Lestrange zu sein, auf der anderen Seite versuchte er zu verarbeiten, dass der Schulsprecher ihn dennoch nicht ungeschoren davon kommen ließ.

"Melde dich bitte bei deinem Hauslehrer, sobald er wieder an der Schule ist." An dem Gryffindor vorüberziehend, hielt Tom noch einmal inne: "Ach, und übrigens, Potter… Ich habe Hermine nie damit bedrängt, mich zu irgendetwas zu begleiten. Das würde mir nie einfallen… Unser Disput war anderer Natur und kann hoffentlich in Zukunft als geklärt betrachtet werden. Guten Abend."
 


 

**** |[x]| ****
 

Später an dem Abend lag Hermine in ihrem Bett und starrte nachdenklich an die Decke. Sie versuchte sich in Riddle hinein zu versetzen, aber es gelang ihr nicht. Nicht wirklich jeden Falls; denn der Lockenschopf war sich nicht sicher ob es in Ordnung war ihre Erfahrungen aus dem Krieg ihrer Gegenwart – der ironischer Weise von Voldemort geführt wurde – mit dem Zweiten Weltkrieg gleichzusetzen und Tom somit seine Erfahrungen abzusprechen.

Der Zweite Weltkrieg war ein so furchtbares Ereignis der Geschichte, dass es für sich alleine stand. Außerdem war es nie fair ein Leid mit einem anderen Leid zu vergleichen.
 

Aber sorgte das Klima dieser Zeit dafür, dass er emotional so abgestumpft handelte? Dass es ihn nicht kümmerte, ob Menschen wegen ihm zu Schaden kamen? Sie hätte es interessiert, ob Riddle den Tod an Myrtle bereute und wenn ja, ob er es ihretwegen tat oder dabei nur an sich selbst dachte. Sie fragte sich, was er gefühlt haben mochte, als Myrtle starb und inwieweit er damit gerechnet hatte, dass das passierte.
 

Hermine seufzte lautlos und drehte sich auf die Seite. William wurde heute ebenfalls eines Besseren belehrt, seine Anschuldigung gegenüber Riddle war demnach hinfällig. Ob das schon ausreichte, um Bills Vertrauen zu gewinnen? Sie hoffte nicht; immerhin war William Potter ihr einziger Verbündeter, wenn es um Riddle ging. Nicht zuletzt musste der Quidditchkapitän trotzdem nachsitzen, was zugegeben keine falsche Entscheidung war.
 

Als ihre Lider schwer wurden, dröhnten in ihren Ohren die Sirenen aus London. Hermine dachte an den alten Obdachlosen mit den hellblauen Augen, der zwischen den Trümmern ihre Hand ergriff. Im nächsten Augenblick sah er aus wie Albus Dumbledore.
 

Er versicherte ihr, dass alles gut werden würde.

Dann war sie eingeschlafen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (16)
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Von:  Sanguisdeci
2017-11-19T09:59:00+00:00 19.11.2017 10:59
Dir ist ein sehr tolles Kapitel gelungen. Von den aufgezählten Versionen ist dies zweifelsohne die beste und legt die Basis für wundervolle Vermutungen und Überlegungen. Weiter so!

Sofern der Horcrux Tom kontaktierte, geschah dies mit Sicherheit so, dass Hermine es nicht mitbekam. Vielleicht ist es auch lediglich ein das Erkennen einer Spur von sich (Tom) selbst in dem Horcrux, welches erst später deutlich wird? Tom ist niemand, der alles von seinem Gesicht umgehend ablesen lässt und so kann durchaus was geschehen sein, was Hermine und damit der Leser nicht mitbekam. Sehr spannend!
Von:  zuckermaus2707
2016-01-22T02:18:12+00:00 22.01.2016 03:18
Ich würde mit unbewegter miene sie weiterhin ansehen. dann etwas sagen wie "Spiel keine spielchen mit mir" oder so
Von:  ikari
2015-07-18T23:06:18+00:00 19.07.2015 01:06
Ist die story eingestellt worden?
Antwort von:  kaprikorn
27.07.2015 07:03
Nein! Ich arbeite am nächsten Kapitel. Ich habe privat leider nur so viel um die Ohren, dass ich nicht wirklich dazu komme ordentlich weiter zu schreiben :-/
Antwort von:  ikari
27.07.2015 13:01
Danke! Hatte schon befürchtet du hättest die vielversprechende FF abgebrochen...
Hoffe es kehrt bald wieder Ruhe bei dir ein und es geht dir besser, unabhängig von deiner Geschichte hier. :-)
Liebe u. Stressfreie Grüße
ikari
Antwort von:  kaprikorn
29.07.2015 15:07
Keine Sorge! Die Geschichte ist schon sooo lange geplant und durchgedacht, dass ich mich einfach nur mal wieder wirklich hinsetzen müsste. Gestern habe ich es immerhin geschafft, eine kleine Schreibübung fertig zu stellen: ein neuer OneShot. Das ist schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung.
Tut mir wirklich leid ._.
Von:  ikari
2015-04-13T10:15:04+00:00 13.04.2015 12:15
Schließe mich alandatorb an* grins*...
Hermine soll mal zeigen was sie drauf hat,auch wenn sie sich bedeckt halten wollte...Eine muss doch mal den Anfang machen und den Weg ebnen!

Lestrange oder Riddle. Beide wären prädestiniert, aber Malfoy passt nicht.

Liebe Grüße
Ikari
Von:  alandatorb
2015-04-11T21:23:25+00:00 11.04.2015 23:23
arrrg --- na gut Haushaltszauber sind nicht schlecht - die braucht man irgendwann, doch Hermine wird doch in ner Stunde das Buch in und auswendig kennen und alle damit verbundenen Zauber - die wird sich zur Tode langweilen - lass sie bitte die Runenhausaufgaben für die nächste Stunde machen und sie dem blöden Lehrer unter die Nase reiben - so jetzt hab ich mich mal ausgesprochen - Her mit der Gleichberechtigung für Frauen - Wir können alles - Nur manches können Männer besser (wenn wir es nicht machen wollen ;) )
So zu deiner Frage am Anfang: jetzt wäre ich fast für Hermine - nein Spass beiseite: ich bin für Lestrange
Von:  ikari
2015-04-05T12:33:20+00:00 05.04.2015 14:33
Mehr,mehr, mehr...! Klasse geschrieben und gespannt weit er zu lesen!
Vielleicht ein weiteres Kapitel zu Ostern?:-)
Antwort von:  kaprikorn
05.04.2015 23:11
Hallo ikari! :-)
Ich bin dabei, leider haben auch mich die Osterfeiertage familiär fest im Griff. Ich hoffe, ich komme dazu das Kapitel bis morgen zu beenden.
Von:  alandatorb
2015-04-02T12:43:18+00:00 02.04.2015 14:43
wunderschön geschrieben - ich hole mir nachher gleich mal meinen Zapp (Kanarienvogel) und streicheln ihn ein bisschen ;)
Die Schulstunden sind dir sehr gut gelungen und man kann sich sehr gut in die einzelnen Figuren hineinversetzen. Der Hintergrund von Hermine ist sehr gut durchdacht und auch ihre Reaktionen sind natürlich. Toll war auch der Gedanke, warum Tom und die anderen Schüler solch ein Interesse an Hermine haben (gleich beim Unterricht mitmachen zu können ), darauf wäre ich gar nicht gekommen und es fügt sich wunderbar in die Geschichte ein.
LG
Alanda
Antwort von:  kaprikorn
02.04.2015 15:10
Dankeschön (-:

Ich *liebe* Schulstunden auf Hogwarts, ich könnte mich da gar nicht dran satt schreiben. Im nächsten Kapitel wird Hermine aber nicht so viel Glück haben. Da habe ich mir etwas ganz besonderes für ausgedacht; ich hoffe, ich kriege das Update morgen schon fertig (auf Mexx dauert die Aktualisierung der FF leider immer ein wenig länger) – jetzt, wo das lange Wochenende ins Haus steht, muss ich das ausnutzen.

Mir ist es wichtig, so viele Fragen wie möglich in der Handlung zu beantworten. Ich bin mir sicher, dass es nicht immer klappt, aber im Großen und Ganzen muss der Rahmen und der rote Faden einfach stimmen (das war ja der Knackpunkt bei meinem vergeigten Kapitel 7, da wollte ich einen Haken schlagen, der einfach nicht funktionierte. Man lernt nie aus :D Ich bin froh, dass ich's nochmal geändert habe.)

Hermines Können und ihre Hintergrundgeschichte mussten früher oder später angesprochen werden, ich wollte das gleich erledigen. Bei ihrem Hintergrund habe ich lange überlegt, wie ich's auslegen könnte, damit es einigermaßen glaubhaft wirkt; der zweite Weltkrieg bietet da einiges an Möglichkeiten, da stellt man keine unnötigen Fragen. Somit sind aber auch alle nötigen Karten auf dem Tisch, was mir die Freiheit erlaubt, mich in der Handlung austoben zu können. Das war mir wichtig, um Widersprüche zu vermeiden.

Ich freue mich, wieder von dir zu lesen
Liebe Grüße :D
– auch an Zapp (-;
Von:  NaxLu
2015-03-26T17:50:36+00:00 26.03.2015 18:50
Tolle Geschichte, tolles Kapitel.
Hoffe es geht bald weiter.

Viel Spaß beim schreiben, liebe grüße.

Nami :)
Antwort von:  kaprikorn
31.03.2015 19:51
Hey Nami,
deine Hoffnungen werden nicht enttäuscht ;-)
Danke fürs Mitlesen!
Von:  alandatorb
2015-03-26T15:36:20+00:00 26.03.2015 16:36
da ich auch die vorherigen Kapitel kenn, sage ich dir: tolle Umarbeitung deiner Geschichte. Es war vorher wirklich schon etwas seltsam mit dem sehr deutlich gezeigtem Hass bzw. Abneigung von Hermine und das Tom auch so stark immer gleich darauf reagiert hatte, obwohl Hermine für ihn ja sehr unbekannt war.
Die Szene im Mädchenschlafraum finde ich toll gelungen und viel besser wie das "Ausschlafen" lassen von vorher. Mit einer Tasse Tee und einem Frühstück kann Hermine viel besser den Tag mit Tom überstehen.
Ich lasse mich jetzt einfach mal überraschen in welche Richtung, die Fanfic jetzt geht.
LG und viel Freude beim Schreiben
Alanda
Antwort von:  kaprikorn
31.03.2015 19:50
Hallo Alanda,
danke für ein Feedback :-) Manchmal läuft man beim Erzählen in die falsche Richtung, umso besser wenn man's bemerkt, finde ich – oder? :D Ich strecke die Geschichte jetzt ein bisschen, aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Eigentlich bin ich ja der Meinung "the more the merrier", zumindest wenn es ums Erzählen geht. Ich habe nur immer Angst, dass ich andere damit langweile xD
Das nächste Kapitel wird gerade hoch geladen.
Viel Spaß weiterhin (-:
Antwort von:  alandatorb
31.03.2015 21:15
darauf freue ich mich schon und mit mehr Charakter wird eine Geschichte tiefgründiger und liest sich meiner Meinung nach viel besser
Antwort von:  kaprikorn
31.03.2015 21:50
Dann sind wir schon mal einer Meinung :D
Von:  Kim_Seokjin
2015-03-21T07:49:14+00:00 21.03.2015 08:49
Ach herrje! Ich hatte auch ganz vergessen, dass die Geschlechtertrennung damals noch viel schlimmer war. Das wird sicherlich noch interessant für Hermine.
Tom ist dir gut gelungen und ich bin schon gespannt, wie es zwischen ihnen weiter verläuft. Romantische Gefühle kann ich mir da nicht vorstellen, eher eine gewisse Neugierde seinerseits und der Versich ein neues Spielzeug zu bekommen und auszutesten, was es aushält.


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