Zum Inhalt der Seite

Auf den Kosten der Tochter

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Redest du mit mir?“
 

Verwirrt schaute ich zur Feuerfaust und deutete mit dem Zeigefinger auf mich selbst.
 

„Siehst du hier etwa noch wen anders?“, er zog eine seiner Augenbrauen hoch.
 

Da war es mir passiert: Für einen kleinen Moment war ich aus meiner Rolle gefallen. Zu sehr war ich in meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich wieder mehr Karin als Kai war. Ein zweites Mal durfte mir das nicht passieren, denn als Frau wollte ich keinem Piraten gegenüber stehen....
 

„Oh, alles klar...“, möglichst lässig versuchte ich zu wirken als ich meine Hände tief in den Taschen meiner Bomberjacke vergrub und mit aufrechtem Gang diesem Ace durch den Wald folgte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Während wir durch den finsteren Wald marschierten, hielt ich zu den zweien vor mir einen gesunden Sicherheitsabstand von einigen Metern ein. Ich hatte kein gutes Gefühl bei dieser nächtlichen Wanderung in dieser mehr als speziellen Gesellschaft, doch ich hatte keine andere Wahl als mit diesen Piraten zu gehen. Immer wieder blickte ich mich um und hatte dabei große Mühe meine Angst, vor einer weiteren Begegnung mit so einem Anzugheini, zu verstecken. Noch nie war es so wichtig gewesen, dass ich meine Tarnung aufrecht erhielt. Ob ich es überhaupt bei diesem Druck schaffen konnte?
 

Es dauerte nicht lange bis ich in der Dunkelheit die Orientierung verlor. In der Aufregung vergaß ich alles, was ich in der Schule zum Thema „Orientieren in der Wildnis“ gelernt hatte und ließ irgendwann diese kläglichen Versuche Anhaltspunkte auf meinen genauen Standort zu finden bleiben.
 

Schweigend konzentrierte ich mich nur noch darauf, den über Ace's Schulter hängenden Marco im Auge zu behalten, um nicht den Anschluss zu verlieren. Ich hörte, wie er mit schwacher Stimme von dem erzählte, was ihm in der Zwischenzeit passiert war, doch mich interessierte es nicht sonderlich... Ich hatte nun genug eigene Probleme.
 

Es musste einfach einen Weg geben, wie ich meinen Kopf aus dieser Schlinge ziehen konnte...
 

Als wir durch einige dichte Büsche gestiegen waren, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass wir die Stadtmauer von Port Silence erreicht hatten. Jetzt wusste ich auch wieder, wo wir uns befanden: ganz in der Nähe des südlichen Stadteingangs.
 

Marcos Erzählung hatte schon vor einiger Zeit geendet, deshalb standen wir nun dort an der Stadtmauer im schwachen Licht einer Laterne, welche auf ihr platziert war. Keiner von uns sagte ein Wort. Eine gewisse Erleichterung machte sich in mir breit, denn immerhin hatten wir diesen finsteren Wald hinter uns gelassen und ich wusste endlich, wo ich war.
 

„Da wären wir...“, sagte die Feuerfaust abschließend. „ Wenn wir jetzt diese Mauer entlang laufen, erreichen wir in Kürze die Küste, wo...“
 

Eigentlich war ich schon dabei mir zu überlegen, bei wem ich wohl für die nächste Zeit untertauchen könnte, doch er wollte zur Küste? Ich hatte angenommen, wir würden uns durch die Stadt schleichen. Ich schmiedete doch gerade den Plan, dort in der nächsten Menschenmenge abzutauchen.
 

„Zur Küste?“, ungewollt wiederholte ich seine Worte, woraufhin er sich zu mir umdrehte.
 

„Ja, ein Schiff wartet dort auf unsere Rückkehr...Wie du vielleicht bemerkt hast, war ich auf der Suche nach meinem Freund hier...“, munter grinsend gab er Marco bei diesen Worten einen Klapps auf die hintere Seite seines Oberschenkels.
 

„Das....wirst du bereuen, Ace...“, hörte ich die brummige Stimme von Marco hinter Ace' Rücken nuscheln, doch dieser ignorierte die Worte seines verletzten Freundes.
 

„Dann...Gute Reise.“, ich hob die Hand zu einer lockeren Winkbewegung und wollte mich schnell in Richtung des nahegelegenen Stadteingangs machen.
 

„Bleib doch mal stehen...“
 

Ich wagte es nicht, trotz seiner Worte weiterzugehen...
 

„Du unterschätzt diese Leute. Typen wie dich lassen die im Handumdrehen verschwinden. Hast du du die Möglichkeit die Insel für eine Weile zu verlassen?“
 

„Die Insel verlassen?!“, ein weiteres Mal wiederholte ich seine Worte, doch dieses Mal klang meine Stimme deutlich entsetzter als davor.
 

„Ähm, ja...?“, im Gegensatz zu mir, schien er kein Problem darin zu erkennen.
 

Im flackernden Licht der Laterne fielen mir zum ersten Mal die Sommersprossen auf seinen Wangen auf. Er grinste mich locker an, als wenn nichts Ungewöhnliches um uns herum passiert wäre. Als wäre dies eine vollkommen alltägliche Situation. Erwartungsvoll starrte er mich an, während ich ihn für einen kurzen Moment musterte.
 

„Ich denke, ich komme hier schon klar...“, sagte ich mit dem Wissen, dass selbst wenn ich es wollte, ich keine Möglichkeit gehabt hätte, um von hier fort zu kommen. Es musste mir auch so irgendwie gelingen, mich vor diesem Pack zu verstecken.
 

„Komm mit uns. Bei uns bist du fürs Erste sicher.“
 

Ich dachte, mich verhört zu haben.
 

„Wie bitte?!“
 

„So wie du aussiehst, kannst du denen ohnehin nichts entgegen setzen....“, seine Worte waren gleichermaßen frech wie wahr, dennoch war ich alles andere als bereit auf dieses Angebot einzugehen.
 

„Ich geh bestimmt nicht mit Piraten!!!“, rutschte es mir heraus.
 

Ich hätte mir vor Wut auf die Zunge beißen können. Besser wäre es gewesen, ich hätte sie im Glauben gelassen, sie nicht zu kennen, doch nun war es zu spät.
 

Das sichere Grinsen auf seinen Lippen wurde zu meiner Überraschung noch breiter.
 

„Dann scheinst du also von uns gehört zu haben, was? Wie auch immer, wenn das deine größte Sorge ist....“
 

Verwundert sah ich ihn an und bekam große Augen als er mich plötzlich packte und mich über seine freie Schulter schmiss, wo ich unsanft gegen den verwundeten Marco stieß.
 

„Hey! Lass mich herunter!!“, brüllte ich sofort und versuchte mich aus seinem festen Griff zu befreien. Wie schnell und stark er war, er hatte überhaupt keine Mühe gehabt mich mal eben so über seine Schulter zu werfen und ging nun mit Marco und mir die Mauer entlang, so wie er es zuvor angekündigt hatte.
 

Unbeeindruckt von meinen Befreiungsversuchen packte er mich noch fester.
 

„Du wirst schon sehen, im Grunde sind wir ganz nette Jungs...“, versuchte er mich zu beruhigen. Da diese Worte aus dem Munde eines weltweit gesuchten Piraten kamen, verfehlten sie ihre Wirkung bei mir deutlich.
 

„Nette Jungs? Verbrecher, das seid ihr!!“, in meiner Wut und Verzweiflung konnte ich nicht mehr bei mir halten. Zornig versuchte ich mich loszustrampeln, doch es war alles vergebens. Gegen seinen muskulösen Arm hatte ich einfach keine Chance.
 

Er lachte auf und auch von Marco hörte ich ein leises Schnauben.
 

„Besser als diese Typen, mit denen du dich vorher abgegeben hattest, sind wir alle Male, Fliegengewicht....“
 

„Eins will ich klar stellen: mit denen wollte ich genauso wenig zu tun haben!“, empört riss ich meinen Kopf so hoch, wie es in meiner hängenden Position möglich war.
 

Ace' Lachen wurde lauter.
 

„Und dennoch schienst du ihre Gesellschaft für ein Weilchen ertragen zu können.“
 

Auf diesen Spruch fiel mir keine gute Antwort ein. Ich hatte nicht vor, zu viel von mir preis zu geben, drum gab ich erst einmal auf und hoffte, es würde sich noch eine gute Fluchtmöglichkeit für mich bieten, bevor sie mich auf ihr Schiff schleppen konnten.
 

Es wurde wieder still. Mit großen Schritten folgte Ace der Mauer und ich bekam langsam Angst, meine Mütze verlieren zu können, denn ich spührte, wie sie immer mehr ihren Halt verlor.
 

Irgendwann brach Ace die Stille.
 

„Wie heißt du überhaupt?“
 

„...“
 

Bevor ich antwortete, musste ich erst überlegen, ob es ein guter Schachzug wäre. Nach kurzem Hin und Her kam ich zu dem Ergebnis: lieber meinen Namen verraten als zu riskieren, das Zweifel bezüglich meines Geschlechts entstehen könnten.
 

„Kai...“
 

„Also..Kai... Ich gebe dir mein Wort, ich werde dafür sorgen, dass du sicher diese Insel verlassen kannst...Wenn wir...“
 

„Ich will die Insel überhaupt nicht verlassen!“, wandte ich lautstark ein und versuchte mich dabei erneut aus seinem Griff zu lösen.
 

Die Feuerfaust hielt kurz inne.
 

„Lass uns das besprechen, wenn wir auf dem Schiff sind, ok?“
 

Wütend verzog ich das Gesicht. So weit durfte es erst gar nicht kommen...
 

Ins Nichts starrend überlegte ich, wie ich doch noch entkommen konnte, jedoch wurde ich schon nach kurzer Zeit in meiner Konzentration gestörrt, denn ich spührte, das Blicke auf mir ruhten.
 

Ich drehte mich etwas und bemerkte, wie Marco's fahles Gesicht zu mir gerichtet war und seine müden Augen mich fixierten. Als sich unsere Blicke trafen, zog er die Mundwinkel zu einem leichten Grinsen nach Oben. Aufgrund des geringen Abstands zwischen uns hätte ich jedes einzelne Haar seines Stoppelbarts entlang seines Kiefers zählen können, doch ich drehte mich lieber weg, ohne dabei eine Mine zu verziehen.
 

Zwar schienen sie im Moment beide harmlos zu sein, aber dass sie Piraten waren, durfte ich nicht vergessen. Sie waren Kriminelle, Gesetzlose und von der Marine verfolgt. Ich musste weg, meine Klamotten austauschen und schleunigst wieder zu Karin werden und Kai für alle Male hinter mir lassen.
 

Geschrei und Gebrüll tönten aus der Stadt herauf – irgendetwas stimmte nicht. Schüsse fielen und Explosionen folgten.
 

Verängstigt hielt ich mir mit beiden Händen die Ohren zu. Was ging in der Stadt bloß vor sich??
 

„Was zur Hölle...“, schrie ich und merkte, wie Ace sein Tempo anzog. Weder der Phönix noch er sagte etwas, ich schien die einzige zu sein, die vor Schock und Entsetzen nicht die richtigen Worte fand.
 

Eine weitere, diesmal gewaltigere Explosion ließ mir fast das Trommelfell platzen. Ein Quieken konnte ich mir nicht verkneifen, Tarnung hin oder her..
 

„...Und du wolltest alleine los, ...du Weichei..“, hörte ich Ace belustigt sagen, nachdem ich meine Hände wieder von den Ohren genommen hatte.
 

„Halt's Fressbrett!“, keifte ich ihn an und rückte mir die Mütze wieder zurecht, bevor sie mir von dem Kopf fallen konnte.
 

Mir wurde plötzlich ganz anders als er auf einmal anhielt und mich ohne Vorwarnung absetzte. War der Spruch zu mutig? Kaum hatte ich wieder Boden unter den Füßen, bereute ich es, so frech gewesen zu sein.
 

Ein bekannter Geruch stieg mir in die Nase.
 

Es lag offenbar nicht an meinem Spruch, dass wir anhielten, aber bei dem Anblick, der sich mir nun bot, wünschte ich mir jedoch, es wäre der Grund gewesen....



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück