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Memories

von

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A moment

In Torus Ohren rauschte es. Er sah, dass sich Takas Lippen bewegten, hörte dessen Stimme sein Trommelfell erreichen und doch verstand er das Gesagte nicht – wollte es auch gar nicht verstehen. Es war wie damals im Krankenhaus, als man ihn über den Zustand seines Lockenkopfes aufgeklärt hatte, ihm gesagt hatte, dass der kleine Sänger im künstlichen Koma lag und man um sein Leben kämpfte. Damals hatte sich Torus Verstand ebenso vehement dagegen geweigert, diese Realität zu akzeptieren, genau wie jetzt. Es war, als würde die Zeit anhalten. Wobei, nein. Viel eher, als würde sie doppelt so schnell vergehen, Toru jedoch in der Vergangenheit zurücklassen.

Der letzte Funken Hoffnung war im Blonden erloschen. Hoffnung auf das Wiederkommen eines Lebens, welches er und der Sänger vor dem Unfall so glücklich miteinander geführt hatten. Ein Leben voller Liebe, voller Vertrauen. Zweisamkeit. Hoffnung. Aus jetziger Sicht war diese Vorstellung geradezu utopisch.
 

Toru versuchte etwas zu sagen, einfach um sich bemerkbar der Welt gegenüber zu machen, die ihn zurückzulassen schien, doch es formte sich nichts in seiner Kehle. Einzig der Schmerz in seinem Kopf und nun auch der in seinem Herzen schien um ein vielfaches zuzunehmen und würde er einfach impulsiv handeln, so hätte der Gitarrist Taka auf der Stelle aus dem Zimmer geschoben und sich wieder unter die Decke verkrochen, sich vielleicht eingeredet, dass das alles nur ein Alptraum war. Doch auch sein Körper rührte sich nicht und wenn sich der Leader so ansah, wie glücklich die Augen des Kleineren funkelten, bei dem, was er ihm da gestand, so brachte er all das ohnehin nicht übers Herz, schließlich hatte es Taka sehr wahrscheinlich viel Überwindung gekostet, mit ihm zu reden. Man offenbarte seinem „besten Freund“ schließlich nicht jeden Tag, dass man einen gleichgeschlechtlichen Partner hatte – nicht, dass es Toru auch nur im Entferntesten überrascht hätte.

Wohl zu spät merkte der Blonde, dass sein Freund mit seiner kleinen Rede geendet hatte, legte Taka doch den Kopf schief und sah ihn durch unsichere Augen an. Was er ihm da in den letzten Minuten erzählt hatte, war Toru gänzlich schleierhaft, obgleich diese Wissenslücke wohl nur zu seinem Besten war, angesichts des Themas.
 

„Bist du jetzt schockiert?“ Takas Stimme war leise, vermutlich anders als zuvor, Toru konnte das nicht mit Sicherheit sagen, da er ihm wie durch eine dicke Glasplatte hindurch zugehört hatte. Einem Teil von ihm tat es leid, dem kleinen Lockenkopf so wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, wo dieser ihm doch etwas derartiges erzählt hatte, ein anderer, größerer, war der Überzeugung davon, dass es besser so war und dass jedes weitere Wort Takas den Dolch, der bereits in Torus Herz steckte, nur noch tiefer in diesem versenkte.
 

„Etwas überrumpelt eher.“ Der Blonde war erstaunt darüber, wie stabil seine Stimme klang, womöglich weil seine Aussage der Wahrheit entsprach. Er war überrascht von dem, was Taka da von sich gegeben hatte, hatte der Gitarrist doch nicht einmal im Traum daran gedacht, dass die wichtigste Person in seinem Leben eine Liebesbeziehung mit einem seiner Freunde eingehen würde. Enttäuschung und Wut machten sich in Toru breit, an wem er diese Emotionen jedoch würde auslassen können, blieb ein Rätsel, da weder Takeru noch Taka sich dem bewusst waren, was sie dem Blonden damit antaten.
 

„Verständlich.“, meinte Taka und wandte seinen Blick ab, musterte den Boden, so wie er es am Abend zuvor in Takerus Wohnung getan hatte, was Toru selbstverständlich nicht wusste. Vielleicht würde es sich zu einer Angewohnheit von Taka entwickeln, dass er, wann immer er einer unangenehmen Situation ausgesetzt war, auf den Boden starrte, so, als würde er dort Hieroglyphen entziffern. „War ich vorher eigentlich auch schon…du weißt schon?“ Hellhörig sah Toru auf, war sein Blick zuvor dem des Älteren gefolgt, nur um sich auf dem dunklen Parkettboden zu verlieren.
 

„Du warst vieles, was meinst du genau?“ Jetzt, wo sie nicht mehr direkt über Takeru, beziehungsweise über das, was Taka mit ihm hatte, sprachen, fiel es Toru auch deutlich leichter, mit seinem Sänger zu reden, obgleich ihn dessen bloße Anwesenheit noch immer auf eine Art und Weise verletzte, die dem Blonden selbst irgendwo Leid tat. Schließlich konnte der kleine Sänger für diese Tatsache nichts.
 

„Ob ich vorher auch schon...Männer mochte.“, murmelte Taka so undeutlich, dass der Jüngere ihn definitiv nicht verstanden hätte, wenn er nicht direkt neben ihm gesessen hätte. Völlig perplex starrte Toru seinen Freund an, der ihn so verunsichert ansah, dass es offensichtlich war, wie viel an der Antwort hing, die sich Taka von dem Gitarristen wünschte.

Wieso fragte der Lockenkopf ausgerechnet ihn das? Ausgerechnet ihn, der am allerbesten die Antwort kannte. Wusste, dass Taka auch vor dem Unfall schon schwul gewesen war. Viel mehr noch, dass er darüber hinaus sogar eine glückliche Beziehung mit einem Mann geführt hatte, so glücklich, dass sie sich zuletzt sogar verlobt hatten. Und jener Mann saß jetzt gerade vor ihm, hatte all die Bilder von sich und Taka wieder vor sich, wie sie sich umarmten, sich küssten, sich liebten. Und doch konnte er kein Wort über sie verlieren.
 

„Ich weiß nicht, kann sein.“, sprach Toru schließlich, welchem deutlich anzuhören war, dass er die Antwort eher widerwillig gab. Dies schien auch Taka zu merken, der seinen Blick wieder sinken ließ, dieses Mal jedoch auf die eigenen Finger, die begonnen hatten nervös aneinander zu zupfen.

Eine Weile lang sagte keiner von ihnen etwas und Toru war sich nicht sicher, ob er die Unterhaltung nun beenden sollte, indem er Taka vorlog, dass er sich der Kopfschmerzen wegen noch etwas hinlegen wollte, als Taka mit leiser und zitternder Stimme die Stille doch noch durchbrach.
 

„Du findest das ekelig, oder?“ Taka hob den Blick nicht, blickte nur weiter auf seine Finger, die sich zunehmend schneller zu bewegen schienen, was Toru nun doch gewissermaßen störte, er sich allerdings nicht traute, seinen Sänger davon abzuhalten.

Fast schon albern war die Befürchtung Takas in Anbetracht dessen, was zwischen ihm und Toru vor jenem Unfall geschehen war, doch alleine davon ausgehend, wie der Blonde seine vorhergegangenen Worte gesagt hatte, lag die Vermutung nicht allzu fern, dass er tatsächlich etwas gegen die gegebenen Umstände hatte. Was im Grunde auch stimmte, aber definitiv nicht auf diese Art und Weise.
 

„Dass du schwul bist? Nein, quatsch.“ Am liebsten hätte Toru gelacht, die Situation war einfach viel zu abwegig, als dass sie der Realität entstammen konnte. Vielleicht träumte er ja doch noch. Doch der Schmerz in seinem Herzen, der sich intensivierte, sowie Taka ihn mit großen Augen ansah, überzeugte den Blonden einmal mehr davon, dass er schon lange nicht mehr dem Traum lebte, nach welchem er sich noch immer so sehr sehnte. „Meinst du wirklich, dass ich jetzt schlechter von dir denke?“
 

„Na ja…ich weiß nicht. So was bekommt man ja nicht jeden Tag gesagt. Und wie du generell darüber denkst, weiß ich ja auch nicht.“ Bei der Vorstellung daran, wie er Taka auslegen würde, wie überzeugt er doch von seiner eigenen Sexualität war, musste Toru unweigerlich schmunzeln, was auch der Ältere zu bemerken schien, der fragend den Kopf neigte. „Hey, blamier ich mich gerade irgendwie?“, schmollte Taka.
 

„Nein, nein, entschuldige.“, winkte der Gitarrist ab, bekam das Schmunzeln jedoch nicht aus seinem Gesicht verbannt. „Um dich zu beruhigen, mir sind deine Vorlieben absolut egal, Taka. Hauptsache du bist glücklich.“ Die Wahrheit, die hinter Torus Lächeln stand, schwand ein wenig, machte es ihm schließlich sehr wohl etwas aus, mit wem der Lockenkopf seine Zeit verbrachte, obgleich er ihm dies unmöglich sagen und noch weniger vorschreiben konnte. „Interesse an Frauen hast du soweit ich weiß ohnehin nie wirklich gezeigt, von daher ist das hier jetzt ehrlich gesagt kaum überraschend.“ Die Wahrheit.
 

„Oh, wirklich?“ Die mandelförmigen Augen des Sängers hellten sich auf bei den Worten seines Freundes, war es doch seine größte Sorge gewesen, dass dieser sich in irgendeiner Form von ihm hätte abwenden können, sowie er von der Angelegenheit mit Takeru erfuhr. Dass dem Lockenkopf nun jedoch offenbart wurde, dass er scheinbar nie wirklich etwas mit Frauen zu tun gehabt hatte, überraschte ihn noch viel mehr. „Hatte ich nie etwas mit einer Frau?“
 

„Nicht soweit ich mich erinnern kann.“, antwortete der Jüngere wahrheitsgemäß und konnte sich eine Sekunde später schon mit schmerzendem Herzen ausmalen, was die nächste Frage des Sängers sein würde. Er wollte schon den Mund aufmachen, um ein anderes Thema anzusprechen, da kam der Lockenkopf ihm zuvor.
 

„Und mit einem Mann?“ Stille folgte, in der sich die beiden Männer nur anstarrten. Mit einem Mal verlor Toru jegliche Motivation mit Taka zu reden und das, obwohl er diese Tätigkeit alleine sehr schätzte. Hatte der Sänger ihm diese Frage nicht zuvor ohnehin schon gestellt? Oder zumindest eine ähnliche? Toru wollte keine Fragen mehr hören, Fragen, die er zumeist mit Lügen beantworten musste. Er würde später noch einmal mit Taka sprechen. Vielleicht.
 

„Taka…ich hab Kopfschmerzen, kann ich mich wieder hinlegen? Wir können ja nachher noch mal miteinander reden.“
 

„Oh, natürlich!“ Mit einem Mal stand der kleine Sänger wieder kerzengerade neben dem Bett des Gitarristen. „Tut mir leid, ich hätte dich nicht derartig mit Fragen löchern sollen. Ich versuche nur halt irgendwie die riesen Lücke in meinem Leben zu füllen.“ Während Taka sprach, drückte er Toru vorsichtig zurück auf das große Kopfkissen auf der Seite des Blonden und deckte diesen anschließend wieder zu. Etwas überrumpelt von dieser plötzlichen Fürsorge, starrte Toru nur perplex und verloren in die dunklen Augen des anderen, der ihm daraufhin ein warmes Lächeln schenkte. „Danke, Toru. Auch dafür, dass das alles zwischen uns nichts ändert.“ Leider hatte Taka Unrecht, denn es änderte einiges.
 

Eigentlich alles.
 

„Bedank dich da nicht für, das ist doch selbstverständlich. Menschen, die eine Freundschaft von solchen Banalitäten abhängig machen sind einfach blöd.“ Irgendwie schaffte der Blonde es, das Lächeln seines Freundes zu erwidern, obwohl ihm eigentlich überhaupt nicht danach war, doch er wollte den Kleinen nicht auf Ablehnung stoßen lassen, wo man ihm doch praktisch ansehen konnte, wie viel Hoffnung er eigentlich in den Gitarristen setzte. „Ich stehe selbstverständlich weiter zu dir.“
 

„Danke Toru, ehrlich.“ Toru meinte die Augen seines Freundes verdächtig glitzern zu sehen, doch ehe er dieser Wahrnehmung weiter nachgehen konnte, hatte sich Taka bereits abgewandt und ging Richtung Tür, um dem Jüngeren die von ihm gewünschte Ruhe zu geben.
 

„Taka?“ Taka hatte schon die Hand nach dem Türgriff ausgestreckt, als Toru ihn ansprach. Aufmerksam drehte er sich um. „Danke, dass du mir das alles anvertraut hast.“ Auch wenn es unglaublich wehgetan hatte, all diese Dinge von dem Älteren geschildert bekommen zu haben, so war Toru einmal mehr davon überzeugt worden, wie sehr ihm der kleine Lockenkopf doch noch immer vertraute.

Und eben dieses Vertrauen, welches Taka ihm entgegenbrachte, war scheinbar alles was ihm jetzt noch blieb.
 

„Das ist doch selbstverständlich.“, grinste Taka, wiederholte so eben jene Worte, die Toru zuvor an ihn gerichtet hatte. Dies entging ihm natürlich nicht, weswegen sich doch ein kleines, belustigtes Lächeln auf seine Lippen stahl.

Eine letzte Lüge zu dieser Konversation seitens des Gitarristen war jedoch unumgänglich.
 

„Ich wünsche euch viel Glück, Taka.“
 

Sowie Taka das Schlafzimmer des Jüngeren verlassen hatte, machte er sich in der Küche daran, Toru eine einfache Suppe zu kochen, Brühe hatten sie glücklicherweise noch parat stehen. Wenn der Arme schon Migräne hatte, dann brauchte er nicht auch noch den ganzen Tag hungern, denn Taka bezweifelte stark, dass der Jüngere mit seinem Schädel in der Lage dazu wäre, überhaupt irgendwas auf dem Herd zustande zu bekommen. Er hatte wirklich fertig ausgesehen. Am liebsten hätte der Lockenkopf seinem Freund etwas Vernünftiges gekocht, allerdings fehlte ihm die Zeit dazu, wo er doch eine Verabredung mit Takeru hatte. Außerdem war Suppe vielleicht doch keine allzu schlechte Wahl, denn alles andere würde bei einer solchen Migräneattacke wohl früher oder später wieder seinen Weg nach draußen finden. Auf seine innere Aufgabenliste schrieb Taka, während er das fertige Essen in den Kühlschrank schob und eine Anmerkung diesbezüglich auf einem Zettel verfasste, dass er in einer Apotheke noch ein paar mehr Tabletten besorgen würde. Nur wenige Minuten später war er aus der Wohnungstür verschwunden, ohne noch einmal nach Toru zu sehen.
 

Hätte er dies jedoch getan, so hätte er den Blonden herzzerreißend weinend und schluchzend in ihrem Bett vorgefunden und vielleicht wäre jene Wahrheit schon früher ans Licht gekommen.
 

- - -
 

„Und? Wie hat er reagiert?“ Takerus Augen funkelten praktisch vor Neugierde, war er doch so gespannt darauf zu hören, was Toru, mit dem er schließlich auch gut befreundet war, zu ihm und Taka gesagt hatte.
 

„Als überrascht aber positiv würde ich es zusammenfassen.“, antwortete Taka und drückte die Finger des Jüngeren leicht. Es war voll den in Straßen Tokyos, dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, hatte Takeru zuvor nach der Hand des Sängers gegriffen und sie seitdem nicht mehr losgelassen. Obgleich Takas Herzschlag dieser Berührung wegen enorm an Tempo zugenommen hatte, ließ er sich nach außen hin nichts anmerken. Daran, dass er zuvor schon mal mit einer Person Händchen gehalten hatte, konnte sich Taka zum Glück erinnern, daher kam er sich nicht gänzlich aufgeschmissen vor. Mit wem er es jedoch getan hatte, wusste er nicht mehr, was allerdings weniger dem Wochen zurückliegenden Unfall zuzuschreiben war, sondern einfach der Tatsache, dass es schon so weit in der Vergangenheit lag.
 

„Na Gott sei Dank. Hätte ehrlich gesagt auch nicht damit gerechnet, dass er uns verurteilt oder ähnliches, aber angespannt war ich trotzdem.“ Takerus Lippen zierte ein liebevolles Lächeln und einen Moment zu lang hing der Blick des Lockenkopfes wohl an eben diesen, sodass es zu einem wissenden Grinsen wurde. Mit wärmer werdenden Wangen blickte Taka wieder auf den Bürgersteig.
 

„Ja, mich hätte das auch überrascht. Er sagte aber, dass auch er keine Ahnung hat, ob ich damals schon mit jemandem zusammen war, ob Mann oder Frau.“
 

„Wäre das denn so wichtig gewesen?“ Der ernste Tonfall in Takerus Stimme ließ Taka aufblicken. Seine Gedanken schweiften ab zu den zig Songtexten, denen man doch so unmissverständlich entnehmen konnte, dass es sehr wohl eine Person in Takas Leben gegeben hatte, die ihm alles bedeutet hatte. Jedoch kannte der Lockenkopf Takerus Einstellung zu all dem. Er hatte Taka gesagt, dass er sich auf die Gegenwart konzentrieren und die Vergangenheit ruhen lassen solle, da sich der kleine Lockenkopf mit all diesen Gedankengängen letztendlich nur im Kreis drehte und ihm anzusehen war, wie sehr ihm seine Unwissenheit zusetzte.
 

„Nein, nicht wirklich.“, beschwichtigte der Lockenkopf Takeru, der sich wohl in Gedanken schon einen weiteren Vortrag darüber zusammenlegte, dass Taka es erfahren würde, wenn er es erfahren sollte. Sowie der Brünette die Augenbrauen zusammenzog, offensichtlich bereit dazu, dem Älteren das mental vorbereitete vorzutragen, fuhr Taka mit dem nächstbesten, was ihm einfiel, fort. „Willst du denn nicht wissen, ob du meine erste Beziehung bist?“ Es war deutlich zu erkennen, wie Takerus Gesichtszüge für ein paar Sekunden einfroren, was Taka ein wenig Zeit gab, sich zurechtzulegen, wie er aus dieser Nummer wieder rauskam. Wann immer er mit Takeru über Vergangenes sprach, hatte er das Gefühl, den Jüngeren zu verletzen, da dieser ihm mehr als deutlich machte, dass dies nicht gerade sein Lieblingsthema war. Irgendwo konnte der kleine Lockenkopf die Abneigung seines Freundes all seinen Fragen gegenüber nachvollziehen, schließlich war er jetzt, in der Gegenwart, mit ihm zusammen und möglicherweise hatte Takeru ja auch Angst, dass Taka etwas aufdecken könnte, was ihn das Interesse am Brünetten verlieren lassen könnte, obwohl sich der Sänger das beim besten Willen nicht vorstellen konnte. Wirklich reden über seine Vergangenheit konnte Taka nur mit Toru. Zwar hatte er sowohl Ryota als auch Tomoya bereits ebenfalls Fragen gestellt, allerdings hatten ihm beide unabhängig voneinander gesagt, dass der blonde Gitarrist ihn und seine Vergangenheit viel besser kennen würde und er sich daher lieber an ihn wenden sollte.
 

„Taka.“ Takerus Stimme war ruhig, schon beinahe zu ruhig. Wie das Meer, kurz vor einem verehrenden Unwetter. Taka ging davon aus, dass er mit seinen Worten einen wunden Punkt im Jüngeren getroffen hatte und wünschte sich augenblicklich, er könne dies auf der Stelle ungeschehen machen, da es in letzter Zeit schon viel zu oft passiert war. „Mir ist es völlig egal, ob du vor mir bereits jemanden hattest. Was für mich zählt, ist dass ich jetzt mir dir zusammen bin und das sollte für dich ebenso an erster Stelle stehen.“ Ja, er hatte ihn definitiv verletzt, obgleich das ganz und gar nicht Takas Absicht gewesen war. Der Mund des Lockenkopfes fühlte sich mit einem Mal unglaublich trocken an, sodass seine Kehle nicht mal ein ‚tut mir Leid‘ hervorbringen konnte. Lediglich seine Finger schlossen sich enger um die Hand des Brünetten, hoffend auf Akzeptanz gegenüber seiner stummen Entschuldigung. Ebenso stumm ließ Taka nun den Kopf hängen und betrachtete schweigend seine Schuhe, ebenso den mit Kaugummis bespickten Bürgersteig, wobei ihm seine dicken Locken ins Gesicht fielen. Monoton ging er einige Zeit lang neben seinem Freund her, traute sich nicht das Wort zu erheben, aus Angst, ihn abermals verletzen zu können und erschrak gewaltig, als Takeru plötzlich stehen blieb. Verunsichert sah der kleine Sänger zu seinem Freund und begegnete großen, dunklen, besorgten Augen, die denen Torus so ähnlich waren, wie Taka jetzt erst bemerkte.

„Oh Gott, es tut mir leid, Taka!“ Damit, dass Takeru sich entschuldigte, hatte Taka am wenigsten gerechnet, weswegen er ihn, noch immer völlig überrumpelt, weiterhin stumm betrachtete. „Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass du ebenso wenig weißt, ob ich deine erste Beziehung bin. Hör zu, wir gehen es ganz langsam an, versprochen. Und wenn dir etwas zu schnell gehen sollte, oder du möglicherweise von etwas mehr willst, dann sag das einfach, wir gehen ganz nach dir, okay?“ Etwas höher zog Taka seine Augenbrauen, hatte er über diese Tatsache doch noch gar nicht nachgedacht, zumindest nicht unter dem Gesichtspunkt ‚erstes Mal‘ und ähnlichen Dingen, auf welche Takeru gerade offensichtlich anspielte.

Jetzt, wo ihm ihr Gesprächsthema bewusst wurde, spürte Taka seine Wangen deutlich wärmer werden, allerdings flüsterte ihm irgendwo in seinem Kopf eine Stimme, dass er unter diesem Vorwand aus der Sache wieder rauskäme und sich der Jüngere nicht mehr verletzt fühlen würde.
 

„Ja…Ja, genau. Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte…tut mir leid.“ Kurz ärgerte sich Taka über sein Stottern, er war noch nie ein guter Lügner gewesen, jedoch kam ihm schnell in den Sinn, dass dies ebenso Unbehagen ausdrücken könne und er dadurch vermutlich als glaubwürdiger dastehen würde. Etwas näher trat er an Takeru und lächelte schüchtern. Dass er im Grunde wirklich sexuell unerfahren war und nicht mal sagen konnte, ob das durch den Unfall kam, oder dem Faktum geschuldet war, dass er tatsächlich noch Jungfrau war, ignorierte der Lockenkopf für den Moment. Darüber würde er sich früher oder später ohnehin noch Gedanken machen.

Die fein definierten Lippen Takerus erwiderten Takas Lächeln und irgendwie schienen auch diese denen seines besten Freundes sehr zu ähneln. Allmählich entstand in dem kleinen Sänger die Frage, ob Toru und Takeru möglicherweise entfernt miteinander verwandt sein könnten.
 

„Bitte mach dir darüber keine weiteren Gedanken, du bestimmst das Tempo, ja?“ Taka war nicht darauf aus, dieses Thema weiter auszuführen, zumal es ihn ungemein erleichterte, dass die Sorgenfalten aus der Stirn des Jüngeren verschwunden waren, weswegen er nur zustimmend nickte.
 

„Danke, Takeru.“ Dem Blick Takerus nach zu urteilen, der ein paar Mal zwischen Takas Augen und dessen Lippen hin und her pendelte, spielte dieser wohl kurz mit dem Gedanken Taka einen Kuss aufzudrücken, verwarf diesen allerdings nach einigen Sekunden wieder. Vermutlich aus dem Grund, dass sie sich in der Öffentlichkeit befanden. Vielleicht aber auch mitunter deswegen, dass er nun den Eindruck hatte, den Lockenkopf mit Samthandschuhen anfassen zu müssen, was nun nicht wirklich in Takas Interesse lag. Die Gelegenheit dem Jüngeren dies zu sagen und vielleicht auch zu zeigen würde sich früher oder später schon noch bieten, weshalb Taka fürs erste keinen weiteren Kommentar von sich gab, sondern stattdessen grinsend hinter seinem Freund her trottete.
 

Es war ein schönes Café, in welches Takeru ihn geführt hatte. Im ersten Moment hatte sich Taka gefragt, wieso sie nicht einfach wie immer ihren Kaffee dort geholt hatten, wo Takeru auch arbeitete, hatte jedoch beim Eintreten die Antwort wie von selbst bekommen. Das Innere des Cafés war unwahrscheinlich edel, viel zu edel für einen einfachen Coffee To Go, welcher hier im Übrigen ohnehin nicht angeboten wurde, wie er später in Erfahrung brachte. Ein Mann in weißem Hemd hatte am Eingang gestanden und ihnen freundlich zugenickt, ehe Takeru ihm einige Worte zugeflüstert hatte und sie anschließend an einen Tisch nahe einem großen Fenster, durch welches man in einen weiten, mit vielen Blumen geschmückten Hinterhof schauen konnte, geführt wurden. «Maison des fleurs*» hatte in schnörkeligen Buchstaben auf der Karte gestanden, welche die Bedienung Taka gereicht hatte und nachdem Takeru dem Lockenkopf erläutert hatte, dass es sich hier um „Das Haus der Blumen“ handelte, passten für diesen die unzähligen Blumensträuße um sie rum auch ins Bild. Ebenso beeindruckt war er von Takerus Französischkenntnissen gewesen, jedoch hatte ihm dieser alsbald offenbart, dass er die Sprache nach zwei Jahren abgewählt hatte, da sowohl Aussprache, als auch Grammatik für ihn eine unüberwindbare Hürde dargestellt hatten.
 

Breit grinste Taka, als er sich ein weiteres Stück von seinem Crêpe abschnitt und ein genüssliches „hmmm~“ überkam seine Lippen, sowie ihm die zartbittere Schokolade auf der Zunge zerging.
 

„Freut mich, dass es dir hier gefällt.“ Liebevoll lächelnd nahm Takeru einen Schluck von seinem Espresso, was Taka an den Tag erinnerte, an dem er Takeru das erste Mal getroffen hatte. Damals war er im Begriff gewesen war, eben dieses Getränk für Toru zu bestellen, jedoch hatte Taka es lediglich zustande gebracht den Brünetten einige Sekunden lang perplex anzustarren, ehe dieser selber nachgefragt hatte, ob Taka den Schokokuchen haben wollte, wo doch eben jene Seite in der Karte aufgeschlagen gewesen war. Irgendwie hatte Taka es letztendlich geschafft die Bestellung aufzugeben. Wie wusste er nicht und vermutlich würde er dies auch nie erfahren.

„Worüber denkst du nach?“ Taka war sein dämliches Grinsen gar nicht aufgefallen und erst als sein Gegenüber in darauf ansprach, entspannte er seine Muskulatur und starrte anschließend ertappt auf seinen Cappuccino.
 

„Nichts bestimmtes…nur über peinliche Situationen, denen ich ausgesetzt war.“, stammelte er, verkniff sich dabei ein weiteres Grinsen.
 

„Also entweder sind die so peinlich, dass sie schon wieder lustig sind oder du verbindest irgendwas schönes mit ihnen. Sie müssen dich deinem Gesicht nach zu urteilen zumindest sehr erfreuen.“ Vorsichtig legte Takeru Messer und Gabel nieder, da er seinen Kuchen aufgegessen hatte und stützte sein Gesicht daraufhin in seiner Hand ab, beobachtete Taka durch amüsiert funkelnde Augen. „Erzähle mir. ~“
 

„Nichts da!“ Grinsend schüttelte Taka den Kopf, wobei seine dunklen Locken flogen. „Wenn du mich schon so gut analysieren kannst, dann kommst du da bestimmt auch selber drauf.“ Den empörten Ausstoß Takerus ignorierend, schob sich Taka das letzte, mittlerweile abgekühlte, Stück seines Crêpes in den Mund und legte sein Besteck leise auf dem teuer aussehenden Porzellan ab.
 

„Hmm, dabei höre ich dir doch so gerne zu. Gemeinheit.“, schmollte Takeru, erntete daraufhin ein leises Lachen des Älteren.
 

„Tu mal nicht so, als würde ich dich den ganzen Tag nur anschweigen, wir können gerne wieder darüber diskutieren, in welche Richtung das Toilettenpapier zu hängen hat, wenn du das meinst.“ Nun war es Takeru der auflachen musste. Ein angenehmes Kribbeln verspürte Taka in seinem Bauch, ebenso wie intensiver werdende Wärme in seinen Wangen. Er kam sich immer mehr vor, wie ein verliebter Teenager, aber da er sechs Jahre seines Lebens verloren hatte, war ihm das sicherlich noch gegönnt. „Es ist ehrlich richtig schön hier.“, meinte er nach einer Weile des Schweigens, in welcher ein Kellner ihre leeren Teller abgeräumt hatte.
 

„Schwul.“
 

„Bitte?“ Völlig ohne Kontext war die Bemerkung des Anderen, weswegen Taka verwirrt die Augenbrauen in die Höhe zog.
 

„Du bist schwul. Wenn du Gefallen an den ganzen Blumen und all diesen schnörkeligen Verzierungen hast, bist du mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit schwul. Oder Franzose. Oder Künstler. Darüber hast du dir doch den Kopf zerbrochen, oder nicht? Ob du vorher schon auf Männer standst, meine ich.“ Ein paar Sekunden starrte Taka Takeru verwirrt an, ehe er erneut auflachen musste, diesmal äußerst herzhaft. Einzelne Augenpaare fanden ihren Weg auf den Tisch der beiden Männer, jedoch schien sich keiner der beiden von dieser Gegebenheit stören zu lassen.
 

„Idiot.“, schaffte er zu sagen, während sich der Lockenkopf eine Lachträne aus dem Auge wischte. „Als würde die Tatsache, dass ich in einer Beziehung mit dir bin nicht schon Beweis genug sein. Mal abgesehen davon bin ich Künstler, vergiss das nicht.“
 

„Stimmt, dann bist du gleich doppelt schwul.“ Amüsiert schüttelte Taka den Kopf über diese Bemerkung, spürte abermals das angenehme Prickeln, dieses Mal beinahe im gesamten Körper. Wann hatte er sich das letzte Mal derartig geborgen gefühlt?

„Taka, darf ich dich was fragen?“, fragte der Brünette nach einer Weile. Angesprochener nickte nur zustimmend und blickte über seine Tasse, aus der er gerade einen Schluck nahm, aufmerksam auf Takeru. „Ich würde gerne wissen, ob ich dich auf ein Date ausführen dürfte.“
 

„Hm? Tust du das nicht gerade?“ Das Kinn in seiner Hand abstützend, legte Taka den Kopf schief und sah zu, wie Takeru sich auf der Unterlippe knabberte. Was auch immer hinter dieser Frage steckte, der Jüngere machte ein ziemliches Geheimnis daraus.
 

„Ja, schon, aber ich meine ein richtiges Date. Abends.“ Nun war Takas Neugierde geweckt und er lehnte sich interessiert in seinem Stuhl zurück. „Also, mein Chef organisiert auch Caterings und da ich mit zum Team gehöre, helfe ich da ebenso aus. Vor ein paar Monaten haben wir einen runden Geburtstag versorgt und der Herr war so begeistert von unserem Essen, dass er meinte, er würde sich da definitiv für revanchieren. Die Veranstaltung wurde im Garten einer ziemlich pompös aussehenden Villa abgehalten, daher gehe ich davon aus, dass der Herr ziemlich gut betucht ist. Soweit ich weiß, ist er wohl in der Modebranche oder so tätig. Lange Rede kurzer Sinn; für kommendes Wochenende sind wir zu ihm eingeladen worden. Es besteht auch ein Dresscode: Anzug und Krawatte. Oder Fliege, je nachdem. Da wir uns alle so herausputzen müssen, wird es wohl was ziemlich edles werden, mein Chef meinte auch, dass noch andere Leute kommen, bei denen sich der Herr ebenso bedanken möchte. Ich weiß nur, dass wir erst zu Abend essen werden und anschließend tanzen. Vielleicht lässt es sich als Ball mit Verpflegung zusammenfassen. Jedem von uns ist es gestattet eine Begleitung mitzunehmen und ich würde halt gerne dich fragen.“ Die mandelförmigen Augen Takas waren beinahe Kugelrund, so groß hatte er sie während Takerus Vortrag werden lassen. Das würde in der Tat ein Date sein. Und was für eins. Einen Anzug hatte Taka im Schrank, in die Menge würde er also definitiv passen und kommendes Wochenende hatte er auch noch keine Termine, demnach stand der Veranstaltung eigentlich nichts im Wege. Außer vielleicht…
 

„Meinst du denn, das geht? Also…ich…wir gehen?“
 

„Oh, keine Sorge!“, lachte Takeru und zwinkerte dem Älteren anschließend beschwichtigend zu. „Der werte Herr ist ebenfalls mit einem Mann vermählt, ihn wird das garantiert alles andere als stören.“ Erleichtert atmete Taka auf. Nein, der Gastgeber würde sich demnach wohl am wenigsten an ihrem Anblick stören und solange dieser es nicht tat, konnten dem Lockenkopf die anderen Gäste auch getrost egal sein.
 

„Wenn das so ist, komme ich sehr gerne mit! Anzug und Fliege hab ich, brauchst also nicht fürchten, dass ich in Jeans und T-Shirt bei dir auflaufe.“ Eine feine Gänsehaut bildete sich auf Takas Armen, als er spürte, wie sich Takerus Hand auf seine legte, welche er zuvor locker auf der Tischplatte abgelegt hatte. Weich war sie. Und warm. Der kleine Sänger biss sich auf die Unterlippe, um bloß nicht anzufangen wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen.
 

„Wirklich? Das freut mich unwahrscheinlich!“ Das Funkeln in Takerus Augen war kaum zu übersehen und jetzt, wo Taka ihn so betrachtete, waren seine Wangen ebenfalls leicht rötlich. „Und was heißt hier auflaufen, ich hole dich selbstverständlich ab, wie es sich für einen Gentleman gehört.“
 

„Ach so, damit ich als Lady dastehe? Vergiss es, Takeru. Ich komme zu dir, basta.“ Takeru kannte das Schmunzeln, welches gerade die Lippen des Lockenkopfes zierte. Es war das ‚keine Widerrede, ich würde ohnehin so tun, als würde ich dich nicht hören‘-Schmunzeln, weswegen er es einfach bleiben ließ, den Älteren von seiner Idee zu überzeugen.
 

„Ich hab trotzdem noch eine Bitte. Sie hat nichts mit dieser Sache zu tun, sondern eher allgemein, hörst du mir zu?“ Takas Blick war während Takeru sprach aus dem Fenster geschweift und hatte dort einzelne Wolken am Himmel fixiert.
 

„Aber natürlich, Schatz. ~“ Das ‚Schatz‘ sprach Taka so überdeutlich, dass es wohl kaum ernst gemeint sein konnte, was Takeru kurz den Kopf schütteln ließ, ehe er fortfuhr.
 

„Es geht um Toru. Ich hatte mit dir in den vergangenen Jahren leider kaum etwas zu tun, aber ich weiß von Toru, dass du ihm als Mensch unwahrscheinlich wichtig warst und es sicherlich immer noch bist. Ich bitte dich inständig darum, eure Freundschaft nicht zu vernachlässigen, jetzt wo wir zusammen sind. Sowas passiert viel zu schnell und am Ende schaut man sich um und bereut zutiefst, dass man einander nun so fremd ist. Diesen Schmerz will ich euch beiden ersparen, weil selbst jetzt kann ich sagen, dass eure Freundschaft definitiv etwas Besonderes ist.“ Es rührte Taka, dass Takeru offensichtlich so besorgt um ihn und Toru war, sodass er seine Hand unter Takerus drehte und so seine Finger zwischen die des Jüngeren schieben konnte.
 

„Das ist unwahrscheinlich lieb von dir, aber keine Angst, ich werde ihn definitiv nicht vernachlässigen. Ich wollte gleich ohnehin noch in die Apotheke und Tabletten für ihn besorgen, er ist nämlich mit starker Migräne aufgewacht und sah heute Morgen echt wie eine Leiche aus. Ich werde heute Nacht definitiv auf ihn aufpassen müssen. Frage mich, ob er die Suppe, die ich ihm gekocht habe, überhaupt schon angerührt hat.“ Sowie Taka darüber nachdachte, was Toru wohl gerade tat, wanderte sein Blick wieder nach draußen in den Himmel. In seiner Brust stach es leicht, jedoch bemerkte der Lockenkopf dies erst, als Takeru seine Hand der seinen entzog und Anstalten machte aufzustehen, woraufhin Taka ihn etwas verwirrt ansah.
 

„Schau nicht so aus der Wäsche, wenn die Situation tatsächlich wie beschrieben ist, dann solltest du Toru ganz schnell mit Essen und Medizin versorgen. Richtig Migräne ist echt hart.“ Noch etwas überrumpelt von Takerus plötzlichem Aufbruch, folgte der kleine Lockenkopf diesem zum Ausgang, an welchem er, mit der Rechnung in der Hand, ihr Essen bezahlte. Taka wollte schon Anstalten machen, seine eigene Geldbörse aus der Tasche zu angeln, jedoch war Takeru schneller und so knirschte er nur mit den Zähnen und folgte dem Jüngeren anschließend nach draußen.
 

„Ich wollte meine Sachen selber bezahlen…“, murmelte Taka und zog beleidigt die Hand weg, sowie Takeru nach ihr greifen wollte.
 

„Wirklich? Wirklich, Taka? Du schmollst jetzt, weil ich dich nicht hab bezahlen lassen? Auf einem Date zu dem ich dich eingeladen habe?“ Taka hatte den Kopf weggedreht, konnte das Gesicht seines Freundes demnach nicht sehen, aber alleine dessen Stimme konnte er entnehmen, dass er Takeru mit seinem Verhalten wohl über alle Maßen amüsieren musste.
 

„Ja, das ist richtig. Ich darf das, mit fehlen geistig schließlich 6 Jahre.“
 

„Ohne die du immer noch 20 bist.“ Den Laut der Empörung seitens Taka ignorierte Takeru, obgleich er sein Grinsen nur noch breiter werden ließ. Eine zeitlang liefen sie schweigend, auf ihrem Weg zur Apotheke, nebeneinander her, ehe Taka langsamer wurde und schließlich stehen blieb. Verwirrt sah Takeru den Älteren an, spürte das Blut in seine Wangen rauschen, sowie Taka nach seinen Händen griff.
 

„Danke für heute.“ Ehe der Größere antworten konnte, hatte sich Taka auf die Zehenspitzen gestellt und Takeru einen hauchzarten Kuss auf die Lippen gedrückt, welcher jedoch viel zu schnell bereits wieder vorbei war, als dass der Jüngere ihn hätte richtig genießen können. So oder so hinterließen die vollen Lippen des kleinen Sängers ein unwahrscheinlich starkes Prickeln auf seiner Haut. „Und danke generell. Auch dafür, dass du mich liebst.“ Wieder ließ Taka seinem Freund nicht die Möglichkeit zu antworten, sondern zog ihn einfach hinter sich her in Richtung Apotheke. Takeru verstand den Wink und ging auf diesen Kommentar vorerst nicht ein. Aber lediglich auf diesen.
 

„Und von den Küssen bekomme ich noch mehr, ja?“, grinste er.
 

„Aber ganz bestimmt nicht hier!“
 

- - -
 

Nein, Toru hatte die Suppe noch nicht angerührt. Vermutlich hatte er in Takas Abwesenheit die Küche noch nicht einmal betreten, was dieser daraus schloss, dass noch alles genau so aussah und angeordnet war, wie er es hinterlassen hatte. Seufzend zog er den Post It vom Kühlschrank ab und warf ihn in den Müll, jetzt konnte er Toru das Essen genauso gut selbst geben. Einen Teller der Suppe in die Mikrowelle stellend, studierte der Lockenkopf die Medikamente, die man ihm in der Apotheke mitgegeben hatte. Von Salbe bis hin zu stark dosierten Schmerzmitteln, hatte man ihm fast alles, was ohne Rezept zu bekommen war, in die weiße Tüte getan. Taka selbst fand das etwas übertrieben, aber Takeru hatte immer wieder gemeint „Mit Migräne ist nicht zu spaßen.“ und „Dann habt ihr wenigstens etwas vorrätig, falls einer von euch mal krank wird.“. Erneut seufzte der kleine Sänger und legte die Tüte wieder auf den Tisch. Ehe er irgendeine Packung anbrach, sollte er ohnehin zuallererst in Erfahrung bringen, wie es Toru mittlerweile ging.

Auf leisen Sohlen schlich er zum Schlafzimmer des Blonden und klopfte gegen die dunkle Holztür. Auf eine Antwort wartend, hielt der kleine Lockenkopf sogar den Atem an, wollte er doch jedes noch so leise Geräusch wahrnehmen, welches als eine Botschaft des Einlasses an ihn gerichtet sein könnte. Doch es blieb still hinter der Tür. Kurz spielte Taka mit dem Gedanken, seinen Freund einfach in Ruhe zu lassen, rief sich dann aber selbst wieder in Erinnerung, dass dieser sehr wahrscheinlich noch nichts gegessen hatte und das unter keinen Umständen so bleiben konnte, selbst wenn Taka ihn mit Zwieback füttern musste.
 

„Toru?“, fragte Taka gedämpft und klopfte erneut gegen die Tür. Ein leises Grummeln war aus dem Schlafzimmer zu vernehmen, welches der Sänger jedoch nicht als eindeutige Antwort an ihn ausmachen konnte. Dennoch, oder vielleicht mitunter deswegen, drückte der Lockenkopf vorsichtig die Klinke runter und lugte in den abgedunkelten Raum. Nur spärlich war Toru, oder eher dessen Umrisse, auf dem Bett zu erkennen, eingewickelt in seine Bettdecke und nur an den blonden Haaren zu identifizieren, welche aus eben dieser schauten.

„Toru, wie geht’s dir?“ Langsam und vorsichtig schloss der kleine Sänger die Tür hinter sich und schaltete das Nachtlicht auf seiner Seite des Bettes ein, wollte den Jüngeren nicht blenden, der sich zur entgegen gesetzten Seite des Zimmers gedreht hatte. Toru antwortete noch immer nicht, lag nur stumm da und schien, als würde er den Älteren gar nicht bemerken. Sowie sich Taka neben den Blonden auf die Matratze setzte, um bessere Sicht auf diesen zu haben, öffneten sich dessen Augen langsam.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken, aber du hast noch nichts gegessen…“
 

„Ist okay, ich war wach.“ Schon allein Torus Stimme war anzuhören, dass etwas nicht stimmte und so zog Taka die Augenbrauen besorgt in die Höhe. Wegen des Lichtes, welches von der anderen Seite kam, erkannte er in dem Gesicht des Gitarristen nicht viel, sah nur, wie ihn aus dem Schatten große, verschlafene Augen anblickten.
 

„Wie geht es dir jetzt? Ich hab dir Medikamente mitgebracht und heute Morgen schon eine Suppe gekocht, aber die hast du noch nicht angerührt.“ Taka beobachtete, wie sich die Augen des Jüngeren kurz wieder schlossen, ehe dieser sich unter Stöhnen aufsetzte, wodurch der Lockenkopf endlich sein Gesicht vernünftig sehen konnte. Torus Augen waren rot und geschwollen, seine Unterlippe schien er sich aufgebissen zu haben und wenn Taka nicht alles täuschte, so schienen die Wangen seines Freundes neben Röte auch eine gewisse Nässe aufzuweisen. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. „Hast du geweint?“, fragte er einfach gerade heraus, ohne darauf zu achten, dass der Blonde im Begriff war, auf seine vorherige Frage zu antworten.
 

„Ich…“, stotterte Toru, was Taka nur noch unruhiger werden ließ. Er hätte Toru nicht alleine lassen dürfen, wer weiß, wie schlecht es ihm wirklich ging.
 

„Soll ich die Medikamente holen? Die haben mir starke Schmerzmittel mitgegeben und Salbe und Kühltücher!“ Sowie der Sänger vom Bett aufsprang, griff sein Leader nach seiner Hand, umschloss diese vielleicht etwas zu lange, obgleich Taka dies gar nicht zu bemerken schien und hielt ihn so zurück.
 

„Nein, das ist nicht nötig, meinem Kopf geht es schon besser, ehrlich.“
 

„Aber was ist dann passiert?“ Mit einem besorgten Gesichtsausdruck, welcher Toru schmerzhaft an alte, bessere Zeiten erinnerte, sah Taka den Jüngeren an, als er sich neben ihn aufs Bett setzte. Federleicht strich er mit den Fingerkuppen über die Wange Torus, die sich tatsächlich feucht anfühlte, was seinem Herz, aus was für einem Grund auch immer, einen schmerzhaften Stoß verpasste. Dass sich die Haut des Jüngeren für diesen dort, wo er ihn berührte, anfühlte, als würde sie in Flammen stehen, ahnte der kleine Lockenkopf nicht, bemerkte auch nicht, wie sie sich leicht verfärbte, wobei diese Tatsache ohnehin kaum aufgefallen wäre, war das Gesicht des Gitarristen doch ohnehin schon so gerötet. Sachte griff Taka nach der Hand seines Freundes.
 

„Erinnerst du dich noch an das Date, was ich am Tag deines Aufwachsens hatte?“, begann Toru die Lüge, war aber nicht dazu in der Lage sie wirklich zu realisieren, brachte ihn doch die warme Hand Takas, die so fürsorglich um seine eigene lag, dazu, all die Gedanken, die den ganzen Tag über in seinem Kopf Katz und Maus gespielt hatten, für eine Weile zu vergessen. Und doch wurde er gerade dadurch erneut daran erinnert, dass der kleine Lockenkopf alles war, was er brauchte, um wunschlos glücklich zu sein. Oder um überhaupt zu sein.

Taka nickte, schaute ihn durch mandelförmige Augen aufmerksam an. Augen, die Toru so sehr liebte und einmal mehr Gefahr lief, sich ihn ihnen zu verlieren.

„Ich weiß, ich hab gesagt, sie sei nicht mein Typ gewesen, aber letztendlich…irgendwie…wir sind praktisch zusammen, zumindest dachte ich das.“ Dass Toru gerade indirekt die Lage zwischen sich und seinem aktuellen Gesprächspartner schilderte, bemerkten sowohl er, als auch der kleine Lockenkopf nicht. Etwas Ungreifbares lag in der Luft, sowie sich die beiden Männer einige Momente lang einfach nur schweigend ansahen.
 

„Hat sie dich verlassen?“ Takas Stimme war leise, beinahe ein Flüstern. Mit einem Mal zerbrach die undefinierbare Spannung, die noch Sekunden vorher zwischen ihnen geherrscht hatte wie eine Seifenblase. Eine Seifenblase, die ohnehin viel zu schön gewesen war, als dass sie wirklich real gewesen wäre.
 

Hatte Taka ihn verlassen? Konnte er ihm diesen Vorwurf wirklich machen? Taka wusste nichts von ihnen, hatte keine Ahnung was vor dem Unfall gewesen war, wie sehr sie einander geliebt hatten. Und doch…wieso hatte er sich nicht wieder in Toru verliebt? Wie damals.
 

„Ja.“ Das Wort war ausgesprochen noch ehe Toru vernünftig abwägen konnte, ob es tatsächlich das richtige war und ebenso unaufhaltbar waren die Tränen, die sich nur Sekunden später in seinen Augen sammelten und letztendlich über seine gerade getrockneten Wangen liefen. „Es ging ihr wohl doch zu schnell.“ Sein Herz stach, als er sich krümmte, um leise zu schluchzen. Und um Taka nicht mehr in die Augen sehen zu müssen. Vertraute Arme legten sich um ihn und zogen ihn vorsichtig an die Brust der Person, zu der sie gehörten.
 

„Bei mir bist du sicher. Wein ruhig alles aus, Toru. Ich hab dich fest im Arm.“ Die Situation ähnelte so vielen intimen Augenblicken, die sie vor dem Umfall miteinander geteilt hatten. Augenblicke, in denen sie in den Armen des jeweils anderen gelegen hatten und geweint hatten, Schutz und Liebe suchend.

Zitternd legte Toru seine Arme ebenfalls um Taka und vergrub sein Gesicht an dessen Schulter, spürte die dunklen Locken seine Wange kitzeln, stellte sich vor, dass sie sich in einer solchen Situation befanden, konnte es nicht. Es würde nie mehr so sein wie früher, niemals wieder.
 

„Bleib bei mir, Taka…“
 

„Das bleibe ich, versprochen.“ Lüge. Wie konnte er ein Versprechen geben, dessen Bedingungen er nicht mal kannte.
 

Bitterlich weinte Toru, schluchzte, krallte die Finger in Takas Pullover und verdammte das Schicksal dafür, dass er dem kleinen Lockenkopf noch immer so nah sein konnte, das allerletzte bisschen Distanz aber nie würde überbrücken können. Taka roch nicht mehr wie früher, nun lag noch ein anderer Geruch auf ihm. Der einer anderen Person.

Enger schloss Toru die Arme um den Älteren, wollte diesen Geruch mit seinem eigenen überdecken, wusste aber, dass dies nur für kurze Dauer effektiv sein würde. Der kleine Sänger gehörte nun jemand anderem. Toru hatte nicht mehr das Recht dazu, sich seine Liebe zu wünschen. Er hatte nicht mehr das Recht dazu, ihn nachts im Arm zu halten. Er hatte nicht mehr das Recht dazu, jeden Tag erneut zu versuchen, dem Sänger näher zu kommen. Es war vorbei.
 

Liebevoll strichen Takas Finger durch seine Haare, kraulten seinen Rücken, fühlten sich gut an und gleichzeitig so unverschämt falsch.
 

„Wenn du sie wirklich liebst, solltest du um sie kämpfen, denke ich. Lass sie nicht alleine, zeig ihr, dass du nach wie vor an ihrer Seite bist, sodass sie merkt, dass du der richtige bist. Ich kenne sie nicht, aber ich weiß, dass du dich nicht in irgendwelche dahergelaufenen Tusen verlieben würdest, von daher…gib ihr Zeit, sie wollte dir sicher nicht wehtun. Aber sei für sie da.“ Takas Stimme war so weich und liebevoll, dass jedes Wort, jede Silbe die Sehnsucht ihn Toru weiter anschürte.
 

„Ich weiß nicht, ob ich das kann…“
 

„Wenn du sie wirklich liebst, solltest du es auf jeden Fall versuchen.“
 

Es dauerte lange, bis Toru sich wieder beruhigt hatte. In dieser Zeit hatte Taka es irgendwann aufgegeben abzuschätzen, wie lange er den Blonden wohl bereits in den Armen hielt und ihm beruhigend den Rücken kraulte, obgleich ihn immer wieder das Gefühl beschlichen hatte, dass gerade diese lieb gemeinte Fürsorge dem Jüngeren nur noch mehr Tränen entlockte. Nicht wissend, was er tun konnte, um seinen Freund zu beruhigen, hatte Taka nur mit schmerzendem Herzen abwarten können, bis dessen Tränen von alleine abgeebbt waren und einen großen, dunklen Fleck auf seinem Pullover hinterlassen hatten. Und er fühlte sich so unwahrscheinlich hilflos.
 

„Du solltest definitiv um sie kämpfen, glaub mir.“
 

Etwas verloren wirkte Toru, als er im Esszimmer am großen Tisch saß, während Taka ihm in der angrenzenden Küche die Suppe auffüllte, die der Bandleader nun endlich bereit war zu essen. Nach dem Weinen war Toru unwahrscheinlich erschöpft gewesen und wollte sich eigentlich direkt wieder hinlegen, jedoch hatte Taka darauf bestanden, dass er erst etwas essen sollte, bevor er dies tat.

Der kleine Lockenkopf hatte den Jüngeren noch nie so aufgelöst erlebt und irgendwo erfüllte es ihn mit Unbehagen, war er es doch nicht gewohnt derjenige zu sein, der sich um jemanden kümmern musste, konnte so auch nicht wirklich abschätzen, wie er vorzugehen hatte. Jedoch konnte er auf diesem Weg wenigstens für seinen Freund da sein und ihm so ein wenig von dem zurückgeben, was Toru bereits alles für ihn getan hatte. Und doch blieb ein mulmiges Gefühl in ihm zurück, sowie er an das geschwollene Gesicht des Gitarristen dachte, die wässrigen Augen und die aufgebissenen Lippen.

Er würde so gerne mehr tun, hatte aber keine Ahnung was.
 

„Sorry, ich war heute noch nicht in der Küche, hab die Suppe daher noch gar nicht bemerkt.“, murmelte Toru, der sich und Taka Wasser in die bereits auf dem Tisch platzierten Gläser schüttete und den aufsteigenden Bläschen fasziniert zusah.
 

„Macht ja nichts, Hauptsache deinem Kopf geht es besser und essen kannst du ja jetzt immer noch.“ Sowie Taka dies sagte, stellte er den Teller Suppe vor Toru ab, der die Brühe etwas misstrauisch betrachtete.

„Schau nicht so, das ist ein altes Familienrezept, hab ich von meiner Mutter damals auch schon bekommen.“
 

„Bei Migräne?“, hakte der Gitarrist mit hochgezogenen Augenbrauen nach, rührte in der braunen Suppe.
 

„Bei allem. Und jetzt hör auf rumzumatschen und so zu tun, als sei sie verseucht, ich werde dich schon nicht vergiften.“ Ein wenig eingeschnappt griff der Lockenkopf, nachdem er sich neben den Blonden gesetzt hatte, nach seinem Glas und trank es in wenigen Schlücken leer.

Toru konnte ein Schmunzeln nicht vermeiden, war dieses Verhalten doch so typisch für Taka, auch vor dem Unfall schon.
 

„Gut, gut.“, besänftigte der Jüngere und nahm einen kleinen Löffel dessen, was Taka ihm da, mit scheinbar viel Fürsorge, gekocht hatte. Um ein Haar hätte er den Inhalt seines Mundes schon im nächsten Moment wieder ausgespuckt, schluckte ihn aber, unter Aufwand von sehr viel Willenskraft, brav herunter.

„Muss die so schmecken…?“, fragte er vorsichtig.
 

„Je bitterer, desto besser.“, erklärte der Sänger schon fast stolz und nahm ebenfalls einen Löffel des Gerichts. Im Gegensatz zu Toru verzog er sein Gesicht jedoch nicht mal im Geringsten, was entweder daran lag, dass er sich nicht eingestehen wollte, Mist gebaut zu haben, obgleich sich Toru das bei Takas Talent in der Küche beim besten Willen nicht vorstellen konnte, oder es musste tatsächlich derartig extrem schmecken.
 

„Sicher, dass du mich nicht vergiften willst? Außerdem hab ich doch eh gar keine Kopfschmerzen mehr.“ Ungläubig blickte der Lockenkopf den Jüngeren an und wollte schon etwas sagen, als aus der Küche ein Pfeifen ertönte. Kurzerhand stand Taka auf und kam wenige Sekunden später mit einer Teekanne und zwei Tassen zurück. „Kann ich nicht lieber die ganze Kanne trinken? Bitte?“
 

„Nichts da.“ Unbeeindruckt goss Taka sich und Toru den grünen Tee ein und schob dem Blonden eine der zwei weißen Tassen zu. „Der Teller wird leer gegessen, selbst wenn du keine Kopfschmerzen mehr hast, die hilft auch gegen Herzschmerz.“
 

‚Dann sollte ich besser doch die ganze Kanne alleine trinken.‘, dachte Toru für sich und starrte nur weiterhin sein Essen an, nicht fähig einen weiteren Löffel der bitteren Brühe zu sich zu nehmen. So sehr er den Kleineren auch mochte, das konnte er beim besten Willen nicht essen.
 

„Wirklich?“ Theatralisch seufzte der Sänger und lehnte sich rüber zu Toru, um den Teller zu sich ziehen zu können. Nachdem im Gitarristen kurz die Hoffnung aufgekeimt war, dass er vielleicht drum rum kam, die Suppe zu essen, hielt sein Freund ihm ohne Umschweife einen vollen Löffel vor die Lippen und sah ihn erwartungsvoll an.
 

„Wie alt bin ich? 4?“ Darauf bedacht, den Mund nicht zu weit aufzumachen, damit der Ältere ihm den Löffel nicht kurzerhand in diesen schieben konnte, schielte Toru auf eben jenen herab.
 

„Höchstens. Und jetzt Mund auf. Einen Löffel für den lieben Taka.“ Es half nichts den Lockenkopf einfach nur anzustarren, dieser erwiderte den Blick nämlich, dickköpfig wie er war, ebenso starr, sodass Toru sich schließlich erbarmte und sich füttern ließ. Angeekelt verzog er das Gesicht, schluckte aber. Für Taka.
 

„Den ganzen Teller?“ Dass Toru tatsächlich Tränen in den Augen hatte fand Taka dann doch ein stückweit übertrieben und stempelte den Jüngeren in Gedanken als „Gelegenheitsmemme“ ab, jedoch nicht ohne breit grinsen zu müssen. Mit ziemlicher Sicherheit bekam nur er diese Seite des Jüngeren zu Gesicht.
 

„Den ganzen Teller, mein Kind.“, singsangte Taka und hielt Toru bereits den nächsten Löffel vor die Lippen. Aus der Nähe betrachtet ähnelten sie denen Takerus doch nicht so sehr. Oder doch? Vielleicht erinnerten Takerus Lippen ihn einfach nur an Torus. Aber so wirklich viel Aufmerksamkeit hatte er denen seines besten Freundes doch ohnehin nie geschenkt, sollte es daher nicht eigentlich andersrum sein? Dass Torus Lippen ihn an Takerus erinnerten? Immerhin waren diese es, die er geküsst hatte. Oder aber Taka hatte so ein Ding für schöne Lippen, sofern es das überhaupt gab, denn Torus Lippen waren schön. Wirklich, wirklich schön…
 

„Ich bekomme da später was für.“, merkte Toru an und erst jetzt fiel Taka auf, dass der Blonde den Löffel bereits gegessen hatte. Von der vermutlich dagewesenen Theatralik hatte der Sänger nichts mitbekommen, was sehr zu bedauern war. Dafür passte er beim nächsten Löffel umso besser auf. „Und der ist für wen?“
 

„Na auch für mich, du tust schließlich mir den Gefallen.“, grinste Taka, woraufhin Toru auflachen musste. Es bewegte etwas in dem Lockenkopf, als er sah, wie sein bester Freund allmählich die Traurigkeit ablegte, die sein Gesicht zuvor gezeichnet hatte. Insgeheim schwor sich der Sänger, Toru fortan bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Lachen zu bringen, war dieses doch mindestens ebenso schön, wie seine Lippen.

Dass er eigenartige Vergleiche schloss, bemerkte Taka dann selber und konzentrierte sich, innerlich den Kopf über sich selbst schüttelnd, wieder darauf, den Jüngeren mit der Wunder-Suppe zu füttern. Zwar schien er Toru, die ganze Prozedur über, nicht von der Speise überzeugen zu können, allerdings hörte er nach gut fünf Löffeln endlich auf, dieses übertriebene Gesicht zu machen und schluckte stattdessen einfach nur noch.
 

„Ich spüle jetzt, okay?“ Ohne das wirklich als Frage gemeint zu haben, griff Toru nach seiner Teetasse und trank den Inhalt, der mittlerweile ohnehin abgekühlt war, binnen weniger Sekunden aus. Taka sah ihm dabei nur kopfschüttelnd, aber schmunzelnd zu und nahm sich schließlich auch seine Tasse.
 

„Und das war jetzt so schlimm?“
 

„Definitiv nicht lecker, aber geholfen hat sie trotzdem ein wenig.“ Toru sprach die Wahrheit. Dass sich Taka so liebevoll um ihn gekümmert hatte, hatte ihn für eine Weile all den Kummer vergessen lassen, kurz sogar den Eindruck gegeben, dass zwischen ihnen niemals etwas vorgefallen war und sie noch immer dieses glückliche Leben als Paar führten, in dem man den jeweils anderen mit Kleinigkeiten aufzog.
 

„Ha! Siehst du! Aber immer erst meckern, typisch.“, sagte Taka und goss sich erneut Tee ein. Auch Torus Tasse füllte er nach, nachdem dieser akzeptierend genickt hatte. Wieder lachte der Blonde.
 

„Typisch? Für mich?? Oh Taka, ich könnte dir Dinge erzählen. Im Meckern und Diskutieren bist du einsame Spitze.“ Ein spontanes Beispiel, was Toru in den Sinn kam, war als sie zu Anfang ihrer Beziehung darüber diskutiert hatten, dass Taka nicht die Rolle der Frau einnehmen wollte. Toru hatte zwar versucht ihm zu erklären, dass es eine solche Aufteilung ohnehin nicht gab – außer bei Paaren, die tatsächlich aus Mann und Frau bestanden –, doch der kleine Lockenkopf wollte das partout nicht einsehen und hatte sich eine Zeitlang geweigert, an Haushaltsarbeiten teilzunehmen, die seine weibliche Seite ja ach so unterstreichen würden, sondern war stattdessen ins Fitnessstudio gegangen, hatte bei einem Bekannten in der Werkstatt geholfen und hatte andere äußerst männliche Dinge getan, die an ihrer Männlichkeit nicht zu übertreffen waren, weil sie nun mal so männlich waren. Irgendwann hatte Taka das Chaos in der Wohnung, ebenso wie die ständigen Bestellungen von diversen Fast-Food-Ketten nicht mehr ausgehalten und hatte seine ursprünglichen Arbeiten wieder übernommen, natürlich nicht ohne sich vorher von Toru versprechen zu lassen, dass er in seiner „Männlichkeit“ nicht eingeschränkt werden würde, was dieser schließlich seufzend versprochen hatte. Bis heute war Toru der festen Überzeugung, dass Taka letztendlich nur nachgegeben hatte, weil ihm der Sex gefehlt hatte, den er während seiner rebellischen Phase ebenso verweigert hatte, obwohl allein das eigentlich Beweis genug dafür gewesen war, dass er durch und durch Mann war.
 

„Oh tatsächlich? Dann erzähl mir doch Dinge.“ Interessiert setzte sich Taka aufrecht hin, doch Toru schüttelte nur den Kopf.
 

„Bei Gelegenheit, ja? Ich würde mich lieber gerne wieder hinlegen. Aber ich erzähle sie dir, versprochen.“ Glücklicherweise sah Taka nicht enttäuscht aus, sondern nickte nur energisch.
 

„Ja, klar, kein Problem.“, lächelte er und stellte, nachdem sie ausgetrunken hatten, das Geschirr zusammen und brachte es zurück in die Küche, während Toru aufstand und die Stühle wieder an den Tisch schob.
 

„Bekomme ich jetzt eigentlich noch was für meine Leistung?“, fragte Toru gegen den Kühlschrank gelehnt und sah dem Älteren dabei zu, wie er das Geschirr in die Spülmaschine räumte und diverse Utensilien wieder an ihren ursprünglichen Platz legte. Sowie Taka in der Küche hin und her wirbelte, flogen seine dunklen Locken in alle Richtungen, was der Gitarrist noch viel interessanter fand, als den Bewegungen seines Freundes zu folgen.
 

„Was möchtest du denn für deine wahnsinnige Leistung haben?“ Grinsend drehte Taka sich um und sah seinen Leader durch dunkle, mandelförmige Augen an, nachdem in der Küche alles erledigt war.
 

„Ich will heute Nacht nicht alleine sein. Darf ich in deinen Armen schlafen?“
 

- - -

*“Maison des fleurs“ habe ich mir während des Schreibens ausgedacht und ist keine Anspielung auf das amerikanische Unternehmen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuminewsx3
2016-02-24T21:39:30+00:00 24.02.2016 22:39
Danke für das Kapitel. Ich hoffe Taka wird noch alles erfahren :o


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