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Eiskalte Blicke

von

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Tag- und Nachtgedanken

Mit weit aufgerissen Augen starrte Kaiba in die Dunkelheit hinein. Er hatte einen Moment der Unachtsamkeit, den er bereute, als er merkte, dass die fremde Schönheit nicht mehr im Zimmer war. Sie hatte seinen Moment der Schwäche genutzt, um sich hinauszuschleichen.

Verdammt.
 

Kaiba setzte sich auf, rieb sich an die pochende Schläfe. Als er sich an die Dunkelheit gewöhnte und seine Wut abstumpfte, erhob er sich, schwang sich seinen weißen Mantel über und lief mit zügigen Schritten aus der Tür. Er hielt es nicht für nötig, sie zu schließen, sowie er sich nicht für den Angestellten interessierte, der ihm eine gute Heimfahrt wünschte.

„Von wegen“, knurrte er und schlug die Wagentür seines Auto zu.
 

Wie sollte es jetzt weitergehen? Der junge Firmenchef wusste, dass die Identitäten der Männer und Frauen in der Villa geheim gehalten wurden. Man achtete auf äußerste Immunität gegenüber den Kunden, sowie dem „Personal“.

Um dieses Problem würde er sich später kümmern müssen. Er würde einen Weg finden, an den Namen der blau-weißhaarigen jungen Frau zu kommen. Bisher hatte er immer alles bekommen, was er wollte. Diese fremde Schönheit würde keine Ausnahme bilden, dessen war er sich sicher. Aber jetzt konnte sich Kaiba damit nicht befassen. Die Müdigkeit übermannte ihn, er drückte mit dem Fuß aufs Gaspedal, dabei nahm er alle Konzentration auf, sich auf die Straße zu konzentrieren, denn immer wieder tauchten die Bilder zweier stechender Augen auf, die ihn mit ihrem Blick um den Verstand bringen wollten.

Verdammt, wieso war er eingeschlafen? Er fand doch sonst kaum Schlaf und ausgerechnet diese Nacht...
 

Diese Frage stellte er sich noch am Morgen, als er am Küchentisch saß, einem starken Kaffee in der einen und die Tageszeitung mit dem Wirtschaftsteil in der anderen Hand. Er sah auf die Aktienkurse, ohne wirklich darauf zu achten. Er war viel mehr mit der Frage beschäftigt, wie er sich auf schnellstem Wege die nötigen Informationen beschaffen konnte, um an die Identität der jungen Frau zu gelangen. Es lief alles darauf hinaus, dass er der Villa einen weiteren Besuch abstatten musste. Natürlich könnte er sich auch in den Server des Unternehmens hacken, aber das nähme zu viel Zeit in Anspruch; Zeit die er nicht hatte und nicht aufbringen wollte, weil ihm jetzt schon die Warterei zusetzte.
 

Es war nicht Sehnsucht, die ihn unruhig werden ließ. Er hatte die Kontrolle des Geschehens verloren. Nur für einen Augenblick, als er unachtsam war und sich der Leichtigkeit des Seins hingegeben hatte, was sich schließlich als schwerer Fehler entpuppt hatte. Dieser winzige Augenblick hatte ihm die Kontrolle des gesamten Spiels gekostet, dass er nun mit leeren Händen dasaß. Es gab nichts, was er mehr hasste als ein Spiel zu verlieren – und noch weniger, wenn es sein eigener Fehler war. Nie würde er ein derartiges Ende akzeptieren...
 

„So ein Mist.“

Kaiba sah von seiner Zeitung auf und blickte zu seinem jüngeren Bruder herüber. „Mokuba, wie oft habe ich dir gesagt, dass das Esszimmer keine Spielhalle ist. Schaff´dieses Ding vom Tisch.“

„Ist gut, großer Bruder“, antwortete Mokuba, ohne seine gute Laune dabei zu verlieren. „Aber dieses neue Spiel ist einfach der Wahnsinn. Es macht richtig süchtig. Wir müssen es auf jeden Fall einmal zusammen spielen.“

„Aber nicht heute Abend“, erwiderte der Ältere trocken und widmete sich wieder seiner Zeitung. Mokuba seufzte leise – eine andere Reaktion hatte er von Seto, seinem älteren Bruder, der die meiste Zeit sowieso nur griesgrämig dreinblickte, auch nicht erwartet.

„Die Firmenchefs von Domino-City versammeln sich heute Abend zu einer Benefizveranstaltung.“

„Seit wann gehst du denn zu solchen Veranstaltungen?“ Mokuba zog fragend eine Augenbraue hoch.
 

Er besuchte äußerst ungern Bälle, Galas oder sonstige Veranstaltungen. Sie langweilten ihn. Es lief doch immer wieder darauf hinaus, dass einzig das Geld – Kaibas Geld – im Vordergrund stand. Geld, dass er sich hart erarbeitet hatte und niemandem in den Rachen werfen wollte.

Aber ab und an musste er sich bei seinen Konkurrenten und Feinden sehen lassen, damit sie nicht auf dumme Ideen kamen.
 

Eigentlich passte ihm der Tag überhaupt nicht. Nicht nur, weil sich die Dokumente auf seinem Schreibtisch stapelten, dass er für den Rest der Woche beschäftigt sein würde, er wollte auch so schnell wie möglich an jenen Ort zurückkehren, an dem das gestrige Spiel unterbrochen (er redete sich nun ein, dass es pausierte statt beendet war) wurde...

Hallo?! Hörst du mir überhaupt zu?“ Der Angesprochene sah irritiert zu seinem kleinen Bruder.

„Was ist denn, Mokuba?“

„Mann, Seto, kannst du nicht wenigstens zu Hause die Arbeit vergessen?“ Ja. Arbeit. Das war es, was er jetzt dringend brauchte, sonst würde er noch verrückt werden.
 

Doch Arbeit half ihm nur schwer über den Tag hinweg. Er hatte Telefonkonferenzen, die ihn allesamt nervten, Gespräche mit lästigen Mitarbeitern, die ihren Job nicht verstanden. Noch dazu musste er sich anhören, dass sein neu entwickeltes Spiel erst fünf Wochen später herausgebracht werden konnte.

Kaiba klappte den Laptop zu und starrte auf die graue Stahltür. Am liebsten wäre er hinausgerannt, mit dem Wagen zur Villa gefahren und hätte der Fremden eine Lektion erteilt, die sie ihr Lebtag nicht vergessen würde. Ihm war danach, seine Wut an dem zerbrechlichen Körper auszulassen, die die Gunst der Stunde genutzt und sich einfach aus dem Staub gemacht hatte. Die Dreistigkeit ihres Handelns machte ihn rasend, dass er sich auf die Unterlippe biss und nicht merkte, wie ihm das Blut übers Kinn lief.

„Mr. Kaiba?“

„Was ist!“, blaffte er in sein Headset. Für einige Sekunden herrschte absolute Stille auf der anderen Leitung.

„Sir, ich soll Sie an ihr morgiges Meeting erinnern und Ihnen mitteilen, dass um zwanzig Uhr ein Wagen für sie bereitstehen wird.“

„War's das?“, entgegnete Kaiba mit beherrschter Stimme.

„Ja, Sir.“

„Und dafür mussten Sie mich stören?“

Die Sekretärin stammelte eine Entschuldigung und Kaiba beendete das Gespräch. Gereizt riss er sich das Headset vom Kopf.

Verdammt, dafür würde diese Hure noch bezahlen, dass sie ihn einfach aus der Fassung brachte. Selbst ohne die Präsenz ihrer stahlblauen Augen.
 

Diese Augen, dachte er und schritt Punkt zwanzig Uhr aus seinem Büro, diese Augen waren so unberechenbar wie seine.

Er sah in die schwarze Schaufensterscheibe des Rücksitzes. Seine eigenen blauen Augen blickten ihm entgegen, missbilligten sein Verhalten und verhöhnten ihn, weil er Schwäche zugelassen hatte.

„Fahren Sie, Roland“, ordnete er seinen Chauffeur an, der sofort den Wagen anspringen ließ und in den Nachtverkehr einlenkte.
 

Während der Fahrt überdachte Kaiba seine Reaktion, doch immer wenn ihm die eiskalten Augen vor seinen eigenen wie eine Fata Morgana erschienen, brodelte es in ihm. Er ballte die Fäuste, dass die Knöchel weiß wurden.

Verdammt, das darf doch nicht wahr sein.
 

Als der Wagen hielt, saß Kaiba noch eine Weile wie erstarrt. Mechanisch erhob er sich schließlich und betrat den Eingang der Oper, in dem die heutige Benefizveranstaltung stattfinden sollte. Er schüttelte die Hände von schmierigen alten Säcken, die voller Neid auf das Imperium des jungen Firmenchefs hinabsahen. Wie jedem begegnete er ihnen mit genügend Gleichgültigkeit, dass sie sich nur ungern länger mit ihm unterhalten wollten als unbedingt nötig. Natürlich gab es auch Ausnahmen, Geschäftsleute denen es nicht an Ausdauer fehlte und immer wieder den Versuch starteten, Kaiba aus der Fassung zu bringen. Nicht, dass sie jemals Erfolg hatten, aber allein die Tatsache, dass sie ihm seiner Nerven berauben konnten, gab ihnen Genugtuung.

„Mr. Kaiba, was für eine Überraschung Sie hier zu sehen.“

Seto Kaiba hatte früh genug gelernt mit diesen Leuten fertig zu werden.

„Ich kann auch nicht fassen, Sie hier anzutreffen, Stevenson, wo Ihre Firma doch kurz vor dem Bankrott steht.“

„Nur Gerüchte“, konterte sein Gegenüber, aber die Art seiner Haltung verriet Kaiba, dass seine Informationen richtig waren.

Regel Nummer eins: lasse deine Feinde nie aus den Augen. Er war ihnen immer einen Schritt voraus, plante seine Züge, noch bevor sich die anderen von ihren fetten Ärschen erhoben.
 

Nach dem gelungenen Einstieg ließ er sich ein Glas Whisky einschenken und verschaffte sich von der Bar aus einen Überblick.

Alle großen Männer und Frauen (die Anzahl der weiblichen Gäste blieb überschaubar) der Stadt Domino-City hatten sich hier eingefunden. Ein paar mehr oder weniger Einflussreiche, aber alle hatten sie sich einen Namen gemacht.
 

Er schwenkte sein Glas und legte es auf die Lippen. Der Geruch von Bourbon benetzte seine Nase und ein weiterer ebenso intensiver Duft folgte ihm. Kaibas Sinne waren geschärft. Dieser Geruch, dachte er und musste sofort an ebenmäßige Haut denken, die von nichts als blau-weißen Haaren bedeckt wurde.

„Was für eine Freude es mir ist, sie endlich persönlich kennenzulernen, Mr. Kaiba“, drängte sich eine tiefe Männerstimme in seine Gedanken.

Erst jetzt fiel ihm die breite Statur eines Mannes mittleren Alters auf, die sich direkt vor ihm gestellt hatte.

„Ich bin Beko Kugeka, Geschäftsleiter von Alexis Industries.“ Er reichte dem jungen Firmenchef die Hand, die dieser mit einem Nicken entgegen nahm.

„Alexis Industries. Ihre Firma gehört zu dem besten Marketingunternehmen der Welt“, sagte Kaiba. Es war das erste, was ihm durch den Kopf ging, denn er war noch immer von dem Duft abgelenkt, der ihn wie ein Rauschgift umnebelte.

„Ich muss zugeben“, setzte der Chef von Alexis Industries an, „dass ich mich in den letzten Jahren so gut wie ganz aus dem Geschäft zurückgezogen habe. Die steigenden schwarzen Zahlen haben wir meiner Tochter zu verdanken. Sie kümmert sich um die Geschäfte, seit ich ihr die Leitung der Firma übertragen habe.“

Kaiba hörte nicht richtig hin, sondern nickte nur. Der Duft wurde immer stärker, seine Finger zuckten und hielten das Glas krampfhaft in der Hand, während er versuchte die Einbildung (für ihn konnte es nichts anderes sein) aus seinem Kopf zu bekommen.
 

Das muss sofort aufhören, dachte er und schob sein Verhalten auf den Schlafmangel, den er eigentlich gar nicht hatte. Ganz im Gegenteil: Diese Nacht hatte er seit Langem wieder durchschlafen können. Aber worauf sollte er es sonst schieben – auf die Tatsache, dass er an nichts anderes mehr denken konnte seit er den Duft jener Haut gespürt hatte, ihn unter seiner dazu aufgefordert hatte, diesen Duft mit seinem zu vermischen? Konnte er sich tatsächlich eingestehen, dass ihn die Vorstellung beinahe den Verstand kostete?
 

In seinem Inneren tobte ein Sturm, doch er ließ sich von Außen nichts anmerken. Für andere blieb er der mächtige, kontrollierte und eiskalte Seto Kaiba.

„Entschuldigen Sie mich“, mit diesen Worten drehte sich der junge CEO von seinem Gegenüber weg. Noch ehe er einen Fuß in Gang setzen konnte, hielten ihn zwei tiefblaue Augen davon ab, sich von der Stelle zu rühren. Er hielt den Atem an.

„Darf ich Ihnen meine Tochter Kaori vorstellen.“ Die junge Frau nickte, ohne den Blicken Kaibas auszuweichen. Dieser kämpfte gegen den Drang, sie am Arm zu packen, aus dem Raum zu ziehen und in der nächstgelegen Ecke zu ficken bis sie nicht mehr wusste, wo ihr der Kopf stand. Einzig die eisblauen Augen und sein beherrschendes Wesen hielten ihn davon ab. Er wusste, dass er sich gedulden musste, um an sein Ziel zu kommen.

„Ms. Kugeka, es freut mich Sie kennenzulernen.“ Die Worte schossen aus ihm wie Blitze. Geduldig wartete er ihre Antwort ab.

„Die Freude ist ganz meinerseits, Mr. Kaiba. Wie ich meinen Vater kenne, hat er Ihnen von unserer Firma vorgeschwärmt. Sie müssen wissen, dass Alexis Industries sehr an einer Zusammenarbeit mit Kaiba Corporation interessiert ist.“

„Eine Zusammenarbeit scheint mir nicht abwegig“, stimmte er in das professionelle Gespräch ein. „Wir beide wollen doch nur das Beste für unsere Firmen“

Die selbstsichere Art, passte ihm ganz und gar nicht. Die bestimmten Worte der blassen Schönheit verärgerten ihn, denn sie klangen wie seine - kühl und abgeklärt.

„Entschuldigen Sie mich bitte, aber ich habe noch ein wichtiges Gespräch mit einem der hier anwesenden Herren zu führen.“ Wie ein Geist schwebte sie leichtfüßig über das Parkett. Kaiba bemerkte den Rückenausschnitt ihres nachtblauen Abendkleides, das bis zum Ende der Wirbelsäule reichte. Gestern Abend hatte er tiefere Einblicke sehen können...
 

Als die zarte Gestalt aus seinem Blickfeld verschwunden war, wollte er so schnell wie möglich nach Hause. Zu viele Gedanken kreisten in seinem Kopf. Er verstand es einfach nicht. Die Frau, die sich für Geld kaufen ließ (für viel Geld, aber die Summe spielte keine Rolle), zählte offensichtlich zu den Einflussreichsten der Stadt. Wie Kaiba hatte sie sich in eine Situation begeben, in der es immer gefährlich war, erkannt zu werden. Nur standen sie auf völlig verschiedenen Seiten.
 

Egal, wie lange er darüber nachdachte, alles führte auf dasselbe hinaus: Er musste dafür sorgen, dass er sie für sich beanspruchen konnte. Ihren Körper hatte er sich einmal erkaufen können, er würde es wieder tun. Doch er wollte mehr. Viel mehr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-11-26T02:54:02+00:00 26.11.2019 03:54
Jetzt bin ich platt mit solch einer Wendung hätte ich nie gerechnet.

Was macht Kaori Kugeka in der Villa???? sie hat Geld genug !!!!

Jetzt bin ich richtig neugierig.
Antwort von:  Lady_of_D
03.10.2020 11:11
Leider deinen Kommentar erst jetzt gesehen 🙈
Als ich die Story damals im Kopf hatte, wusste ich, die Wendung musste gleich am Anfang rein 😁
Von:  DueKay-Black
2015-03-26T19:07:40+00:00 26.03.2015 20:07
Interessante story bisher. Ich hoffe ich werde in den nächsten Kapiteln nicht enttäuscht xD und seto hat noch etwas an ihr zu knabbern ;)

Lg
Antwort von:  Lady_of_D
26.03.2015 21:09
Hey,
danke für deinen Kommentar :) ich hoffe, du wirst/wurdest nicht enttäuscht. Was den weiteren Verlauf anbelangt, will ich - ohne irgendetwas vorwegnehmen zu wollen - nur sagen, dass der Schein auch trüben kann...^^


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