Zum Inhalt der Seite

Aeonar

Willkommen im berühmtesten Magiergefängnis Thedas'
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Was in den tiefen Gängen lauert...

Vor sechs Wochen.

„Also…“, fing Anders langsam an, nachdem er mit Julius eine gefühlte halbe Ewigkeit durch die Gänge gegangen war. Er verschränkte die Arme vor seinem, mit Gänsehaut überzogenen, Körper. Seine Hose war unangenehm durchnässt und ein wenig seines eigenen Erbrochenem war darauf gelandet. Oh, war das ekelig!

Früher, da war der Blondschopf eitel gewesen. Damals, in Kinloch Hold. Er hatte oft stundenlang im Bad verbracht, bis die Templer verärgert gekommen waren, weil er nicht zum Abendessen erschienen war, hatte sich stets die besten Zirkel-Roben unter den Nagel gerissen und hatte stundenlang vor dem Spiegel ausgeharrt, um sich die Haare zu machen. Viele hatten ihn als ‘weibisch‘ bezeichnet, doch der Anderfelser war trotzdem DER Frauenschwarm schlechthin gewesen. Wahrscheinlich gerade deswegen; weil er sich so gepflegt gegeben hatte. Frauen standen auf so etwas, das wusste der alte Casanova.

In Amaranthine und in Kirkwall hatte das ein wenig anders ausgesehen; als er bei den Wächtern gewesen war, hatte man ihn förmlich dazu gezwungen, sich schneller fertig zu machen und nicht stundenlang unter einer heißen Dusche zu stehen. Der Anderfelser hatte sich unter den Wächtern unwohl gefühlt, vor allem, als man ihm Ser Naseweiß weggenommen hatte, weil ihn diese Katze zu ‘weich‘ gemacht habe. Pfft, die hatten doch alle keine Ahnung… Und in Kirkwall hatte er sich Eitelkeit schlichtweg nicht mehr leisten können. Es lag auch ein wenig an Gerechtigkeit, er gab es zu, aber… wenn man sich um einen Raum voller kranker, verletzter Menschen kümmern musste, durfte man nicht zimperlich sein oder sich wegen ein wenig Dreck unter den Fingernägeln aufregen. Als Hawke ihn damals kennen gelernt hatte, hatten ihm die Haare verschwitzt ins Gesicht gehangen und seine Kleidung hatte ein paar Löcher dazu bekommen, die er in einer schlaflosen Nacht geflickt hatte. Trotzdem, vollkommen wie ein Penner hatte er auch damals nicht ausgesehen. Jeder schaffte es, sich wenigstens einmal am Tag zu waschen, auch wenn es in der dreckigen Dunkelstadt war.

Aber dann, in der Himmelfeste?

Da war der eitle Geistheiler wieder aufgeblüht. Er hatte sich sogar einen neuen Goldohrring angeschafft, den er damals, in Kirkwall, abgelegt hatte, um nicht allzu schnell erkannt zu werden (dieser Ohrring war immerhin so etwas wie sein Markenzeichen gewesen!). Gekleidet in Pelz und anderen, feinen Stoffen, die man ihm freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte, war der Anderfelser erneut durch die Himmelsfeste spaziert, wie der reichste Schnösel der Kirkwaller Oberstadt. Natürlich hatte er auch geheilt… meistens jedoch hatte er seine Zeit damit verbracht, anderen Magiern beizubringen, wie man Heilmagie richtig anwandte. Das war immerhin auch sehr wichtig, jawohl…!

Auf jeden Fall war es jetzt wieder ein vollkommen anderes Gefühl, nass, dreckig und mit Kotze auf der Hose durch ein dunkles Verlies zu rennen. Julius neben ihm machte einen weitaus saubereren Eindruck als er selbst und Anders fragte sich, ob jemand regelmäßig mit Seife, Rasierer und einer Schale Wasser herunterkam, damit sie sich frisch machen konnten.

…War er eigentlich von allen guten Geistern verlassen?

Wie konnte der Anderfelser so etwas GERADE überhaupt nur DENKEN?

Man hatte ihn hier unten eingesperrt, ohne alles, außer diesem blöden, schwarzen Schlüssel, während ein roter Drache Jagd auf sie machte. Natürlich würden die Templer dann mit Wasser und Seife runterkommen, den Gefangenen sollte es ja nicht allzu schlecht gehen, was?

Das Leben war so grausam.

„Wo genau gehen wir jetzt hin?“, beendete der Anderfelser. Julius fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an. Wir können noch eine Weile durch die Gänge spazieren oder ich bringe dich zu meiner Zelle.“ Schon fast wollte Anders verwirrt stehen bleiben, aber das Wissen, dass Erdbeerchen in seinem Rücken lauerte, verängstigte den Blondschopf so sehr, dass er eisern weiterging.

„Deine Zelle?“

„Ja. Da wären wir zumindest bis zum nächsten Morgen in Sicherheit“, erklärte Julius und kramte aus seiner Tasche einen kleinen, schwarzen Schlüssel; den selben, den die Templer auch Anders damals in die Hand gedrückt hatten. Jetzt blieb der Langhaarige doch stehen. Julius lief noch ein paar Schritte weiter, doch dann kam er auch wieder zurück. Die braunen Rehaugen Anders‘ trafen auf die von Julius und der Magier holte jetzt selbst seinen kleinen Schlüssel raus.

„…dann sind das tatsächlich Zellenschlüssel?“

Der kräftige Mann vor ihm nickte, sagte aber kein einziges, weiteres Wort.

„Das heißt, wir können uns selber einsperren?“

Wieder ein Nicken; dieses Mal begleitet von einem schwachen Lächeln. „Eine ziemliche Ironie, was? Entweder, wir sind frei und werden gefressen, oder wir sind eingesperrt und in Sicherheit. Und dabei müssen wir uns auch noch selbst einsperren. Wieder so ein dämlicher Psycho-Trick der Templer.“ Er zuckte mit den Schultern und scharrte ein wenig mit dem Fuß am Boden. „Mir egal. Ich lebe lieber und beuge mich deswegen dem ganzen Scheiß hier. Habe nämlich gehört, dass es im Maul eines Drachens nicht so angenehm sein soll!“. Ein heiteres Lachen verließ die Kehle des muskulösen Mannes und er deutete in eine Richtung. „Du musst deine Zelltür selbst finden. Und ich rate dir, dies lieber schnell zu tun, sobald zu die Zeit dazu findest. Nicht jeder ist so nett wie ich hier unten, verstehst du?“

Das war Anders schon klar gewesen… Er hatte offenbar ziemlich viel Glück gehabt, gerade eben auf Julius getroffen zu sein. Er steckte den Schlüssel wieder in seine Hosentasche und schlang die Arme um den nackten Oberkörper.

„Was meinst du mit… wenn ich die Zeit dazu finde?“

Julius blickte wieder den Gang hinunter. Seine Miene wurde ein wenig bitterer und er schnaubte gar abfällig aus. „Fragst du dich nicht, wie du hier unten überleben sollst, wenn du frei rumrennen kannst? Wie sieht das mit Essen aus? Trinken?“

Der Angesprochene schwieg; er hatte sich noch keine Gedanken über diese Sachen gemacht, aus Angst, sie würden ihn hier unten schlichtweg verhungern lassen; aber Julius‘ Beispiel zeigte doch, dass die Templer sich hier etwas ausgedacht haben mussten… oder nicht? Doch, mit Sicherheit. Das hier war zwar grausam und unmenschlich; aber je länger der intelligente Anderfelser darüber nachdachte, desto mehr erschien es ihm, als mache das hier alles einen Sinn. Der freundliche Julius klopfte ihm auf die Schulter. „Ich zeige dir alles beim nächsten Gong. Komm jetzt mit und ruh dich aus.“
 

Sie liefen noch einige Zeit durch die dunklen Gänge; so lange, bis Julius vor einer der Gittertüren stehen blieb, und sie aufschloss. Anders war die ganze Zeit neben ihm hergelaufen und ihn nie aus den Augen verloren; der kräftige Mann war der einzige, der ihm hier unten half und schon fast so etwas wie ein Lichtblick geworden. Gleichzeitig fragte der Anderfelser sich, wie Julius seine Zelle gefunden hatte… Immerhin war das Labyrinth hier unten riesengroß. Hatte der Braunhaarige tatsächlich einen so guten Orientierungssinn? Oder was war das Geheimnis der unterschiedlichen Zellen…? Anders nahm es sich fest vor, Julius darauf mal anzusprechen… Denn er würde bestimmt nicht auf ewig dem Mann hinterherrennen können, oder?

Die Zellen waren eng und klein; ein wenig Stroh lag in einer Ecke, doch der kräftige, braunhaarige Mann beachtete dies gar nicht, sondern setzte sich schlichtweg auf den steinernen, glatten Boden. Er lehnte sich mit verschränkten Händen hinter dem Kopf an die Wand und nickte anschließend auf die gegenüberliegende Mauer Langsam und zögernd ließ Anders sich daran nieder, nachdem er die Zelltür hinter sich geschlossen hatte.

Es war ein seltsames, befremdliches Gefühl, sich selbst einzuschließen… Aber wenn der rote Drache bald tatsächlich auf Beutezug ging, dann fühlte sich Anders hier drinnen eindeutig sicherer, als draußen.

Der Blondschopf zog die Beine an den Körper und bettete das Kinn auf die Knie. Seine Augen starrten in der Dunkelheit in Julius‘ Richtung, der keine Anstalten machte, einen Ton von sich zu geben.

Anders hasste die aufkommende Stille.

„Wie viele sind hier unten?“

Er hörte, wie Julius sich ein wenig bewegte; der Schein einer weiter entfernten Fackel war zu schwach, als dass jener die Zelle wirklich gut erleuchten konnte, deswegen mussten sie sich jetzt blind unterhalten.

„Schlecht zu sagen“, kam die Antwort, „zu den Gongs erscheinen nicht alle; mindestens einmal in der Woche wird einer von Erdbeerchen erwischt. Einige werden von den Templern mitgenommen und nie wieder gesehen. Die letzte Zählung der Templer liegt schon Wochen zurück… Damals waren wir hier unten an die dreißig Männer und Frauen. Aber jetzt, wenn ich schätzen müsste…“ Eine kurze Pause entstand, dann meinte Julius mit leiser Stimme: „Zwanzig Leute, vielleicht auch fünfundzwanzig. Aber mehr auch nicht.“

„So wenige Leute in einem so großen Komplex?“, fragte Anders erstaunt nach. Der Irrgarten hier unten war riesig; schon jetzt hatte der Blondschopf keine Ahnung mehr, wo sie sich befanden; sein Orientierungssinn, der ihn auf seinen Fluchten aus dem Zirkel immer gut geholfen hatte, hatte ihn nun vollends im Stich gelassen.

„Sie nehmen die Gefährlichsten und packen sie hier unten rein. Der Rest, der auf den oberen Etagen lauert?“ Julius lachte leise und streckte die Beine aus. „Die kannst du allesamt vergessen. Das sind irgendwelche Magier, die hierher gebracht werden, weil sie sich die Arme aufgeschlitzt haben und für gefährlich erachtet wurden. Eine Woche hier drin und sie sind nichts anderes mehr als wimmernde Mabaris. Dass du hier bist, zeugt davon, dass sie dich für etwas Besonderes halten.“

Anders konnte Julius‘ musternden Blick selbst im Dunkeln spüren und der Magier schluckte leicht. Der Mann vor ihm war neugierig… ZU neugierig, nach Anders‘ Geschmack. „Weswegen bist du hier, Anders?“

Der Abtrünnige antwortete nicht; er wollte nicht an seinen Wutanfall denken, den er damals in dem kleinen Dorf gehabt hatte… Dieser Gestank nach Blut und Verwesung, verbranntem Fleisch… das war zu schrecklich; und er hasste diesen Gestank, wollte sich nicht daran zurückerinnern. Vor allem nicht daran zurückerinnern, warum er überhaupt vor der Himmelsfeste geflohen war.

„Was hast du getan?“, fragte der Blondschopf deswegen, um von sich abzulenken.

Julius lachte leise in sich hinein. „Du bist ein Magier, nicht wahr?“

„Nur Magier kommen nach Aeonar“, lautete Anders‘ Antwort darauf.

„Wirklich?“

In Julius‘ Stimme lag etwas… Seltsames. Beinahe schon spöttisch und dem Geistheiler wurde mulmig zumute. Wenn Gerechtigkeit jetzt hier wäre, wenn er den Geist spüren konnte, dann würde er sich besser fühlen, aber so… so fühlte er sich vollkommen allein gelassen. Schweiß stand ihm, trotz der Kälte hier unten, auf der Stirn.

„Mir macht die Antimagie nichts aus“, sagte Julius nach einer gefühlten halben Ewigkeit des Schweigens. „Ich habe aber auch kein Mana in meinen Adern fließen, Anders. Ich bin ein ganz normaler Mensch, den sie hier unten eingesperrt haben.“

Das erklärte zumindest dessen kräftige Statur, befand Anders. Und doch wurde dem Blondschopf flau im Magen; denn wenn nicht nur Magier hier eingesperrt wurden, wer wusste dann schon, was für Monster sich hier unten, abgesehen von Erdbeerchen, befanden? Julius kicherte vor sich hin; und dieses Mal klang dieser Laut wahrlich wahnsinnig in Anders‘ empfindlichen Ohren.

„Keine Sorge, kleiner Magier. Ich werde dir nichts tun.“

Das beruhigte den Langhaarigen nicht im Geringsten und er wollte schon aufstehen, um zu gehen, da hörte er, wie sich bebende Schritte durch die breiten Gänge bewegten. Julius warf einen Blick nach draußen. „Jagdzeit“, meinte er mit leiser Stimme.

Anders blieb lieber sitzen, lehnte den Kopf an die harte Mauer und schloss die Augen.
 

Ein lauter, durchdringender Gong weckte den Anderfelser.

Er hatte sich während des Schlafes auf die Seite gelegt, die Hände unter den Kopf geschoben, um sie als Kopfkissen zu nutzen und war, dank der Erschöpfung, die in seinen Knochen steckte, recht schnell eingeschlafen; jedoch war er stets wachsam gewesen, aus Angst, dass die Gittertüren den Drachen doch nicht abhalten würden. Schreckliche Albträume hatten den schwitzenden und zitternden Magier geplagt, er hatte im Schlaf wahrscheinlich geschrien, nur, um jetzt aufzuschrecken, als ihn der Gong aus einem schrecklichen Traum riss, in dem er von zehn Drachen gleichzeitig verfolgt worden war.

Falls er Julius um dessen Schlaf gebracht hatte, ließ sich der Mann nichts anmerken. Jener stand bereits am Gitter und machte gerade eben die Tür auf.

„Komm mit“, sagte er zu dem, immer noch am Boden liegenden, Magier.

„Was war das?“, fragte der Angesprochene vollkommen perplex, machte sich aber schnell daran, sich aufzurappeln. Gestern hatte er noch enorme Angst vor Julius gehabt… aber da dieser ihn im Schlaf nicht gemeuchelt hatte, ging diese Angst wieder ein wenig zurück. Es war immer noch komisch, mit einem Nicht-Magier durch das Magiergefängnis zu laufen… aber gleichzeitig war Julius die einzige Person, die ihm hier half und somit auch am Leben erhalten konnte, nicht wahr? Also folgte der Anderfelser dem Kurzhaarigen, nachdem jener nur mit einem leichten Lächeln auf den Lippen gemeint hatte: „Komm mit und du wirst es herausfinden.“
 

„Was… ist DAS?“, fragte Anders und blieb mit offenem Mund stehen. Julius hatte ihn ungefähr fünfzehn Minuten lang (wenn Anders Zeitgefühl ihm nicht im Stich gelassen hatte…) durch die langen Gänge geführt (der Mann schien sich bestens hier unten auszukennen), bis sie an einem großen Raum, der schon fast einer Höhle glich, angekommen waren. Julius war unbeirrbar weitergelaufen, doch der Anderfelser musste sich erst einmal ein Bild davon machen, was sich hier unten befand:

Mehrere Templer standen Wache; einige saßen und wiederum andere unterhielten sich, doch sie alle waren schwer gerüstet in diese unheimlichen, schwarz-roten Uniformen. Abgesehen von dem Gang, der säuberlich aus dem Stein herausgeschlagen worden war, führten noch mindestens fünf weitere Gänge von dem unterirdischen Höhlenraum ab; vor jedem Eingang standen zwei Templer Wache, vor ihren Füßen befanden sich Kisten mit Spitzhacken drin. In einer Ecke stand ein großer Geröllhaufen und gerade eben schoben zwei kräftige Männer – die ebenfalls Gefangene waren – einen großen Wagen, der bis zum Rand mit schweren, schwarzem Stein gefüllt war, auf diesen Haufen zu, um ihn dort zu entladen.

Julius drehte sich um und nickte dem Blondschopf auffordernd zu. „Komm schon. Herumstehen und Trödeln bringt dir keine Pluspunkte bei den Templern ein.“ Der Mann ging auf den dritten der Tunnel zu und stellte sich vor einen der Templer, die allesamt einen Helm trugen. Anders folgte ihm, vorsichtig und zögernd; überall musterten ihn die anderen Gefangen; einige zeigten auf ihn, denn es war offensichtlich, dass er ein Neuankömmling war. Wie ein Tier schlich der Anderfelser durch den Raum, gesellte sich zu Julius, der sich eine der Spitzhacken nahm und ein wenig den Nacken dehnte. Er schulterte das schwere Teil und grinste Anders auffordernd an.

„Du darfst dir auch eine nehmen.“

Der Blondschopf schluckte schwer, rührte sich nicht.

„Ich korrigiere mich: Du MUSST dir eine nehmen, Anders. Wer nicht arbeitet, bekommt keine Belohnung.“

Ohne zu antworten (denn es wäre eine sarkastische Bemerkung gewesen und der Magier dachte daran, dass so etwas hier unten nicht gut war), packte er vorsichtig einen der hölzernen, stabilen Schafte einer Spitzhacke und hob sie hoch; das Gewicht zerrte an seinen Armen und der dünne Magier keuchte auf, spannte die Muskeln in seinem Körper an, um das Werkzeug wie Julius zu schultern. Der Templer vor seiner Nase sagte kein einziges Wort, doch seine grünen Augen lagen au dem Blondschopf wie ein Raubtier, das seine Beute betrachtete.

„Komm mit“, meinte Julius und nickte in Richtung des Ganges. Unsicher folgte Anders ihm; auch hier waren in einigen Metern Abstand Fackeln angebracht und unter jeder stand eine der Templerwachen, die allesamt schwere Antimagie wirkten. Die Gänge hier waren gerade mal mannshoch, was bedeutete, dass Erdbeerchen hier nicht durchkommen würde… doch gleichzeitig fühlte sie Anders wie in einem Käfig gefangen.

Es dauerte eine Weile, bis die beiden Männer schweigend am Ende des Ganges angekommen waren. Ein weiterer stand bereits dort und hackte den Stein von den Wänden; zwei andere Gefangene packten jene in einen Wagen und warteten darauf, dass sie den Karren wieder wegschieben konnten. Eine der Personen, die ziemlich schmal war und die der Abtrünnige nur von hinten sah, richtete sich auf und wandte sich um.

„Julius“, sagte sie und trat ein wenig näher, sodass das Licht der Fackel auf ihr Gesicht schien.

Anders ließ sich beinahe die Spitzhacke auf die Füße fallen, so perplex war er, dass er vor einer Frau stand. Sie hatte sich die langen, feuerroten Haare zu zwei schmalen Zöpfen gebunden, sodass sie jünger aussah, als sie wohl in Wahrheit war. Ihr Gesicht war länglich, mehrere Sommersprossen zierten ihre blasse Haut und ihre Augen besaßen ein tiefes Waldgrün. Sie steckte in genau derselben dünnen, gerafften Hose, wie Anders sie trug, doch zusätzlich dazu noch in einem dreckigen Hemd, das sie sich so um den Körper gebunden hatte, dass es nur ihre Brüste bedeckte. Dreck, Schrammen und blaue Flecken konnte man auf ihren Händen und Armen ausmachen und der Blick der Frau wanderte schlussendlich zu dem neu dazu gekommenen Anderfelser.

„Ist das der Neue?“, fragte sie.

„Ja“, antwortete Julius und nickte den anderen drei Männern grüßend zu.

„Und er soll hacken? Er scheint mir ein Magier zu sein…“

„Mal schauen, wie er sich schlägt“, grinste der Braunhaarige und holte aus; er ließ die Spitzhacke runtersausen und schlug damit ein paar Steinchen aus der massiven Wand vor sich. Anders selbst stand wie festgewachsen da und blickte sich um; nicht weit von ihnen standen zwei Templer, beide gerüstet und bewaffnet mit ziemlich fies aussehenden Waffen.

„Ich bin Bronwen“, stellte sich die Frau mit den roten Haaren schließlich vor. Sie wischte sich Schweiß von der Stirn und hielt ihm dann anschließend die Hand hin. „Nett, dich kennen zu lernen…?“ Ihre Stimme klang fragend, doch der angesprochene Blondschopf verpasste seinen Einsatz.

„Anders“, antwortete Julius stattdessen für ihn. Bronwen nickte und atmete einmal tief durch.

„Ziemlich krass, hm?“, fragte sie und sah sich um. „Ich habe genauso geguckt, als ich hierhin gekommen bin…“

Endlich fand der so stumme Magier seine Stimme wieder: „Bist du… eine Magierin?“

„Ja“, lachte sie. „Und ich bin glücklich, nicht mehr die einzige hier in diesem Tunnel zu sein. Wenn Julius nicht da ist, ist es ganz schön langweilig, denn Garen und Oliver sprechen nicht viel…“. Das mussten dann wohl die anderen beiden Männer sein, die hier standen und Anders bisher nur einmal zugenickt hatten. Der Blondschopf selbst machte noch nicht mal Anstalten, zu arbeiten, sondern fragte: „Was soll das hier werden?“

„Kennst du die Geschichte von Aeonar nicht, Anders?“, erwiderte Bronwen und beugte sich runter, um ein paar Steine aufzusammeln und sie in die Kiste zu werfen. Der Blondschopf schüttelte nur den Kopf. Die Rothaarige seufzte daraufhin auf und meinte: „Früher, da wurde Aeonar gebaut, weil das Reich von Tevinter hier irgendetwas gesucht hat. Aber was, das weiß man nicht… und ganz offensichtlich hat das Reich es auch niemals gefunden.“

„Und deswegen sind wir hier“, ergänzte Julius und schlug noch ein paar Steine aus dem Stein heraus. „Wir sind die perfekten Arbeiter; keiner vermisst uns, wir sind stark und können uns noch nicht mal großartig wehren.“

„Ihr habt Spitzhacken“, bemerkte Anders.

„Ja, und der Templer da hinten eine fette Axt, mit der er meinen Kopf spalten kann“, konterte Julius lachend, „es wäre Wahnsinn, hier unten einen Templer angreifen zu wollen.“

„Auf jeden Fall“, mischte Bronwen sich wieder ein und lehnte sich an den hölzernen Wagen. „Wir sollen das finden, wonach Tevinter schon gesucht hat. Gang Eins ist schon ziemlich weit fortgeschritten, während wir hier noch recht am Anfang stehen. Wir sind halt nicht allzu viele Gefangene hier unten… ich glaube, auf einen von uns kommen zwei Templer und dazu kommt auch noch Erdbeerchen.“

„Greift der Drache nicht die Templer an?“, fragte Anders misstrauisch.

„Nein. Sie hört im Endeffekt nur auf Brutus, hat aber beigebracht bekommen, in dieser Höhle niemanden anzugreifen, es sei denn, er befiehlt es“, meinte Julius und hörte einen Moment lang auf zu hacken. Er blickte zu Anders und lächelte jenen leicht an.

„Und jetzt hilf lieber mit, Blondie.“

„Warum sollte ich?“, erwiderte der Anderfelser, packte den Griff seiner Spitzhacke ein wenig fester. Bronwen und Julius tauschten einen bedeutungsvollen Blick aus.

„Die Regeln sind ganz einfach: Wenn du genug gearbeitet hast, bekommst du eine Mahlzeit. Wenn nicht, verhungerst du oder wirst Erdbeerchen irgendwann zum Fraß vorgeworfen“, erklärte die Frau ihm schließlich.

„Also heißt es hier, man muss arbeiten, wenn man überleben will“, erkannte der Blondschopf.

Julius und Bronwen nickten nur; die anderen beiden grunzten zustimmend. Anders seufzte schwer aus und schüttelte den Kopf. Es war nicht zu fassen; und er glaubte schon fast daran, dass das hier gerade nur ein sehr, sehr, sehr böser Traum war. Natürlich, er konnte jetzt auch einfach aufgeben und den Drachen suchen… aber dafür war sein Überlebenswille viel zu stark.

Der Magier… er wollte hier unten nicht sterben.

Zumindest nicht allzu bald.
 

Anders unterdrückte die erneuten, aufsteigenden Tränen und gesellte sich anschließend zu Julius und Garen oder Oliver (wer auch immer gerade neben ihn stand) Er hob die Spitzhacke über den Kopf und haute anschließend zu; das Klirren von Stahl auf Stein und das Bröckeln schien ihn förmlich auszulachen, aber der Blondschopf würde nicht zusammenbrechen, oh nein. Er würde hier unten überleben… überleben und entkommen.

Die Standhaften, so hatte Julius sich selbst und alle anderen bezeichnet.

So langsam verstand Anders, was genau der muskulöse Mann damit gemeint hatte…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück