Zum Inhalt der Seite

Opus Magnum

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Faire de Funambule - Opus I

[RIGHT][RIGHT] [/RIGHT][/RIGHT]

 

 
 

…. im Falle eines plötzlichen und unerwarteten Todes… und dem damit verbundenen Wegfall des Dämonenherrschers… ernannte dieser einen seiner sieben Untergebenen zu seinem Nachfolger…  Dieser eine, dem die größte Gunst seines Herrschers zustand, war Luzifer…
 

 
 

Da Luzifer starb, bevor ihm die Ehre der Krone zuteilwerden konnte, wählte der Dämonenherrscher den Sohn Luzifers zum nächsten Erbe der Krone. Somit wurde der rechtmäßige Thronfolger ein Wesen, dessen Blut geteilt war.
 

Ein Wesen mit dem Blut einer Göttin und dem Blut eines Teufels.
 

 
 

Sein Name war Youma.
 

 

 

 

 

 

Kasra hatte es vom ersten Moment an gespürt. Eine Unruhe. Eine vorausahnende Unruhe.

 

In dem Moment, als es geschah, hatte er am Fenster gestanden und unwillkürlich in die richtige Richtung geblickt, in die er tonlos starrte, während zwei junge Frauen mit einem neuen Umhang für ihn beschäftigt waren, da der letzte auf dem Schlachtfeld im Kampf gegen die Wächter einige Risse bekommen hatte und Kasra sich deswegen kurzerhand für einen ganz neuen entschieden hatte.

Die beiden Dämoninnen bemerkten das Erstarren ihres Herrschers und blickten neugierig – aber gewagt – in dieselbe Himmelsrichtung. Diese ihm dargebotene Angriffsfläche weckte Kasra aus seiner angespannten Trance und er wollte diese gerade auszunutzen, um sich von seiner plötzlich aufkommenden Anspannung zu befreien, als Karou plötzlich hereinkam.

 

Sofort himmelte Kasra mit den Augen und begnügte sich damit, die Dämonin, die ihm am nächsten war, beiläufig ins Schienbein zu treten, um sie wieder zum Arbeiten zu bewegen.

Ihr schmerzverzerrtes Gesicht und besonders das Zurückhalten eines Schreis stellte ihn zufrieden – mal wieder eine Widerstandsfähige; wie erfreulich, das bedeutete mehr Spaß für ihn.

 

Unbeeindruckt von diesem kleinen Spielchen seiner Majestät verneigte Karou sich und berichtete ihm, dass er gerade eine überaus eigenartige Magie lokalisiert hatte; eine Magie, die er auch mithilfe seines Computers nicht hatte analysieren können. Eine gänzlich fremdartige, aber sehr starke Magie.

„Ich werde mich darum kümmern. Du kannst gehen.“  

 

Karou wunderte sich darüber, dass Kasra nicht gefragt hatte, wo er die besagte Magie lokalisiert hatte, aber aussprechen tat er diese Bedenken natürlich nicht. Er verneigte sich ein weiteres Mal, wobei ihm kurz auffiel, dass Kasra wieder aus dem Fenster sah – und tatsächlich genau in die Richtung, wo sich die Magie befand.

 

Karou und Kasra waren nicht die einzigen Dämonen, die dieses magische, ungewöhnliche Spektakel bemerkt hatten; auch andere Dämonen hatten das Auftauchen der unbekannten Magie gespürt, aber keiner dieser Dämonen traute sich näher an die Quelle heran; sie hielten Abstand und noch niemand hatte gesehen, was die eigentliche Ursache war. Aus irgendeinem Grund gefiel diese Menge an Dämonen Kasra überhaupt gar nicht und obwohl er eigentlich wie immer selbstbewusst lächeln wollte, zeigte sein Gesicht eher eine grimmige Visage, die auch nicht von den Mitgliedern seines Volkes erweicht werden konnte, die sofort Abstand von ihm nahmen, sobald der König zu ihnen gestoßen war. Sie waren immerhin Bürger von Lerenien-Sei; sie hatten die Vorzüge eines Sicherheitsabstandes zu Kasra schätzen gelernt.

 

Aber anstatt sie dazu zu bewegen zu verschwinden, ignorierte er die neugierige Ansammlung Dämonen, durchschritt sie und ließ ohne zu zögern die Felsformation hinter sich, die auf natürliche Art dafür gesorgt hatte, dass das, was auch immer es war, von den Blicken der Dämonen abgeschirmt war.

 

Genau wie Karous Computer vernahmen auch Kasras feinfühlige Sinne eine eigenartige Magie, die stärker wurde, umso näher er der Quelle kam. Sie brachte die Luft förmlich zum Vibrieren, die ihm schwerer vorkam als anderswo in seinem Reich. Kein Wunder, dass die Schwachmaten sich nicht getraut hatten, näher heranzukommen – aber einen König konnte diese Magie natürlich nicht abhalten. Er bahnte sich furchtlos seinen Weg durch die Felsformation, die ihre Form langsam änderten, umso weiter er vordrang: zuerst bemerkte Kasra nur eine leichte lilane Verfärbung der Felsen, aber dann verloren sie sogar ihre Form, ihre Konsistenz – die Felsen waren zu lila leuchtenden Kristallen geworden, kristallisiert von der immer stärker werdenden Magie, vor der ihn seine Sinne nun auch zu warnen begannen. Was war nur…

 

Kasra war so ziemlich auf alles vorbereitet.

Aber auf das, was seine roten Augen dazu brachte, sich zu weiten, das… das hatte er nicht kommen sehen.

 

Nachdem er die letzten, pulsierenden Kristalle hinter sich gelassen hatte, gelangte er zum Zentrum dieser fremdartigen Magie – das Zentrum, das eine Person war. In diesem Moment wusste Kasra nicht, ob er einen Wächter oder einen Dämon vor sich hatte; er konnte die Rasse nicht zuordnen, die Aura der auf dem Boden kauernden Person war zu verschwommen, um von Kasra platziert zu werden.

 

Irgendetwas hinderte Kasra daran zu agieren, obwohl er bemerkte, dass dieses Wesen ein Glöckchen mit seinen Händen umschlossen hielt.

Irgendetwas hypnotisierte ihn.

 

Der junge Mann hockte auf dem Boden; seine langen, schwarzen Haare blockierten Kasra die Sicht; nur das golden aufleuchtende Glöckchen sah er, welches der Unbekannte an sich drückte… genau wie die Hikari es taten, wenn Kasra sein Lieblingsspiel mit ihnen spielte.

Trotzdem wusste der Herrscher der Dämonen, dass dieses Wesen kein Hikari war; er spürte es und er verließ sich grundsätzlich mehr auf sein Gefühl als auf irgendwelche Geräte. Aber auch Karou würde später nicht herausfinden, was dieses Wesen für eine Rasse besaß und er konnte sich auch mithilfe seiner Computer nicht erklären, warum er mit einem Glöckchen ausgestattet war.

 

Dieses Wesen, dessen Ankommen Kasra schon von Weitem gespürt hatte, schien ihn bemerkt zu haben. Aber anstatt zurückzuweichen, sich irgendwie verteidigen zu wollen, senkte er langsam die Hände, die das Glöckchen umklammert hatten und erhob sich.

Von irgendetwas war er geschwächt; seine Bewegungen waren langsam, aber obwohl man ihm seine körperliche Schwäche ansah, wurde diese förmlich überschattet; überschattet von einer schier königlichen Eleganz und Erhabenheit, mit der er sich nun auch zu Kasra herumwandte.

 

Sein Gesicht war tränennass, seine hohlen Augen wechselten von rot zu schwarz, als er Kasras Blick traf und trotzdem… trotz all dieser offensichtlichen Anzeichen der Schwäche, paralysierte Kasra dieser erste Anblick von Youma.

 

Kasra benötigte keine Dokumente mit holprigen Übersetzungen; in diesem Moment wusste er, dass er nicht der einzige war, der zum König geboren worden war. Die goldene Krone auf seinem Kopf wurde ihm plötzlich schwer; es war ihm, als würde der Unbekannte die Hand danach ausstrecken, obwohl dieser ihn eigentlich nur ansah, ohne dass eine Botschaft in seinen leeren, traurigen Augen lag. Augen, die irgendetwas beweint hatten.

 

Kasra hätte ihn wahrscheinlich einfach töten sollen.

Stattdessen fing er Youma auf, als dieser plötzlich bewusstlos wurde. 

 

 

Youma konnte sich an dieses erste Treffen der beiden nicht erinnern. Der Zeitbann, aus dem er erwacht war, war zu mächtig gewesen; das Aufwachen zu plötzlich und wahrscheinlich vom namenlosen Dämonenherrscher provoziert, obwohl Youma nie herausfand, ob das tatsächlich so war. Noch lange war Youma in einer ihm unerklärlichen Zwischensphäre gefangen… Eine Zwischensphäre, die auf andere so wirkte, als wäre Youma in einer Art Trance-Zustand. Seine Augen waren geöffnet, er konnte sich bewegen, wenn auch nur langsam. Er realisierte alles um sich herum, aber zur gleichen Zeit tat er es doch nicht. Er war zwischen zwei Welten, zwei Zeiten gefangen, die beide versuchten, ihn zu sich zu ziehen.

Sein Körper war 1984 angekommen; seine Seele aber zog es in die goldene Zeit Aeterniems.

 

Seine Seele war der Grund für seinen Trance-ähnlichen Zustand; sie weigerte sich vehement, die neue Zeit zu akzeptieren und nur langsam gelang ihr dies. Youma wusste daher im Nachhinein nichts von den vielen Tests und Versuchen, die Kasra an ihm hatte machen lassen; er wusste nichts davon, wie gründlich er durchleuchtet worden war – wie viel Kasra eigentlich von ihm wusste.

 

Nur ab und zu bemerkte er die beobachtenden Blicke Kasras, wenn dieser ihn manchmal stundenlang durch die verglaste Wand betrachtete, als wäre er ein Gemälde. Ein Unwohlsein stieg dann in ihm auf… aber das Unwohlsein siegte dahin, löste sich auf in Youmas endlosem, ihn lähmenden Heimweh.

 

 „Meine Hoheit, ich werde Euch die Ergebnisse bringen, sobald ich fertig bin. Es wird mehrere Stunden dauern, bis die Untersuchung abgeschlossen ist. Ihr müsst nicht…“ Kasra ignorierte Karous Worte; er reagierte nicht einmal auf sie, sondern sah nur mit einem abwartenden, aber ernsten Gesicht auf das in grüner Flüssigkeit schwimmende Mischwesen.

Karou glaubte, dass Kasra zu skeptisch war, um Karou mit der Arbeit an Youma alleine zu lassen, immerhin war der erste Befehl Kasras gewesen, keine, absolut gar keine Information über Youma außerhalb des unteren Zirkels des Schlosses zu tragen. Auch Nathiel wurde ausgesperrt und wie Karou erfahren hatte, war Kasras erste Tat nach dem Fund Youmas gewesen, alle schaulustigen Dämonen ausfindig zu machen und sie zu töten.

Im Grunde genommen wunderte Karou sich über all das nicht; auch nicht darüber, dass Kasra bei allen Untersuchungen, die Karou an Youma durchführte, selbst anwesend sein wollte; dass sich Karou Youma nicht einmal nähern durfte, ohne dass er selbst dabei war. Karou kannte Kasras Skepsis und seine Vorsichtsmaßnahmen, denen er mit Freuden nachging… die kannte er auch. Aber ab und zu wurde er doch stutzig – denn warum schien es Kasra zu faszinieren, auf den Bildschirmen immer nur Fragezeichen zu sehen? Warum kam es Karou so vor, dass sein König sich darüber freute, dass die Untersuchungen meistens ergebnislos waren – ja, dass sie nicht einmal so etwas Simples wie Youmas Element herausfinden konnten? Als wissensdurstiger Forscher frustrierte diese Mangelhaftigkeit Karou – aber Kasra? Kasra schien… Gefallen an diesen vielen Fragezeichen zu finden…?

 

Wirklich skeptisch hoben sich Karous Augenbrauen allerdings erst, als er Kasra, fast einen Monat nach Youmas Auftauchen, vor dessen verglaster Zelle stehen sah. Die Untersuchungen waren schon seit mehreren Stunden abgeschlossen gewesen… eigentlich waren sie im Allgemeinen abgeschlossen: es gab nichts mehr, was sie momentan über ihn herausfinden konnten… warum also war Kasra dort?

 

Zuerst waren es nur kurze Besuche.

Sie wurden zur Gewohnheit, Kontrollgänge.

Kontrollierend, ob der damals noch Namenlose – denn Youma hatte noch nicht gesprochen – immer noch einfach nur da saß und nichts tat.

 

Zuerst wurden die Besuche länger und die Blicke, mit denen Kasra ihn beobachtete, immer intensiver, durchdringender.

 

Warum? Warum?

 

Er saß nur da und tat nichts. Was war es nur, was Kasra immer wieder zu ihm lockte? Was war es, das ihn nicht schlafen ließ? Warum sah er dieses Wesen sogar in seinen Träumen, aus denen er aufgeregt erwachte und erst wieder zur Ruhe fand, wenn er hier unten vor seiner verglasten Zelle stand und ihn sah? 

 

War es diese Merkwürdigkeit, dass er, obwohl er sich nicht rührte und eigentlich schwach wirken musste, immer noch… von dieser Erhabenheit umgeben war? Diese schwarzen Haare und Augen; er wollte seine Haare berühren, wollte herausfinden, ob sie sich genauso anders anfühlten wie seine Augen wirkten – so anders, so gänzlich anders als alles, was Kasra zuvor gesehen hatte. Er hatte einen filigranen, fast weiblich wirkenden Körper, dem doch Stärke innewohnte und feingliedrige Finger, die kraftvoll das einzige umschlossen hatten, mit dem er in diese Welt gekommen war; eine Sense, die momentan in Karous Obhut war.

 

Jedes Detail sog Kasra in sich auf, jedes Detail dieses fremdartigen, so faszinierenden Wesens. Jedes Detail regte seine Fantasie an. Immer deutlicher, immer formreicher wurden seine Träume, die er aber dennoch nicht platzieren konnte… Warum schwieg das Wesen immer in seinen Träumen? Warum? Warum sah er immer nur, wie sich dessen Mund bewegte, diese…  

 

Kasra verlangte danach, seine Stimme zu hören.

Ja, das wollte er ganz besonders. Vielleicht kam er deswegen so oft, weil er den Moment nicht verpassen wollte, wenn er zum ersten Mal den Mund öffnete, um zu sprechen? Karou hatte irgendetwas davon gesagt, dass er anzweifelte, dass sich irgendetwas an seinem Zustand verändern würde… aber Kasra hörte ihm nicht zu. Es war egal, was Karou sagte; er wusste, dass Youma erwachen würde. Gänzlich erwachen würde.

 

Und er sehnte diesen Tag herbei.

 

Am Tag bevor es geschah war Kasra nicht vor dem Glas seiner Zelle verblieben. Er hatte sich hinein teleportiert, war direkt vor Youma getreten, der den Kopf langsam hob.

 

Der König und der zum König Berufene sahen sich an. 

 

Wie sehr sehnte Kasra sich Youmas Erwachen herbei – es war kaum auszuhalten.

Alles kreiste darum, alles. Seine Stimme hören. Er wollte seine Stimme hören. War sie---

 

Kasra wollte endlich nicht nur seinen Körper besitzen, sondern auch seine Seele.

Er wollte diese Seele erforschen. Aushüllen. Aushöhlen. Jeden einzelnen Winkel, jeden Höhepunkt, jede Tiefe.

 

Kasra streckte die Hände aus. Seine Hände zitterten vor Erregung, als er Youmas Gesicht mit seinen Händen umschloss, doch das Objekt seiner Träume sah und bemerkte es nicht.

 

Er wollte hören, wie er schrie.

Er wollte sehen, wie er fiel.

 

Wach auf, damit wir endlich anfangen können.

 

„Ihr seid der König dieser Welt, nehme ich an?“, sprach der Mund, dessen feine Lippen diese Worte mit einer melodischen, aber ernsten Stimme geformt hatten. Dieselben Lippen, die Kasra in der Nacht zuvor noch geküsst hatte.

Er hatte ihn also wachgeküsst.

Endlich.

 

„Mein Name ist Youma. Es wäre mir eine Ehre, Majestät, wenn ich Teil Eures Stabs werden könnte.“

 

 

Das Spiel hatte begonnen.

 

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  fahnm
2016-02-27T01:48:38+00:00 27.02.2016 02:48
Spitzen Kapitel


Zurück