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Opus Magnum

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La Ténèbres et la Nuit - Opus I

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Wieder einmal lief Youma unruhig in Lerenien-Sei auf und ab – dieses Mal allerdings in seinem eigenen Zimmer, nicht... nicht, dass ihn noch jemand hörte. Gut, er war sich darüber im Klaren, dass er eigentlich nirgends in Lerenien-Sei wirkliche Privatsphäre hatte, aber momentan war es überall besser als in der Menschenwelt! Obwohl... das war auch nicht richtig, so konnte man das nicht sagen, er mochte es ja, da zu sein, aber... nicht gerade jetzt! Jetzt hatte er einfach weggemusst. Ganz schnell.

„Youma-kun, mein kleiner, hübscher, offensichtlich illusionierter Youma-kun...“ Das war das erste, was Youma nun von dem ehemaligen Dämonenherrscher hörte, obwohl er seine Anwesenheit schon von Anfang an vernommen hatte.

„Das Problem lässt sich ganz einfach klären.“ Wieder tauchte er im Glasfenster auf; scheinbar hatte er eine Vorliebe dafür gefunden – nur, dass ihm dieses Mal nicht nach grinsen zumute zu sein schien. Im Gegenteil; er sah sogar ziemlich schlecht gelaunt aus.

„Ich weiß, was du zu tun hast. Du wirst jetzt das Schloss verlassen, die Hauptstraße von Lerenien-Sei entlang gehen und die erste nach links nehmen. Dann werden sich alle deine Probleme klären, glaub mir, Youma-kun! Ich denke, bei deinem Aussehen musst du nicht mal bezahlen, haha!“ Youma kannte ihn natürlich gut genug, um zu wissen, was er meinte, weshalb er auch sofort die Stirn runzelte und finster antwortete:

„Als ob ein Freudenhaus meine Probleme klären würde! Glauben Sie das wirklich?“

„Ob ich das glaube? Ich bin davon überzeugt! Es ist ja auch nur logisch und vollkommen nachvollziehbar. Du warst jetzt so lange alleine und das obwohl du so etwas wie „Alleinsein“ vorher eigentlich gar nicht gekannt hast. Es ist nur natürlich, dass du dich nach der Nähe einer anderen Person sehnst!“

„An diese Möglichkeit habe ich auch schon gedacht...“ Der namenlose Dämonenherrscher ließ ihn nicht ausreden:

„Na, siehst du! Einmal das Bett mit einer hübschen Frau teilen – Lerenien-Sei hat einiges zu bieten! – oder vielleicht mal einen Sprung ans andere Ufer wagen, wie man es so schön sagt...“ Die Person, die er so, so gerne überreden, von seinen Ideen überzeugen wollte, hörte ihm aber scheinbar gar nicht mehr zu.

„Das ist es nicht“, antwortete Youma nach einer Weile gedankenverloren und setzte wieder dazu an, im Zimmer auf und ab zu gehen unter dem missbilligenden Blick seines Gönners.

„Ich habe auch darüber nachgedacht, aber nein, das ist es nicht. Das... fühlte sich anders an.“ Der ehemalige Herrscher wählte nun den direkten Konfrontationskurs; dafür verließ er sogar sein sicheres Glasfenster, um in voller Montur, mit seiner stattlichen Höhe und seinem – wie er selbst fand – unheimlich vorteilhaften Aussehen mit Youma zu sprechen, in der Hoffnung, dass es ihm so einfacher gelingen würde, ihn zur Vernunft zu bringen.

Der plötzliche Auftritt seines Gönners hatte auf jeden Fall seinen erwünschten Effekt; er sah ihn geschockt an.

„Jetzt lass mich dir mal was sagen, Youma-kun: er ist nicht Silence.“ Youma runzelte einfach nur die Stirn; ein Stirnrunzeln, welches noch mehr zunahm, als sein Kopf plötzlich von zwei kräftigen Händen empor gehoben wurde.

„Dieser Typ ist viel zu hässlich, als dass er bei so einem schönen Wesen wie dir überhaupt Herzklopfen auslösen darf!“ Youma öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber scheinbar hatte sein Gegenüber schon genug gehört, ohne dass es Youma überhaupt gelungen war, mehr zu sagen:

„Oh nein! Oh nein! Du wolltest ihn doch nicht gerade verteidigen, Youma-kun, oder etwa doch?! Ist es schon zu spät!?“ Auch der Angesprochene war darüber erstaunt, denn der namenlose Dämonenherrscher hatte recht... er hatte kurz den Impuls gehabt, Nocturn zu verteidigen. Aber er war nicht gewillt, es so zu interpretieren wie er.

„Das kann man doch auch ganz anders deuten!“

„Ach ja? Und wie?!“ Er hatte ihn wieder losgelassen und machte nun, genau wie Youma zuvor, große Kreise im Raum, als wäre es eine überaus ernste Krisenbesprechung.

„Ich denke, es ist vielmehr so, dass ich mich mit ihm anfreunde... ihn vielleicht beginne wie einen... ja, Bruder zu sehen.“ Augenblicklich blieb der Namenlose stehen und der Blick, mit dem er Youma bedachte, war finster wie nie:

„Du magst eine Person nach einem Tag bereits deinen Geliebten nennen können, aber niemals, absolut niemals, kannst du eine Person nach einer Woche schon deinen Bruder nennen! So etwas braucht Zeit, viel Zeit, das passiert nicht Hals über Kopf so wie das Verlangen oder die Liebe!“ Diese Antwort war nicht die gewesen, die Youma erhofft hatte; er sah es deutlich in seinem Gesicht, das nun mehr als verwirrt aussah, was den ehemaligen Dämonenherrscher etwas erweichte:

„Du bekommst doch auch kein „Herzklopfen“ bei einem Freund.“

„Aber... was ist es dann?“

„Youma-kun, um hier mal was festzustellen: er hat nur das Offensichtliche gesagt. Dass du hübsch bist, darüber lässt sich nicht streiten!“

„Er hat erkannt, welches Element ich besitze... ohne, dass ich es ihm gesagt habe...“

„Als ob das so schwer wäre. Hast du dich mal im Spiegel betrachtet, mein Schönling? Du bist die personifizierte Dunkelheit! Du bist der Sohn der Göttin der Dunkelheit!“ Nachdenklich wandte Youma sich ab – und blickte tatsächlich in sein eigenes Spiegelbild, das er verschwommen im roten Glas der Fenster erahnen konnte.

„Es geht mir ja auch weniger um das, was er gesagt hat...“ Youma legte seine Hand über sein Herz, was bei seinem Gönner absolut kein gutes Gefühl auslöste:

„... sondern um das, was diese Worte in mir ausgelöst haben.“  

 

 

Herzklopfen – das war eine Sache. Das konnte man mit vielem erklären:  es war lange her, dass er ein Kompliment gehört hatte – es war lange her, dass er überhaupt etwas Positives gehört hatte. Daher war es wohl auch kein Wunder und sicherlich auch nicht verwerflich, dass sein Herz sich bei Nocturns Worten beschleunigt hatte. War das nicht normal?

Aber das war leider nur die eine Sache. Die andere Sache… war viel schwerer zu erklären und während Youma in seinem Bett lag und nicht schlafen konnte, hielt er seine linke Hand über sich ausgestreckt in die Höhe. Warum hatte er mit dieser Hand Nocturn berühren wollen? Er machte sich nichts vor; Youma war nicht der Typ dafür, sich Dinge vorzumachen, weshalb er auch nicht versuchte, sich selbst einzureden, dass der Impuls, ihn zu berühren, nicht da gewesen war. Er hatte ganz eindeutig das Bedürfnis gehabt, Nocturn zu sich herunterzuziehen… die Arme um ihn zu legen, seinen Körper an seinen zu spüren… genau wie er es oft bei Silence getan hatte. Aber sein Gönner hatte recht: das war nicht Silence! Warum überkam ihn ein solches Gefühl bei Nocturn?! Hatte er womöglich recht? War es, weil er einsam war? Aber hätte er es nicht schon früher gehabt? Ab und zu war es tatsächlich vorgekommen, dass Kasra Youma „eingeladen“ hatte, ein wenig „Spaß“ mit seinen Frauen zu haben und obwohl einige mehr als aufdringlich gewesen waren, hatte keine andere Person ein solches Gefühl in Youma wecken können. Er hatte sich dafür immer gelobt, denn das bedeutete, dass seine Treue Silence gegenüber resolut und absolut war und nur Silence ein solches Verlangen in ihm wecken konnte----

Und jetzt konnte Nocturn so etwas in ihm wecken?!  

Nocturn?!

Er kannte ihn ja nicht einmal besonders gut! Er musste sich wirklich zusammennehmen. Ganz dringend. Er wusste doch, dass Nocturn es nicht so gemeint hatte, wie Youma es meinen würde, wenn er so etwas gesagt hatte.

Moment. Warum war das jetzt überhaupt wichtig? Das klang ja fast so, als würde er es bedauern, dass Nocturn es nicht... Youma drehte sich klagend in seinem Bett herum – da waren sie wieder: die Schreie. Kasra spielte wieder. Er spielte sein grausames, schreckliches Lieblingsspiel. Foltern. 

 

Youma presste die Augen zusammen und drehte sich um, weg von seiner Zimmertür, die Decke über den Kopf gezogen, aber der Schrei quoll an. Es war unmöglich ihn auszusperren, egal wie sehr Youma es auch versuchte.  Warum hatte er ausgerechnet in dem Zirkel des Königs sein Schlafzimmer bekommen müssen: warum ausgerechnet gegenüber dem Schlafzimmer des Königs – dieses verdammten Königs, der gleich neben seinem Schlafzimmer eine Folterkammer hatte – ach, nein, er nannte es ja Spielzimmer…

 

Es war eine Weile her, dass Youma es das letzte Mal gehört hatte; aber sicherlich nicht, weil Kasra es unterlassen hatte, sondern weil er vom Training zu erschöpft gewesen war und daher zu fest geschlafen hatte, um von Kasras Hobby geweckt zu werden. Youma verfluchte sich und seine Gedanken; immerhin waren sie der Grund, weshalb er heute nicht hatte schlafen können und nun dalag, mit offenen, halb zusammengepressten Augen und dazu gezwungen war, sich das anzuhören. Die Schreie gingen hoch und runter. Verstummten ab und zu, wurden wohl zu einem Jammern, einem Flehen, das Youma aber nicht hören konnte… Kasras Lachen, das in diesen Pausen ertönte, das hörte er leider nur zu gut.  Es war so widerlich, wie deutlich herauszuhören war, was für einen großen Spaß er empfand… argh, warum war das dämonische Gehör nur so ausgeprägt, warum musste er das alles so gut hören können. Wer das arme Opfer wohl war? Youma konnte nicht einmal bestimmen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Vielleicht jemand vom Dienstpersonal… vielleicht eine Frau, die ihn nicht zufriedengestellt hatte und die ihn jetzt… anderweitig unterhalten musste.

 

Er war so widerlich. So abartig. So absolut, absolut…

 

Youma schreckte auf: er hatte die Augen zusammengepresst gehabt, riss sie nun aber auf, im Takt seines beschleunigten Herzens – es hatte an seiner Tür geklopft. Oh nein – oh nein. Das war doch jetzt nicht… wahr. Aber die Schreie waren verstummt und es konnte, es konnte einfach nur Kasra sein, der vor seiner Tür stand – wer sollte es auch sonst sein! Diesen Zirkel durfte niemand anderes betreten, es war des Königs Privatbereich…

 

Er wollte es nicht, aber es geschah ganz automatisch – Youma hatte den Kopf gehoben und die Decke rutschte von seiner Schulter herunter, als er sich aufrichtete und zur Tür sah. Er wollte nicht aufstehen und ihm die Tür öffnen, denn er konnte sich schon ausmalen, was dann geschehen würde – Kasra würde dann breit grinsend, etwas außer Atem vielleicht von der… aufregenden Tortur… vor ihm stehen, verhalten lachen, denn er hatte ja gute Laune… und ihn dann fragen, ob er nicht mitmachen wollte. Nein, er wollte nicht mitmachen.

 

Es ertönte ein Hilfeschrei. Ob Kasra immer noch vor der Tür stand? Vielleicht schrie der arme Dämon um Hilfe, weil Kasra gerade nicht da war und er hoffte, dass ihn jemand hören würde, ihm jemand helfen würde… es war ein er. Er klang sehr jung.

 

Youma tat es nicht. Er bewegte sich nicht aus dem Bett. Er ließ sich wieder ins Bett hinabgleiten, hörte noch einmal einen verzweifelten Hilfeschrei… er konnte ihm nicht helfen… er war tot, in den nächsten Stunden war er tot und Youma würde es nicht verhindern können – aber mitmachen, nein, das würde er…

 

Die Tür wurde geöffnet – oh, das hätte Youma sich ja denken können; als ob Kasra es nicht egal wäre, ob er schlief oder nicht. Wenn er Youma dabeihaben wollte, dann wollte er das auch – und dann geschah das auch so, ganz egal, wie sehr Youma sich sträubte, ob er nun schlief oder wach war. Er stand vor seinem Bett. Youma konnte die Gewalt seiner Aura genau neben sich spüren, wie ein Stein, der sich gegen ihn presste, ihn zu erdrücken drohte--- auch er wollte nun schreien, aber er tat weiterhin so, als würde er schlafen. Gleich würde Kasra ihn wecken, die Hand auf seine Schulter legen und ihn schütteln… wieder ein Hilfeschrei – oh ja, wie gerne Youma jetzt nicht auch geschrien hätte, jetzt, in diesem zum Reißen gespannten, aber eigentlich so ruhigen Moment, in dem Kasra sich zu ihm herunterbeugte und in dieser Bewegung kurz über Youma verharrte.

 

Youma hörte seinen Atem; er klang wirklich aufgeregt, aber er schien langsam zur Ruhe zu kommen, anders als Youmas Herz, das immer schneller schlug. Es war ein Kraftakt, seinen Atem unter Kontrolle zu halten, ihn ruhig klingen zu lassen – Youma konnte genauso gut aufhören, dieses Spiel zu spielen, als hätte Kasra nicht schon längst bemerkt, dass er…

 

Aber dann drehte Kasra sich herum. Youma konnte das Rauschen seines Umhangs hören und im Gang begann der König wieder zu lachen – und dann fiel die Tür zu. Die Tortur begann wieder, aber Youma war nicht gezwungen worden mitzumachen. Er konnte es nicht fassen. Er drehte sich auf den Rücken herum und starrte die Decke an.

Er konnte es nicht fassen.

 

 

Was Nocturn anging, so musste er sich wirklich zusammennehmen, das spürte er schon, als er am nächsten Tag wieder in die Menschenwelt zurückkehrte; dieses Mal erst nach Mittag, denn Raria und Nocturn hatten einige Dinge in Paris zu tun gehabt. Es gab wohl noch ein Konzert zu planen, welches Nocturn immer als das „letzte Konzert“ umsprach. Als Youma das warme Haus betrat und sich seines Mantels entledigte, sah er auch, dass die Arbeiten wohl noch nicht abgeschlossen waren, denn Raria stand im Gang und telefonierte. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, ohne das Gespräch zu unterbrechen, welches sie sehr schnell führte und sich nebenbei Notizen machte.

Dann kam Nocturn die Treppenstufen herunter gelaufen. Youma spürte es wieder – sein Herz beschleunigte sich, als Nocturn ihn genauso schweigend begrüßte wie Raria es getan hatte; allerdings mit einem heiteren Grinsen und einer grüßenden Handbewegung.

Jetzt war aber genug! Jetzt gab es überhaupt keinen Grund für Herzklopfen!

Und auch als Nocturn geschwind Youmas Arm packte, um ihn mit hinauszuziehen, gab es keinen Grund – nein, nein, nein!

 

„Raria hat noch ein paar Dinge zu klären, wir sollen alleine anfangen mit dem Training, sagte sie.“ Youma versuchte mit aller Macht, alle Gedanken um irgendein Herzklopfen weit, weit nach hinten zu verdrängen. Er musste sich konzentrieren.

„Wieso? Gab es Probleme in Paris?“ Jetzt wo Youmas Herz langsam wieder seinem Kopf gehorchte, bemerkte er auch, dass Nocturn sich noch nicht umgezogen hatte – er trug wieder denselben Anzug, welchen er bei deren ersten Treffen in Paris getragen hatte.

„Probleme nicht, aber viele Dinge, die geregelt werden müssen für mein letztes Konzert. Das ist am Samstag, 19 Uhr. Kommst du auch?“ Youma verwirrte diese Frage. Nocturn wusste, dass er sich nicht für Musik interessierte, warum fragte er ihn dann, ob er zu einem Konzert kommen wollte? Und noch viel wichtiger: warum zögerte Youma, die Einladung abzulehnen? Es war doch ganz klar, dass er nicht kommen würde – warum sollte er auch…

„Wir… wir sollten trainieren. Ich möchte Raria-san heute noch Ergebnisse vorzeigen können, damit wir uns endlich der Magie zuwenden können.“

 

Allerdings stellte er sich selbst ein Bein. Das Trainieren lief eigentlich sehr gut; er wusste, dass er Fortschritte machte… aber sobald er in die unmittelbare Nähe von Nocturn kam, spürte er, wie sein Körper sich verlangsamte, wie er beinahe erstarrte, wie er aus dem Konzept gebracht wurde – und dadurch spürte er die harte Strafe, wenn Nocturn demonstrierte, dass auch er einiges dazu gelernt hatte und Youmas Lücken auszunutzen wusste.

„Was ist denn heute mit dir los?“ Eine Frage, die Youma Nocturn nicht verübeln konnte, die er aber dennoch nicht mochte. Da er nicht darüber nachdenken wollte, wollte er natürlich erst recht nicht darüber sprechen – und dass sein innerer Konflikt sich nun auch noch nach außen trug, war... beschämend.

 

Sie standen unter einer großen Eiche, deren Blattwerk ihnen Schutz bot für den plötzlichen Regen, was die beiden für einen geeigneten Zeitpunkt hielten, eine Pause einzulegen, ehe sie sich wohl oder übel in den Regen hinaus stürzen mussten, denn sie durften sich ja nicht vom Wetter beeinflussen lassen. Rarias Predigten hatten sich schon in ihren Köpfen festgesetzt – genau wie die Zeitangabe für eine Pause. Zehn Minuten. Und die wollte Nocturn offensichtlich damit verbringen, Youma zu fragen, was mit ihm los sei – ja, was sollte er antworten?

„Ich... weiß es nicht.“ Youma, der ihn vorher nicht angesehen hatte, hob nun langsam den Kopf, um zu Nocturn herüber zu sehen, der ihn verwirrt, aber auch ein klein wenig besorgt ansah. Youma... war auf einen Gedanken gekommen... er wollte etwas versuchen. Einen kleinen Test, bei dem er vielleicht Gewissheit erhalten könnte... aber was war, wenn der Test ihm das zeigen würde, was er fürchtete? Und es war schon ziemlich peinlich, das... das überhaupt zu fragen, aber er konnte es ja nicht tun, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten.

„Youma?“ Seine Stimme klang nun ernsthaft besorgt und dann passierte es; ohne dass Youma es verhindern konnte, purzelten die Worte schon aus seinem Mund:

„Darf ich dein Gesicht kurz berühren?“

 

Oh Gott, er hatte es gesagt. Oh Gott, was hatte er sich nur dabei gedacht?!

 

Was für ein schrecklicher Moment das war, in welchem sie sich befanden! Youma wollte am liebsten wegsehen, nein, noch viel lieber wollte er wegrennen, aber stattdessen hielt er seinen Blick tapfer aufrecht, sah Nocturn in die Augen, mit immer stärker werdendem Herzklopfen. Nocturn wurde nicht rot; er stutzte einfach über die Frage. Er würde ihn jetzt sicherlich noch einmal fragen, was in ihn gefahren war; das... das war wahrscheinlich auch das Beste, denn dann würde Youma die Chance erhalten, das Ganze einfach abzubrechen. Mit einem Lachen. Einfach ein glatter Abbruch dieser Szene und dann würde Youma sich mit Absicht schlagen lassen, damit er all diese Gedanken aus dem Kopf bekam.

„Ich weiß nicht, warum du das willst, aber... von mir aus?“ Jetzt grinste er sogar – er fand das Ganze lustig, sah überhaupt nicht, dass da Tieferes hintersteckte. Musste er auch nicht, denn es steckte nichts „Tieferes“ dahinter und diese Berührung würde es beweisen.

Eine simple, nichtssagende Berührung.  

 

Es war wieder Youmas linke Hand, die sich nach Nocturn ausstreckte; sie zögerte dieses Mal nicht, Youma zwang sie dazu, es nicht zu tun; er wollte kein Zögern, er wollte es hinter sich bringen wie eine lästige Aufgabe. Sie mussten sich wichtigeren Dingen zuwenden als Youmas Gefühlsleben!

Als würde Youmas Hand ihn näher an Nocturn heranziehen wollen, ging Youma einen Schritt näher an ihn heran, womit sie nun genau nebeneinander standen. Seine Hand lag nun an Nocturns Wange; sein Grinsen war verschwunden, aufmerksam blickte er Youma an, beobachtete ihn bei seinem kleinen Experiment, obwohl er nicht wusste, dass es eines war.

 

Man konnte es nicht schönreden; Nocturn war nicht ansehnlich.

Hatte er seine Kontaktlinsen nicht in seinen Augen, war es kein Genuss, in diese zu blicken; diese Augen, die denen eines Raubtieres glichen. Seine Haut war nicht weich, sondern recht rau und jetzt wo er ihn so direkt berührte, er seine Hand gänzlich an seine Wange gelegt hatte und ihn nicht mehr nur mit den Fingerspitzen berührte, bemerkte Youma auch wieder, wie dünn er war; er spürte seinen Wangenknochen deutlich an seiner Hand.

 

Es war alles wirklich nicht... hübsch, weder hübsch anzusehen noch zu berühren... aber warum konnte Youma ihn dann nicht einfach loslassen? Er hatte das Gefühl für die Zeit verloren, achtete nicht einmal mehr auf sein eigenes Herzklopfen, obwohl das der Grund für all das hier war.

Er sah nur noch Nocturn, von dem eine magnetische, magische Anziehungskraft auszugehen schien, die ihn derart in den Bann zog, dass er auch seine Füße nicht bemerkte, die ihn noch einen Ticken näher an Nocturn gebracht hatten. Seine rechte Hand hatte sich ihm unbemerkt förmlich an den Baum festgekrallt, um dem Impuls nicht nachzugeben, sich ebenfalls nach Nocturn auszustrecken.

 

...Woran dachte er wohl? Dachte er genau wie Youma... dass dieser Moment, in dem man den herabtropfenden Regen vergaß... dass dieser Moment... angenehm war? Nur noch ein kleines bisschen. Nur noch ein kleines bisschen wollte er so mit ihm verweilen, eingeschlossen in diesem Vakuum, das nur ihnen...   

 

Und dann durchzuckte ein so heftiger Blitz den dunklen Himmel, dass die beiden förmlich auseinandersprangen, als wäre der Blitz in sie eingeschlagen.

 

Youmas Herz schlug ihm bis zum Hals; er konnte nicht beurteilen, ob es aus Schreck oder Scham war; jedenfalls war sein erster Impuls, sich von Nocturn abzuwenden:

„Wir müssen wieder trainieren!“, rief er ihm mit Nachdruck zu, der sich vor lauter Schreck am Baum festhielt.

„Wir werden den Angriff aus dem Hinterhalt üben; du fängst an! Gib mir drei Minuten Vorsprung!“ Und ohne auf eine Antwort zu warten, stürzte Youma sich ins nasse Dickicht des Waldes.

 

„Im Ernst, wäre der Blitz nicht eingeschlagen, dann hätte ich etwas getan!“ Youma hörte die aufgebrachte Stimme seines Gönners gar nicht, die ihn nun durch die Bäume begleitete und obwohl er natürlich spürte, dass Youma deutlich abgelenkt war, sprach er trotzdem weiter:

„Weißt du, wie lange ihr euch da angeschmachtet habt?! Sieben Minuten! Sieben! Was ging in deinem Kopf vor, als du diesen wahrlich grandiosen Einfall hattest, Youma-kun?!“

„Ich... ich...“ Youma hatte alle Stärke seiner Stimme aufbringen müssen, um Nocturn gegenüber normal zu klingen; jetzt klang seine Stimme selbst in seinen eigenen Ohren fremd; sie hatte all ihre Stärke verloren, sie zitterte förmlich:

„... ich wollte testen, wie ich reagiere, wenn die Aktion von mir ausgeht. Als Sie mich... gestern Abend berührt haben, da habe ich keine Reaktion gespürt.“

„Weißt du, dass du mir gerade das Herz brichst?“

„...aber jetzt... jetzt hatte ich eine...genau dieselbe noch einmal... und das bedeutet...“ Youma schlug sich die Hand vor den Mund. Er konnte es nicht aussprechen. Aber jetzt wusste er es. Unweigerlich.

 

Er hatte sich in Nocturn verliebt.

 

„Sag mal, Youma, dir ist schon klar, dass du nicht nur unter Geschmacksverwirrung leidest, sondern auch sehr viele Zeichen dafür sprechen, dass Nocturn nach White verlangt, nicht wahr?“  

           


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es geht weiter! Und jetzt ist Opus Magnum auch im neuen FF-System angekommen ÖwÖ!!! Und es ist sooo cool! Ich bin absolut verliebt HACH! ♥ Aber nur eins: Trigger-Warnungen finde ich zwar an sich witzig, aber es wird bei mir keine geben. Weder in Opus Magnum, noch in einem meiner anderen Werke - ich finde, das nimmt die Spannung ;3

Hiermit beginnen wir einen neuen Part - und zwar "La Ténèbres et la Nuit", was so viel bedeutet wie "Die Dunkelheit und die Nacht" ♥! Warum dieser Titel... hehe, das werdet ihr ja herausfinden, wenn ihr weiter liest, hehe >w< ♥ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: MiyaToriaka
2016-01-05T08:34:32+00:00 05.01.2016 09:34
Holy crap! Eigentlich würde ich ja am liebsten mit dem Shipping-Teil anfangen, aber es ging ja mit Fragi und Youma los. XD Und eben Youmas Gefühlschaos (was ich mega cute fand). Fragi ist ja wohl so ein "charmanter" Verkuppler... Irgendwie mag ich es zwar nicht, wie er über Nocturn und sein Äußeres redet, auf der anderen Seite... er scheint ihn wirklich nicht zu mögen, kann das sein?? Also als Schwiegerpate will er nicht für ihn herhalten, so viel ist sicher, ist sein Schönling ja viel zu hübsch für dieses Knochengestell. DU LIEBE ZEIT!!!
Jedenfalls, dass Youma jetzt ein richtiges Problem hat, merke ich auch. Unglaublich. Nicht nur, dass er selbst unsicher mit seinen Gefühlen ist, er bekommt ja auch keinerlei Unterstützung. Von niemandem. Kasra muss ich hoffentlich nicht erwähnen! Ich wäre auch froh, wenn er mich einfach in Ruhe lassen würde - aber dass er genau das tut, nachdem er bei ihm im Zimmer war, ist mega verdächtig. (!!!) Da läuten alle Alarmglocken.
Youma erinnert mich in diesem Kapitel so sehr an mich, als ich ein Teeni war. ^^; Und deswegen kann ich mich auch gut in ihn rein versetzen.
ABER GENAU DESWEGEN IST DIE SZENE UNTERM BAUM AUCH SO DAMN CUTE!!! ICH LIEBE SIE!!! UND NOCTURN IST JUST SO: "So what? Touch me!" I LOVE IT. I LOVE IT SO MUCH!!!
Allgemein sind beide so cute. ;___; (Nyuu liegt neben mir, deswegen ist heute alles cute!)
Ich hab bei der Szene so gerne zugehört, was in Youma alles vorgeht, solange er Nocturn nur mal eben berühren wollte, um sich selbst zu prüfen. Aber am besten war ja eindeutig: Der Blitz! Und das plötzliche Chaos "danach", nach diesen verdammten sieben Minuten! Diese Szene - ich kann mir dazu so viele Möglichkeiten vorstellen. XD Genau mein Ding! Einfach toll!
UND DANN DAT FRAGI!!! ES WAR SO ÜBERRASCHEND!!! XDDDDDDD I CAN'T!!! ER IST EINFACH DOCH COOL. Das wird noch lustig.
"Er ist nicht Silence" <- Ist er nicht, Fragi, aber mindestens genauso liebenswert, wenn nicht noch mehr. INNERE WERTE, FRAGI!!! INNERE W-E-R-T-E!!! Eingebildeter Pfau. Gib Kasra die Hand!
Von:  Keiko-maus
2015-08-07T21:55:48+00:00 07.08.2015 23:55
Mister Namenlos, ja er sieht bestimmt sehr gut aus, sehr vorteilhaft :D Und vor allem noch besser, wenn er nicht in der Glasscheibe ist xDD Aber irwie scheint er was dagegen zu haben, was Youma da fühlt, kann das sein? ö.ö

Ich mag den Part, wo er über sich nachdenkt^^ Sehr schön beschrieben und so einfühlsam :3 Auch das danach war sehr schön beschrieben, wenn auch aus einem anderen Grund. Es war angsteinflößend und hat mir wirklich Angst gemacht, als Kasra dem Bett immer näher kam und sich über Youma gebeugt hat. Ich hatte echt Schiss, dass wir nun auch zur Folter müssten >,< Aber nein, aus irgendeinem Grund hat Kasra sich abgewandt. Dabei müsste er das Herzklopfen doch gehört haben ö.ö Vllt hat er sich auch einfach gefreut, dass Youma mal rebellisch wird, wer weiß xD

Hahaha, ja, der Blitzschlag^^ Und Mister Namenlos scheint wirklich was dagegen zu haben ö.o Argh, warum nur ;.; Obwohl er ja Recht hat, was Nocturn angeht^^ Er will White.
Von:  fahnm
2015-06-14T00:19:28+00:00 14.06.2015 02:19
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