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Be my drug

and stun me
von

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Deception

Er duckte sich unter einer Metallstange.

Das Gelände war ausgesprochen gut bewacht, auch wenn es von außen wie ein verlassenes Industriegebäude wirkte.

Es war nicht sehr auffällig, doch seinen scharfen Augen entging nichts.

Überall waren Ölfässer und stillgelegte Bauarbeitsmaterialien, die wohl mal für irgendwelche Restaurierungsarbeiten verwendet werden sollten. Dazwischen waren kleine Fallen aufgebaut – auf den ersten Blick kaum sichtbar - die einen deutlichen Lärm verursachen würden, sobald man sie auslöste. Abgesehen von den Schmerzen und der Wunde, wenn die Falle traf, war das der größte Grund, dass er sich sehr vorsichtig seinen Weg hinein hatte arbeiten müssen. Der einzige Weg, der Fallenfrei war, war der Pfad zum Haupteingang. Zu dem großen Tor.

Doch niemand, der nicht gesehen werden wollte, würde diesen Weg beschreiten. Das war selbst für den kleinsten Einbrecher offensichtlich. Für jeden Anfänger. Für alle, außer einem.

Shizu-chan.

Izaya zischte leise.

Es wurde langsam Zeit für seinen Auftritt.

Mit verengten Augen blickte er hinunter in die verlassene Lagerhalle, beäugte die Personen, die sich dort befanden und checkte jeden zum zweiten Mal ab.

Antonio hatte das Handy zurück neben Kasuka gelegt, der sich immer noch krampfhaft vor Schmerzen auf dem Boden wandte. Sein sonst so neutrales Gesicht war stark vor Schmerzen verzogen und irgendwie faszinierte es ihn. Man sah es schließlich nicht alle Tage, dass Kasuka in seinem Privatleben - abseits von seiner Karriere als Schauspieler – eine Maske präsentierte, die von negativen Dingen verzerrt war.

Es wäre absolut köstlich zu beobachten, wenn es nicht jetzigen den Fall beeinträchtigen würde. Kasuka war Shizuos Kostbarkeit, sein Juwel – seine Familie – allein der Gedanken an das Wort, ließ Izaya das Gesicht verziehen. Er hatte nicht eingeplant, dass sie ihn ernsthaft verletzen würden. Nun gut, was geschehen war, ist geschehen. Und es würde das Spektakel nur noch dramatischer machen. Shizuo würde ihn in Stück zerreißen, einfach deshalb weil er immer Schuld war. Aber er würde das Blatt ganz einfach wenden. Er musste nur seine Karten geschickt auslegen.

Izaya grinste.

Leise holte er sein pinkes Handy hervor und aus den Augenwinkeln tippte er schnell eine SMS, bevor er sich wieder auf das Geschehen unten konzentrierte.

„W-Was machen wir wenn er stirbt?“, fragte wohl einer der blutigen Anfänger, denn sein Gesicht war vor Angst schon kreidebleich. Er sah sich wohl jetzt schon hinter Gittern.

„Von einem Schuss ins Bein stirbt man nicht.“, antwortete Antonio ruhig und gefasst und wirkte überhaupt nicht genervt von der dummen Frage seines Komplizen.

Mit einem einfachen Handgriff holte er eine rechteckige Schachtel hervor und Izaya musste die Augen anstrengen um die Zigarettenmarke ausfindig zu machen.

Blackberry Blue.

Izaya schnaubte.

Ob es purer Zufall war oder nicht, es war dennoch seltsam.

„Und was jetzt? Werden wir nun die ganze Zeit warten?“, fragte wieder einer, dieses Mal einer der aufmüpfigen Männer.

„Genau! Du glaubst doch nicht wirklich, dass dieser Izaya Oriwara oder wer auch immer, Shizuo Heiwajima zu uns lockt!“, steuerte ein weiterer hinzu.

Mal abgesehen davon, dass der Mann sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte seinen Namen zu merken, zeigte, dass er absolut keine Ahnung vom Untergrund hatte. Musste wirklich ein Neuling sein.

„Wird er, keine Sorge.“, antwortet Antonio unbesorgt und das ließ selbst Izaya die Augen verengen.

Er schien mehr zu wissen oder zu ahnen, als Izaya lieb war und er hasste Dinge, die man gegen ihn verwenden konnte.

„Wir warten seit fast einer Stunde, Tonio!“, kam weiterer Protest, doch der Blick in Antonios Augen muss denjenigen zur Ruhe gezwungen haben, denn man sah wie er den Kopf entschuldigend einzog.

Es waren nicht einmal 40 Minuten, wenn man genau war. Aber nur Izaya hatte ein derart enges Zeitfenster, dass er es genau wusste.

Sie schienen sich auch nicht um die Wunde von Kasuka in der Zeit gekümmert zu haben und um ihn herum war eine Blutlache, die nichts Gutes prophezeite. Er brauchte dringend ärztliche Behandlung, sonst könnte sich das Ganze derbe entzünden. Vor allem der Boden hier wirkte alles andere als sauber mit seinen Gemischen aus Dreck, Erde und Öllachen.

Während die Männer weiter diskutierten, kletterte Izaya unauffällig das Gebäude hinunter. Einige der Männer waren unter sich so laut, dass sie selbst das Quieken einiger Treppenstufen nicht wahrnahmen.

„Dieser Oriwara kennt Shizuo Heiwajima doch  gar nicht.“, kam es dann wieder von einem der Männer, der wohl einfach nicht die Klappe halten konnte.

„Warum rufen wir Heiwajima nicht einfach nochmal an?“

„Das ist nicht nötig.“

Wild drehten sie ihre Köpfe, während sich ihre Augen weiteten und sie ihre Waffen enger umklammerten.

„Wer bist du, huh?“, knurrte einer, doch Antonio streckte die Hand aus.

„Was für eine Überraschung, Orihara-san.“

Izaya grinste gefällig, lief die letzten paar Meter auf die Mafia zu, bevor er im sicheren Abstand zu ihnen stehen blieb. Die Hände hatte er lässig in seinem Plüschmantel vergraben und für Außenstehende sah es wahrscheinlich sorglos aus, doch in Wahrheit umklammerte er gerade seine Messer und beobachtete mit seinen scharfen Augen die nähere Umgebung.

„Die Freude ist ganz meinerseits, Antonio-san.“, antwortete Izaya wie eingeübt und blickte kurz zu Kasuka in die Ecke, der ihn hilflos anstarrte. Er war schlau genug, nichts zu sagen, doch Izaya sah es in seinen Augen, dass er nicht mehr länger durchhalten würde.

„Nun, wie hat das Essen gemundet?“, fragte Antonio und verfiel in ein seichtes Gespräch, was man schon fast als Small-Talk abtun konnte. Und es dauerte einen Moment bis es bei Izaya Klick machte.

„Vorzüglich. Ich kann mich nicht beschweren. Besonders der Wein…herrlich!“

Warum genau er nun auf das Restaurant zu sprechen kam, war für ihn ein Rätsel, doch es war kein Problem Antonios Spielchen mitzuspielen.

Die Männer um sie herum verzogen ihre Gesichter in Irritation und blickten sich untereinander verwirrt an.

„Bloß leider sind Sie nicht derjenige, den ich bestellt habe.“, fuhr Antonio fort und mit einem Nicken, begannen die Männer auf ihn zuzugehen.

„Ich bitte Sie, Antonio-san…in gewisser Weise war es doch auch eine Einladung auf meinen Namen.“, säuselte Izaya, während er kopfschüttelnd die Hände hob.

Der Mann schnaubte amüsiert.

„Nicht wirklich, Orihara-san. Aber Sie nehmen ja immer gleich alles persönlich.“

Izaya musterte seine Gegner genau.

Die Männer, die wohl als Untergebene für die Mafia arbeiteten, waren nicht der Rede wert. Viel schlimmer war dieser Antonio.

Sein breiter Körperbau, sowie seine Muskeln ließen darauf schließen, dass er regelmäßig trainierte. Er war sich noch unschlüssig welche Sportart er drauf hatte – vielleicht war es Judo oder Tai Chi?

Oder er war einfach nur gut im Nahkampf.

Izayas kleine Analyse wurde unterbrochen, als die Männer begannen ihn von der Seite anzugreifen.

Es reichten einige geschickte Ausweichmanöver, ein paar Stiche in die bestimmten Gegenden und die lausigen Untergebenen, fielen einer nach dem anderen um.

Sie waren vielleicht stark und kräftig, jedoch konnte man Izaya nicht so einfach erwischen. Seine Agilität war durchaus höher.

„Nicht schlecht, Orihara-san.“, lobte Antonio, klatschte einmal andachtsvoll in die Hände und schien sich keinen Deut um seine Kameraden zu kümmern.

Rötliche Augen verengten sich, während er seine Messer an der Kleidung der Opfer gelangweilt säuberte. Langsam kam Izaya aus seiner hockenden Haltung, während er ein Grinsen aufsetzte.

„Auch wenn ich dies nicht gerade als einen freundlichen Empfang bezeichnen kann.“, fuhr sein Gegner fort und Izaya musste innerlich schnauben.

Tch.

Empfang.

„Sie wussten nicht, wie man eine Lage einzuschätzen hat. Und leider auch nicht, wann man verschwinden sollte.“

Antonio gab ein leises Lachen von sich.

„Schade, dass wir uns unter diesen Umständen treffen. Es wäre reichlich amüsant geworden mit Ihnen, Orihara-san.“

Der Informant zuckte mit den Schultern, das Grinsen weiterhin präsent.

„Man kann nicht alles haben, oder?“

„So ist es.“

Es wurde für einen Moment still zwischen ihnen, bevor Antonio sich in Richtung Kasuka drehte.

Dieser atmete immer noch unregelmäßig und in seinem Gesicht waren leichte Tränenspuren zu sehen. Die Schmerzen mussten unerträglich sein.

Izaya wagte einen kurzen Blick auf sein Handy. Es dürfte nicht mehr lange dauern.

„Nun denn, wo haben Sie Heiwajima gelassen?“, kam es von Antonio, während er langsam eine Pistole aus seinem Jackett hervor holte. Dafür, dass er sich wahrscheinlich die Hände schmutzig machen musste, hatte er viel zu schicke Sachen an. Ein teures Jackett – wahrscheinlich von der Marke Pazzo Collection – was gerade ziemlich gefragt war in der Business Branche, dazu die passende dunkle Stoffhose.

„Dürfte ich bitte erst wissen, was Sie – die Mafia – überhaupt von ihm wollen?“

Ein wenig um den heißen Brei rumreden konnte man immer, war bloß die Frage, ob Antonio Lust hatte, dieses Spielchen mitzuspielen.

„Das wissen Sie sicherlich bis ins kleinste Detail. Sie sind doch Informant oder hab ich das falsch in Erinnerung?“

Izayas Grinsen verzog sich leicht in eine Grimasse. So leicht wurde es wohl doch nicht.

Die Waffe in dessen Hand wurde vorsichtig nachgeladen und er ließ sich alle Zeit der Welt.

„Motive sind eher privater Hintergrund. Ich nehme an, er hat Ihnen das Leben etwas erschwert?“, versuchte Izaya, während seine Hände sich um seine Messer verkrampften, denn gegen eine Pistole würde es nicht so einfach werden. Da brachte auch sein schlaues Mundwerk nichts.

„Oh. Keineswegs.“, erwiderte Antonio und strich schon fast bedächtig über seine Waffe.

Wenn es keine privaten Hintergründe hatte, musste es mit der ganze Organisation zu tun haben.

Oh, Shizu-chan, was hast du bloß wieder vollbracht?

Izaya lachte plötzlich und das schien Antonio zum Aufblicken zu zwingen.

„Was ist so amüsant, Orihara-san?“, forderte Antonio, während er die Waffe nun locker in der Hand hatte und bereit war, zu zielen.

„Nichts von Bedeutung. Nur…Ihr seid nicht die einzigen, die durch Heiwajima Shizuo zur Leide gekommen sind. Weshalb ich diesen ganzen Aufwand hier nicht verstehen kann.“

So schnell, wie Antonio die Pistole plötzlich auf ihn gerichtete hatte, konnte Izaya nicht einmal blinzeln. Sein Blick war dunkel, während er den Informanten durchlöcherte. Er musste den Instinkt unterdrücken, eines seiner Messer zu zücken, denn das würde nun nicht gut angekommen.

„Aber, aber, Antonio-san…ich dachte es ginge um Heiwajima-san? Und ich glaube nicht, dass ich groß und blond bin, oder?“

Izaya ging einige Schritte zurück und trat dabei gegen einen der erledigten Männer. Er blieb stehen, einfach aus dem Grund keine eiligen und hektischen Bewegungen mehr zu machen.

Antonio zeigte zum ersten Mal sowas wie ein Grinsen.

„Selbst Sie haben im Angesicht einer Waffe wie dieser Pistole Respekt, nicht wahr?“

„Respekt habe ich vor anderen Dingen, Antonio-san.“

„Wissen Sie, ich könnte alles ganz einfach beenden, indem ich einfach abdrücke.“

„Aber das würden Sie nicht machen, denn das wäre ja langweilig.“, sagte Izaya kopfschüttelnd.

„Wollen Sie mich testen?“

„Keineswegs.“

Izayas Stimme war gefasst auch wenn er im Inneren sich ganz anders fühlte. Adrenalin prickelte durch seinen Körper und er war jederzeit bereit zu kämpfen.

Er wusste, dass Antonio nicht ganz alleine dar stand. Er hatte im Hintergrund seine Handlanger, seine Komplizen. Sie hatten bloß noch keinen Befehl bekommen zu agieren.

„Vielleicht möchten Sie ja Heiwajima den Verlust seines Bruders erklären.“, kam es dann kalt von Antonio, der die Waffe langsam auf Kasuka richtete. Dessen Augen weiteten sich kaum merklich, bevor er sie vor Angst wieder schloss und auf den Schuss wartete.

„Kommen Sie schon, Antonio-san…erzählen Sie mir nicht erst ihre Leidensgeschichte, bevor Sie sich schmutzig machen?“

Izayas Versuch ihn aufzuhalten wurde stumpf ignoriert.

„Geben Sie es zu. Sie haben Angst davor, wie er reagieren würde. Jetzt in diesem einen Augenblick. Wie Heiwajima über Sie denken würde.“

Izaya zog eine Grimasse.

Dieser verdammte…

„Keine Leidensgeschichte? Zu schade.“

Der Informant zuckte mit den Schultern und versuchte ebenfalls Antonios Worte zu ignorieren. Shizuo dachte sowieso das Schlimmste über ihn. Und wenn er eins und eins verbinden würde; wenn er Kasuka am Boden liegen sehen würde…

Antonio gab ein Schnauben von sich.

„Gleich wenn der Showdown beginnt, wird es wirklich interessant. Das haben Sie doch so vorhergesehen, oder nicht, Orihara-san?“

Es wurde kribbelig.

Die Zeit hing ihm im Nacken, während er versuchte vorherzusehen, was Antonio als nächstes vorhatte. Er könnte einmal mit dem Finger schnippen und dann wäre es vielleicht schon vorbei. Antonio könnte immer noch Hintertüren haben, durch die er verschwinden könnte – wovon Izaya nichts wusste. Er könnte auch einfach die Pistole abdrücken und damit ein Ereignis auslösen, das wirklich unschön war. Die Zeit raste in Sekunden an ihm vorbei, während er innerlich schon das Ticken einer Uhr hören konnte.

Doch bevor Izaya etwas erwidern konnte, wurde die Tür wild aufgeknallt. Beide wandten ihre Köpfe in die Richtung und hörten knurrende Geräusche.

Der Wind erreichte sein Gesicht und mit ihm ein wildes Biest. Völlig außer Atem stand er da, den furiosen Blick auf Izaya gerichtet.

Izaya begann zu grinsen, während er sich traute von seinen Messern zu lassen und die Hände in die Luft zu heben.

„Shizu-chan.“

 

 

Sein Herz klopfte ihm bis zu Hals, doch das war egal. Das einzige was zählte, war Kasuka.

Kasuka.

Kasuka.

Er wiederholte seinen Namen wie ein Mantra in seinem Kopf, während er in die nächste Straße einbog und schließlich die alten Industriegebäude sehen konnte.

Er wusste nicht welches genau, aber das war auch total egal. Er würde einfach jedes überprüfen, bis

er ihn gefunden hatte.

Aber er hatte nicht damit gerechnet gleich bei dem ersten einen Volltreffer zu landen.

Schwer atmend blieb er im Eingang stehen, die Augen auf einen schwarzen Plüschmantel gerichtet.

Izaya.

„Shizu-chan.“

Seine Stimme war anders und doch irgendwie neckend, während ein breites Fuchsgrinsen sein Gesicht bedeckte. Shizuos Augenbrauen zuckten.

„Wo ist Kasuka?“, grummelte er etwas außer Atem und starrte Izaya geradezu hinunter, während er auf ihn zutrat.

Dieser miese Bastard!

Warum war er hier?

Wo war Kasuka?

Seine Wut formte wilde Fragen in seinem Kopf, während er von Sekunde zu Sekunde wütender wurde. Doch bevor Izaya antworteten konnte, schnitt eine andere, unbekannte Stimme dazwischen.

„Heiwajima-san.“

Auf den Ausruf seines Namens drehte er den Kopf in die Richtung. Weiter hinten im Schatten einiger Metallstangen stand er. Groß, muskulös, was selbst Shizuo durch seinen Anzug sehen konnte. Sein kantiges Gesicht wirkte ernst und von irgendwo her kannte er diesen Mann.

Instinktiv knurrte er, bevor er die Pistole überhaupt in seiner Hand wahrnahm.

Hah?

Antonio verzog keine Miene sondern senkte nur den Blick etwas.

„Ihr Bruder ist hier.“

Er hob den Arm in Richtung Kasuka und mit ihm die Waffe, die Shizuos Augen weiten ließ. Es vergingen einige Sekunden, in die Shizuo Blickkontakt mit seinem Bruder hatte, der kaum merklich den Kopf schüttelte. Sein Ausdruck war so neutral wie möglich, doch selbst Shizuo fiel die Blutlache um sein Bein auf.

„Aber wer weiß, wie lange noch…“

 

 

Das Knurren, das von Shizuo kam war nicht menschlich und Izaya konnte das Biest in ihm sehen.

Doch irgendwie war er noch schlau genug, sich nicht zu bewegen, bloß der Blick den er nun hatte, war eiskalt auf Antonio gerichtet.

„Hier ist der Deal, Heiwajima-san.“

Und bereits nach dem ersten Satz wusste Izaya, was er vorschlagen würde.

Dieser Antonio war wirklich clever.

Wie verstrickt er doch war.

Ha, witzig.

Was für ein Spektakel!

Warum war er nicht früher darauf gekommen? Hatte er allen Ernstes gedacht es ginge wirklich um Shizuo? Er musste wohl ins Rosten gekommen sein, wenn er sowas Offensichtliches übersehen konnte.

„Erledige Izaya Orihara oder dein Bruder stirbt.“

Izaya schnaubte und verzog das Gesicht, bevor er kurz lachte.

Er war von Anfang an drauf aus gewesen, ihn hierher zu locken und nicht Shizuo. Antonio hatte ein Hühnchen mit ihm persönlich zu rümpfen. Es war ein doppeltes Spielchen.

Wirklich clever.

„Erstens: Das ist kein Deal, sondern Erpressung, Antonio-san. Zweitens: Was glauben Sie, was er schon die ganze Zeit versucht hat? All die Jahre lang?“

Izaya lachte.

„Shizu-chan und i-“

Weiter konnte er nicht sprechen, als er Shizuos Faust ausweichen musste. Der blonde Mann landete mit seinem Arm im Boden und das Beben, das durch die ganze Halle ging, war erschütternd.

Stärker - Grimmiger als zuvor.

Izaya landete mit ein paar Hüpfern etwas entfernt und erhob sich, während er zusah, wie der ehemalige Bartender auf ihn zuging. Seine Augen weiteten sich, als er das Monster betrachtete.

Dessen Blick war einzigartig.

Mildes Rehbraun wirkte im dunklen Licht fast feuerrot, so stark meinte er dessen Wut zu spüren.

Er hatte wirklich die Absicht ihn zu töten.

Das spürte man.

Das spürte vermutlich selbst Antonio.

Izayas Augen schweiften für einen Moment zu seinem Gegner, der immer noch ruhig dastand und die Pistole auf Kasuka gerichtet hatte. Ein selbstgefälliges Grinsen zierte seine Fassade und Izaya zischte leise.

„I-ZA-YA!“

Ein Ölfass wurde in seine Richtung geworfen und verfehlte ihn nur um Millimeter. Izaya zischte unter seinem Atem, wich nach hinten aus und konnte gerade noch so das Gleichgewicht wieder finden. Er zückte ein Messer – jedoch nur zur Verteidigung.

Es war schwierig Shizuos unbändigen Wutanfall in den Griff zu kriegen und gleichzeitig darauf zu achten, was Antonio machte. Denn dieser schien irgendetwas getan zu haben, was er nicht gesehen hatte. Etwas das entscheidend war, wenn alles nach seinem Plan laufen sollte.

Verdammt

„Shizu-chan…begreifst du denn nicht?“, versuchte er ihn aus seinem Zerstörungsrausch zu befreien, als er mit den Händen vor ihm gestikulierte. „Begreifst du nicht, dass er dich hinters Licht führt?“

Doch der andere hörte nicht.

Sein Blick lag in einer anderen Welt, in einer Welt in der es nur Izaya gab.

Izaya, der immer die Schuld trug.

Izaya, der seinen Bruder gefährdete.

Shizuo brüllte weiterhin seinen Namen, als er brutal die Umgebung zerstörte, in der sie sich befanden. Weitere Gegenstände wurden nach ihm geschmissen, während der Blondschopf gleichzeitig versuchte ihn direkt danach zu fassen zu kriegen. Das Monster war schnell – schneller als sonst und Izaya hatte Mühe, ihm auszuweichen.

Er atmete schwerer und suchte hinter ein paar Gegenständen nach Deckung, um wieder Luft zu holen, aber Shizuo ließ ihm dafür keine Zeit.

Es krachte direkt neben seinem Kopf, bevor die Palette mit Metallstangen über ihm zusammen brach. Bevor er flüchten konnte, erwischte ihn eine der Stangen an der linken Schulter und er stolperte zu Boden. Ein lautes, klirrendes Geräusch hallte in dem großen Gebäude wider, während nur ein einziger Name gerufen wurde. Nein, geflucht wurde…

Der Informant nahm seine Kraft zusammen und erhob sich zischend, hielt sich die schmerzende Schulter fest, während er dem anderen für einen Moment entkommen konnte.

„Shizu-chan…“, keuchte Izaya unter seinem Atem, als er hinter eine der Säulen am äußeren Rand stehen blieb.

Sollte es so weiter gehen, würde nicht nur diese Halle und Kasuka untergehen, sondern er gleich mit. Shizuo sah nicht seine Umgebung, er sah nicht einmal seinen Bruder - er sah nur Izaya.

Und er hatte nur ein Ziel: Izaya zu töten.

Der Informant zischte erneut, während er überlegte, wie er Shizuo zurückholen konnte.

Er lugte hinter der Säule hervor und beobachtete Shizuo dabei wie er wild mit den Augen hin und her suchte und dabei Schritt für Schritt vorwärts ging.

Seine Hände bluteten dabei und einer nach dem anderen fielen die Bluttropfen zu Boden; hinterließen eine Spur des Chaos. Doch das interessierte ihn herzlich wenig.

Der Informant wollte noch keine seiner Geheimwaffen einsetzten. Dafür war es eigentlich noch zu früh.

Viel zu früh.

Aber wenn das so weiter ging, dann konnte er-

Plötzlich wandte Shizuo den Kopf ruckartig in seine Richtung und schien in durch schiere, animalische Instinkte entdeckt zu haben. Izayas Geschicklichkeit reichte nicht aus um zu reagieren, als Shizuo direkt vor ihm war.

Izayas Augen weiteten sich, als Shizuo ihn schließlich am Arm erwischte und in einer falschen Drehung zu Boden zwang; ihn in den Betonboden drückte.

Izaya stöhnte auf vor Schmerzen.

Sein Kopf dröhnte und seine Wunde an der Seite schien wieder aufgegangen zu sein.

Mit beiden Händen hielt das Monster seine Arme am Boden fest, während er sich auf seiner Hüfte niederließ und dadurch Izayas Chancen auf eine Flucht niedrig waren.

Was für ein Chaos.

Das war durchaus nicht geplant gewesen. Izaya musste inzwischen immer mit einem Kampf; mit einem Ausbruch von dem Monster rechnen. Und weil in letzter Zeit kaum ein Kampf stattgefunden hatte, wurde er unvorsichtig. Er wurde in einer gewissen Art naiv.

Wie hatte er jemals vergessen können, dass Shizuo ein Monster war?

Izaya…“

Shizuos furioser Blick durchbohrte ihn.

Er war nicht er selbst.

Es war Shizuo.

Aber…es war nicht der echte Shizuo.

Er war nicht bei Sinnen.

Izaya konnte in seinen Augen die Absicht zu töten erkennen, und das war nicht die wahre Natur von Shizuo. Der Instinkt wurde durch Kasuka hervorgerufen – dadurch dass sein Bruder in Gefahr war.

Shizuo blieb still, während er Izaya durchringend anstierte. Stumm knurrte er etwas, während seine Augen sich in seine bohrten. Izaya begann trotzdem zu grinsen.

Wird Zeit, alles auf eine Karte zu setzen.

Vielleicht…

„Shizu-chan…“, Izaya wandte den Kopf leicht zur Seite und ignorierte dabei seine Schmerzen für eine Sekunde.

„Kannst du nicht wenigstens einmal an die 1% glauben?“

Kaum hatte der Satz seinen Mund verlassen, veränderte sich die Atmosphäre. Irgendwas wurde anders.

Für einen langen Moment war es still und keine Bewegung kam von dem blonden Mann.

Dann weiteten sich Shizuos Augen für eine Sekunde, bevor sich der furiose Blick in seinen Augen veränderte.

 

 

Töten.

Töten.

Izaya.

Töten.

Kasuka.

Izaya.

Töten.

Töten.

Die Welt war ein Schleier aus verschwommen Bildern und den einzigen Gedanken daran, dass Izaya erledigt werden musste. Shizuo wusste tief im Inneren, dass sein Körper von alleine handelte; dass seine Instinkte überhandgenommen hatten.

Er wollte schon immer den Floh aus dem Weg räumen, ihn aus dieser Welt entfernen; ihn verbluten lassen – seit sie sich kannten. Doch das waren alles keine wahren Tötungsabsichten.

Wenn, dann würde er ihn krankenhausreif prügeln oder sich sonstige Methoden überlegen, den miesen Bastard aus dem Weg zu räumen. Dann hatte er zumindest für einige Zeit Ruhe vor ihm. Doch nie hatte er mit dem Gedanken gespielt ihn wahrhaftig zu töten.

Doch so war es.

Jetzt gerade, in diesem einen Augenblick handelte sein Körper von alleine – war gefüllt mit Hass und Wut, bis in die kleinste Ader seines Körpers. Seine Muskeln wollten auf ihn einschlagen; sein Grinsen aus dem Fuchsgesicht entfernen, ihn leiden lassen.

Alles.

Hauptsache Izaya würde leiden.

Alles.

Er merkte keinen Schmerz. Er spürte rein gar nichts, als er immer wieder versuchte den Floh zu treffen, dabei verfehlte und den Boden traf. Izaya war zu schnell und doch wollte sein Körper nicht aufgeben.

Die Gedanken nahmen erneut überhand.

Er musste ihn töten. Sonst würde Kasuka…

Er musste ihn töten.

Muss ihn…

Töten.

Dann hörte er seine Stimme.

Seine neckische, nervige Stimme, die etwas krächzend klang.

Für einen Augenblick sah er dunkles Rot leuchten und erkannte dann, dass es Izayas Augen waren.

 

„Shizu-chan…kannst du nicht wenigstens einmal an die 1% glauben?“

 

Seine Muskeln hielten still.

Ein bekanntes Gefühl erwachte in ihm.

Es räumte binnen Sekunden den Hass aus dem Weg, rauschte durch seine Adern, während die Wut langsam zur Seite gedrängt wurde. Es war, als würde er aus dem Schlaf erwachen und aus einer anderen Welt zurückkommen.

Shizuo blinzelte.

Er hatte Izaya unter sich gegen den Boden gedrückt, hielt ihn an den Armen fest. Der Floh blickte ihn erschöpft an, während er so etwas wie Erleichterung in seinen Augen erkennen konnte.

Was…

Wann hatte er…?

Shizuo runzelte etwas verwirrt die Stirn, bevor er hochblickte und die Gegend mit neuen Augen wahrnahm.

Das erste was er sah, war Antonio. Den Arm ausgestreckt mit der Pistole – gerichtet auf Kasuka. Die Gefahr war ihm präsent, doch er war gefasst. Er konnte seine Gefühle kontrollieren, das Schlimmste hatte er bereits hinter sich. Im Moment fühlte es sich an, als ob er alles und jeden im Blick hatte. Als ob er die Zeit stoppen konnte und die Gefahren analysieren konnte.

Er betrachtete Antonio ruhig und wie ein Flashback viel ihm plötzlich auf, woher er ihn kannte.

Der Kellner.

Das Restaurant…

Shizuos Griff um Izayas Armen löste sich langsam und ein leises Stöhnen war zu hören.

Abgelenkt blickte Shizuo wieder nach unten.

„Heh…es hat wirklich funktioniert…“, murmelte Izaya, als dieser schief grinste.

Shizuo wollte schon genervt etwas erwidern, doch wurde von Antonios Stimme unterbrochen.

„Worauf warten Sie, Heiwajima-san? Ich habe nicht viel Zeit, verstehen Sie? Ich muss meinen Terminen nachkommen und habe in einer Stunde ein wichtiges Meeting, dass ich nicht absagen kann.“

Es klang schon fast gelangweilt, so als ob das Ganze wirklich banal für ihn wäre. Sein Blick sah auch genau danach aus. Müde und gelangweilt.

Izayas Augen schweiften kurz zu Antonio, bevor sie sich verengten und er Shizuo eindringlich anstarrte. In seinen Augen lag etwas, das einen Funken glühen ließ.

Das kleine Vertrauen was sich zwischen ihnen aufgebaut hat, dieser kleine Funken an Hoffnung, an das Gute in den anderen zu glauben, leuchtete stärker und wollte einfach nicht verschwinden.

Es war ein Zeichen.

Ein Zeichen, dass Izaya es ernst meinte. Er spürte es an seiner Haltung, an der Art wie sein Blick sich veränderte, an dem Beweis, dass er nicht grinste.

Und Shizuo wusste im nächsten Augenblick, dass er Izaya vertrauen musste.

Dieses eine Mal.

Shizuo ließ von ihm, richtete sich auf, bevor er Izaya die Hand ausstreckte.

„Oh…?“, gab Antonio fragend von sich, während er beobachtete wie der blonde Mann den Informanten mit beiden Händen hoch half. Die zweite Hand im Rücken, bevor sie beide nebeneinander standen und Antonio herausfordernd anstarrten.

Shizuo knurrte und wollte am liebsten ihn in Stück reißen, alleine aus dem Grund, dass er Kasuka eine Pistole ins Gesicht hielt.

„Antonio-san…“, begann Izaya neben ihn und Shizuo wunderte sich über den Klang seiner Stimme.

„Die Frage ist jetzt, ob es sich für Sie lohnt.“

Der muskulöse Mann hob fragend eine Augenbraue. Es war glasklar zu sehen, dass er Izayas Worte nicht ernst nahm.

„Lohnt…?“, gab er von sich, während er kopfschüttelnd näher in Richtung Kasuka trat. Dieser rückte zitternd näher in die Ecke, als Antonio auf ihn zuging. Die Angst war deutlich spürbar, auch wenn er es im Gesicht kaum zeigte.

„Inwiefern, Orihara-san? Ich mache diese Dinge nicht, weil ich es mag, wissen Sie…“

Izayas Augen weiteten sich.

Nein…

Wieder eine doppelte Falle?

Wer zum Teufel war der Drahtzieher?

Es war wohl doch komplizierter, als er annahm.

Interessant, interessant…

„Ach…nicht?“, säuselte Izaya und im nächsten Moment hörte man ein genervtes Stöhnen von Antonio.

„Orihara-san.“

Doch es war nicht gut, solange Kasuka in Gefahr war. Shizuo war an seine Grenzen und schon beinahe drüber hinaus.

„Ich sehe, Sie lieben es die Kontrolle zu haben. Sie handeln ganz genau so, wie von ihm erwartet.“

„Tue ich das?“, hinterfragte Izaya grinsend und versuchte sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Mit dem Ellbogen drückte er kurz Shizuo in die Hüfte, der ihn fragend anstarrte.

„Ja, tun Sie. Er wusste, dass Sie unter Zeitdruck stehen. Sie haben allgemeinen Druck, dem Sie sich nicht entziehen können.“

Wer war dieser „Er“ über den sie sprachen? Was für Druck?

Shizuo runzelte die Stirn, während er Izaya verwirrt musterte.

„Sie werden hier nicht heile heraus kommen.“, sagte Izaya kalt, während das Grinsen aus seinem Gesicht verschwand.

„Ich weiß. Aber Sie auch nicht.“

Und wie geplant, schnippte er mit dem Finger. Erst passierte gar nichts, und voller Ungeduld wollte Shizuo schon auf ihn losgehen, doch Izaya streckte den Arm aus, als sich plötzlich etwas tat.

Es ertönte ein lautes Geräusch von den Seiten und eine der Nebentüren wurde eingetreten. Hinein kamen mehrere Komplizen der Mafia, einige von ihnen kamen Shizuo sogar bekannt vor. Doch sobald er sah, dass sie eine Frau als Geisel mit in die große Halle zerrten, bildete sich eine Wutader mehr in seinem Gesicht.

Jetzt zogen noch mehr Leute in diesen Fall hinein, die unschuldig waren. Reichte etwa nicht Kasuka?!

„Hier. Die Ausreißerin.“, zischte einer der Männer, der einen dunklen Sakko locker über die Schultern trug. Seine Hände waren schlecht bandagiert, da sich die Fäden schon langsam wieder lösten und schlaff hinunter hangen. Sein Gesicht wirkte schon fast fuchsartig, was zu seiner dünnen Statur sogar passte. Die Augen waren zu Schlitzen geformt, während ein tiefes Grinsen sein Gesicht bedeckte.

Die junge Frau wurde vor die Füße von Antonio geschubst, der die Geisel nur kurz mit einem Seitenblick bedachte. Sie keuchte stark, doch bewegte sich nicht. Ihre Hände waren hinter ihren Rücken festgebunden, sodass sie auf der Seite lag und sich nicht einmal die Mühe machte, sich aufzurichten. Es musste ihr wirklich nicht gut gehen.

Und erst dann realisierte Shizuo durch die blonden Haare und das bekannte Gesicht, wer da nun vor ihnen am Boden lag.

Miya Masami.

Der Mann mit dem Sakko drehte sich schließlich um und betrachtete den ehemaligen Bartender.

„Ist das Heiwajima-san? Der Heiwajima Shizuo?“, gab er von sich und musterte ihn mit interessierten Augen. Shizuo konnte eine gefährliche Aura von ihm spüren, weshalb er lediglich eine Grimasse zog und nichts weiter sagte.

„Nicht.“, kam es dunkel von Antonio, der eine große Hand auf dessen Schulter legte. Der Mann mit dem Sakko schoss einen scharfen Blick zu dem Mann, der wohl von der Autorität über ihn stand.

„Warum?“, hinterfragte er und seine Stimme war kalt.

„Mori-kun…“

Eine unausgesprochene Warnung und es schien dem jungen Mann mit dem Fuchsgesicht ziemlich unangenehm zu sein, dass diese Situation vor allen Leuten stattfand. Auch wenn die anderen Mafia Typen keine Miene verzogen.

„Oho? Was für eine Überraschung!“, flötete schließlich Izaya neben ihn und Shizuo wandte den Blick.

„Hätte nicht gedacht, dass du dich hier noch herumtreibst…“

„Orihara…!“

Das Knurren von Mori wirkte mehr als nur unmenschlich, schon fast wie ein Wolf, der sein Revier verteidigte. Die beiden schienen nicht auf freundlicher Ebene zu sein, so wie Mori seinen Namen zischte.

Shizuos Augen schweiften zu Antonio und ihm fiel auf, dass er die Pistole gesenkt hatte. Ihm schien das momentane Geschehen wohl erstmal vorrangig zu sein, was Shizuos Vorteil war.

Kasuka war außer Gefahr.

Vorerst

„Ganz ruhig, Mori-san. Kein Grund gleich an die Decke zu gehen.“

Izaya begann zu gestikulieren, während er den Mafia Typen zu provozieren schien. Shizuo kannte diese Art des Flohs nämlich nur zu gut…

Der andere gab aber nur ein Schnauben von sich, bevor ein Grinsen wieder sein Gesicht bedeckte.

„Ich bin durch mit dir, Orihara. Andere werden sich schon um dich reißen. Da bin ich mir sicher.“

Es klang fast so, als hätten die beiden Männer eine Beziehung gehabt. Doch es war offensichtlich, dass das „um dich reißen“ wirklich auf die brutale Art gemeint war. Schließlich war der Floh immer noch der Feind von vielen Menschen. Und Mori schien einer von ihnen gewesen zu sein.

„Sind Sie fertig?“, kam es seufzend von Antonio, der vor allem Izaya anblickte.

Der Informant zuckte mit den Schultern.

„Warum so ungeduldig, Antonio-san?“, begann er theatralisch und schüttelte den Kopf, „Mori-san und ich führen nur Konversation.“

„Ein baldiges Meeting. Schon vergessen?“, antwortete Antonio kühl und tippte demonstrativ auf seine Uhr am Handgelenk.

Izaya lachte leise unter seinem Atem, bevor sein Grinsen wieder verschwand.

„Nun denn, was haben Sie vor? Offensichtlich wird Shizu-chan mich nicht umbringen.“

Antonios kalte Maske verzog sich kurz zu einem sicheren Lächeln.

„Doch das wird er.“

Und dann ging er los.

Einfach so.

Misstrauisch starrte Shizuo ihm hinterher, wie er wieder auf Kasuka zuging. Sein Bruder hatte sich nicht wirklich bewegt und so still wie möglich verhalten. Wahrscheinlich um wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Eigentlich schlau, doch in so einer Situation wird man als Geisel leider nicht vergessen.

„Bleib stehen.“

Izaya drehte den blitzschnell den Kopf, sein Blick warnend.

Doch Shizuo ignorierte ihn.

Es kostete ihn alle Nerven, seine Instinkte zu unterdrücken und nicht auf Antonio loszugehen.

Der ehemalige Bartender wusste, dass Izaya einen Plan hatte, doch trotz alledem, konnte er sich kaum am Riemen reißen. Aber Antonio kümmerte Shizuos Drohung nicht, denn er setzte stumpf seinen Weg fort. Der Informant packte ihm plötzlich ans Handgelenk und hielt ihn wohl so stark fest, wie er es momentan konnte – als Shizuo einen Schritt nach vorne ging.

„Izaya…“, grummelte Shizuo dunkel, als Warnung, dass er nicht mehr lange durch hielt.

Er zitterte am ganzen Körper und es war unmissverständlich, dass er jeden Moment voran stürmen würde. Izaya war überrascht über das Durchhaltevermögen des Monsters. Und noch mehr überrascht, dass er ihn im Moment berühren konnte, ohne dass er zu einem Haufen zusammen geschlagen wurde.

„Die Zeit ist abgelaufen.“, rief Antonio von weiter hinten, und erhob seine Stimme etwas, da er zu weit weg war.

„Sie haben Recht, Antonio-san.“, antwortete der Floh und ging ein paar Schritte in Antonios Richtung. Izayas Hand verließ Shizuos Handgelenk, streifte dabei dessen Finger und aus irgendeinem Grund fühlte es sich für Shizuo an, als würde Izaya ihn verlassen. Als würde er damit ein finales Statement geben. Ein Statement, das tödlich enden könnte.

„Es wird Zeit für mich eine Karte in unserem Spielchen zu legen, nicht wahr?“

Izaya ging immer weiter auf Kasuka und dessen Entführer zu und der ehemalige Bartender starrte mit geweiteten Augen auf dessen Gestalt.

Karte legen?

Spielchen?

Es war nur ein verdammtes Spiel?

„Wenn Sie Kirima meinen, würde ich diese Karte nicht empfehlen.“

Antonio packte Kasuka am Arm, zwang ihn zum Aufstehen, indem er ihn grob hochzog. Man hörte die Schmerzenslaute bis hierhin, als sein Bruder versuchte, sein Gewicht auf sein gesundes Bein zu lagern.

Im nächsten Moment lachte Izaya. Er hielt sich für ein paar Momente sogar den Bauch, während er versuchte seinen kleinen Lachanfall in den Griff zu kriegen. Dann wischte er sich seelenruhig über sein Gesicht. Shizuo wunderte sich selbst, warum keiner der anderen Mafia Leuten sich irgendwie bewegte. Selbst Mori blieb ruhig an der Säule angelehnt, während er über die junge Frau wachte.

„Ich kann auch nichts vor Ihnen geheim halten, was?“

Und kaum hatte der Floh die Worte ausgesprochen, tat sich etwas im Raum. Shizuo konnte nicht genau sagen was, aber er spürte eine Veränderung in der Luft.

Mori war der erste, der wusste, was passierte. Innerhalb von einer Sekunde wechselte er in den Verteidigungsmodus, während von allen Seiten plötzlich mehrere Männer hervor sprangen.

Es wurde nichts gesagt, nichts gebrüllt. Nur das Stampfen von Füßen und das Klirren von Waffen hing in der Luft. Die Männer – und wahrscheinlich auch Komplizen - liefen bewusst an Shizuo vorbei und griffen Mori und die Mafia an.

Mori schien mit den meisten keine Probleme zu haben, die er so schnell aus dem Weg räumte, dass Shizuo nur verdutzt blinzeln konnte.

Was zum Teufel war hier eigentlich los?

Wer waren diese Menschen?

Wo kamen sie plötzlich her?

Das war schließlich eine verlassene Gegend, in der man wirklich nur kam, wenn man hiervon wusste. Und wem gehorchten sie?

Die Verwirrung stand Shizuo ins Gesicht geschrieben, als er wieder nach Kasuka blickte. Antonio hatte die Pistole noch in der Hand, aber nicht auf seinen Bruder gerichtet. Izaya redete mit ihm, doch er verstand nicht viel, dadurch dass die Männer nun die Halle überfüllten und überall gekämpft wurde.

„…feige, wie eh und je, Mr. Kirima.“, sagte Antonio gerade, als Shizuo wieder neben Izaya zum Stehen kam.

Izaya grinste nur und blinzelte kurz zu dem blonden Mann herüber, als Erkennung, dass er hier war.

„Du hast gehört, Kirima-san. Zeig uns dein hässliches Antlitz!“, rief der Floh theatralisch in die Luft und hob demonstrativ die Arme.

„Halt die Klappe, Orihara-san.“, kam es von oben und alle entdeckten schließlich den Übeltäter. Kirima lehnte an dem Geländer des zweiten Obergeschoss, blickte mit einem kalten Blick hinab.

Er war in einem weiß-grauen Anzug gekleidet und wirkte vom Äußeren eher so, als würde er eher in ein Meeting für Reiche passen, als in ein schäbiges Industriegebäude.

„Oh, schlechte Laune?“, witzelte Izaya, der zwischen Antonio und Kirima unauffällig hin und her blickte.

„Nicht mehr. Aber du gehst mir immer auf die Nerven, Orihara.“

Shizuo schnaubte innerlich.

Das klang fast nach ihm selbst und misstrauisch betrachtete er den Mann in dem weiß-grauen Anzug. Er war der Mann, der ihn herausgeschmissen hatte. Derjenige, der ihn auf die Straße gesetzt hatte.

„Sie scheinen wirklich nicht beliebt zu sein.“, sagte nun sogar Antonio mit seiner dunklen Stimme.

Der Informant verzog sein Gesicht gespielt beleidigt und schüttelte den Kopf.

„Und ich verstehe nicht einmal wieso!“, rief er und Izayas Ton war theatralisch verzogen, „Dabei hab ihm doch sogar geholfen, seine liebste Freundin wieder zu bekommen!“

Und es war der Moment, als Antonio mit geweiteten Augen zu Mori hinüber starrte. Nicht geplant, war es wohl, was passiert war, denn Mori war immer noch damit beschäftigt einige der Männer zu erledigen.

Mori war gut.

Sogar ziemlich gut.

Die Schnelligkeit, die Präzision seiner Schläge. Gezielt und kraftvoll.

Und es würde wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis er alle ausgeschaltet haben würde.

Mori erinnerte Shizuo an sich selbst, da er öfters dieselben Erfahrungen mit Kämpfen hatte.

Denn wenn man als einzelner Mann gegen mehrere Dutzend trainierte Handlanger antreten musste, war man zu beschäftigt um die wichtigen Dinge zu sehen. Man konnte nicht agieren.

Und so war es wohl auch mit der Geisel passiert.

Denn Miya Masami war nirgends zu sehen.

Shizuo hörte Antonio von der Seite kurz mit seiner Zunge klicken, sodass er den Blick wieder nach vorne richtete.

„Kirima…ist das deine Art mit uns zu kooperieren?“, fragte er und wandte den Blick nach oben.

„Keine Angst. Ich werde nicht mehr lange im Weg stehen. Das Feld ist mir zu offen geworden.“

Shizuo runzelte erneut die Stirn und kam nicht hinterher, worum es überhaupt in den Gesprächen ging. Das einzige was ihm wichtig war, ist Kasuka.

Dieser war immer noch still, versuchte sein Gleichgewicht auf seinem gesunden Bein zu halten und gleichzeitig keine Schmerzenslaute von sich zu geben.

„Zu offen? Wohl eher zu eng, wenn du mich fragst.“, kam es wieder von Izaya, der grinsend den Kopf schief legte.

Antonios strenge Augen verengten sich, während er den Floh dunkel anstierte. Der Floh wusste wohl mal wieder irgendetwas, dass dem Mafia Boss nicht zu gefallen schien.

„Oi, ‘Tonio, brauchst du Hilfe?“, neckte wohl Mori von weiter hinten, der gerade den letzten der noch stehenden Männern am Kragen in der Luft hielt. Es wirklich gut.

Es vergingen ein paar Sekunden, bevor Antonio geschlagen seufzte.

„Bleib in Bereitschaft.“

Eine stumpfe Anweisung, die einfach nur kalt klang und auch ein wenig genervt.

„Orihara-san. Ich denke die Zeit ist überreif. Ich komme ungerne zu spät – vor allem bei eigenen Meetings.“ Es lag irgendeine plötzliche Gefahr in der Luft, die Shizuo eine Gänsehaut bescherte.

Dann, ganz plötzlich schleuderte Antonio Kasuka auf den Boden hinter sich und streckte die Waffe erneut in seine Richtung.

„Dann bringt mir die Geisel auch nichts mehr. Wir müssen, das Ganze wohl anders regeln, Orihara-san.“

Shizuos Augen weiteten sich.

Er wollte was sagen, doch es kam nichts kam aus seinem Munde. Wenn er jetzt nicht reagierte, wenn sie jetzt nichts unternahmen, dann würde Kasuka wirklich…

Doch bevor Shizuo einen Fuß nach vorne setzen konnte, stellte Izaya sich vor ihn und blickte nach oben. Seine dünne Statur war auf einmal wie eine Wand und es hinderte Shizuo daran, nach vorne zu stürmen.

„Kirima!“

Izayas Stimme war laut und durchbrach Shizuos Trance. Der gerufene Mann zischte erst, doch reagierte schließlich, als er etwas hinunter in Izayas Hände warf.

Das Gerät wurde gefangen, während der Floh grinsend darauf herum tippte.

„Antonio-san…ich würde mir überlegen, ob sie Ihren Befehl wirklich ausführen wollen…“, begann Izaya und das ließ Antonio wiederrum umdrehen. Es war ein Wunder, dass er sich überhaupt noch von Izayas dummen Geschwätz aufhalten ließ, wo er doch so oft versucht hatte, ihn davon abzuhalten Kasuka irgendwas anzutun. Aber er tat es.

Anscheinend wusste er, dass man auch ihn erpressen konnte. Shizuo konnte in seinem neutralen Blick für eine Sekunde Überraschung sehen, als er Izaya anstarrte.

Denn jeder Mensch hatte eine Schwachstelle.

Jeder war bestechlich, wie man so schön sagte.

Und bei ihm selbst war diese Schwachstelle Kasuka.

Kasuka.

Kasuka

Plötzlich begriff er.

Shizuo verstand erst jetzt, dass Izaya ihm wirklich half.

Ihm versuchte Kasuka wieder zu bringen.

Ihn zu retten.

Verblüfft über seine Erleuchtung blickte er den Floh an. Sein grinsendes Gesicht zeugte nicht von Mitgefühl oder sonstigen Emotionen. Sondern eher wie der listige Floh, den er kannte…und dennoch…

War das wirklich der miese Bastard, den er kannte?

„Denn ich glaube, dass es immerhin eine Person gibt, die Ihnen wichtig ist.“, sprach Izaya schließlich und das Handy in seiner Hand wurde herumgedreht, sodass Antonio etwas sehen konnte. Shizuo konnte plötzlich Gekreische hören, vermischt mit einer weiblichen Kinderstimme.

„Papa! Papa! Bitte hilf mir, bitte! Papa! Wo bist du…? Papa!“

Ein kleines Mädchen - das nicht älter als 7 sein konnte - rief unter Tränen nach ihrem Vater. Dafür brauchte Shizuo nicht einmal das Video sehen. Trotz der Situation in der sich sein eigener Bruder befand, fand er die Art des Flohs nicht in Ordnung. Auch wenn das momentan die einzige Lösung war, die der listige Bastard im Ärmel hatte.

„Papa…! Papa!“

Das Geschrei ging unaufhörlich weiter, erfüllte die große Lagerhalle.

Antonios dunkle Augen waren eiskalt, als er vom Bildschirm des Handys hochblickte und den Informanten allein mit seinem Blick wohl töten wollte.

„Sie haben die Wahl, Antonio-san. Sie wussten doch, auf was Sie sich einlassen in diesem Spiel, oder nicht? Sie haben meinen Deal ausgeschlagen, bevor ich ihn Ihnen überhaupt präsentieren konnte.“, erklärte Izaya weiter, bevor das Handy in seine Plüschjacke sinken ließ.

Das Geschrei hörte auf und Shizuo musste innerlich schlucken.

Der Floh war ein Bastard, fies und gemein, doch das war absolut an seinen Grenzen. Würde es nicht um Kasuka gehen - den Antonio hat entführen lassen - hätte er den Floh dafür schon längst in Grund und Boden gerammt.

Deshalb blieb er vorerst still, starrte angespannt zwischen Izaya und Antonio hin und her. Dabei blickte er auch kurz zu Mori, der jedoch grinsend blieb, wo er war. Er schien den Befehl sich nicht einzumischen, ernst zu nehmen.

„Also ich würde ihnen nun einen Deal vorschlagen, wenn-“

Der Knall war laut und völlig unvorhersehbar.

Er zwang eine Stille hervor, die in gefühlter Slow Motion an ihnen vorbei ging. Izaya wurde in seinem Wortfluss gestoppt, und betrachtete mit geweiteten Augen die Szene, die sich gerade vor ihm abgespielt hatte.

Ein Schrei wollte seinen Körper verlassen, doch aus Shizuos Munde kam einfach nichts.

Kasuka…

Kasuka!

Schock brach unter ihnen aus und selbst Izaya sprach nicht.

Der Schuss aus Antonios Waffe traf direkt Kasukas anderes Bein, der die ganze Zeit schon vor Schmerzen schrie – was erst jetzt von den beiden wahrgenommen wurde, als sie die Fähigkeit zurück erlangten, überhaupt zu blinzeln.

„Dieses Video bedeutet mir rein gar nichts, Orihara-san. Mit solchen Lappalien können Sie mich nicht bestechen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Oh man.

Tut mir Leid, dass ihr so lange warten musstet.
Aber hier ist ein neues Kapitel.
Ein sehr langes dazu.
((Ich hab mir Mühe gegeben....oder so))

Spiele momentan Final Fantasy X HD Remaster zuende und watche Hunter x Hunter. Beides fesselt mich momentan schon fast krankhaft an den Laptop. Ich muss aufpassen, dass ich es nicht übertreibe haha.

Aber diese Fanfiction wird nicht vergessen!
Sonst gäbe es dieses Kapitel nun auch nicht.

Danke für's Lesen (und danke für die Geduld wwwww)
Bis zum nächsten Mal! _(:3 」∠)_ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mika-cha
2016-07-19T19:37:37+00:00 19.07.2016 21:37
Omg, ich habe gar nicht gemerkt, dass das neue Kapitel schon raus ist? (obwohl das immer auf meiner Startseite steht xD?)

Komisch - aber jetzt habe ich es ja gelesen :DDD
Und ich fand es natürlich gut ;) Ich weiss jetzt auch nicht so recht, was ich weiter dazu sagen soll, in den letzten Kommentare stand schon alles positive über dich drin ;)

Tolles Kapitel!

LG
Mika♥
Antwort von: minowari
20.07.2016 17:31
Ich war mir nun auch ehrlich gesagt nicht sicher, ob du nun ein Kapitel übersehen hattest oder nicht, da du sonst (fast) immer kommentiert hast orz //'D

Du musst ja nicht nur das Positive hervorheben (auch wenn mich das sehr freut), vielleicht hast du ja auch etwas Negatives anzumerken? Hilft mir natürlich, mich zu verbessern ;)

Ansonsten freu ich mich gerne über Theorien zu meiner Story und eigene Ansichtsweisen - alles! Schreib ruhig das, was du denkst oder was du komisch findest, wenn du Lust hast. :)

Danke für's Kommentieren!
LG ♥


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