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Be my drug

and stun me
von

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Rush Hour

Der Automat gab ein gurgelndes Geräusch von sich, das klang, als ob das Teil selbst am Verrotten war. Shizuo trat noch einmal dagegen, dieses Mal so wuchtig, dass sich schon eine große Delle bildete. Verärgert fischte sich der Blondschopf das Getränk, das er nun auch wirklich haben wollte. Er riss das Papier von dem Strohhalm, ehe er ihn wütend in die Öffnung pikste.

Scheiß Automat.

Da zahlte er sogar für sein Getränk und nicht mal einen Pieps gab das Teil von sich.

Natürlich.

Es war noch früher Morgen, die Sonne war gerade erst aufgegangen und ausnahmsweise wirkte Ikebukuro mal so, als ob die ganze Stadt noch am Schlafen war. Er nahm einen großen Schluck von seiner Erdbeermilch. Er seufzte.

Die Nacht hatte er schlussendlich bei Tom verbracht, auch wenn es wirklich das Peinlichste war, was er je getan hatte. Denn es war leider so, dass er Tom und seine Freundin bei gewissen nächtlichen Aktivitäten gestört hatte, was man Tom mit seinem hochroten Kopf sofort ansehen konnte, als er ihm mitten in der Nacht die Tür geöffnet hatte.

Nach einigen Erklärungen hin und her, durfte er es sich schließlich auf der Couch gemütlich machen und das war vollkommen okay. Mehr wollte er gar nicht. Eigentlich wollte er sogar wieder gehen, doch Tom bestand darauf, dass er bleiben sollte.

Auch wenn er seinen Chef wohl völlig überrumpelt hatte in der Nacht, schien er sich doch Sorgen gemacht zu haben. Der Mann mit den Dreadlocks hatte ihm sogar eine Dusche und ein morgendliches Frühstück angeboten, was der Blondschopf nach einigem Hin und Her protestieren nicht ausschlagen konnte. Nun ja, nach der schnellen Dusche war er flugs aus der Wohnung verschwunden. Er wollte den beiden Turteltäubchen nicht noch länger auf die Nerven gehen.

Shizuo seufzte, lief weiter die Straße hinunter, Richtung Zentrum. Wie dringend er gerade eine Zigarette rauchen wollte, konnte ihm keiner in Worte fassen…

Plötzlich lenkte ihn ein Klingeln ab und genervt stellte er fest, dass es sein Handy war. Mit einem dunklen Gesichtsausdruck klappte er es auf. Aber beim Anblick der Nummer des Anrufers war der genervte Ausdruck in seinem Gesicht wie weg gewischt. Kasuka.

„Ja?“

„Wo bist du gerade?“ Ein kreischendes Nervenbündel von Fans war im Hintergrund zu hören, und selbst Shizuo wusste, dass sein Bruder eigentlich gerade keine Zeit hatte, um zu telefonieren.

„Unterwegs. Was ist los?“

„Ich weiß über deine Lage Bescheid.“, sagte er in seiner ruhigen Stimme, völlig unerwartet, so als ob er es schon die ganze Zeit gewusst hatte. „Brauchst du eine Wohnung?“

Woher wusste er davon? Hatte er etwa Kontakt mit Izaya? Oder hatte er gar ganz andere Quellen...? Manchmal bescherte ihm sein Bruder eine Gänsehaut...

„Ich komme schon klar.“, erwiderte Shizuo schließlich und wollte seinem Bruder nicht zeigen, wie sehr er eigentlich gerade in Not war.

„Und wo wohnst du dann?“, fragte Kasuka und Shizuo war drauf und dran zu zischen. Eigentlich hasste er es seinen Bruder anzulügen, aber dies war ein Notfall. Er wollte ihm nicht noch mehr Sorgen bereiten, als nötig.

„Bei einem Bekannten...“, log er schließlich und hoffte, dass sein Bruder nicht weiter nachhaken würde.

„Bei einem Bekannten also…“, wiederholte sein Bruder murmelnd und man hörte, wie das Gekreische etwas gedämpfter wirkte und man das Zuschlagen einer Autotür hören konnte.

„Ich kann dir auch ein kleines Haus kaufen wenn du-“

„Vergiss es.“, unterbrach Shizuo ihn barsch und er hörte seinen Bruder am anderen Ende der Leitung seufzen. Egal, was er ihm anbot, Shizuo schlug es sofort aus. Ihm reichte eine kleine Mietwohnung. Als Grund hatte er immer seine monströse Kraft genannt, denn er sei nicht sicher ob es gut wäre, wenn er die Wohnung, die sein Bruder im finanziert hat, aus Versehen zerstören würde (aus welchen Gründen auch immer). Außerdem wollte er seinem jüngeren Bruder nicht zur Last fallen.

„Deine Sachen wurden übrigens zu mir gebracht. Der Fahrer meinte, du hättest deine Miete nicht gezahlt?“ Auch wenn der Satz vorwurfsvoll klang, wusste Shizuo, dass sein jüngerer Bruder es nicht so meinte. Es war nur seine Art die Dinge zu erfragen, die er wissen wollte. Doch Shizuo wollte gerade mit niemanden darüber sprechen.

„Ich komm demnächst vorbei.“ Und Kasuka wusste sofort, dass damit das Gespräch beendet war.

„Shizuo“, sagte sein Bruder noch, aber der Blondschopf hatte bereits aufgelegt. Shizuo fragte sich manchmal wirklich, wer von den beiden nun der ältere Bruder war…

Er sollte einfach mal bei seiner Wohnung vorbei schauen. Vielleicht konnte er doch dort einbrechen.

Tch.

Sollten sie doch sehen was sie davon hatten.

Mit einer miserablen Laune machte sich der ehemalige Bartender auf den Weg und glücklicherweise brachte er niemanden auf den Weg dorthin um…

Als seine kleine Mietswohnung in Sicht kam, durchströmte ihn ein Gefühl der Nostalgie. Fast, als ob er seit Ewigkeiten nicht mehr dort gewesen war. Dabei war es gerade mal zwei Tage her...

Shizuo wollte gerade den Treppenabsatz hinauf steigen, als er hinter sich eine helle Stimme vernahm.

„Kann ich dir helfen?“ Überrascht, dass ihn jemand ansprach, wirbelte er herum und blickte sich Auge um Auge mit einer jungen Frau. Sie mochte nicht viel älter sein als er, zumindest sagten das ihre Gesichtszüge. Ihre blonden Haare fielen ihr unwirsch ins Gesicht, während sie einen größeren Karton in ihren Armen festhielt. Sie versuchte ihn zu balancieren, während sie langsam die Stufen hinaufstieg.

„Wohl eher brauchst du doch Hilfe.“, erwiderte Shizuo, als er ihr den schweren Karton ohne weitere Worte abnahm, bevor dieser hinunter auf den Boden fallen konnte. Dass er sie duzte, schien die fremde Dame nicht zu stören.

„Ah, dankeschön.“, sagte sie ein wenig außer Atem. „Ich bin gerade dabei hier einzuziehen.“

Das saß.

Es traf ihn wie ein Schlag und eigentlich hätte es ihm schon bei dem großen Umzugskarton auffallen müssen. Warum? Wie konnte es sein, dass nur zwei Tage später schon jemand Neues in seine Wohnung einzog? Da stimmte doch was nicht.

„Ich bin übrigens Miya. Und du bist…?“, fragte sie weiter, als Shizuo vor Überraschung nichts heraus brachte. Sie wollte also gleich direkt mit dem Vornamen angesprochen werden? Was für eine komische Art und Weise sich vorzustellen…

„Shizuo Heiwajima.“, sagte er lediglich und stellte den Karton vor der Haustür ab. Das kann doch alles nicht wahr sein… was wird hier gespielt?

„Also, Shizuo…was machst du hier?“ Die blonde Frau trat an seine Seite und holte einen Schlüssel hervor. Hätte Shizuo mehr auf ihr Verhalten geachtet, wären ihm gleich ihre verengten Augen, sowie der schlagartige Fall ihrer Stimme aufgefallen. Doch seine Aufmerksamkeit wurde auf das klimpernde Geräusch in Miyas Hand gelenkt. Seine Schlüssel! Die Schlüssel, die er vor zwei Tagen noch in den eigenen Händen gehalten hatte.

„Wer?“, verlangte Shizuo zu wissen, doch die junge Frau reagierte nicht, sondern schloss schroff die Haustür auf. Ohne ein weiteres Wort betrat sie die Wohnung, während Shizuo ihr folgte, weil es ihm wohl noch instinktiv in den Knochen steckte. „Wer?“, wiederholte er.

„Es ist unhöflich auf eine Frage mit einer Frage zu antworten.“, erwiderte sie spitz und ihr Blick war plötzlich eiskalt. Shizuo zischte leise. Ihre blauen Augen hatten einen leicht violetten Stich und es wirkte dadurch nur noch bedrohlicher. Etwas war faul. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Es war nicht normal, dass man fremde Leute einfach in die Wohnung ließ. Vor allem nicht, wenn man gerade erst noch einzieht…

„Wer hat gesagt, dass du hier einziehen darfst?“, fragte Shizuo nun direkt und starrte in ihre seltsamen Augen. Sie legte den Kopf schief und lachte kurz.

„Wieso interessiert dich das?“, erwiderte sie und die Kälte in ihrer Stimme schien immer weiter zuzunehmen. Shizuo verengte die Augen.

„Weil das hier meine Wohnung ist.“, zischte er wütend und ballte die Fäuste. Doch Miya wirkte weiterhin unbeeindruckt.

„Sehr witzig. Kannst du das beweisen?“ Gelangweilt machte sie sich daran den schweren Umzugskarton vom Flur ins Wohnzimmer zu schieben. Shizuo blieb stehen.

Beweisen?

Ja natürlich. Er hatte doch den Mietvertrag noch in seinen Unterlagen. Schließlich hatte er keine offizielle Kündigung bekommen. Es waren nur diese Leute gewesen, die ihm den Schlüssel und seine Möbel nahmen, mit der Andeutung, dass er hier nicht mehr wohnen könnte, wenn er nicht zahlte. Angeblich im Auftrag seines Vermieters - Mr. Kirima - weshalb Shizuo keinen Aufstand gemacht hatte. Aber Moment…der Vertrag war in seinen Unterlagen und die waren…im Moment bei Kasuka.

Shizuo fuhr hektisch aus seinen Gedanken, fokussierte seinen Blick wieder auf die blonde Frau, die ihn weiterhin seltsam musterte. Er würde hier so nicht weiterkommen…

„Tch. Ich komme wieder.“, fuhr er sie an, ehe er sich umdrehte und wütend durch die Tür trat. Er wartete nicht ab, als sie ihm irgendwas hinterher rief. In eiligen Schritten überquerte er die Straße und blieb erst stehen, als er sich beim Bahnhof wieder fand.

Er seufzte. Er konnte nicht einfach so bei Kasuka auftauchen. Leute würden sich fragen, was Shizuo Heiwajima, stärkster Mann in Ikebukuro, mit dem TV-Star Yuhei Hanejima zu tun hatte. Denn nur eine Handvoll Leute wussten davon, dass sein wirklicher Name Kasuka Heiwajima und Shizuo sein älterer Bruder war. Darunter auch sein Vermieter, der wohl die Sachen zu seinem jüngeren Bruder hat schicken lassen. Wobei Shizuo dieser ganzen Sache immer noch misstrauisch gegenüber stand.

Der ehemalige Bartender trat auf die Rolltreppe, die langsam in den Untergrund fuhr. Mit der U-Bahn würde es deutlich schneller gehen, als wenn er zu Fuß laufen würde. Die Leute hielten nämlich selbst auf der Rolltreppe ihren Abstand, sodass Shizuo in einem personenreichen Gedränge wie hier, seine Freiheit hatte.

Unten angekommen begrüßte ihn die Masse von Ikebukuro. Lautes Gebrabbel war von überall zu hören und es fühlte sich an, als sei er mitten in einem Konzert. Shizuo versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren, denn es war sogar noch voller als sonst.

Er blickte auf die Uhr über einem Kiosk und stellte fest, dass es kurz nach Mittag war. Kein Wunder. Es war Rush Hour, da viele Leute Mittagspause hatten und manche sogar deswegen nach Hause fuhren.

Als Shizuo so darüber nachdachte, begann sein Magen auch zu knurren. Einige Zeit später - es waren gerade mal fünf Minuten -

hatte er ein Brötchen in der Hand, dass er sich beim Kiosk gekauft hatte. Es würde den Hunger zwar nur kurz stillen, aber immerhin besser als nichts.

Er bewegte sich zu der U-Bahn Linie, die ihn zu Kasukas Hotel bringen würde und platzierte sich hinter den wartenden Leuten. Noch zwei Minuten.

Shizuos Blick schweifte umher und er betrachtete die obdachlosen Menschen in der hinteren Ecke. Hoffentlich würde er nicht auch so enden…

Der starke Luftzug der plötzlich auftauchte, kündigte die U-Bahn an, welche mit Tempo hinein gebraust kam. Schon beim Vorbeisausen konnte Shizuo sehen, wie voll dieser Waggon war. Und in den hinteren Abteilen sah es nicht besser aus.

Genervt seufzte er, als er sah, wie sich die Leute schon knapp am Rande der Tür hinstellen mussten, um überhaupt noch reinzupassen.

Nein. Definitiv zu voll.

Und damit entschied er noch weitere zehn Minuten auf die nächste Bahn zu warten; in der Hoffnung, sie wäre nicht so voll wie diese hier. Aber auch die nächste sah nicht viel besser aus. Shizuo seufzte abermals. Warum war er überhaupt auf die Idee gekommen mit der U-Bahn zu fahren?

Er beeilte sich in den Waggon zu kommen, der zwar leerer war, aber nicht so leer, als dass man seinen persönlichen Freiraum hatte. Hier nutzte ihm auch sein Bekanntheitsgrad nichts. Es gab keinen Platz wohin die Leute flüchten könnten. Wohl oder übel musste Shizuo am äußeren Ende nahe der Tür stehen, wo gegenüber von ihm ein großer Mann stand, der ihm seinen Atem quasi in den Nacken hauchte. Er wollte sich schon beschweren, ließ es aber sein, bevor er mitten in der U-Bahn noch einen Wutausbruch bekommen würde.

Er starrte nachdenklich aus der Tür, ließ seinen Blick schweifen, bis er plötzlich in der Menschenmenge etwas schwarzes, schnell Huschendes entdeckte. Shizuo schärfte den Blick und versuchte es zu verfolgen. Blitzartig kam es immer näher und er erkannte eine Person.

Eine ganz bestimmte Person.

Das Piepen der Maschine klingelte in seinen Ohren und kündigte an, dass die U-Bahn Türen jeden Moment schließen würden. Was-

Bevor er realisieren konnte was er vorhatte, war der Mann bereits flink hinein gesprungen, seine schwarze Jacke fast von der Tür eingeklemmt. Er schlitterte dabei beinahe gegen den großen Mann hinter Shizuo, doch konnte sich noch rechtzeitig fangen.

„Puh, das war knapp.“, sagte der Nachzügler und grinste über beide Ohren. Er wuselte durch seine schwarzen Haare, während er lässig seine Hände in die Jackentaschen stopfte. Shizuo starrte mit geweiteten Augen auf ihn herab. Das durfte doch nicht wahr sein…

Die U-Bahn begann sich zu bewegen und er entschied sich, ihn einfach zu ignorieren. Leider war das so gut wie unmöglich. Vor allem wenn dieser Floh direkt neben ihm stand.

„Shizu-chan?“ Zu seinem Unglück schien Izaya ihn sogar noch entdeckt zu haben. „Was machst du denn in der-“ Der andere konnte seinen Satz nicht beenden, als die U-Bahn einen Satz nach links machte und er begann zu taumeln. Mehrere Leute schienen sich nicht richtig festgehalten zu haben, stolperten und rempelten dabei andere Leute an. Auch Shizuo wurde gegen die Wand neben der Tür gedrückt, der große Mann direkt neben ihm. Shizuo sah, dass der Floh sich noch an eine der Stangen festhalten konnte, bevor die Bahn in die Kurve gefahren war. Warum musste er auch ausgerechnet hier einsteigen, vor allem in letzter Sekunde? Wäre er man doch in die erste Bahn gestiegen…

Gerade als sich alle von dem heftigen Stoß erholt zu haben schienen, gab es noch einen weiteren. Und wieder wirbelten Menschen in der Enge umher, Shizuo hielt sich weiterhin hartnäckig irgendwie an der Wand fest. Mehrere Leute fielen gegen seine Seite und seine Nerven wurden immer mehr strapaziert. Hatte der Fahrer etwa was getrunken oder fuhr er heute mal extra schnell?

Als es sich abermals beruhigt hatte, konnte man wieder normal stehen. Doch als Shizuo sich aufrichten wollte, merkte er, dass noch immer jemand gegen ihn gedrückt wurde. Und nicht nur irgendjemand.

Dieser nervige Bastard höchstpersönlich.
 

♔ ♕
 

Sie hoben sofort die Köpfe, als sie ein amüsiertes Pfeifen hörten. Eigentlich ging es in dem lauten Trubel unter, der hier herrschte, doch die drei Männer kannten dieses Geräusch so gut, dass sie es überall hören würden. Vor allem wenn es so nahe war.

Einer von ihnen grinste schäbig, entblößte dabei seine kaputten Zähne. Mit der von Narben überzogenen Hand rieb er sich kurz über seinen ungepflegten Bart und richtete seine spärlichen Klamotten. Dann legte er seine Hände ineinander.

„Eine kleine Spende für die Armen…bitte…“, sagte er nun etwas lauter als üblich und es lenkte die Aufmerksamkeit eines bestimmten Mannes zu ihnen. Unter seinem traurigen Blick lag etwas viel Raffinierteres, etwas Hinterlistiges. Und genau das war es, was Izaya zu ihnen trieb. Denn dieser Blick sagte ihm, dass sie was für ihn hatten. Etwas was nur für ihn bestimmt war.

Der Informant schlenderte unbekümmert zu den Obdachlosen in die Ecke, grinste ihnen schon entgegen, mit einem Gefühl der Vorfreude.

„Ich hab nicht viel, aber ich hoffe es hilft.“, sagte Izaya so neutral wie möglich, legte dem Mann unauffällig ein Geldbündel in seine offene Hand. Schon fast blitzartig verschwand dieses in dem Ärmel des Obdachlosen, bevor dieser dafür etwas anderes hervorholte und es genauso schnell in Izayas Hand drückte. „Haben Sie vielen Dank.“ Der ärmliche Mann drückte den Kopf auf den Boden, als ein Zeichen seiner Dankbarkeit.

Izaya lachte kurz, als er den Zettel in seine Jackentasche steckte. So erbärmlich und lächerlich die Männer hier aussahen, so war es genau das Gegenteil. Sie waren nicht nur raffiniert und geschickt, sie waren auch noch gute Schauspieler.

Der Informant ließ seinen Blick nochmal zu ihnen schweifen, sah gerade, wie der Mann sich von seiner Verbeugung aufrichtete. Ihre Blicke trafen sich und Izaya konnte es funkeln sehen. Das würde interessant werden.

Er kannte ihn schon länger. Seit geraumer Zeit arbeiteten sie nun zusammen und für den Informanten war es eine unermessliche Informationsquelle. Eine der besten um genau zu sein. Und er kannte diesen Menschen und seine genauen Verhaltensweisen; immerhin war es Izayas Fachgebiet. Dieser Mann war ein Profi, ein Meister seines Faches. Er machte nie Fehler. Und wenn er diesen funkelnden Blick drauf hatte, ahnte Izaya schon, dass er mit dieser Information etwas Größeres auslösen könnte. Und gerade das machte es so spannend.

Izaya grinste gut gelaunt, wandte sich um und lief in die Richtung des Kiosks. Doch sobald ihm einfiel weshalb er eigentlich hier war, sank seine Laune wieder in den Keller. Er hatte eine Verabredung mit einem seiner Klienten, einer älteren Dame. Angeblich glaubte sie, ihr Mann würde sie betrügen. Immer diese üblichen Dinge, die man schon von weitem aufklären konnte…

Das Gespräch mit ihr verlief eher schlecht. Schlecht in dem Sinne, dass es wirklich ein Fall der langweiligen Sorte war, und es ihm nach drei Minuten schon auf die Nerven ging. Und diese Frau hatte eine ganz seltsame Art an sich, die Izaya besonders aufregte. Unterhaltsam war etwas anderes. Der Mann mit dem Plüschmantel hatte sich gerade von der korpulenten Frau verabschiedet und schaute auf sein Handy. Wenn er sich beeilte, könnte er noch seine Linie bekommen.

Er musste nämlich noch zu einem anderen Klienten, der darauf bestanden hatte, gleich heute noch mit ihm zu sprechen. Sowas blödes. Hoffentlich war es zur Abwechslung mal was Interessantes.

Izaya begann zu laufen, schlängelte sich zwischen die Leute hindurch und schien dabei nicht einen einzigen zu berühren. Nach all dem langen Hin und Her zwischen ihm und Shizuo war er inzwischen mehr als geübt, in Plätzen wie diesen, schnell voran zu kommen.

Trotzdem hatte selbst er heute Probleme, sich durch die riesigen Massen zu winden. Es war nun mal Rush Hour. Und irgendwie schienen alle nur ein einzigen Gedanken zu haben: Hauptsache ich komme pünktlich! Und dementsprechend verhielten sich die Leute auch. Als der Informant schließlich die Rolltreppen hinunter hastete, sah er schon von oben her die U-Bahn.

Mist!

Er hetzte noch schneller, sprang schon fast über die Leute hinweg, während er versuchte nicht die Balance zu verlieren. Die Tür war noch offen! Auf die letzte Sekunde – und das wirklich buchstäblich – schaffte er es noch in den Waggon.

„Puh, das war knapp.“, murmelte er und begann zu grinsen. Das Piepen der Türen klingelte noch in seinen Ohren und erinnerte ihn daran, dass er knapp seinem „Tod“ entkommen war. Zu Tode gequetscht von einer U-Bahn Tür, das klang nicht gerade schön. So wollte er nicht in der Zeitung landen.

Izaya blickte um sich und merkte, dass es auch hier nur so von Leuten wimmelte. Alle Sitzplätze belegt – was eigentlich schon relativ normal war – und viele Leute am Stehen. Teilweise Körper an Körper. Nun ja, es gab schließlich Schlimmeres.

Die U-Bahn geriet in Bewegung und Izayas Blick schweifte zur Seite. Seine Augen weiteten sich kurz, ehe sich ein schiefes Grinsen auf sein Gesicht schlich.

„Shizu-chan? Was machst du denn in der-“ Der schwarzhaarige Mann stoppte, als eine starke Kurve die U-Bahn zum Erschüttern brachte. Die Leute wirbelten umher und der Informant lachte, wie sie sich gegenseitig umschmissen. Er selbst konnte sich noch an einer der Stangen festhalten, sodass er das Durcheinander einigermaßen gut überstand. Glück gehabt.

Er seufzte und wollte sich wieder Shizuo widmen, doch es kam eine weitere Erschütterung und brachte die Leute zum Stolpern. Doch dieses Mal hatte der Informant wohl oder übel Pech, als er keinen Halt fand und von anderen Menschen umher gedrückt wurde.

Als sich der ganze Tumult wieder beruhigte, fand er sich an jemandes Brust wieder.

Oh.

Er kannte diesen Stoff, dieses Outfit. Schließlich hatte er es selbst tausende Male aufgeschlitzt. Das war nicht gut, gar nicht gut. Izaya rang sich zu einem Grinsen, während er langsam hochblickte.

„Was für eine wilde Fahrt, was?“, sagte er ausweichend und neckisch zugleich, doch Shizuos braune Augen funkelten wütend, während er den Informanten seltsam musterte.

„Izaya.“, zischte er, sein Gesicht vor Ärgernis rot angelaufen, wahrscheinlich hatte er heute schon genug Strapazen hinter sich. Einige der Leute blickten sich zu ihnen um, als sie den bekannten Namen hörten, der nur aus Shizuos Munde so böse gespuckt werden konnte. Automatisch versuchten die Menschen sich von ihnen wegzudrängen, aber da war einfach kein Platz.

Es wäre nicht gut, wenn sie hier in diesem Gedränge einen Kampf anfangen würden. Vor allem hatte der Informant so gut wie keine Möglichkeit zu entkommen. Der Waggon hatte schließlich irgendwann ein Ende und das gefiel Izaya gar nicht.

Seine Hand fand ihren Weg in seine Jackentasche und er umklammerte schnell seine Waffe. Auf engstem Raum - zusammen mit dem stärksten Mann von Ikebukuro wohlgemerkt - war das sicherlich angebracht.

„Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich nicht mehr in Ikebukuro blicken lassen, du miese Ratte!“ Shizuos Stimme wurde lauter und der Informant wusste, dass der Blondschopf noch angespannter war, als sonst.

„Das sagst du doch immer, Shizu-chan.“, erwiderte der andere gelangweilt auf die inzwischen als leere Drohung angesehene Warnung.

Izaya wich soweit es ging nach hinten aus, was eigentlich nur ein paar Zentimeter waren und prallte dabei an den Rücken eines großen Mannes. Shizuos Körperhaltung verriet nur zu deutlich, dass er es einfach nicht ab konnte, dass er hier mit dem Informanten auf so engem Raum eingesperrt war.

Instinktiv folgte er dem Floh, wobei der Informant wegen des großen Mannes, keinen Schritt mehr zurückweichen konnte.

Aber bevor der Blondschopf seine Faust anheben konnte, kam die U-Bahn plötzlich zu einem Halt. Beide Männer hielten inne und starrten zur Tür. Izaya dachte an seine Flucht, doch gab es sofort auf, als er sah, dass es keine Möglichkeit gab hier so schnell rauszukommen.

Noch mehr Menschen drängten sich in den Waggon, wenn das überhaupt noch möglich war. Die anderen, die aussteigen wollte, wurden sogar teilweise nicht durch gelassen.

Menschen drängten sich zu ihnen, interessierten sich wohl auch nicht dafür, dass die zwei Erzfeinde kurz davor waren sich einen Kampf zu liefern.

Zwei Jugendliche mit ihren Headphones quetschten sich in ihre Ecke, drückten Shizuo noch näher an den Informanten heran. Instinktiv stützte dieser seine Hände an der Wand ab, bevor er noch näher an Izaya heran rutschen konnte. Mit wilden Augen schaute Shizuo um sich, so als ob gleich der nächste Mensch an sie heran stoßen würde.

„Hast du etwa Platzangst?“, fragte Izaya unter ihm amüsiert und grinste schelmisch zu ihm hoch. Seine braunen Augen flogen zu ihm und nun sah Izaya ganz deutlich, dass es eher genau das Gegenteil war.

„Pah, ich bin kurz davor dir und diesem Idioten neben mir den Schädel einzuhauen…“, zischte Shizuo beherrscht und Izaya sah genau wieso. Der Typ schien mit seiner ohrenbetäubenden Musik den halben Waggon zu unterhalten und natürlich war es direkt neben Shizuo am lautesten. Izaya konnte sich trotzdem ein Kichern nicht verkneifen.

„Lass es lieber, Shizu-chan, es wäre unglücklich hier einen Kampf anzufangen.“

„Aber bei dir ist das eine Ausnahme.“, sagte Shizuo unmittelbar, während er kalt grinste und mit der Hand nach seinem Shirt griff. Izaya fühlte doch eine gewisse Unsicherheit aufkommen, da es für ihn keine Fluchtmöglichkeit gab. Sein Körper wurde ein wenig angehoben und gewaltsam gegen die Wand hinter ihm gedrückt.

„Ich warne dich, lass es lieber…“, wiederholte der Informant, während er blitzartig eines seiner Taschenmesser an Shizuos Hals drückte. „Wie schon gesagt, es wäre doch schade, wenn du in einer U-Bahn zugrunde gehen würdest. Kein schönes Ende für dich, ne, Shizu-chan?“, fuhr der der andere grinsend fort, während Shizuo wütend knurrte.

„Du hast immer noch meine Zigaretten, du Bastard.“, lenkte der Blondschopf das Gespräch plötzlich in eine völlig andere Richtung. Shizuo schien zu wissen, dass Izaya es nicht wagen würde, ihn vor Augen so vieler Zeugen zu verletzen. Aber genauso wusste Izaya, dass auch Shizuo keinen richtigen Kampf anfangen würde, einfach aus dem Grunde, keine Unschuldigen verletzen zu wollen. Sie starrten sich eine Weile fokussiert an, bis es schließlich passierte.

Ein weiterer Ruck ging durch die U-Bahn, wodurch einige Passagiere erneut ihre Balance verloren. Einer davon stieß gegen Shizuo, welcher dadurch unglücklicherweise nach vorne kippte.

Die beiden Erzfeinde gerieten abermals aneinander, doch dieses Mal auf eine ganz andere Weise als vorher.

Izayas Augen weiteten sich, als er Shizuos Atem plötzlich an seinem Nacken spüren konnte. Dessen Gesicht verbarg sich unmittelbar in Izayas Haaren, während ihre Körper auf skurrile Art und Weise aneinander klebten. Es ließ eine seltsame Spannung zwischen den beiden Männern aufkommen, auf die beide nicht zu reagieren wussten.

Izaya spürte, wie ihm die Farbe ins Gesicht schoss, als Shizuo tief einatmete und wieder ausatmete. Warmer Atem strich ihm über seinen Nacken und eine Gänsehaut fuhr ihm den Rücken hinunter. Izaya befahl seinem Körper etwas zu tun. Sich irgendwie zu bewegen, doch nichts geschah.

Bevor noch weiteres passieren konnte, schien Shizuo selbst zu realisieren, das etwas hier ganz und gar nicht so laufen sollte wie es gerade passierte.

Ruckartig trennte sich der Blondschopf von dem Schwarzhaarigen, rutschte soweit von ihm ab, wie es nur möglich war. Dabei kitzelten Izayas schwarze Strähnen sein Gesicht, verhedderten sich fast an seiner blauen Sonnenbrille.

Shizuo blickte irritiert zur Seite und sagte kein Wort. Ähnlich erging es Izaya und zum ersten Mal war es für ihn eine ungewohnte Situation. Dieses Monster…

Zum Glück beider Seiten stoppte die U-Bahn wieder und kam quietschend zum Stehen. Mit einem Ruck öffneten sich die Türen und eine Menge Leute drängten sich hinaus in die Freiheit.

Darunter auch Shizuo, der die Chance zum Aussteigen nutzte und sich von den Massen Ikebukuros davon tragen ließ. Izaya blickte ihm verärgert hinterher und wunderte sich, warum sein Körper ihm in diesem einen Moment einfach nicht mehr gehorchen wollte…


Nachwort zu diesem Kapitel:
...
..
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...some paths collided. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sanji
2015-01-11T20:08:33+00:00 11.01.2015 21:08
Oh man ziemlich spannend, bin mal gesannt wie es mit Shizuo weiter gehen wird, so ganz ohne Wohnung xDD
Lg Sanji
Antwort von: minowari
11.01.2015 21:52
Haha stimmt, ohne Wohnung ist es nicht so einfach~ (^∇^)
Freut mich, dass es dir gefallen hat!
Liebe Grüße~


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